Wikiversity:Fellow-Programm Freies Wissen/Einreichungen/Mediale Differenzen und Relationen zwischen den ästhetischen und epistemischen Praktiken

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Mediale Differenzen und Relationen zwischen den ästhetischen und epistemischen Praktiken[Bearbeiten]

Projektbeschreibung[Bearbeiten]

Das Wort „Medium“ wird seit geraumer Zeit sowohl im Alltag als auch in den wissenschaftlichen Kontexten inflationär verwendet. Dabei weist es nicht nur auf die grundlegenden Wahrnehmungs- oder Ausdrucksmedien wie Bilder, Töne oder sprachliche Zeichen, sondern zumeist auf bestimmte materielle Komponenten oder Träger: Fotografien, Bücher, Computer, elektronische Geräte, Verkehrsmittel, Kleider, Gelder usw. hin. Das vorliegende Forschungsprojekt geht davon aus, dass Medien erstens nicht nur bloße Instrumente sind, die in wissenschaftlichen Arbeiten, künstlerischen Produktionen oder sozialen Praktiken als Mittel eingesetzt werden, sondern sie ändern als Akte der Vermittlung und Übertragung diese Praxiszusammenhänge grundlegend. Soziale, epistemische sowie ästhetische Praktiken geschehen immer schon medial, d.h. sie sind in jedem Vollzug auf verschiedene Medien angewiesen. Zugleich haben einzelne und gemischte Medien enorme Funktionen bei den Prozessen des Wissenserwerbs, der sozialen Repräsentation oder der ästhetisch-künstlerischen Produktionen. Sie können effektiv und produktiv eingesetzt werden, aber auch Tatsachen und Phänomene verheimlichen oder manipulieren. Zweitens sind Medien selbst historisch-kulturell bedingt und darum im jeden neuen Kontext veränderlich. Was Medien sind, hängt sehr eng mit ihren verändernden Verwendungsweisen und neuen Funktionen zusammen. Medien sind also keine unberührbaren Größen, die auf menschliche Praktiken, z.B. auf soziale Kommunikation, wissenschaftliche oder künstlerische Arbeiten extern einwirken, sondern indem sie diese und weitere Praxisbereiche mitgestalten, gewinnen sie daraus ihre Besonderheiten und neuen Eigenschaften. Das Projekt zielt also allgemein darauf, die Änderung der Medien sowie die Veränderungen durch die Medien in epistemischen und ästhetischen Praxiszusammenhängen aus diesen zwei Perspektiven begrifflich klar zu machen.

Das wichtigste Problem, das dem aktuellen Mediendiskurs zugrunde liegt, ist nicht die ubiquitäre Verwendung des Medienbegriffs in unterschiedlichsten Wissens- und Praxisbereichen, sondern eher sein einseitiges Verständnis und dessen vorschnelle Verallgemeinerung. Die begriffliche Einseitigkeit bei den meisten Medienverständnissen beruht entweder auf der Übertragung eines bestimmten Medienbegriffs von einem Praxisbereich auf einen anderen Bereich (1) oder auf der hierarchischen Bestimmung und Verwendung der einzelnen Medienbegriffen (2). Bei dem ersten Verständnis wird das in einem Bereich geltende Medienkonzept auf andere (Fremd-)Bereiche, wo Medien andere Funktionen besitzen und Besonderheiten aufzeigen können, übertragen. Bei dem zweiten Verständnis wird ein spezifisches Medium, z.B. Sprache oder Bild vorschnell als dominantes Medium einer bestimmten Epoche oder Theorietradition angesehen und andere Medien, insbesondere das Akustische, nur nebenbei erwähnt. Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, jenseits dieser begrifflichen Einseitigkeiten einen transdisziplinären Medienbegriff zu entwickeln, der zugleich für verschiedene Praxisbereiche in einer produktiven Weise ausdifferenzierbar wird. Dabei wird im ersten Schritt die Funktion der Medienverwendung sehr allgemein für menschliche Praktiken hinterfragt: Wie sind Medien wirksam in verschiedenen Praxiszusammenhängen und wie verändern sie grundlegende Praktiken und Selbst- oder Weltverständnisse von Menschen? Die Frage nach der Funktion der Medien wird im zweiten Schritt mit zwei grundlegenden Praxisbereichen der Menschen verknüpft: mit den epistemischen und ästhetischen Praktiken. Welche unterschiedlichen Medienfunktionen lassen sich während der Produktions-, Gestaltungs- und Rezeptionsprozesse der einzelnen Wissenschaften und Künste erkennen? Wie gehen verschiedene Dimensionen von ästhetischen und epistemischen Medienpraktiken ineinander? Wie verwischen ihre Grenzen und welche Leistungen und welche Gefahr lassen sich aus ihrem gegenseitigen Austausch erkennen? Im dritten Schritt werden im Hinblick auf wissenschaftliche und ästhetische Medienkonzeptionen einerseits die transformative Kraft der Medien und andererseits die Veränderungen der einzelnen Medien herausgearbeitet. Welchen Einfluss haben Medien auf die Wahrheitsansprüche in den Wissenschaften oder auf die Autonomie der einzelnen Künste? Wenn die Medien nicht bloße Größe oder Mittel sind, die außerhalb der sozialen, kommunikativen, ästhetischen oder wissenschaftlichen Praktiken liegen, wie verändern sie diese Praktiken und welche Veränderungen erfahren sie selbst dabei? Das Projekt untersucht methodisch weniger physikalische Beschaffenheiten, sondern eher die Praktiken, Funktionen, verändernde Kraft sowie Leistungen von Medien. Dabei werden nicht direkt einzelne Bilder, Worte oder Töne, sondern eher ihre Medialität, d.h. das Bildliche, das Sprachliche und das Akustische in den Fokus gestellt, eben weil diese über die Grenzen der einzelnen Materialien hinausgehen, sich auf die Performanzen, Leistungen und Praktiken beziehen und dadurch Funktionen und Veränderungen der Medien im Rahmen der spezifisch menschlichen Praktiken besser geklärt werden können.

Autor/in[Bearbeiten]

  • Tufan Acil
  • Institution: Freie Universität Berlin
  • Kontakt: tufanacil@yahoo.com