Projekt:Grundschulpädagogik/Kurse/Grundlagen des Sachunterrichts/Session 5
1. Der integrativ-mehrperspektivische Unterricht
[Bearbeiten]2. Der vielperspektivische Sachunterricht
[Bearbeiten]Der vielperspektivische Sachunterricht geht auf Arbeiten von Walter Köhnlein (1990) zurück.
2.1 Vorläuferkonzeptionen
1) Komponentenmodell nach Hartwig Fiege (1967): Ziel: Stärkung der Inhalte des Sachunterrichts und Überwindung der Vorherrschaft der erdkundlich- lebensweltlichen und volkstümlich-historisierenden Themen 2) integrativ-mehrperspektivischer Unterricht(MPU)(1975)
2.2 Anregungsfelder
1) 13 Grundsätze zur Gestaltung des alltäglichen Lebens: schulpädagogisch zugeschnittene Grundsätze, vorgeschlagen von Hartmut von Hentig 2) Epochaltypische Schlüsselprobleme von Wolfgang Klafki für den Sachunterricht: Beispiele: Frage nach Krieg und Frieden, die ökologische Frage 3) Funktionsziele des Sachunterrichts, formuliert von Walter Köhnlein: „Unter Funktionszielen sind demnach Einsichten zu verstehen, die (…) übergreifende Einstellungen und Haltungen bei den Kindern grundlegen und anbahnen.“ 4) Inhaltliche Dimensionen - Kernstück des vielperspektivischen Sachunterrichts: Lebensweltliche Bezüge Dimensionen Kind und Heimat die lebensweltliche Dimension Kind und Geschichte die historische Dimension Kind und Landschaft die geographische Dimension Kind und Wirtschaft die ökonomische Dimension Kind und soziales Umfeld die gesellschaftliche und politische Dimension Kind und physische Welt die physikalische und chemische Dimension Kind und konstruierte Welt die technische Dimension Kind und lebendige Welt die biologische Dimension Kind und Umwelt die ökologische Dimension Die Dimensionen verweisen sowohl auf fachliche Bezüge und auf den Anspruch der Sache, als auch auf die Berücksichtigung der lebensweltlichen Umstände der Kinder. → kein Bruch zwischen Kind und Sache → Vermeiden eines „abgehobenen Fachegoismus“ und einer Verfachlichung → Förderung einer multidimensionalen Sicht der Dinge → Entfaltung der ganzen inhaltlichen Vielfalt eines Themas im Sachunterricht
2.3 Didaktische Funktionen der Dimensionen
Die Dimensionen tragen zur vielperspektivischen Gestaltung des Sachunterrichts bei, denn
1) sie eröffnen vielfältige Bezüge eines Inhalts, 2) sie erschließen unterschiedliche Sichtweisen auf ein Ganzes, 3) sie helfen bei der Auswahl von Zielen und Inhalten des Sachunterrichts, 4) sie verhelfen zu einer bewussten Schwerpunktsetzung für die sachunterrichtliche Arbeit, 5) sie können (inhaltliche) Einseitigkeiten vermeiden → Keine Bevorzugung eines Faches, 6) sie vermeiden die Eindimensionalität des Sachunterrichts, 7) sie müssen nicht immer alle an einem Thema abgearbeitet werden, 8) sie verweisen auf eine curriculare Perspektive → es können Aspekte angesprochen werden, die auch in späteren Jahrgangsstufen von Bedeutung sind, 9) sie meinen auf keinen Fall eine interne fachliche Aufgliederung des Sachunterrichts, 10) sie entfalten die Vielperspektivität eines Inhalts und verweisen auf dessen Ergiebigkeit, 11) sie bringen Kind und Sache in ein produktives Verhältnis.
2.4 Weitere Ausprägungen des vielperspektivischen Sachunterrichts
1. Die didaktischen Netze von Joachim Kahlert (1994)
- Begriff „Dimension“: Bezug zur lebensweltlichen Orientierung, Beschreibung von Grundakten menschlichen Zusammenlebens (Mit anderen Zusammenleben, Kaufen,…) - Diesen Dimensionen werden fachlich orientierte Perspektiven zugeordnet. ABER: keine Eins-zu-eins-Zuordnung - Dadurch können übergreifende Wissensbestände beim Kind aufgebaut werden. → Lebensweltbezogene Dimensionen und fachlich ausgerichtete Perspektiven werden in Beziehung gesetzt → didaktische Netze → Gewinn von vielfältigen Inhalten für den Sachunterricht
2. Das Philosophieren mit Kindern von Helmut Schreier (1999)
- Schlüsselbegriffe: Pluralismus: Haltung des Menschen, die der Vielperspektivität entspricht Vielperspektivität: Betrachtung eines Problems, Phänomens oder Ereignisses unter vielfältigen Blickwinkeln; Entwicklung von Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen - Philosophieren mit Kindern: vier Schritte für das philosophische Gespräch: 1. Präsentieren von Gegenständen/ Vorlesen einer Geschichte (Hinführung zum Thema) 2. Sammeln von Fragen der Schüler 3. Gemeinsames und begründetes Auswählen einer Frage und deren Besprechung 4. Zusammenfassung im Sinne einer nochmaligen Vergegenwärtigung der Problemlage
3. Der Perspektivrahmen der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (GDSU) (2001)
- Der Perspektivrahmen kam aufgrund eines bundesweiten Diskurses zustande. - Er nennt fünf fachlich bezogene Perspektiven: sozial- und kulturwissenschaftliches, raumbezogenes, naturbezogenes, technisches und historisches Lernen. - Diese fünf Bezüge müssen miteinander verzahnt und vernetzt werden. - An einem Lernzusammenhang können mit den Schülern viele Perspektiven erarbeitet werden.
2.5 Wissenschaftsverständnis des vielperspektivischen Sachunterrichts
- Das Wissenschaftsverständnis ist integrativ, multidimensional und wissenschaftsfreundlich. - Es werden vorwiegend Themen aus den sozialwissenschaftlichen und naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen bearbeitet. → Vermeidung eines Zerfalls des Sachunterrichts in zwei Kulturen, in einen sozial- und naturwissenschaftlichen Zweig, sondern Förderung der Integration beider Bereiche - Die aneignungstheoretische Grundauffassung stellt der moderate Konstruktivismus dar: - Hier wird der Eigenanteil des Individuums am Lernprozess betont. - Neben der eigentätigen Konstruktion wird auch die angeleitete Instruktion in sozialen Zusammenhängen zugelassen. Damit sind didaktische Fragestellungen erst möglich.
Vergleich zwischen Instruktivismus und Konstruktivismus Schule als Belehrungsstätte Schule als Lernstätte Isoliertes Fachwissen Selbstständige Wissensaneignung in Zusammenhängen Lehren mit dem Ausgangspunkt Lernen mit dem Ausgangspunkt in einer didaktisch aufbereiteter komplexen und realen Gegebenheit, und didaktisch reduzierter situiertes Lernen Zugriffe Angeleitetes, methodisch in kleinen Lernen in hinreichend komplexen Situationen arrangiertes Lernen Schritten, authentisches Lernen Lehrer als Anleiter des Lernens Lehrer als Wegbereiter des Lernens „Input“ im Sinne einer einkanaligen „Intake“ im Sinne einer mehrkanaligen Vermittlung Informationsverarbeitung Lineare und monomediale Mehrkanaliger und multimedialer Wissensvermittlung Wissenserwerb
→ Der vielperspektivische Sachunterricht will unter Betonung des selbstgesteuerten Lernens instruktive und konstruktive Anteile in ein ausgewogenes Verhältnis bringen, wobei es gilt, die Kinder zunehmend zur Eigentätigkeit zu befähigen.