Projekt:WikiRemembrance: Erinnerungskultur digital und partizipativ - Eine Handreichung
Einleitung: Von der digitalen zur offenen und partizipativen Erinnerungskultur
[Bearbeiten]DOI: https://doi.org/10.34657/13796
Wie können wir erinnern, woher wir kommen und wer wir als demokratische Gesellschaft heute sind, ohne uns dabei aus Furcht vor Nationalismus und Hass dem digitalen Wandel der Wissenskultur zu verschließen? Diese Handreichung versteht sich als Diskussionsbeitrag und Ratgeber für eine reflektierte digitale Praxis in der Erinnerungskultur.
Die Aneignungsformen von Geschichte unterliegen einem ständigen Wandel. Dieser wird u.a. bedingt durch wachsenden zeitlichen Abstand zu den jeweiligen Ereignissen und durch sich verändernde Erlebniswelten im Alltag der Menschen. Deshalb können – auch bislang erfolgreiche – erinnerungskulturelle Formate nicht einfach fortgeführt werden, sondern müssen beständig angepasst und weiterentwickelt werden. Zur Überwindung eines zu konstatierenden “Unbehagens an der Erinnerungskultur” (Opferzentrierung, Ritualisierung, Instrumentalisierung) und eines abnehmenden Wissens um NS-Geschichte in der Gesellschaft könnten Instrumente einer explorativen, partizipativen digitalen Erinnerungskultur ein Teil der Lösung sein. Das Interesse an neuen Formaten und der Bedarf nach innovativen digitalen Lösungen ist da.
In institutionalisierten Erinnerungsorten wie KZ-Gedenkstätten herrschte lange Zeit eine relative Zurückhaltung gegenüber digitaler Erinnerungskultur. Die mit der Digitalisierung tendenziell einhergehende Infragestellung von Autoritäten der Wissensproduktion und -vermittlung bringt auch Fragen nach der inhaltlichen Qualitätskontrolle in Projekten digitaler Erinnerungskultur mit sich, insbesondere mit Blick auf eine mögliche Infragestellung der historischen Realität der NS-Verbrechen. Daher betonen Gedenkstätten häufig die unersetzbare Lernerfahrung an authentischen Orten der NS-Geschichte. Digitale Angebote können so leicht als nachgeordnete Ergänzung verstanden werden. Zudem ist eine gewisse Skepsis zu beobachten vor den Personalisierungs- und Emotionalisierungstechniken in der digitalen Erinnerungskultur, insbesondere von Games und Social Media. Diese scheinen potentiell im Widerspruch zu stehen zum Grundsatz des Überwältigungsverbots in der politischen Bildung und der von ihr intendierten Förderung eines reflektierten kritischen Geschichtsbewusstseins. Daher ist derzeit noch ein gewisses Auseinanderklaffen von institutionalisierter NS-Erinnerungskultur und wachsender nicht-institutionen-basierter Erinnerungskultur zu beobachten, insbesondere im digitalen Bereich. Der Trend zur Digitalisierung der Erinnerungskultur ist nicht aufzuhalten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Verschwindens des biologischen und kommunikativen Gedächtnisses und des weiteren Übergangs der NS-Vergangenheit ins kulturelle Gedächtnis.
Die vorliegende Handreichung beschreibt aktuelle erinnerungskulturelle Herausforderungen und gibt Anregungen, wie diesen mit Hilfe von Werkzeugen und Praktiken begegnet werden kann, die sich bei Wikidata, Wikipedia und ähnlichen Plattformen bewährt haben. Vor allem erscheint uns eine intelligente Verknüpfung von digitalen und analogen Methoden gewinnbringend. Durch ihre erweiterte Reichweite, flexiblere Teilnahmemöglichkeiten, durch ihre Anpassungsfähigkeit und Skalierbarkeit sind digitale Formate eine wertvolle Ergänzung analoger Angebote, ohne diese jedoch zu ersetzen. In dieser Handreichung zeigen wir Wege auf, wie der digitale Wandel zu einer gewinnbringenden Weiterentwicklung der Erinnerungskultur in Deutschland beitragen kann. Häufig hängt die digitale Erinnerungskultur von proprietären Plattformen ab (z.B. App Stores von Apple oder Google, oder Apps wie Tik Tok oder Instagram (siehe auch: Von Social-Media-Plattformen angeregte Formatlogik), die vertraglich keine dauerhafte Zugänglichkeit der enthaltenen Daten gewährleisten. Somit sind die eigenen Daten nicht als dauerhaft freie Daten gekennzeichnet, die von Dritten ohne besondere Absprachen archiviert oder nachgenutzt werden können. Dennoch sind wir überzeugt, dass historisches Erinnern sich digitalen Interaktionsformen öffnen kann, ohne sich abhängig zu machen von den Geschäftsmodellen kommerzieller Plattformanbieter. Wir plädieren dafür, digitale Handlungsfähigkeit in institutionalisierten Erinnerungsorten wie Gedenkstätten und Projekten der Erinnerungskultur zu stärken. Diese Sichtweise wird auch von den Ergebnissen der MEMO-Jugendstudie 2023 gestärkt: Sachbücher und Romane oder Besuche von Veranstaltungen mit Zeitzeug*innen wurden relativ selten genannt, während neben dem Internet auch Spiel- und Dokumentarfilme häufig als Quellen angegeben wurden, um Wissen über die NS-Zeit zu erlangen. Hierin liegt durchaus auch eine große Chance.
Diese Handreichung ist in einem partizipativen Prozess entstanden. Initiative und Rahmen dieses Prozesses war das Projekt WikiRemembrance an der TIB - Leibniz Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften, das vom “Zukunftsdiskurse”-Programm des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur 2023 bis 2024 gefördert wurde. Im Zuge des Projektverlaufs haben wir in einem physischen Barcamp sowie vier jeweils mehrstündigen Online-Schreib- und Redaktionssprints diese Handreichung entwickelt, die im Oktober 2024 in einer Abschlussveranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert worden ist.
Digitale Erinnerungskultur - Was ist das?
[Bearbeiten]Der Begriff “digitale Erinnerungskultur” beschreibt die Art und Weise, wie Gesellschaften ein breites und sich dynamisch entwickelndes Spektrum digitaler Anwendungen nutzen, um historisches Wissen zu sichern, zu vermitteln und neue bzw. ergänzende erinnerungskulturelle Praktiken zu formen. Aufsehenerregende Leuchtturmprojekte wie der Einsatz von “Hologrammen” Überlebender nationalsozialistischer Konzentrationslager im Geschichtsunterricht im Rahmen eines Projektes der LMU München, der Einsatz sozialer Medien wie TikTok in der Vermittlung der NS-Geschichte oder der diskriminierungskritischen Bildungsarbeit stellen hier nur die Spitze des Eisbergs dar. Zu beobachten ist ein zunehmender Einsatz von Augmented Reality- und Virtual Reality-Elementen in NS-Gedenkstätten, die Nutzung von Serious Games zur Geschichtsvermittlung, aber auch die Entwicklung von digitalen Datenbanken, um Quellenbestände zu sichern und ihren Nutzwert zu steigern sowie der Einsatz digitaler Technologien in der historischen Forschung, insbesondere zur Analyse von Massendaten.
Der Begriff Erinnerungskultur bezeichnet den Umgang einer Gesellschaft mit ihrer Geschichte, einschließlich des eventuellen Verschweigens oder der Nichtbeachtung bestimmter Aspekte dieser Geschichte. Denn die Art, wie wir Vergangenheit erinnern und an welche Vergangenheit wir uns erinnern, folgt keinen objektiven Kriterien. Unser Verständnis der Vergangenheit, auch unsere Lesart historischer Quellen, wird notwendigerweise durch zeitgenössische "Erfahrungsräume" und "Erwartungshorizonte" geprägt. In diesem Sinne entwickelt sich auch die Vergangenheit ständig weiter und wird durch transgenerationale Weitergabe neu verhandelt. Jede Generation bewertet bestehende historische Narrative neu und passt sie an, in den vergangenen Jahren verstärkt auch im virtuellen Raum und in den sozialen Medien. Kulturelles und kollektives Gedächtnis sind daher per se selektiv, politisch und multidirektional.
Erinnerungskultur als Aushandlungsprozess
[Bearbeiten]Im Rahmen erinnerungskultureller Praktiken werden also Vorstellungen über die eigene Geschichte und Herkunft ausgehandelt. Es geht um gemeinschaftlich verfestigtes Wissen von der Vergangenheit, das sich auf der individuellen und familiären Ebene und im weiteren sozialen Umfeld abspielt. Erinnerungskultur ist daher notwendigerweise heterogen und transportiert oft auch unterschiedliche, mitunter gegenläufige Vorstellungen und Erinnerungen. In demokratischen Systemen besteht idealerweise ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen staatlich geförderten und zivilgesellschaftlich gewachsenen erinnerungskulturellen Praktiken. Inhalte und Formen der Erinnerungskultur unterliegen somit einem fortwährenden Aushandlungsprozess im zivilgesellschaftlichen und politischen Raum zu den Fragen "An welche geschichtlichen Ereignisse möchten/sollten wir uns aus welchen Gründen und auf welche Art und Weise erinnern?”
Aufarbeitung der NS-Geschichte im Zentrum der deutschen Erinnerungskultur
[Bearbeiten]In Deutschland wird unter dem Stichwort Erinnerungskultur vor allem über die Aufarbeitung der NS-Geschichte diskutiert. Zu geringeren Teilen geht es dabei auch um die Geschichte staatlicher Repression in der DDR und der deutschen Teilung sowie um die Geschichte von Flucht und Vertreibung im Kontext des Zweiten Weltkrieges und darüber hinaus. Doch auch andere für die deutsche Geschichte sowie für die zeitgenössische Gesellschaft relevante Themen wie die deutsche Kolonialgeschichte und die Migrationsgeschichte kommen zunehmend in den Blick. Da der Arbeitsschwerpunkt der Autor*innen dieser Handreichung größtenteils im Bereich der NS-Geschichte liegt, wird dieser Aspekt besonders gewichtet. Die gezeigten Methoden lassen sich jedoch auch auf andere erinnerungskulturelle Themen übertragen.
Erinnerungskultur als pädagogische Aufgabe
[Bearbeiten]Erinnerungskultur hat immer auch eine pädagogische Funktion. Diese ziele auf “die Vermittlungen des Geschichtsunterrichts, der politischen Bildung, der Gedenkstättenpädagogik, der Medien und des weiten pädagogischen Feldes der Holocaust Education auf eine historisch-moralische Bildung (...), die zum einen Nationalsozialismus und Holocaust historisch verständlich machen, zum anderen Persönlichkeiten bilden soll, die sich gegenüber massen- oder völkermörderischer Gewalt widerständig verhalten können. Erklärte Erziehungsziele sind das Einüben von Demokratiefähigkeit und die Entwicklung von Zivilcourage”. Inwiefern dieser Anspruch in der Praxis eingelöst wird, ist Gegenstand kontinuierlicher Debatten und wird zudem wissenschaftlich evaluiert. Das Handlungsbedarf besteht, was auch Studien belegen: In der MEMO-Studie III/2020 gaben mehr als ein Viertel der Befragten aus der Allgemeinbevölkerung (26,0 %) an, dass sie nicht verstehen, warum man sich heute noch mit der NS-Geschichte befassen sollte. Zudem ist das Wissen um und Verständnis für die Notwendigkeit einer Erinnerung auch an Migrationsgeschichte und Kolonialgeschichte gesellschaftlich noch weniger verankert.
Schulen und Bildungseinrichtungen sowie Gedenkstätten und Museen sind zentrale Orte erinnerungskultureller Praktiken. Doch finden diese im gesamten Feld der kulturellen Produktion sowie im öffentlichen und virtuellen Raum statt. Erinnerungskultur ist daher nicht hierarchisch institutionalisiert, sondern eher als rhizomatische Struktur zu verstehen, an der eine Vielzahl von Akteur*innen beteiligt ist. Die Aneignungsformen von Geschichte unterliegen einem ständigen Wandel.
Digitalisierte Quellen und Sammlungsbestände als Grundlage einer digitalen Erinnerungskultur
[Bearbeiten]Eine wesentliche Grundlage digitaler Erinnerungskulturen ist das Vorhandensein digitalisierter Quellen und Sammlungsbestände. Daher haben viele Projekte zunächst mit der Herstellung digitaler Archive begonnen. Im Kontext der Geschichte und Erinnerung an den Holocaust hat hier beispielsweise das EHRI-Projekt Maßstäbe gesetzt. EHRI hat eine European Holocaust Research Infrastructure entwickelt, in der Informationen über die Bestände verschiedener Archive und Institutionen zusammen geführt werden. Die Gedenkstätte Flossenbürg in Bayern betreibt ein Online-Archiv, dem sich auch andere Partner angeschlossen haben. Auch die Arolsen Archives haben ihre bedeutende Sammlung online verfügbar gemacht. Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora setzt gemeinsam mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen ein gemeinsames EVZ-gefördertes Projekt um, das auf die Sicherung und Erfassung eines Pilotbestandes aus deren jeweiligen Sammlungen zielt. Eine wesentliche Voraussetzung für Digitalisierungsprojekte sind Standards sowohl für die Herstellung von Digitalisaten als auch für die dazugehörigen Metadaten. Aus den so entstehenden digitalen Sammlungen sind verschiedene Projekte, unter anderem Online-Portale, interaktive Karten oder AR-Projekte entstanden, die durchsuchbar und annotierbar sind.
Die Digitalisierung bietet ein Instrumentarium, das neue Möglichkeiten schafft, aber auch Risiken beinhaltet. Der positiv konnotierten Perspektive, durch Einsatz digitaler Interaktionsmöglichkeiten mehr Partizipation zu ermöglichen und so die Wissensproduktion zu demokratisieren, steht die dystopische Vision eines von Trollfarmen und mächtigen Akteuren dominierten digitalen Raumes gegenüber, in dem Fake-News, Desinformationen, Verschwörungserzählungen und menschenverachtende Ideologien die Wissensproduktion kontaminieren und demokratische Prozesse delegitimieren.
Im letzten Jahrzehnt sind verschiedene digitale Interaktionsformen in der Erinnerungskultur erprobt und diskutiert worden. Wikipedia und verwandte Plattformen weisen Besonderheiten auf, die eine vertiefte Beschäftigung lohnend erscheinen lassen, insbesondere Wikidata im Spannungsfeld zwischen seiner Rolle als nachhaltiges Werkzeug für Erinnerung und Forschung einerseits und seiner inhärenten Infragestellung schützender Wissensautorität andererseits. Denn die durch digitale Kultur ermöglichte Verknüpfung fragmentierter digitaler Objekte und die kontextualisierende Anreicherung von Daten- und Metadaten bietet Möglichkeiten einer vernetzten Erinnerung, die sich nicht in der Erfassung erschöpft, sondern in der konkreten Anwendung auch Formen einer interaktiven und partizipativen Erinnerungsarbeit ermöglicht. Im Idealfall trägt diese Art der erinnerungskulturellen Praxis dazu bei, ein reflektiertes und auf historischem Wissen basierendes demokratisches Bewusstsein in der Gesellschaft zu verankern.
Aktuelle Herausforderungen der Erinnerungskultur und digitale Lösungsstrategien
[Bearbeiten]Die Erinnerungskultur in Deutschland steht aktuell vor großen Herausforderungen.Trotz rasanter Entwicklungen im Hinblick auf den Einsatz digitaler Instrumente in den Geisteswissenschaften ist das Potential von Digital History (i.e. Forschung) noch nicht annähernd ausgeschöpft. Die folgende nicht abgeschlossene Liste zeigt einige Herausforderungen auf und geht darauf ein, wie diesen, mit Hilfe digitaler Tools, begegnet werden kann.
1. Erinnerung Erinnerung ohne Zeug*innen und die Risiken von Entkonkretisierung und Ritualisierung Das Erinnern an die nationalsozialistischen Verbrechen und den Holocaust wurde lange durch die Berichte von und Gespräche mit Zeitzeug*innen geprägt. Doch mit zunehmendem zeitlichen Abstand geht dieser unschätzbare Pfeiler der historischen Bildung verloren. Dies begünstigt u.a. eine Entkonkretisierung der Erinnerungskultur, d.h. Bezüge zu historischen Ereignissen, Personen oder Orten treten leichter in den Hintergrund. Die Bewahrung einer konkreten und detaillierten Erinnerungskultur ist jedoch essentiell, um ein tiefes und umfassendes Verständnis der Vergangenheit zu fördern und der Manipulation und Instrumentalisierung der Geschichte vorzubeugen. Eng verknüpft mit einer möglichen Entkonkretisierung ist die Gefahr einer Ritualisierung, d.h. die Erstarrung der Erinnerungskultur in formellen Praktiken und Zeremonien. Eine solche Erinnerungskultur läuft Gefahr, bestimmte Sichtweisen auf die Geschichte zu verfestigen und die kritische Reflexion hinsichtlich ihrer Bedeutung für heute zu erschweren.
- Nachhaltige Sicherung von Zeitzeug*innenberichten und Dokumenten: Durch eine dauerhafte digitale Archivierung von Zeitzeug*innengesprächen werden individuelle Erzählungen über die Vergangenheit gespeichert, leicht zugänglich und können auf vielfältige Weise weiter genutzt werden, nicht nur mit Blick auf die NS-Zeit. Die Digitalisierung ermöglicht es auch, fragile historische Dokumente in hochauflösender Qualität zu sichern, ggf. zu restaurieren und zugänglich zu machen.
- Interaktivität und Personalisierung: Nutzer*innen können Materialien auf digitalen Plattformen aktiv nutzen und den eigenen Neigungen entsprechend durchsuchen und erleben. Dies fördert ein tieferes und individuelleres Verständnis der Geschichte, statt eine passive Rezeption.
- Digitale Angebote als Vertiefungsebenen: Physische Erinnerungszeichen, wie bspw. Gedenktafeln, Stolpersteine etc. bieten oft nur wenig Raum für detaillierte Darstellungen. Hier bietet es sich z.B. an, mit Hilfe von QR-Codes zusätzliche Inhalte bereitzustellen.
- Neue Methoden wie Serious games: Serious games können Zeitzeug*innen Gespräche nicht ersetzen. Sie simulieren jedoch historische Kontexte und ermöglichen durch interaktive Elemente ein tiefes Eintauchen in die Materie.
2. Fehlende Schnittstelle zwischen Forschung und politischer Bildung und nachlassende Forschungsintensität zum Thema NS an den Universitäten Angesichts einer nachlassenden Forschungsintensität zum Thema NS an den Universitäten müssen Räume für digitale Citizen-Science-Praktiken und Gedenkstätten-basierte, also stärker zivilgesellschaftlich getragene Forschung, entstehen. Zudem ist eine mangelnde Verbindung und Austausch zwischen den Erkenntnissen der historischen Forschung und deren Umsetzung oder Anwendung in der historisch-politischen Bildung zu erkennen. Dies kann dazu führen, dass Bildungsprogramme veraltete oder überholte Informationen enthalten. Oftmals bleibt die Forschung in akademischen Kreisen isoliert, während die zivilgesellschaftlich getragene Forschung und historisch-politische Bildung breitere gesellschaftliche Schichten erreicht. Idealerweise bestünde ein reger Austausch zwischen beiden Sphären.
- Wissenstransfer und Einbeziehung durch digitale Angebote: Werden Ausgangsmaterialien und Rohdaten der eigenen Forschung so weit wie möglich offen unter freier Lizenz online zugänglich gemacht (und idealerweise strukturiert beschrieben), dann bietet diese Bereitstellung einen guten Ausgangspunkt für die aktive Einbeziehung verschiedener nicht-akademischer Zielgruppen in die eigene Arbeit.
- Nachnutzung von Forschungsdaten: Werden Forschungsdaten in sekundären Datenbanken, wie bspw. Wikidata, zur Verfügung gestellt, eröffnen sich Möglichkeiten für Nachnutzungsoptionen, die Bildungsangebote qualitativ aufwerten können.
3. Barrieren von erinnerungskulturellen Formaten Nicht an allen erinnerungskulturellen Formaten können alle Menschen in gleichem Maße teilnehmen. Dies betrifft die physische Zugänglichkeit von Gedenkstätten oder anderen Erinnerungsorten, aber auch die sprachliche und kognitive Zugänglichkeit.
- Erreichbarkeit: Die Erreichbarkeit von digitalen Angeboten ist besonders für Menschen vorteilhaft, die in ihrer Mobilität oder aufgrund ihrer geografischen Lage eingeschränkt sind. So können beispielsweise virtuelle Rundgänge den Besuch einer Gedenkstätte ermöglichen, auch wenn die physische Zugänglichkeit nicht möglich ist.
- Personalisierung: Digitale Angebote bieten die Möglichkeit einer individuellen Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzer*innen. Nutzer*innen können beispielsweise die Schriftgröße, Farbkontraste und andere visuelle Elemente an ihre spezifischen Sehbedürfnisse anpassen. Texte können vorgelesen und Videos mit Untertitel versehen werden. Zudem können Übersetzungsfunktionen und Inhalte mehrsprachig und in einfacher Sprache zur Verfügung gestellt werden.
- Vielseitige Zugänge schaffen: Da die Zugänglichkeit von digitalen Angeboten eine gewisse digitale Kompetenz voraussetzt, können auch an diesen nicht alle Menschen gleichermaßen teilnehmen. Die Zielsetzung, eine möglichst barrierearme Teilhabe an der Erinnerungskultur zu ermöglichen, ist also nur dann annähernd erfüllbar, wenn analoge und digitale Angebote offen zur Verfügung stehen.
4. Aufeinandertreffen verschiedener Erinnerungsgemeinschaften und Dominanz der von der Mehrheitsgesellschaft geprägten Erinnerungsformen In der deutschen Gesellschaft treffen verschiedene Erinnerungsgemeinschaften aufeinander, also Gruppen von Menschen, die unterschiedliche Erinnerungen und Narrative mitbringen. Diese Vielfalt kann zu einem gewinnbringenden Austausch, aber manchmal auch zu Konflikten führen.
In der öffentlichen Erinnerung und Geschichtsschreibung werden vorrangig die Perspektiven, Erzählungen und Erfahrungen der sozial, kulturell und politisch dominanten Gruppen einer Gesellschaft repräsentiert und gefördert. Im Falle der Erinnerung an die NS-Verbrechen und insbesondere die Shoah sind es vielfach die Nachkommen der Täter*innengesellschaft, welche die Erinnerungskultur prägen. Diese Dominanz kann dazu führen, dass andere Perspektiven und Erfahrungen, insbesondere die von Minderheiten oder marginalisierten Gruppen, unterrepräsentiert oder verzerrt dargestellt werden. Lange wurden etwa Opfergruppen kaum wahrgenommen, die auch nach 1945 von Stigmatisierung und Marginalisierung betroffen waren, wie LGBTQ oder Sinti*zze und Rom*nja. Mit Blick auf den Verbrechenskomplex Zwangsarbeit war das Unrechtsbewusstsein der Mehrheitsgesellschaft lange kaum vorhanden. Führende deutsche Unternehmen, die während der NS-Zeit von Zwangsarbeiter*innen profitiert hatten, konnten sich erst im Jahr 2000 (als die meisten Betroffenen bereits verstorben oder sehr alt waren) zu Entschädigungszahlungen durchringen.
Ausgelöst durch die migrationsbedingte Diversifizierung der deutschen Gesellschaft und durch Debatten um den in Deutschland lange vernachlässigten Bereich der Kolonialgeschichte werden in den letzten Jahren zunehmend Forderungen erhoben, die Erinnerungskultur um die Aspekte Migrationsgeschichte und Kolonialgeschichte zu erweitern. Mögliche historische Verflechtungen zwischen diesen Themenfeldern und den mit dem Nationalsozialismus verbundenen Ereignissen werden in der Forschung zögerlich aufgenommen und kontrovers rezipiert. Auf der Ebene der Erinnerungskultur werden derartige Verflechtungen unter dem Stichwort “Multidirektionalität” diskutiert.
- Kollaborationen: Instrumente digitaler Erinnerungskultur wie Wikidata können in diesem Kontext als Kollaborationstool fungieren und Zusammenarbeit unabhängig von der gemeinsamen Anwesenheit in einem physischen Raum ermöglichen. Dies ist gerade für erinnerungskulturelle Projekte ein entscheidender Vorteil, da Wissen, Daten und Perspektiven aus einem globalen Kontext erhoben werden können.
- Mehrsprachigkeit: Die Wikidata-Plattform unterstützt durch ihre Mehrsprachigkeit die Zusammenarbeit einer internationalen Community.
Clash of Erinnerungskulturen? Zur Auseinandersetzung über die Massaker des 7. Oktober und den Gazakrieg
In den aktuellen Debatten um die Massaker der Hamas und die israelische Kriegsführung in Gaza haben (pro-)israelische wie (pro-)palästinensische Akteure ihre Positionen u.a. mit historischen Verweisen auf die NS-Geschichte begründet: Aus Sicht der israelischen Regierung und der Unterstützer*innen ihrer Kriegführung erscheinen die Massaker der Hamas am 7. Oktober als genozidale Gewalt und der Kampf gegen die Hamas vergleichbar mit dem Kampf gegen den Faschismus des 20. Jahrhunderts. Auf der anderen Seite vergleicht bspw. Masha Gessen die israelische Kriegführung in Gaza mit der Liquidierung jüdischer Ghettos im Europa der 1940er Jahre. Genozid-Vorwürfe werden wegen der Kriegsführung in Gaza an Israel gerichtet, inklusive der Klage Südafrikas vor dem International Court of Justice, zugleich auch an Hamas. Der weltweite Disput um den 7. Oktober und seine Folgen gehören daher von nun an zum erinnerungskulturellen Kontext, in dem die NS-Verbrechen rezipiert werden. Wenn die Erinnerung an die NS-Verbrechen in einer globalisierten und diversen Gesellschaft demokratiefördernd wirken soll, dann müssen insbesondere Gedenkstätten als Lernorte einer offenen, inklusiven und kontroversen Erinnerungskultur erkennbar sein. Daraus folgt die Notwendigkeit einer multidirektionalen Praxis, die in der Lage ist, existierende Kontroversen konstruktiv aufzunehmen. Dies gilt umso mehr, wenn jüngere Menschen erreicht werden sollen. Sie blicken aus einer zeitlichen Distanz auf die NS-Verbrechen und werden eher von gegenwärtigen Ereignissen geprägt. Zudem verfügen sie häufig über familiäre Bezüge in andere Länder, in denen der Diskurs über Nahost ganz anders verläuft als in Deutschland. |
Debatte um Rahmenkonzept Erinnerung
Im Februar 2024 legte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth (B90/Die Grünen), einen Entwurf für ein neues “Rahmenkonzept Erinnerungskultur“ vor. Neben der NS-Geschichte und DDR-Geschichte sollen demnach auch die Kolonialgeschichte sowie die Migrationsgeschichte und Demokratiegeschichte als thematische Säulen der Erinnerungskultur in Deutschland aufgenommen werden. Um das Konzept entwickelte sich eine breite Debatte. Von Seiten der NS- und DDR-Gedenkstätten wurde der Entwurf als unausgereift und kontraproduktiv kritisiert, während Vertreter*innen der Kolonialgeschichte es als zukunftsweisend begrüßten. Von konservativer Seite wurde dem Konzeptentwurf eine geschichtsrevisionistische Schlagseite unterstellt. In Reaktion auf diese Debatte sagte BKM zu, die bestehende Gedenkstättenkonzeption weiterzuentwickeln und zugleich einen erinnerungspolitischen Rahmen für die genannten neuen Themen zu entwickeln. Es ist davon auszugehen, dass diese Debatte noch lange nicht abgeschlossen ist.
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1 Open Access und Open Data in der Erinnerungskultur
[Bearbeiten]Für alle Projekte im Bereich der digitalen Erinnerungskultur werden Informationen, zum Beispiel in Form von Daten oder wissenschaftlichen Veröffentlichungen, benötigt. Bestimmte Datensätze können notwendig sein, um etwa historisch wichtige Orte auf Online-Karten zu markieren. Wenn diese Daten oder andere Quellen nicht offen verfügbar und zugänglich ("Open Data“ bzw. "Open Access“) sind, ist es in der Regel schwieriger – oder sogar unmöglich – an sie heranzukommen. Auch benötigen Akteur*innen der digitalen Erinnerungskultur nicht nur offene Daten – diese müssen auch auslesbar und verwendbar sein.
Offene Daten in der (Erinnerungs-)Kultur eröffnen die Möglichkeit, kreativ mit der eigenen Geschichte zu arbeiten, Daten in neue Zusammenhänge zu stellen, selbstständig Informationen offen verfügbar zu machen und somit einen Beitrag zur digitalen Allmende zu leisten.
Offene Daten in der (Erinnerungs-)Kultur eröffnen die Möglichkeit, kreativ mit der eigenen Geschichte zu arbeiten, Daten in neue Zusammenhänge zu stellen, selbstständig Informationen offen verfügbar zu machen und somit einen Beitrag zur digitalen Allmende zu leisten.
Offenheit und Zugänglichkeit
[Bearbeiten]"Zugänglich“ ist bereits ein Großteil unseres kulturellen Erbes, das Kulturinstitutionen für uns kuratieren und ausstellen. Doch "zugänglich“ bezieht sich häufig hauptsächlich auf die Möglichkeit, sich kulturelle Artefakte anzusehen. "Verfügbarkeit“ bedeutet aber viel mehr: eine weitergehende Beschäftigung mit den digitalen Kulturgütern, deren Nutzung und neue Kontextualisierung, um sie somit zu neuem Wissen verarbeiten zu können.
Was bedeutet "offen“?
[Bearbeiten]Die vier wichtigsten Bedingungen für Offenheit sind: Universelle Beteiligung: Jede Person muss in der Lage sein, die Daten zu nutzen, wiederzuverwenden und weiterzugeben. Es darf keine Diskriminierung gegen Handlungsfelder, Personen oder Gruppen vorliegen. Die Nachnutzung darf also nicht auf einzelne Bereiche begrenzt werden (z.B. nur in der Bildung), noch dürfen bestimmte Nutzungsarten (z.B. für kommerzielle Zwecke) ausgeschlossen sein.
Verfügbarkeit und Zugang: Die diskriminierungsfreie Verfügbarkeit von Daten ist ein weiteres Merkmal von offenen Daten. Dies beinhaltet, dass die Zugänglichkeit und Nutzung von Daten und des gesamten Werkes kostenfrei ist. "Diskriminierungsfrei“ bedeutet auch einen Zugang ohne verpflichtenden Login. Jede Person soll die Möglichkeiten haben, Daten für den von ihr gewünschten Zweck zu verwenden. Was auch bedeutet, dass nicht nachverfolgt oder erfragt werden sollte, wofür die Daten verwendet werden, um Kontrolle über die Nutzungsweise auszuüben.
Wiederverwendung und Nachnutzung: Die Daten müssen unter denjenigen Bedingungen bereitgestellt werden, die die Wiederverwendung, Nachnutzung und Verbindung mit anderen Datensätzen erlauben. Eine Bedingung ist dabei, dass die Daten dafür maschinenlesbar sein müssen. Eine weitere Bedingung ist die Verwendung von Datenmodellen und -standards.
Die Aktualität offener Daten entscheidet (mit) über den praktischen Nutzwert der darauf aufbauenden digitalen Projekte und ist ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz der entwickelten Anwendungen. Dazu gehört auch die proaktive und zeitnahe Bereitstellung offener, aktueller Daten durch eine Institution.
Aus Daten, die freigegeben wurden, kann vieles entstehen, auch in Dimensionen der Nutzung, die vorher nicht vorstellbar waren.
Freie Lizenzen
[Bearbeiten]Im Zusammenhang mit Veröffentlichungen im Netz entsteht eine Divergenz zwischen dem technisch möglichen Zugang und der entsprechenden (Nach-)Nutzbarkeit von Inhalten einerseits sowie den rechtlichen Zugangsbeschränkungen zum Schutz von geistigem Eigentum andererseits. Im Regelfall sind bei Veröffentlichungen von Materialien und Daten im Netz "Alle Rechte vorbehalten“. Dies bedeutet, dass das publizierte Werk, sei es ein Text, ein Bild, ein Video oder auch ein Musikstück, eben nicht frei nachnutzbar ist. Die Nutzungsrechte liegen bei den Urheber*innen.
Dies gilt grundsätzlich im deutschen Urheberrecht auch ohne explizit schriftliche Angabe. Das Urheberrecht muss weder beantragt noch registriert werden. Es gilt für ein Werk ab dem Moment der Schöpfung bis 70 Jahre nach dem Tod des oder der Urheber:in. Erst nach Ablauf dieser Frist geht das Werk in die Gemeinfreiheit über und ist damit vom Urheberrecht befreit. Derzeit digitalisieren immer mehr wissenschaftliche Einrichtungen wie Archive, Museen oder Gedenkstätten ihre (Bild-)Bestände und veröffentlichen sie zumindest teilweise online. Im Sinne von Offenheit werden vielfach für wissenschaftliche Inhalte - über die Einräumung bestimmter Nutzungsrechte – Creative Commons-Lizenzen erteilt und Daten frei und nachnutzbar bereitgestellt.
Creative Commons sind vorformulierte und modular aufgebaute Lizenzverträge zur selbstbestimmten Verwendung durch alle, die Inhalte erschaffen – kostenlos. Sie sind zum einen juristisch vollständig und einwandfrei formuliert, halten also zur Not auch einer gerichtlichen Überprüfung stand. Gleichzeitig sind sie auch so einfach zu verstehen, dass sie von Nichtjuristen unproblematisch eingesetzt werden können.
Die Lizenzmodule
[Bearbeiten]Häufig zu finden sind Icons, die illustrieren, welche Lizenz für ein Werk vergeben wurde. Bei der Zusammenstellung des CC-Lizenzvertrages stehen die folgenden vier Lizenzelemente (Module) zur Verfügung: Namensnennung (BY), Nicht-Kommerzielle Nutzung (NC – Non Commercial), Keine Bearbeitungen (ND – No Derivatives), Weitergabe unter gleichen Bedingungen (SA – Share Alike).
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BY - Namensnennung (Attribution) Der Name des/der Urheber*in muss genannt werden (und zwar in der Weise, die der/die Urheber*in vorgibt).
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ND - Keine Bearbeitung (No Derivates) Das Werk muss vollständig und ohne Veränderungen bleiben.
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NC - nicht kommerziell Die Weiterbearbeitung darf nur nicht-kommerziellen Zwecken dienen
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SA - Weitergabe unter gleichen Bedingungen (Share Alike) Die Weiterbearbeitung darf nur nicht-kommerziellen Zwecken dienen. Bei einer Bearbeitung muss das neu entstandene Werk unter denselben Bedingungen veröffentlicht werden, wie das ursprüngliche Werk.
Die Elemente können miteinander kombiniert werden – allerdings sind nicht alle Elemente zueinander kompatibel. Es ergeben sich sechs Kombinationsmöglichkeiten der CC-Module.
BY SA
Namensnennung plus Weitergabe unter gleichen Bedingungen
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BY ND
Namensnennung plus keine Bearbeitung
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BY NC
Namensnennung plus keine kommerzielle Nutzung
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BY NC SA
Namensnennung plus keine kommerzielle Nutzung plus Weitergabe unter gleichen Bedingungen
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BY NC ND
Namensnennung plus keine kommerzielle Nutzung plus keine Bearbeitung
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Die 5V-Freiheiten der Offenheit
[Bearbeiten]Gemäß der “5V-Freiheiten” für Offenheit, sollten Daten und Inhalte aller Art in allen Formaten mit einer Freigabe unter freier Lizenz verbreitet, vermischt, verarbeitet, verwendet und verwahrt/vervielfältigt werden dürfen.
Anwendungsszenarien für freie Lizenzen in der Erinnerungskultur
[Bearbeiten]Gestapo.Terror.Orte
[Bearbeiten]Die auf "Gestapo.Terror.Orte“ verzeichneten Orte des Gestapoterrors werden besucht und dort Fotografien angefertigt, die anschließend auf Wikimedia Commons hochgeladen und schließlich auf "Gestapo.Terror.Orte“ angezeigt werden. Standardmäßig werden Daten, Bilder und andere Dateien dort unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht.
Coding da Vinci
[Bearbeiten]Die im Verlauf der Kultur-Hackathons im Projekt Coding da Vinci auf Basis offener Kulturdaten entstandenen Projekte stehen dauerhaft unter einen freien Lizenz zur Verfügung. Erlaubt waren bei Coding da Vinci die Lizenzen
- CC0 (keine Einschränkung der Nutzung)
- CC BY (Namensnennung, d.h. der/die Rechteinhaber*in muss genannt werden)
- CC BY-SA (Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen, d.h. Nutzer*innen müssen das Folgewerk unter der gleichen Lizenz veröffentlichen)
2 Ressourcen und Einstiegspunkte für offene partizipative Digitalprojekte
[Bearbeiten]
iRights.info
iRights.info ist Informationsplattform und Online-Magazin in einem. Seit 2005 behandelt iRights.info Fragen zum Urheberrecht und weiteren Rechtsgebieten, unter anderem in Form von Hintergrundberichten, Nachrichten, Dossiers und anderen Publikationen. Ziel ist es, für ein besseres Verständnis des Urheberrechts in der digitalen Welt zu sorgen. Links Zum Weiterlesen
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Digital Collective Memory (das Online-Forum)
Die partizipative Online-Plattform Digital Collective Memory (kurz: DCM) richtet sich an Expert*innen im Bereich digitaler Erinnerungskultur vor allem in Deutschland und Europa, aber auch weltweit. Inhaltlich geht es in erster Linie um digitale Techniken, ihre Anwendung und Produktion. Dabei stehen die Erinnerung an den Holocaust, die Geschichte des NS sowie Besatzung und Vertreibung während des Zweiten Weltkrieges im Fokus, wobei auch andere Ereignisse und Epochen eine Rolle spielen können. Die Plattform stellt einen sicheren digitalen Austausch- und Vernetzungsort dar, da Neuzugänge registriert und verifiziert werden müssen, ehe sie als Mitglieder vollen Zugriff auf DCM erhalten. Eine Besonderheit der Plattform liegt darin, dass sie die offene Software HumHub nutzt und von den Betreiber*innen gehostet wiLinks Links Zum Weiterlesen |
Wikimedia Commons
Wikimedia Commons ist eine Mediensammlung für gemeinfreie und frei lizenzierte Fotos, Grafiken, Audio- und Videodateien, an der sich alle beteiligen können. So bezieht beispielsweise Wikipedia ihre Bilder, Grafiken und Videos aus Commons. Die Sammlung wird gemeinsam von Ehrenamtliche Links Zum Weiterlesen |
Wikipedia
Wikipedia ist ein Internetportal mit Informationen zu allen Wissensgebieten, die allgemein zugänglich sind und von den Nutzern selbst erweitert und verändert werden können. Alle Beiträge dürfen unter Angabe der Autoren und der freien Lizenz frei kopiert und verwendet werden, solange die Herkunft angegeben wird. Dafür sorgen die Creative Commons-Lizenz und die GNU-Lizenz für freie Dokumentation, unter der die Autor*innen ihre Texte veröffentlichen.
Links Zum Weiterlesen |
WikiShootMe
WikiShootME ist ein Werkzeug, um Wikidata-Datenobjekte, Wikipedia-Artikel und Bilder auf Wikimedia Commons mit Koordinaten auf der gleichen Karte anzuzeigen. WikiShootMe zeigt eine Karte mit Objekten an, die an den Standortkoordinaten der Nutzer*innen ausgerichtet sind. Nutzer*innen können Fotografien bspw. von Erinnerungsorten anfertigen und diese mit Wikidata-Einträgen verknüpfen. Zudem kann auch historisches Bildmaterial digitalisiert und mit entsprechenden Einträgen verknüpft werden. Links Zum Weiterlesen |
3 Offene und partizipative Erinnerungskultur: Diskussionen und Best Practices
[Bearbeiten]3.1 Was ist Wikidata und wie kann ich es nutzen?
[Bearbeiten]Wikidata ist eine frei verfügbare und grundsätzlich frei bearbeitbare Wissensdatenbank und steht als allgemeine Informationsquelle für die gesamte Welt zur Verfügung. Wikidata ist eine zentrale Ressource, die von anderen genutzt wird, wie z.B. von den Wikis der Wikimedia Foundation. Inhalte, die von Wikidata dynamisch geladen werden, müssen nicht in jedem einzelnen Wiki-Projekt aktualisiert werden. Zum Beispiel können Statistiken, Daten, Orte und andere allgemeine Daten in Wikidata zentralisiert werden. Es gibt viele Möglichkeiten, zu Wikidata beizutragen. Man kann unter anderem die Dokumentation verbessern oder übersetzen, neue Eigenschaften zur Strukturierung von Daten planen und vorschlagen.
Wozu Wikidata?
[Bearbeiten]Das Ziel von Wikidata ist, eine Datenbank zu schaffen, die strukturiert und zentralisiert aufgebaut ist, um Daten und Fakten der realen Welt zu beschreiben und abzubilden. Wikidata kann von jeder Person bearbeitet werden. Sie bildet die Grundlage für alle Einträge bei den Projekten von Wikimedia, wie etwa der Wikipedia. Jeder Eintrag in der Wikipedia bekommt einen Datensatz. So bekommt z.B. jede dokumentierte Person bei der Wikipedia einen eigenen Datensatz. Umgekehrt, da die Relevanzkriterien für die Erstellung eines Wikidata-Item weniger streng sind als für die Erstellung eines Wikipedia-Artikels, gibt es jedoch nicht über jede Person in Wikidata einen Wikipedia-Artikel.
Für Personen, die zu den Projekten beitragen möchten, ermöglicht die zentrale Wikidata-Datenbank das einfache Erstellen von neuen Beiträgen und die schnelle Zuweisung zu bestehenden Kategorien. Der Vorteil einer zentralen Datenbank, über die Fakten bereitgestellt werden, ist, dass Redundanzen und damit Fehler (Inkonsistenzen) vermieden werden können. Statt eine Person nur mit ihrem Namen zu erwähnen, kann auch auf ihren Datensatz verwiesen werden, und an diesem Datensatz können dann ggf. zentral Korrekturen oder Ergänzungen vorgenommen werden.
So ist es möglich, strukturierte Informationen, wie z.B. die Bevölkerungszahl eines Landes einmalig zu erfassen, und in den Wikipedia-Sprachversionen anzuzeigen. Auf diese Weise muss nicht mehr parallel jede einzelne Wikipedia aktualisiert werden - oder andere Dienste, die Informationen maschinell von Wikidata beziehen.
Für Endnutzer*innen ermöglicht Wikidata das Erstellen von komplexen Auflistungen über alle Datensätze mit denselben Aussagen auf schnelle und einfache Weise über den Wikidata Query Service, der Datenbank von Wikidata. Für Personen, die mit der Abfragesprache für den Query Service wenig bis gar keine Erfahrungen haben, steht Wikidata Query Builder zur Verfügung, mit dem sich auf sehr einfache Weise Abfragen erstellen und Ergebnisse ausgeben lassen.
Herausforderungen und Kritik an Wikidata
[Bearbeiten]- Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Inhalte: Wie alle anderen Wikimedia-Projekte ist auch Wikidata ein work in progress. Die Tatsache, dass jeder editieren kann, bedeutet, dass Tausende von Editoren (sowohl Freiwillige als auch Profis) am selben Ziel arbeiten, wobei ständig Fehler gefunden und korrigiert werden - Wikidata entwickelt sich zu einer einzigartigen und sehr umfassenden Datenquelle. Gleichzeitig gibt es keine professionelle Instanz, die die Richtigkeit der Daten kontrolliert und garantiert. Es besteht daher die Gefahr der Verbreitung von Fehlinformationen (wie bei jeder Datenquelle) und (in seltenen Fällen) von Vandalismus. Wikimedia-Projekte müssen daher ein besonderes Augenmerk auf die Qualitätssicherung legen und idealerweise zum Projekt beitragen, um es gemeinsam zu verbessern.
- Repräsentativität und Bias: Studien haben gezeigt, dass die meisten aktiven Mitglieder der Wikimedia Community aus dem globalen Norden stammen und überwiegend männlich sind. Das kann zu einem systematischen Bias in den Artikeln führen. Dies betrifft insbesondere die Abdeckung von Themen aus anderen Kulturen und die Darstellung von Minderheiten und Frauen.
- Barrieren: Auch wenn die Partizipation an Wikimedia- Projekten grundsätzlich allen offenstehen soll, so hat sich doch gezeigt, dass die Hürden für Beitragende nicht unerheblich sind. Plattformen wie Wikidata sind nicht ausreichend intuitiv zu bedienen und schließen so viele Nutzer*innen von einer aktiven Beteiligung aus.
Wikidata nutzen
[Bearbeiten]Alle Beiträge bei Wikidata stehen unter der Lizenz CC0 1.0 Universal. Das bedeutet, dass sie komplett frei, gemäß der 5V-Freiheiten (siehe Kapitel “Die 5V-Freiheiten der Offenheit”), verwendbar sind.
Wikidata ist ein transparentes Tool, das eine Begleitung des Forschungsprozesses erlaubt und Interessierte dazu beitragen lässt. So können z.B Forschungserkenntnisse darin eingearbeitet werden, wodurch sich die Datenlage fortwährend verbessert. Verschiedene Forschungsfragen können durch Datenabfragen beantwortet werden.
So können alle Datensätze aus Wikidata für komplett neue Projekte verwendet werden. Über die in Wikidata zur Verfügung gestellten Tools lassen sich Datensätze zudem einfach finden. am besten nach einer einfachen Registrierung (benötigt werden lediglich ein Benutzername, eine E-Mail-Adresse und ein Passwort). Somit ist es für alle, die sich mit offenen (Kultur-)Daten beschäftigen wollen, ein guter Einstiegspunkt. Egal, ob es darum geht, bereits vorhandene Datensätze und verwandte Daten für ein eigenes Projekt zu finden oder sich an einer der größten Sammlungen zu beteiligen und sie zu erweitern.
Projekte mit offenen (Kultur-)Daten und Wikidata
[Bearbeiten]- Offene Daten, die unter Creative Commons oder einer anderen freien Lizenz veröffentlicht wurden, können sehr einfach in Wikidata ergänzt werden und stehen anschließend für weitere Wikimedia-Projekte, wie etwa der Wikipedia, zur Verfügung. Dazu sind verschiedene Projekte denkbar, z.B.:
- Ergänzung von Informationen zu historischen Orten und Denkmälern in Niedersachsen in Wikidata;
- Integration von Wikidata mit vorhandenen Datenquellen, z.B. Denkmalatlas Niedersachsen;
- Nutzung von Ergebnissen aus dem Wikidata Query Service, um sich bspw. eine Timeline mit Erinnerungsorten in Niedersachsen, geordnet nach ihren Eröffnungsdaten, ausgeben zu lassen.
Weitere Möglichkeiten der Nutzung
[Bearbeiten]- Bibliografien aufbauen, bibliografische Daten pflegen
- Personendaten pflegen
- Daten von Orten und Organisationen pflegen
- Standardisierung und Erstellung von Linked Open Data
- In Ergänzung zu GND, VIAF etc. können Wikidata-QIDs auch zur Normierung von Personen, Organisationen, Orten und anderen Konzepten in Metadaten verwendet werden. Die Vorteile liegen darin, dass die Ontologie von Wikidata international und transdisziplinär ist und dass neue Normdatensätze viel einfacher erstellt und dann von anderen verlinkt werden können. Wenn Sie Links in Wikidata zu Ihrer eigenen Datenbank mit einer eigenen "External Identifier"-Eigenschaft hinzufügen, können Sie direkt Linked Open Data erstellen.
3.2 Daten visualisieren, Texte transkribieren, lernen und lehren
[Bearbeiten]Wikiversity
[Bearbeiten]Mit der Wikiversität können offene Lern- und Lehrmaterialien erstellt werden: Open Educational Resources (OER) – Kurse, Projektseiten und Materialsammlungen. Grundlegende Elemente sind dafür die Ressourcen der gesamten Wikimedia-Portalfamilie sowie eigene Texte und andere Links und Quellen im Internet: Wikipedia in verschiedenen Sprachen, Digitale Objekte in Commons, Transkriptionen in Wikisource, strukturierte Metadaten in Wikidata etc. Diese Materialien können leicht verlinkt und eingebettet werden (Inter-Wikilinks).
Für das Projekt WikiRemenbrance entstand von Beginn an eine Projekt- und Veranstaltungsseite als Ideen- und Materialsammlung und zur Dokumentation: Diese Wikiversityseite wurde sodann mit offenen Metadaten in Wikidata beschrieben (erschlossen).
Illustration: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wikiversity-logo-de.svg
Visualisierung offener Metadaten mit Scholia
[Bearbeiten]Scholia ist ein digitales Werkzeug, mit dem insbesondere bibliografische Daten aus Wikidata visualisiert werden, im Grunde wie illustrierte Suchergebnisse in einem Bibliothekskatalog. Vordefinierte Abfragen für Personen, Themen, Organisationen, Veranstaltungen und weitere Kategorien ermöglichen attraktive Darstellungen und Analysen von Metadaten: Diagramme, Listen und verknüpfte Illustrationen.
Beispiele
Verbrannte Orte: https://scholia.toolforge.org/topic/Q123455892
Projekt OGT: https://scholia.toolforge.org/project/Q107008182
Themen
- Nationalsozialismus: https://scholia.toolforge.org/topic/Q7310
- Erinnerungskultur: https://scholia.toolforge.org/topic/Q15427394
Wikisource
[Bearbeiten]Wikisource ist eine Sammlung von Texten und Quellen, die entweder gemeinfrei sind, also nicht mehr dem Urheberrecht unterliegen oder unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen. Wikisource ist ein Qualitätsprojekt, das seine Texte mit den Scans der Quelle vergleichbar macht. Nach dem Mehr-Augen-Prinzip werden Texte transkribiert und Fehler in automatisch aus Scans extrahierten Volltexten korrigiert. Illustrationen werden ggf. aus Wikimedia Commons eingebettet. Datenspeicher für die gescannten Werke ist Wikimedia Commons.
Transkriptionen in Wikisource sind offen lizenziert und eignen sich, um Texte vollständig als digitale Edition neu zu veröffentlichen und sichtbar zu machen, kollaborativ zu bearbeiten und mit offenen Metadaten in Wikidata zu beschreiben. Diese Daten in Wikisource und Wikidata erhöhen zugleich die Relevanz für Suchmaschinen. Jeder kann sie nutzen.
Anleitung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wikisource-Brosch%C3%BCre.pdf bzw. https://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Wikisource-Brosch%C3%BCre
Beispiele für Themenseiten
https://de.wikisource.org/wiki/Nationalsozialistisches_Recht
https://de.wikisource.org/wiki/Kategorie:Nationalsozialismus
https://de.wikisource.org/wiki/Besprechungsprotokoll_Wannseekonferenz
https://de.wikisource.org/wiki/Niedersachsen
FactGrid
[Bearbeiten]FactGrid ist wie Wikidata ein offener Wissens- und Datenspeicher für historische Informationen zu Wissensgegenständen. Das Portal ist ein Projekt des Forschungszentrums Gotha der Universität Erfurt. Mit der Unterstützung von Wikimedia Deutschland bietet FactGrid seit 2018 für historische Forschung eine Wikibase-Instanz zur Arbeit in einer größeren kollaborativ organisierten Datenumgebung. Linked Open Data (LOD) erlaubt die übergreifende Verknüpfung und verknüpfte Abfragen verschiedener Datenquellen. FactGrid und Wikidata arbeiten mit der Software Wikibase auf Basis ähnlicher offener Datenstrukturen und sind auf diese Weise interoperabel.
Beispiele für Datenobjekte in FactGrid
Hannover: https://database.factgrid.de/wiki/Special:WhatLinksHere/Item:Q10378
Niedersachsen: https://database.factgrid.de/wiki/Item:Q483710
Niedersächsisches Landesarchiv, Hannover (Q23114): https://database.factgrid.de/wiki/Item:Q23114
3.3 Wann sollte man Daten nicht öffnen?
[Bearbeiten]Auch wenn die Veröffentlichung von Daten unter freier Lizenz eine zentrale Rolle beim Austausch und der Vermittlung von Wissen einnimmt, kann es gute Gründe geben, sich gegen eine solche Veröffentlichung zu entscheiden.
Pietät und Überwältigungsverbot
[Bearbeiten]Es kann problematisch sein, fotografische oder filmische Darstellungen von Menschen in erniedrigenden Positionen ohne weiteres öffentlich zur Verfügung zu stellen. Die öffentliche Zurschaustellung extremer Gewalt oder deren Folgen kann zudem aufgrund der emotionalisierenden Effekte solcher Darstellungen gegen das Überwältigungsverbot in der historisch-politischen Bildung verstoßen. Bei Menschen, die unvorbereitet derartiges Material zu Gesicht bekommen, könnte diese Erfahrung zudem negative psychologische Folgen haben. Aus diesen Gründen ist Vorsicht geboten, wenn es um den öffentlichen Zugang etwa zu Bildmaterial aus der Zeit der Konzentrationslager oder zu Berichten von Überlebenden sowie anderen historischen Quellen geht.
Einschränkende Archiv- und Datenschutzrechte
[Bearbeiten]Die Veröffentlichung personenbezogener Daten wie Häftlingsakten unterliegt natürlich rechtlichen Beschränkungen. Die meisten Gedenkstätten verfügen über Archivalien, seien es materielle Überreste, visuelle bzw. audiovisuelle Quellen wie historische Fotos und Filmaufnahmen oder Aufnahmen von Interviews mit Überlebenden, oder Massendaten wie Häftlingsakten und Kriegsgefangenenakten. Sofern es sich dabei um Kopien aus anderen Archiven handelt, verbietet das Archivrecht einen öffentlichen Zugang zu diesen Daten ohne ausdrückliche Einwilligung der Originalarchive. Zudem bestehen datenschutzrechtliche Bedenken gegen eine öffentlichen Zugang zu personenbezogenen Daten. Die Arolsen Archives haben als internationale Organisation diesbezüglich einen Sonderstatus, insofern sie nicht dem europäischen Datenschutzrecht unterliegen und daher ihre Sammlungen komplett online verfügbar machen können.
Geschichte der Datenerfassung- und nutzung
[Bearbeiten]Hierbei ist es wichtig, auch die Geschichte der Datenerfassung und -nutzung zu beachten. Daten waren beispielsweise auch für die Gestapo ein wichtiges Arbeitsmittel. Mit Hilfe für die damalige Zeit modernster Karteien speicherte sie bereits im vordigitalen Zeitalter große Mengen an Daten, organisierte und verwaltete diese effizient. Diese Datenspeicherung erleichterte den staatlichen Zugriff auf Individuen und diente unter anderem auch zur Durchführung von Massendeportationen und Ermordungen.
Neben anderen Faktoren erklärt dies auch, warum vor allem gesellschaftlich marginalisierte Gruppen und Communities, z.B. solche, die von Rassismus oder anderen Formen von Diskriminierung betroffen sind, oft Vorbehalte gegen die Freigabe von eigenen Wissensbeständen haben. Wenn Daten frei zur Verfügung stehen, birgt dies auch immer die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung und Verfälschung durch Dritte. Auch kann die legitime Sorge bestehen, als Individuen oder Angehörige einer bestimmten Gruppe identifiziert zu werden. Diese Bedenken sind oft stark mit den eigenen Erfahrungen von Diskriminierung und Verfolgung verwoben, die diese Menschen erlebt haben und erleben.
Marginalisierte Gruppen und das Recht über die Kontrolle der eigenen Daten
[Bearbeiten]Es ist daher nachvollziehbar und berechtigt, dass Communities, die seit Generationen gesellschaftliche Marginalisierung und Diskriminierung erfahren, die Kontrolle über ihre eigenen Geschichten und Informationen behalten wollen. Das Konzept des Freien Wissens ist aus weißer Perspektive formuliert und der Anspruch, alles Wissen zugänglich zu machen, trifft hier auf den Bedarf von marginalisierten Communitys, ihr Wissen zu schützen.
Das bedeutet nicht, dass die freie Veröffentlichung von Daten in diesen Kontexten per se problematisch oder gar unmöglich ist, es bedarf aber einer besonderen Sensibilität. Der Schutz der jeweiligen Communities sollte bei der Veröffentlichung von Daten immer im Vordergrund stehen und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um diesen zu gewährleisten. Das kann auch bedeuten, die betreffenden Communities über ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten im Falle einer Verzerrung oder Verfälschung von Inhalten zu beraten oder sie konkret bei eventuellen Auseinandersetzungen zu unterstützen.
In der Forschungsdaten-Community werden diese Perspektiven in den letzten Jahren zunehmend unter dem Stichwort der CARE-Prinzipien als Ergänzung der weithin akzeptierten FAIR-Prinzipien diskutiert, vgl. FAIR und CARE Prinzipien.
Die Projekte des Wikiversums verwenden grundsätzlich offene Lizenzen, Wikipedia zum Beispiel, Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen (CC BY-SA), Wikidata, die Public-Domain-Widmung. Erfahrungen mit Hassrede und Bedrohungen zeigen, dass solche offenen Lizenzen derartige Probleme weder lösen noch sie verschlimmern. Online zugängliches Material (ob hinter Bezahlschranken versteckt, kostenlos, sichtbar lizenziert oder nicht) wird regelmäßig kopiert und gegen Minderheiten verwendet - auf die urheberrechtlichen Bedingungen wird dabei in aller Regel keine Rücksicht genommen, insbesondere dann nicht, wenn die Täter online unter einem Pseudonym agieren.
3.4 Diskriminierung in (Meta)Daten entgegentreten
[Bearbeiten]Weil Daten von Menschen erhoben und kategorisiert werden, dürfen wir Datensätze und ihre Modellierung nicht als neutral betrachten. Das gilt besonders, wenn es um Daten geht, die gewaltvolle historische Ereignisse erfassen. Diese sind oftmals aus der Perspektive und Hand der Unterdrückenden entstanden und bergen somit diskriminierende und verschleiernde Einordnungen. Diese Arbeit und Auseinandersetzung findet im Zusammenhang mit Metadaten bisher eher spärlich statt. Doch Metadaten tragen zur Verschleierung von Machtgefällen und der Reproduktion von Gewalt bei - und könnten eigentlich eine wichtige Rolle für eine nuancierte Kontextualisierung und multiperspektivische Einordnung von historischen Ereignissen einnehmen.
Freie Wissensdatenbanken als Chance für Kulturdaten
[Bearbeiten]Wikimedia-Projekte nehmen im Kosmos der Wissens(re)produktion und Erinnerungskultur eine interessante Position ein: Sie unterstehen keiner einzelnen Autorität, sondern definieren sich durch die kollektive, selbstorganisierte Zusammenarbeit im digitalen Raum, was eine Zusammenarbeit auf nationalem oder globalem Level vereinfacht und idealerweise eine multiperspektivische Wissens(re)produktion ermöglicht. Wikidata bietet grundsätzlich die Möglichkeit, transparent, multiperspektivisch und in globaler Zusammenarbeit Metadaten zu modellieren und zu editieren.
Wenn wir uns also genauer mit Metadaten und ihrem Potential für sensible Kontextualisierung von Kulturdaten beschäftigen, müssen wir uns zunächst damit beschäftigen, ob die Daten, mit denen wir arbeiten, überhaupt digitalisiert und öffentlich geteilt werden sollten (siehe dazu auch das Kapitel “Wann sollte man Daten nicht öffnen?”).
Zur (Re)Produktion von Diskriminierung in Metadaten
[Bearbeiten]Wenn wir ein Item in Wikidata anlegen, dann können wir dieses – neben einer Ergänzung möglicher alternativen Namen oder Schreibweisen – mit Aussagen versehen, die die Objekteigenschaften definieren. Diese Eigenschaften werden wiederum durch Werte und deren Qualifikatoren präzisiert und können durch Quellenangaben, sogenannte Fundstellen, ergänzt werden. Da sowohl die Eigenschaften als auch deren spezifischen Qualifikatoren aus anderen Objekte in Wikidata gebildet werden, entsteht so ein Netzwerk offener (Meta)Daten, was auch als Linked Open Data beschrieben wird (Siehe dazu: “Was ist Wikidata und wie kann ich es nutzen?”).
In diesem Abschnitt möchten wir einen genaueren Blick auf Problematiken und Barrieren in der Modellierung von Kulturdaten werfen. Die folgenden Erfahrungen und Beispiele sind in einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit Daten aus kolonialen Kontexten entstanden und tragen daher einen gewissen fallstudienhaften Charakter.
Unterdrückungsperspektiven in Metadaten
[Bearbeiten]Metadaten reproduzieren häufig dominierende Perspektiven, Narrative und Gewalt. Ein Beispiel hierfür wäre, dass Handlungen des Widerstands von Seiten der indigenen Bevölkerung gegen die deutsche Kolonialmacht in älteren Modellierungen die Eigenschaften "Revolten“ oder "Aufstände“ erhalten haben, die wiederum mit der Eigenschaft "Gewaltakt“ vernetzt wurden - wohingegen die französische Revolution als “Widerstand” modelliert wurde und mit der Eigenschaft "Sozialer Wandel“ vernetzt ist. Indigener Widerstand gegen deutsche Kolonialgewalt wird in den Metadaten folglich aus der Perspektive der Unterdrückenden erfasst und delegitimiert.
Semantische Verschleierung
[Bearbeiten]Das oben genannte Beispiel reproduziert nicht nur Unterdrückungsperspektiven, sondern lässt sich auch als semantische Verschleierung einordnen. Diese Verschleierungen treten immer noch häufig in Metadaten auf. So bezeichnen Metadaten von Raubkunst, diese noch vielfach als ,”Sammlungen” und der Kolonialherr, der diese Objekte nach Deutschland gebracht hat, wird als ,”Besitzer” modelliert und seinem Wikidata-Item werden die Eigenschaften ,”Sammler” und ,”Entdecker” zugeordnet. Die Metadaten zeichnen das Narrativ einer neutralen Schenkung, die Zugehörigkeit der Raubkunst wird ausschließlich über die Inbesitznahme durch die deutsche Kolonialmacht modelliert und es wird ein neutrales Verfahren vermittelt, das so historisch nicht stattgefunden hat.
Um den Problemen der Unterdrückungsperspektiven und semantischen Verschleierung in Metadaten zu begegnen, müssen diese und sämtliche Vernetzungen zu anderen Items kritisch (re)evaluiert werden: Welches Narrativ und welche Perspektive wird von den Metadaten wiedergegeben? Aus welchen Quellen stammen diese modellierenden Informationen? Welche neutralen Begriffe werden zur Verschleierung von Gewalt genutzt? Wie bereits beispielhaft im Text vorgeschlagen, bietet es sich an, Modellierungen von Daten aus gewaltsamen Kontexten mit den Modellierungen anderer historischer Ereignisse und ihrer Datennetze zu vergleichen. Durch solche Vergleiche wird schnell deutlich, in welchem Maße unterdrückende Narrative in Metadaten (re)produziert werden und (Meta)Daten weder Logik, noch Neutralität innewohnt.
Fehlende oder mangelhafte Kontextualisierungen
[Bearbeiten]Da Metadaten Kontextualisierung durch die Vernetzung zu anderen Items schaffen, müssen für eine historisch akkurate Kontextualisierung adäquate Eigenschaften, Werte und Quantifikatoren in der Modellierung gewählt werden. Es kommt vor, dass es die korrekten Eigenschaften noch nicht als eigene Item in Wikidata gibt oder die Modellierungsstruktur die Verwendung von Eigenschaften vorschreibt, die für das spezielle Wikidata-Item nicht passend sind und die Kontextualisierung verfälschen.
Diese fehlenden oder verfälschenden Kontextualisierungen können in Modellierungen vielfach auftreten, sei es Zugehörigkeit(en), Sprache, Länder, Gender oder gesellschaftliche Stellung, um nur einige Beispiele zu geben. Diese Leerstellen und Verfälschungen resultieren aus der Missachtung und Herabsetzung von Lebensrealitäten und Kulturen im Zuge des Kolonialismus; es gab weder Bemühungen Orts- oder Personennamen korrekt oder überhaupt zu dokumentieren, noch den Versuch diese Informationen in einer anderen als der westlichen Weltanschauung und Ontologie einzuordnen. Um in der Modellierung von Daten akkurate und respektvolle Kontextualisierung zu schaffen, können durch das Hinzufügen von weiteren Eigenschaften mangelhafte Kontexte geschärft werden und eine sensiblere Einordnung stattfinden. Hier müssen alternative Quellen der Herkunftsgesellschaft oder betroffener Communities in der Modellierung hinzugezogen werden und bei bereits existierenden Modellierungen editiert werden. Die Itembeschreibung in Wikidata lässt ebenso Alternativbeschreibungen zu, so kann ein Item beispielsweise nicht nur mit der Bezeichnung in verschiedenen Sprachen versehen werden, sondern auch verschiedene Schreibweisen einer Bezeichnung aufgenommen werden. Natürlich können auch neue Items modelliert werden, die zur Kontextualisierung von anderen Items beitragen können. Es ist empfehlenswert, einen Modellierungsplan zu entwerfen und sich vor Augen zu führen, wie das Schaffen und Vernetzen verschiedener Items in Wikidata für mehr Kontextualisierung untereinander sorgen kann. Das Projekt The Restitution of Knowledge der Technischen Universität Berlin hat mit Wikimedia Deutschland explorativ solche Modellierungspläne erstellt, welche auf der WikiProjekt "TheRoK” zu finden sind.
Zuletzt sollte auch angemerkt werden, dass das Schaffen von neuen Aussagen und Modellierungsstrukturen auf Wikidata möglich ist und zur Implementierung vorgeschlagen werden kann. Auf diese Weise können neue Ontologien geschaffen werden. Dieser Prozess setzt jedoch ein gewisses Know-How an Datenmanagement voraus und dauert erheblich länger als die anderen Maßnahmen. Allerdings zeigen Projekte wie Enslaved.org oder auch die Forschung von Stacy Allison-Cassin, wie wichtig das Schaffen neuer Ontologien für Linked Open Data sein kann.
Zu Positionierung und Entscheidungsmacht
[Bearbeiten]Für den Umgang mit diesen Problematiken ist es unerlässlich, sich mit der eigenen Haltung und Positionierung auseinanderzusetzen: In welchem Kontext stehe ich selbst als Person zu den Daten und ihrem historischen Hintergrund? Inwiefern profitiere ich in der Gegenwart von dieser Vergangenheit und welche Verantwortlichkeiten ergeben sich für mich daraus? Ebenso ist es unumgänglich, dass diese Arbeit unter Übergabe an oder Einbezug von Betroffenen, beziehungsweise der Herkunftsgesellschaft stattfinden muss. Institutionen und Personen der betroffenen Community oder Herkunftsgesellschaft müssen immer in diese Prozesse eingebunden werden oder die Prozesse an diese übergeben werden. Bei diesem Vorgehen sollte abermals die eigene Haltung und Positionierung reflektiert werden: Gehe ich eine nachhaltige Zusammenarbeit und Kooperation ein, von der die Betroffenen profitieren – oder extrahiere und profitiere ich ausschließlich von dem Wissen und der Arbeit der Betroffenen? Welche Machtasymmetrien bestehen? In Kontakt und Austausch mit Betroffenen und Herkunftsgesellschaften zu treten und folglich auch die Entscheidungsmacht abzugeben, ist in sich ein Prozess, der zeit- und ressourcenintensiv ist, aber trotzdem unumgänglich. Ein Einblick in diese Auseinandersetzung gewährt unter anderem die Blogserie ”Offen und gerecht!”, die in Zusammenarbeit von Wikimedia Deutschland und verschiedenen Kulturinstitutionen entstand.
Bei der Modellierung von Daten aus kolonialen Kontexten braucht es eine ebenso tiefgehende Auseinandersetzung, wie es die Aufarbeitung und Digitalisierung dieser benötigt. Die Reproduktion von unterdrückenden Perspektiven und Narrativen in der Form von vernetzten Metadaten mag zunächst weniger auffallen, darf aber genau deswegen nicht unterschätzt und ignoriert werden. Darüber hinaus können gerade mit Datenmodellierungen in Folge einer intensiven Auseinandersetzung eine vielschichtige und multiperspektivische Kontextualisierung von historischen Daten geschaffen wird, die Herrschaftsnarrativen entgegenwirkt, den Mythos von der Neutralität von Daten entgegentritt und uns die Chance gibt, die Perspektiven im gesellschaftlichen Erinnern mitzuprägen.
3.5 Potenziale und Grenzen von Erinnerungsarbeit bei Instagram und TikTok in Abgrenzung zum Wikiversum
[Bearbeiten]Social Media Remembrance is here to stay
[Bearbeiten]Kommerzielle Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok haben seit den 2010er Jahren eine enorme Verbreitung insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen weltweit gefunden. Insbesondere Storytelling-Formate, die von Gedenkstätten und Medienhäusern betrieben werden, aber auch die allgemeine Verbreitung historischen Wissens über diese Plattformen, sowie Postings und Interaktion junger Menschen z.B. bei Gedenkstätten-Besuchen sind zunehmend Teile des digitalen Alltags in der Erinnerungskultur. Die Realität dieser Interaktionen und das positive Potenzial dieser Form digitalen Erinnerns wird heute kaum bezweifelt.
Social Media im Werkzeugkasten der digitalen Erinnerungskultur
[Bearbeiten]Aus Sicht der Akteur*innen stellt sich die Frage, welche Rolle Social Media im Werkzeugkasten der digitalen Erinnerungskultur spielt. In der Bilanz der digitalen Außenwirkung von Gedenkstätten spielen diese Plattformen eine bedeutende Rolle - hier scheint man einen gut zählbaren Impact bei jungen Menschen erzielen zu können, und stellt zugleich unter Beweis, dass man mit der Zeit geht. Dem steht allerdings ein stets begrenztes Budget für digitale Erinnerungsarbeit gegenüber - sowohl für Gedenkstättenpädagog*innen als auch für Journalist*innen, die zu historischen Themen arbeiten, sowie für engagierte Bürger*innen. Mit wie viel Aufwand also bespielen Communities der Erinnerungskultur Plattformen wie TikTok und Instagram? Unweigerlich steht dieser Aufwand auch in Konkurrenz zum Engagement auf Plattformen wie Wikipedia, Wikidata, Wikisource und Wikimedia Commons. Hat digitale Erinnerungsarbeit auf Social Media- sowie Wiki-Plattformen spezifische Potenziale und Risiken, die wir kennen und berücksichtigen sollten?
Reichweite und Zählbarkeit des Impacts
[Bearbeiten]In Europa sind Instagram und TikTok heute die öffentlichen sozialen Plattformen mit den höchsten Engagement-Zahlen, insbesondere junger Nutzer*innen. Jugendliche und junge Erwachsene, die diese Plattform nicht regelmäßig nutzen, sind eine vergleichsweise kleine Minderheit geworden. Die von den Diensten angebotenen Metriken, insbesondere die Followerzahlen des eigenen Accounts sowie die Interaktionsrate suggerieren eine messbar große, wachsende Reichweite des dort geteilten Contents. Das ist jedoch nur zum Teil richtig, denn
- die Zahl der Follower*innen akkumuliert alle Abonnements über die gesamte Lebensdauer eines Accounts, und gibt daher keine Auskunft über die Zahl der auf diese Weise tatsächlich regelmäßig erreichten aktiven Nutzer*innen.
- Die Verbreitung unter den tatsächlich (noch) aktiven Follower*innen beruht auf intransparenten und stetig veränderten Algorithmen, mit denen die Plattformen die Ausspielung des eigenen Contents an die Nutzer:*nnen steuern und für ihr eigenes Geschäftsmodell nutzen.
- Die Reichweite des Contents über die Grenzen der Plattformen hinaus - sowie über die Grenzen der innerhalb der Plattform vorgegebenen Formate hinaus - wird von den Plattformen absichtlich und wirksam begrenzt, siehe hierzu weiter unten.
Social-Media-Plattformen haben unberechenbare Geschäftsmodelle
[Bearbeiten]Daten und Informationen auf Plattformen wie TikTok und Instagram sind anscheinend für jedermann frei zugänglich, doch bei näherer Betrachtung gewährleisten diese Plattformen nicht langfristig ein vertrauenswürdiges Umfeld für Themen der Erinnerungsarbeit. So zeigte zuletzt die Entwicklung der Plattform X (vormals Twitter), dass selbst große Online-Plattformen nicht vor einem abrupten radikalen Wandel ihrer Policies u.a. gegenüber Hassrede gefeit sind. (Vgl. Wie Elon Musk aus Twitter eine andere Plattform machte).
Social-Media-Plattformen sind Walled Gardens
[Bearbeiten]Auch jenseits der riskanten Abhängigkeit von Policies, die sich jederzeit ändern können: Kommerzielle “soziale Medien” sind geschlossene Teilöffentlichkeiten im Internet. Im Internet haben sich seit zwanzig Jahren Werkzeuge wie die Creative Commons-Lizenzen verbreitet. Jedermann kann damit Content kennzeichnen, der Internet-weit frei zugänglich sein soll. (Siehe dazu den Abschnitt “Freie Lizenzen”.) Mit diesen Werkzeugen geschieht das rechtssicher und maschinenlesbar, explizit um festzulegen, dass Content auch plattform-unabhängig betrachtet und weiterverbreitet werden darf, und dabei ggf. unter Quellenangabe zitiert werden sollte. Plattformen wie Wikidata und Wikipedia stellen dort geteiltes Wissen in großem Umfang und weltweit transparent und dauerhaft unter solche Lizenzen. Auch für Forschungspublikationen und Forschungsdaten hat sich die Verwendung dieser Lizenzen im großen Maßstab durchgesetzt. Bei Plattformen wie Instagram und TikTok ist das jedoch nicht der Fall. Das führt dazu, dass dort geteilte Inhalte nicht ohne weiteres jenseits dieser Plattformen weiter verbreitet werden dürfen und können. Diese Restriktion betrifft sogar öffentliche Webarchivierungs-Dienste wie das Internet Archive. Inhalte (oder große Teile davon) wie ein virtuelles Gemeingut zu behandeln und zu pflegen, ist auf kommerziellen Social-Media-Plattformen konzeptionell ausgeschlossen. Wer das Ziel verfolgt, eine für Instagram kreierte Story komplett herunterzuladen, eventuell sogar einschließlich dazugehöriger Benutzer*innen-Interaktionen, bricht in aller Regel die Vertragsbedingungen der jeweiligen Plattformen und merkt dass auch daran, dass dieses Kopieren allein schon auf technischer Ebene künstlich erschwert wird. Menschen, die kein Benutzer*innenkonto bei der jeweiligen Plattform haben können, wollen oder dürfen, sind von den Interaktionen ohnehin ausgeschlossen.
Von Social-Media-Plattformen angeregte Formatlogik
[Bearbeiten]Die Forschung zur Erinnerungskultur auf TikTok und Instagram zeigen auf, wie die Formatlogik der Plattformen die Interaktion zu den jeweiligen Themen der Erinnerungskultur prägt, mit unterschiedlichen Effekten. Ein regelmäßig zu beobachtendes Muster ist ein visuelles Storytelling, das zur Identifikation mit Opfern des Holocausts einlädt. Diese vermeintlich unmittelbare Nähe wird von den Nutzer*innen der Plattform gesucht, und steht auch nicht grundsätzlich im Widerspruch zu Ansätzen, die aus der “vordigitalen” Erinnerungsarbeit bekannt sind. Angesichts von Nora Hespers exemplarischer Beobachtung bleibt jedoch festzuhalten, dass Storytelling auf Instagram bisweilen anfällig ist für Verzerrungen und Missverständnisse. Und selbst wenn die Umsetzung sehr gelungen ist: Visuelles Storytelling auf diesen Plattformen (mit mehr oder weniger starker Interaktion der Nutzer*innen) kann zwar zu einer Identifikation mit individuellen Schicksalen anregen, ohne dabei gleichermaßen selbständiges, kritisch-reflektierendes Lernen zu unterstützen. Wikipedia, Wikidata, Wikisource und Wikimedia Commons sind demgegenüber eher Plattformen, die dazu anregen, sich anhand von Quellen überprüfbares Wissen aktiv anzueignen und im Idealfall sogar aktiv an der Erweiterung dieses Wissens mitzuarbeiten.
4 Projektsteckbriefe
[Bearbeiten]Verbrannte Orte e.V. - Ein Onlineatlas zu den Orten der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen 1933
[Bearbeiten]"Verbrannte Orte" hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Erinnerungskultur zu leisten. Geleitet durch die Fragen:
- Wie sehen die Orte, über 90 Jahre nach den Bücherverbrennungen, heute aus?
- Welchen Zweck erfüllen die Orte heute und wie betrachten wir sie im Wissen um das historische Geschehen?
- Gibt es sichtbare Zeichen der Erinnerung an diesen Orten und sind regionale Formen einer Erinnerungsarbeit erkennbar?
So entsteht auf der Internetseite "verbrannte-orte.de" ein wachsender Atlas mit Orten der Bücherverbrennung. Aktuelle Fotografien rücken dort ausgewählte Perspektiven ins Blickfeld und machen die vergessenen Orte der Bücherverbrennungen sichtbar. Interaktive Panoramen ermöglichen ein individuelles Entdecken der historisch belegten Orte. Hintergrundtexte und historische Materialien laden die Betrachter*innen zu einer Spurensuche ein. Durch Karten und Stadtpläne wird die Lokalisierung der "Verbrannten Orte" möglich gemacht.
2013 startete die Crowdfunding Kampagne für das Projekt "Verbrannte Orte“, über die eine Anschubfinanzierung für das Projektes zusammenkam. Im April 2013 folgte die erste Fototour durch Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Neben dem Fotografieren standen einige Vorträge auf dem Programm.Im Mai 2013 folgte eine kleine Ausstellung mit den ersten Panoramen im Rahmen der "Kulturellen Landpartie“ im Wendland. Im Januar 2014 wurde die Testversion des Onlineatlas freigeschaltet, 10 Orte der Bücherverbrennungen sind bisher vertreten. Im Laufe des Jahres 2014 gab es einige technische Veränderungen und Funktionserweiterungen des Projektes. So wurde eine Schnittstelle eingebaut, um Daten mit anderen Projekten zu teilen und es wurde die Möglichkeit der Übersetzung in andere Sprachen geschaffen. Im Jahr 2015 ging das Projekt in die Trägerschaft des gemeinnützigen Vereins "Kommunikationszentrum Meuchefitz e.V.".
Weitere Informationen
Projekthomepage: https://verbrannte-orte.de/ / About: https://verbrannte-orte.de/de/page/project
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#everynamecounts
[Bearbeiten]- everynamecounts ist eine Crowdsourcing-Initiative der Arolsen Archives mit dem Ziel, den Verfolgten des Nationalsozialismus ein digitales Denkmal zu errichten, damit auch zukünftige Generationen sich an die Namen und Identitäten der Opfer erinnern können. In den Arolsen Archives befinden sich rund 30 Millionen Dokumente mit Hinweisen auf die Schicksale von 17.5 Millionen Menschen - Häftlinge der Konzentrationslager, Zwangsarbeiter*innen des Hitler-Regimes und Überlebende.
Seit Beginn der Initiative wurden schon über 6 Millionen Dokumente bearbeitet. Im Archiv befinden sich allerdings insgesamt 40 Millionen historische Dokumente – es braucht also noch viele weitere Helfer*innen, um das digitale Denkmal fertigzustellen. Um bis 2025 alle Namen online recherchierbar zu machen, sind alle Interessierten aufgerufen, dabei zu helfen, bereits gescannte historische Dokumente digital zu erfassen – Voraussetzung hierfür ist lediglich der Zugang zu einem Computer mit Internetverbindung. Verfügbar ist #everynamecounts in den Sprachen Deutsch und Englisch.
Es gibt eine digitale Einführung, die den Einstieg in #everynamecounts erleichtert und sich deshalb auch für Schulprojekte eignet.
Weitere Informationen
(Auch Einladung via YouTube und TikTok zur Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit #everynamecounts)
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Gestapo.Terror.Orte in Niedersachsen 1933-1945
[Bearbeiten]Wo befinden sich Orte des Gestapoterrors im heutigen Niedersachsen? Welche Gebäude nutzte die Gestapo während des Nationalsozialismus? Und wie arbeitete die Gestapo? Diese Fragen sollen mit Hilfe der digitalen Landkarte "Gestapo.Terror.Orte“ bearbeitet werden. Hierfür werden Daten zu den damaligen Dienstsitzen und Haftstätten der Gestapo erhoben und auf der digitalen Karte visualisiert. Zudem werden Erinnerungsorte aufgenommen.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Darstellung der Arbeitsweise der Gestapo, die als "Ereignisse“ dargestellt werden. Diese "Ereignisse“ verdeutlichen exemplarisch, gegen wen sich der Terror der politischen Polizei des nationalsozialistischen Staates richtete. Im Zuge der Erfassung dieser Ereignisse, werden auch Daten der Geschädigten der Gestapo und der Täter*innen eingelesen.
Alle im Forschungsprozess erhobenen Daten werden auf Wikidata hinterlegt und anschließend auf der digitalen Landkarte "Gestapo.Terror.Orte“ visualisiert.
Im Sinne von Citizen Science kann die Karte von niedersächsischen Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen sowie Forschenden, Studierenden und anderen Interessierten genutzt und ergänzt werden. Diese breite Zielgruppe ist bewusst gewählt, dass der partizipative Ansatz des Projekts die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus fördert, von der viele verschiedene Menschen und Gruppen profitieren können. Zugleich ermöglicht die Ansprache einer breiten Zielgruppe die Erhebung unterschiedlicher Daten.
Um die digitale Handlungsfähigkeit der geschichtsinteressierten Community zu stärken, werden Workshops angeboten. Durch den Citizen Science-Ansatz kann die digitale interaktive Landkarte mit Orten des Gestapoterrors, Ereignissen und Personen auch nach Projektende bespielt werden. Die Daten sind langfristig in Wikidata (und FactGrid) gespeichert und können gegebenenfalls ergänzt und/oder verbessert werden. Perspektivisch sollen weitere Mechanismen integriert werden, die die Qualität der hinzugefügten Daten sichern. Durch eine vereinfachte Eingabemaske für Daten bleibt die Schwelle zur Partizipation niedrig.
Das Prinzip der Linked Open Data (LOD) ermöglicht es, mit Hilfe der gesammelten Daten, alternative oder zusätzliche Analysen durchzuführen. Des Weiteren können zahlreiche Anknüpfungspunkte für Projekte aus dem Bereich Digital Humanities gefunden werden.
Weitere Informationen
Projekthomepage: https://projects.tib.eu/ogt-orte-des-gestapoterrors/projekt/
Zeitraum: 2022 -
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Visual History of the Holocaust
[Bearbeiten]Das internationale Forschungs- und Entwicklungsprojekt “Visual History of the Holocaust: Rethinking Curation in the Digital Age” wurde Anfang des Jahres 2019 offiziell gestartet und hatte eine Projektlaufzeit bis Ende März 2023. Es wurde im Rahmen des Horizon 2020 Programms der EU gefördert und von einem internationalen Konsortium getragen. Koordiniert wurde das Projekt vom österreichischen Ludwig Boltzmann Institut for Digital History (LBI-DH)und dem Österreichischen Filmmuseum. Im Rahmen des Projekts ist eine Media Management and Search Infrastructure (MMSI) entstanden. Seit April 2023 wird die Weiterentwicklung der Plattform durch das LBI-DH koordiniert. Der öffentliche Launch der Plattform ist für Januar 2025 geplant.
Im Rahmen des Projekts wurden weltweit verstreute Filmaufnahmen der Befreiung aus verschiedenen Archiven in den USA, Großbritannien, post-sowjetischen Ländern, den Niederlanden, Österreich und Deutschland zusammengeführt, digitalisiert und annotiert. Auf einer eigens entwickelten Plattform, einer Media Management and Search Infrastructure, können diese digitalisierten Filmaufnahmen gesucht, gesichtet und mit anderen Quellen (historischen Dokumenten, Zeitzeugenberichten, Fotografien, späteren Verwendungen) verknüpft werden. Ein integrierter Filmplayer ermöglicht die framegenaue Analyse der Filme, Abspielgeschwindigkeit und Bildmaskierung können manipuliert werden, auf Machine Learning basierende automatisierte Filmanalyse (Schnitt, Einstellungsgröße, Kamerabewegung, Objektidentifikation, Ähnlichkeitsermittlung) ermöglicht manuelle Annotationen einzelner Einstellungen auf Grundlage von kontrollierten Vokabularen und die Verknüpfung mit anderen Medienobjekten. Umfangreiche, an internationale Standards anknüpfende Metadaten sind mit Open Data (WikiData) verknüpft und ermöglichen die Identifikation von Filmen und ihrer Manifestationen (Versionen, Kopien). Digitale Objekte (Fotos und Filme) sind außerdem georeferenziert und können somit an ihren Aufnahmeorten lokalisiert werden.
Das Projekt hat zum Ziel, verstreute Filmaufnahmen der Befreiung an einem Ort zusammenzuführen und zu kontextualisieren. Auf diese Weise soll ein neues kritisches Bewusstsein für die Aufnahmen als historische Quellen und Medien der Erinnerung geschaffen werden. Das Projekt wird vom Ludwig Boltzmann Institut for Digital History in Wien gehostet und gemeinsam mit dem Österreichischen Filmmuseum und der TU Wien weiterentwickelt.
Weitere Informationen
Projekthomepage: https://www.vhh-project.eu/
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RomArchive
[Bearbeiten]RomArchive soll die Künste und Kulturen der Sinti und Roma dokumentieren, um einen virtuellen Ort zu schaffen, an dem sie in ihrer Vielfalt sichtbar werden. Den Kern bietet ein auch thematisch durchsuchbares Online-Archiv, das verschiedene Sammlungen zusammenführt. Zusammen mit kuratierten Sektionen zu verschiedenen Kunst- und Kulturgattungen sowie der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma schafft das RomArchive durch von Roma und Sinti selbst erzählten Gegengeschichten eine im Internet international zugängliche, verlässliche Wissensquelle, die Stereotypen und Vorurteilen mit Fakten begegnet. Anders als in “hegemonialen” Archiven, in denen Sinti und Roma meist ausschließlich stereotyp dargestellt werden, steht bei RomArchive ihre Selbstrepräsentation im Mittelpunkt. Das Material wurde von 150 Akteur*innen in 15 Ländern zusammengetragen und kuratiert. Die Stiftung Deutsche Kinemathek hat die technische Umsetzung betreut. Neben der Wissensvermittlung geht es dem Projekt auch um Bewahrung. Dazu wurden hohe Digitalisierung- und Editionsstandards angelegt.
Das Projekt wird nach Ende der Entwicklungsphase vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e.V. mit Unterstützung der Bundeszentrale für Politische Bildung weitergeführt.
Weitere Informationen
Projekthomepage: https://www.romarchive.eu/de/
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Verwendete Literatur/Weiterführendes
[Bearbeiten]- An Open Letter on the Misuse of Holocaust Memory. O.Bartov, Ch. Browning, J. Caplan, D. Dwork, M. Rothberg, et al. The New York Review, 2023. Online: https://www.nybooks.com/online/2023/11/20/an-open-letter-on-the-misuse-of-holocaust-memory/
- Assmann, Aleida: Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention. 3. erweiterte und aktualisierte Auflage. München 2020
- Berlinghoff, Marcel: Geschichte der Migration in Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Migration, 2018. Online: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/dossier-migration/252241/geschichte-der-migration-in-deutschland/
- Bundesstiftung Aufarbeitung: Museen und Gedenkstätten. Online: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/erinnern/museen-und-gedenkstaetten
- Coalition for Pluralistic Public Discourse – Erinnerungskultur plural denken. Blog Gedenkstättenforum, 2024. Online: https://www.gedenkstaettenforum.de/aktivitaeten/gedenkstaettenrundbrief/detail/coalition-for-pluralistic-public-discourse-erinnerungskultur-plural-denken
- Czollek, Max: Versöhnungstheater. Carl Hanser Verlag, 2023. ISBN 978-3446276093
- Die Gedenkstättenkonzeption des Bundes: Rückblick, Bilanz und Erwartungen an eine Aktualisierung. Gedenkstättenforum, 2022. Online: https://www.gedenkstaettenforum.de/aktivitaeten/gedenkstaettenrundbrief/detail/die-gedenkstaettenkonzeption-des-bundes
- Digitalisierung von Ton- und Videodokumenten mit Oral-History.Digital (2023): SGBMDigital: Blog zum Digitalisierungsprojekt der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Online: https://sgbmdigital.hypotheses.org/
- Data Driven History. Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung (NGHM), Universität Osnabrück. Online: https://www.nghm.uni-osnabrueck.de/data_driven_history/data_driven_history.html
- Ebbrecht-Hartmann, Tobias (erscheint im Oktober 2024): TikTok-Aktivismus - Politischer Protest mit kurzen Videos. Bertz + Fischer, 2024. ISBN 978-3-865057723
- Ebbrecht-Hartmann, Tobias: An die Shoah auf TikTok erinnern? Soziale Medien und partizipatives Gedächtnis. Video (Youtube), 2022. Online: https://www.youtube.com/watch?v=XgIO0fNCs0c
- EHRI Project: https://www.ehri-project.eu/
- Erinnerungskultur digital: Herausforderungen und Chancen für die historische und politische Bildung. Hg. von Thomas Bürger und Roland Löffler, Thelem : Dresden, 2024. ISBN 978-3-95908-630-1
- Games und Erinnerungskultur": https://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/games-erinnerungskultur/
- Gedenkstätte Hohenschönhausen: Das Stasi-Gefängnis. https://www.stiftung-hsh.de/
- Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte: https://gedg.org/*
- Hahn, Helene: Kooperativ in die digitale Zeit – wie öffentliche Kulturinstitutionen Cultural Commons fördern: Eine Einführung in offene Kulturdaten.v1. Aufl., April 2016 – korrigierte Fassung November 2019. Hrsg. digiS – Servicestelle Digitalisierung Berlin. Online verfügbar (PDF): urn:nbn:de:0297-zib-59131
- Internet Archive: https://web.archive.org/
- Lernen mit digitalen Zeugnissen. Online: https://www.edu.lediz.lmu.de/wordpress/
- Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft - Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Suhrkamp Verlag, 1988. ISBN 978-3-518-28357-8
- Mähr, M., Schnegg, N. (2024). Handbuch zur Erstellung diskriminierungsfreier Metadaten für historische Quellen und Forschungsdaten. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.11124720
- MEMO-Studie zur Erinnerungskultur in Deutschland: Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft. Online: https://www.stiftung-evz.de/was-wir-foerdern/handlungsfelder-cluster/bilden-fuer-lebendiges-erinnern/memo-studie
- Memorial Archives: https://memorial-archives.international/de/
- Multidirektionalität in der erinnerungspolitischen Bildungsarbeit. Ergebnisse aus der empirischen Forschung. Anders denken. Online: https://www.anders-denken.info/orientieren/multidirektionalit%C3%A4t-der-erinnerungspolitischen-bildungsarbeit-ergebnisse-aus-der
- Neue Perspektiven für die Erinnerungsarbeit. Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung; Bd. 4, Hg. Iris Groschek, Habbo Knoch. ISBN 978-3-8353-5365-7. Online (PDF): https://www.wallstein-verlag.de/ebooks/9783835384477.html
- Projektverbund "Forschungsstelle 'Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung'". https://www.geschichte.uni-hamburg.de/arbeitsbereiche/globalgeschichte/forschung/forschungsstelle-hamburgs-postkoloniales-erbe.html
- Rahmenkonzept Erinnerungskultur: Worum geht es im Streit um die Reformpläne von Claudia Roth? Deutschlandfunk Kultur, 2024. Online: https://www.deutschlandfunkkultur.de/rahmenkonzept-erinnerungskultur-roth-100.html#warum-neues-konzept
- Rothberg, Michael: Multidirektionale Erinnerung. Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung. Metropol Verlag, 2021. ISBN 978-3-86331-558-0
- Shadows of war : a social history of silence in the twentieth century: edited by Efrat Ben-Ze'ev, Ruth Ginio and Jay Winter. Cambridge, UK ; New York : Cambridge University Press, 2010. ISBN 9780521196581
- Simons, Olaf: Keine Selbstverständlichkeit: Citizen Science auf der FactGrid Wikibase-Plattform. In: Citizen Science in den Geschichtswissenschaften - Methodische Perspektive oder perspektivlose Methode? https://doi.org/10.14220/9783737015714.241
- Sophie Scholl als Insta-Freundin: Das heikle Spiel mit einer historischen Figur. Übermedien, Nora Hespers, 2021. Online: https://uebermedien.de/60159/sophie-scholl-als-insta-freundin-das-heikle-spiel-mit-einer-historischen-figur/
- The Palgrave Handbook of Textbook Studies. Ed. Eckhardt Fuchs, Annekatrin Bock, Georg Eckert Institute - Leibniz-Institute for International Textbook Research, Braunschweig 2018. ISBN 978-1-137-53141-4
- Wehling, Hans-Georg (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Schiele, Siegfried / Schneider, Herbert (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 173-184. ISBN 978-3129275801
- Welzer, Harald: Erinnerungskultur und Zukunftsgedächtnis. Bundeszentrale für politische Bildung, Geschichte und Erinnerung 2010. Online: https://www.bpb.de/themen/erinnerung/geschichte-und-erinnerung/39868/erinnerungskultur-und-zukunftsgedaechtnis/#node-content-title-4
Glossar
[Bearbeiten]Bias Ein Bias bezeichnet eine systematische Abweichung von einem neutralen Standpunkt oder einer objektiven Wahrnehmung, die auf unbewussten Vorurteilen, persönlichen Erfahrungen oder heuristischen Denkweisen beruht. Der aufgrund dieser Erkenntnis entwicklete Anti-Bias-Ansatz (Anti-Voreingenommenheits-Ansatz) zielt darauf ab, Vorurteile, Diskriminierung und Machtverhältnisse in der Gesellschaft zu erkennen und zu bekämpfen. Dieser Ansatz ist interdisziplinär und findet in verschiedenen Bereichen wie Bildung- und Sozialarbeit aber auch in der Unternehmensführung und in der Entwicklung von Technologien, insbesondere in der KI-Entwicklung, Anwendung.
CARE-Prinzipien CARE-Prinzipien richten den Blick auf ethische Fragestellungen, Machtdynamiken und historische Kontexte in Bezug auf Daten indigener Völker. Durch die CARE-Prinzipien sollen die Gefahren und Potenziale für Individuen und Gruppen in den Blick genommen werden. Auch sollen die Beforschten die Möglichkeit zur Mitbestimmung über die Erhebung, das Eigentum und die Verwendung von Daten bekommen.
- Kollektiver Nutzen (Collective Benefit): Indigene Völker sollten einen Nutzen aus den Daten ziehen können.
- Autorität zur Kontrolle (Authority to Control): Die Rechte und Interessen indigener Völker an indigenen Daten müssen anerkannt und ihre Befugnis, diese Daten zu kontrollieren, muss gestärkt werden. Die Verwaltung indigener Daten ermöglicht es zu bestimmen, wie indigene Völker sowie indigenes Land, Territorien, Ressourcen, Wissen und geografische Indikatoren in den Daten dargestellt und identifiziert werden.
- Verantwortung (Responsibility): Diejenigen, die mit indigenen Daten arbeiten, sind dafür verantwortlich, mitzuteilen, wie diese Daten verwendet werden, um die Selbstbestimmung der indigenen Völker sowie den kollektiven Nutzen zu unterstützen.
- Ethik (Ethics): Die Rechte und das Wohlergehen indigener Völker sollten in allen Phasen des Forschungsdatenzyklus und im gesamten Datenökosystem im Vordergrund stehen.
Citizen Science Citizen Science beschreibt einen Ansatz, bei dem wissenschaftliche Erkenntnisse von Personen, die nicht hauptberuflich in der fachzugehörigen Wissenschaft tätig sind, mit oder ohne Beteiligung von hauptamtlich Forschenden, gewonnen werden.
Creative Commons Creative Commons (abgekürzt CC) ist eine gemeinnützige Organisation, die 2001 in den USA gegründet wurde. Sie veröffentlicht verschiedene Standard-Lizenzverträge, mit denen ein Autor der Öffentlichkeit auf einfache Weise Nutzungsrechte an seinen Werken einräumen kann. Diese Lizenzen sind nicht auf einen einzelnen Werkstyp zugeschnitten, sondern für beliebige Werke anwendbar, die unter das Urheberrecht fallen, zum Beispiel Texte, Bilder, Musikstücke, Videoclips etc. Auf diese Weise entstehen freie Inhalte.
Co-Kreation Neben der offenen und kollaborativen Kuratierung, Bereitstellung und Bearbeitung von Daten, kann auch die Zusammenarbeit z.B. mit organisierten Communities wie Geschichtsvereinen- oder Werkstätten vertieft und Räume des gemeinsamen Experimentierens oder der Entwicklung von Forschungsvorhaben geschaffen werden, in denen co-kreativ Neues entsteht.
Crowdsourcing Beim Ansatz des Crowdsourcings handelt es sich um ein Beteiligungsverfahren im Sinne von Citizen Science, etwa die Beteiligung von Freiwilligen mit Interesse an erinnerungskulturellen Daten, Themen und Zusammenhängen, die ihr (Fach-)Wissen einbringen.
FAIR Data-Prinzip Die FAIR-Prinzipien besagen, dass die Auffindbarkeit (Findable), Zugänglichkeit (Accessible), Interoperabilität (Interoperable) und Wiederverwendbarkeit (Reusable) aller Daten gewährleistet werden muss, um so den größten Nutzen für die Forschungsgemeinschaft zu schaffen. Die FAIR-Prinzipien bilden so die Grundlage für eine interdisziplinäre und internationale Nachnutzung der Daten.
GLAM Englischsprachiges Akronym für "Galleries, Libraries, Archives, Museums“ (Galerien, Bibliotheken, Archive, Museen)
GNU Lizenz GNU ist ein unixähnliches Betriebssystem und vollständig freie Software, das im Rahmen des 1984 gestarteten GNU-Projekts als Softwaresammlung von Anwendungen und Bibliotheken entwickelt wird. GNU steht unter der GNU General Public License (GPL).
Kommunikatives Gedächtnis Das kommunikative Gedächtnis ist ein Konzept aus der Kulturwissenschaft und der Gedächtnisforschung. Es beschreibt die Weitergabe von Erlebnissen und Erfahrungen durch persönliche und direkte Kommunikation.
Kulturelles Gedächtnis Als kulturelles Gedächtnis wird die langfristige Bewahrung von Erinnerungen durch Schrift, Denkmäler, Rituale und andere kulturelle Praktiken bezeichnet. Während das kommunikative Gedächtnis informell und persönlich ist, ist das kulturelle Gedächtnis formell und institutionell verankert.
Linked Open Data (LOD) Linked Open Data (LOD) bezeichnet im World Wide Web frei verfügbare Daten, die per Uniform Resource Identifier (URI) identifiziert sind und darüber direkt per HTTP abgerufen werden können und ebenfalls per URI auf andere Daten verweisen. LOD folgt damit den Prinzipien des Semantic Web. Die miteinander verknüpften Daten ergeben ein weltweites Netz, das auch als "Linked [Open] Data Cloud“, "Giant Global Graph“ oder "Knowledge Graph“ bezeichnet wird.
Machine Learning Machine Learning oder maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Trainieren von Computern, um aus Daten und Erfahrungen zu lernen und sich stets zu verbessern – anstatt explizit dafür programmiert zu werden. Beim Machine Learning werden Algorithmen darauf trainiert, Muster und Korrelationen in großen Datensätzen zu finden und auf Basis dieser Analyse die besten Entscheidungen und Vorhersagen zu treffen.
Ontologie Ontologien im Datenmanagement sind meist sprachlich gefasste und formal geordnete Darstellungen einer Menge von Begriffen und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen in einem bestimmten Gegenstandsbereich.
Serious Games "Serious Games“ sind digitale bzw. analoge Spiele, die über ihren Unterhaltungswert hinaus, einen Realwelt Bezug haben. Sie verfolgen pädagogische, informative, therapeutische oder politische Lernziele.
Beitragende
[Bearbeiten]Bemme, Jens | Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden |
Binner, Mattis | Gedenkstätte Moringen |
Davina, Brenda | Stadt Hannover |
Ellinghaus, Marc | Stiftung niedersächsische Gedenkstätten |
Ebbrecht-Hartmann, Tobias | Hebräische Universität Jerusalem |
Fahrenkrog, Gabriele | TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek |
Groh-Trautmann, Lisa | TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek |
Heller, Lambert | TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek |
Klimas, Nicole Julie | Stadt Hannover |
Lammers, Anne | iRighjts Lab |
Lelle, Nikolas | Amadeu Antonio Stiftung |
Lindemann, Ingo | 1.Sinti-Verein Ostfriesland e.V. |
Mielich, Tobias | TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek |
Mischok, Andreas | Gedenkstätte Ahlem |
Nilson, Sonja | Arolsen Archives |
Patterson, Lucy | Wikimedia Deutschland e.V. |
Pietschmann, Cin | Wikimedia Deutschland e.V. |
Rohde, Achim | Stiftung niedersächsische Gedenkstätten |
Schenck, Jan | Verbrannte Orte |
Schwarzkopf, Christopher | Wikimedia Deutschland e.V. |
Wagner, Michael | 1.Sinti-Verein Ostfriesland e.V. |
Wilbricht, Stefan | Gedenkstätte Moringen |
Impressum
[Bearbeiten]Herausgeber*innen
TIB - Leibniz Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften
Welfengarten 1B
30167 Hannover
Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V.
Tempelhofer Ufer 23-24
10963 Berlin
Design und grafische Umsetzung: Matthias Wörle (MOR Design)
DOI: https://doi.org/10.34657/13796
Diese Handreichung ist im Projekt WikiRemembrance unter Leitung des Open Science Lab der TIB - Leibniz Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften im Rahmen eines gemeinschaftlichen Schreibprozesses entstanden. Erarbeitet wurden die Inhalte von Vetreter*innen aus Gedenkstätten, Vereinen, Bibliotheken und von Einzelpersonen, die in oder für Kultureinrichtungen mit dem Thema digitale Erinnerungskultur befasst sind. Das Projekt WikiRemembrance wurde gefördert mit Mitteln aus zukunft.niedersachsen, ein Förderprogramm des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung.
Weitere Informationen zum Projekt unter:
https://www.wikiremembrance.de/
https://de.wikiversity.org/wiki/Projekt:WikiRemembrance
Lizenzhinweis
[Bearbeiten]Sofern nicht anders gekennzeichnet, stehen die Texte der Handreichung “Erinnerungskultur digital und partizipativ” unter der CC BY 4.0-Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.de). Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Projekt WikiRemembrance