Projekt:Grundschulpädagogik/Kurse/Grundlagen des Sachunterrichts/Session 4
Situationsorientierter Ansatz
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1. Das situationsorientierte Curriculum im Sachunterricht
1.1 Entstehung
- Bis 1960er Jahre: nur naturwissenschaftliche Entwürfe, keine Beiträge zu Sozialwissenschaften, Sozialkunde oder des sozialen Lernens - Suche nach sinnvollen Vorschulprogrammen - Jürgen Zimmermann entwickelt ein situationsorientiertes Curriculum
1.2 Ziele
- Kindern konkrete, auf Lebenssituationen bezogene Handlungsfähigkeit vermitteln - keine funktionale, sondern eine autonome Selbständigkeit wird angestrebt
1.3 Merkmale
1.3.1 Dreischritt:
1. Identifizierung und Analyse relevanter Lebenssituationen 2. Bestimmung von Qualifikationen zur Bewältigung der jeweiligen Situationen 3. Konstruktion von Curriculumelementen, mit deren Hilfe die entsprechenden Qualifikationen erarbeitet werden sollen
1.3.2 Auswahl der Lebenssituationen
- Keine idealtypischen, formalen Situationen, sondern konkrete, aus der kindlichen Lebenswelt stammende Situationen - Eltern, Lehrer und Kinder sind an der Auswahl beteiligt - Vorschläge: lokalgeschichtliche Vorfälle, aktuelle Gegebenheiten mit lebensgeschichtlicher Bedeutsamkeit für die Kinder (z.B. Geburt, Tod, Trennung, Umzug), alltägliche Vorfälle (z.B. Krankenhaus, Verlaufen, Zubettgehen)
1.3.2 Methoden
- Projekt, Spiel - Didaktische Schleifen: wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse werden eingebunden
1.4 Wissenschaftsverständnis
- Scharfe Abgrenzung zu naturwissenschaftlichen Curricula - Wissenschaftsskeptisch, teilweise sogar anti-wissenschaftlich → Wissenschaft hat häufig nichts mit Lebenspraxis und Alltag zu tun
1.5 Kritik
- Keine der jeweiligen Situationen wird sich mit den anderen zur Deckung bringen lassen → Ort, Zeit und beteiligte Personen werden immer andere sein - Generalisierende didaktische Überformung → keine Authentizität - Inhaltliche Missgriffe → Problem der Angstauslösung, Themen sind oft nicht für Grundschulkinder relevant
exemplarisch-genetisch-sokratischer Sachunterricht
[Bearbeiten]2. Der exemplarisch-genetisch-sokratische Sachunterricht
= eine aktuelle Konzeption des Sachunterrichts von Martin Wagenschein
Ziel: weniger Stofffülle, dafür vertieftes Lernen an ausgewählten, exemplarischen Inhalten mit großer Wahlfreiheit der Kinder
Übergreifende Funktionsziele: - Kinder sollen lernen, durch bestimmte Methoden und Verfahren Wissen zu erzeugen und Probleme zu erschließen - Ausdenken und Ausführen von Versuchen incl. Auswertung - Kinder erfahren, dass durch geeignete Methoden Sachverhalte intersubjektiv feststellbar sind
2.1 Merkmale:
2.1.1 Rolle der Kinder: - SU soll Kind und Wissenschaft gleichermaßen gerecht werden - Vorwissen und Erfahrungen der Kinder werden produktiv in den Lernprozess einbezogen - Kinder sollen weitgehend selbstständig lernen und soll subjektiv bedeutsam werden - Kinder sind nicht auf Belehrung angewiesen, sind selbst in der Lage naturwissenschaftliche Zusammenhänge zu verstehen - Hoher Stellenwert der schöpferischen Kräfte der Kinder - Vertrauen auf die Fähigkeiten des Kindes - Kinder verfolgen schon früh selbstständig wissenschaftliche Vorgehensweisen (z.B. Überprüfen der Wiederholbarkeit)
2.1.2 Rolle des Lehrers:
- Lehrer hat Helferfunktion, ist Moderator, ist gleichberechtigt
- L gibt Impulse, Anregungen, stellt in Frage, ermutigt…
2.1.3 Methoden:
- Entdecken, Handeln und Gespräche sollen zu verstehendem Wissen führen
- Ausgangspunkt für den Unterricht ist meist ein naturwissenschaftliches Phänomen
- Gesprächsorientiert - „sokratisch“
2.1.4 Wissenschaftsverständnis:
- unelitär
- aspekthaft-naturwissenschaftlich
- pädagogisch-didaktisch:
Wagenschein warnt vor „entpädagogisierender Wirkung“ eines reinen Fachstudiums für Lehrer Integration von Pädagogik, Didaktik und Fachwissenschaft = „genetische Metamorphose“
- kontinuitätsoptimistisch ausgerichtet (Kontinuitätsthese: kontinuierlicher Prozess des Verstehens)
2.1.4 gesellschaftlicher Kontext, pädagogisch-curriculare Aspekte
- gute Voraussetzungen für naturwissenschaftlichen SU nach „Sputnikschock“ und „Bildungskatastrophe“ ABER: Entstehung durch Grundlagen von Siegfried Thiel und weniger durch diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen - deutliche Abgrenzung von lernzielorientierten Konzepten (Speckelsen, Tütken) - Vorgehensweise spielerischer, Kind steht im Mittelpunkt ohne die Sache zu vernachlässigen