Algebraische Differentialoperatoren/Einführung/1/Textabschnitt/latex

Aus Wikiversity






\zwischenueberschrift{Differentialoperatoren auf dem Polynomring}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{.} Zu einem Polynom
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{F }
{ =} {\sum_{\nu } a_\nu X^\nu }
{ \in} { K[X_1 , \ldots , X_n] }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mathbed {i} {}
{1 \leq i \leq n} {}
{} {} {} {,} heißt das Polynom
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\partial_i F }
{ \defeq} { { \frac{ \partial F }{ \partial X_i } } }
{ \defeq} { \sum_\nu \nu_i a_\nu X_1^{\nu_1} \cdots X_{i-1}^{\nu_{i-1} } X_i^{\nu_i -1} X_{i+1}^{\nu_{i+1} } \cdots X_n^{\nu_n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die \definitionswort {formale partielle Ableitung}{} von $F$ nach $X_i$.

} Es wird also einfach algebraisch gemäß der üblichen Formel abgeleitet. Wenn $\nu_i$ ein Vielfaches der Charakteristik des Körpers ist, so kann diese Ableitung \anfuehrung{überraschenderweise}{} $0$ ergeben. Statt
\mathl{{ \frac{ \partial F }{ \partial_{X_i} } }}{} schreibt man auch kurz
\mathl{\partial_i (F)}{.} Insgesamt handelt es sich um eine $K$-lineare Abbildung \maabbdisp {\partial_i} { K[X_1 , \ldots , X_n]} { K[X_1 , \ldots , X_n] } {.} Es gilt die Produktregel \zusatzklammer {oder Leibnizregel} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_i(FG) }
{ =} { F \partial_i(G) + G \partial_i(F) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Diese partiellen Ableitungen kann man miteinander verknüpfen. Hierzu empfiehlt sich Monomschreibweise. Zu einem Tupel \zusatzklammer {einem Multiindex} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \alpha }
{ =} { \left( \alpha_1 , \, \ldots , \, \alpha_n \right) }
{ \in} { \N^n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} setzen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial^\alpha }
{ =} { \partial_1^{\alpha_1} \cdots \partial_n^{\alpha_n} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $\partial_i^{\alpha_i}$ die $\alpha_i$-fache Hintereinanderschaltung von $\partial_i$ bezeichnet. Bei dieser Gesamtkomposition kommt es nicht auf die Reihenfolge an, was hier im algebraischen Kontext einfacher ist als der analytische Satz von Schwarz. Die Summe
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { \alpha } }
{ =} { \alpha_1 + \cdots + \alpha_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nennt man die Ordnung der Hintereinanderschaltung. Zu einem Monom $X^\beta$ ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial^\alpha { \left( X^\beta \right) } }
{ =} { { \frac{ \beta ! }{ ( \beta- \alpha)! } } X^{\beta - \alpha} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} wobei zu einem Tupel $\gamma$ die Fakultät als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \gamma! }
{ =} {\gamma_1! \cdots \gamma_n! }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definiert wird und wobei dieser Ausdruck als $0$ zu verstehen ist, wenn
\mathl{\beta- \alpha}{} in einer Komponente negativ ist.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein Körper der Charakteristik $0$. Unter einem \zusatzklammer {formalen} {} {} \definitionswort {Differentialoperator}{} auf
\mathl{K[X_1 , \ldots , X_n]}{} versteht man eine endliche Summe
\mathdisp {\sum_\alpha g_\alpha \partial^\alpha} { }
mit polynomialen Koeffizientenfunktionen
\mathl{g_\alpha \in K[X_1 , \ldots , X_n]}{,} wobei die Indizes Tupel aus $\N^n$ sind.

} Die Ordnung eines Operators ist das maximale $\betrag { \alpha }$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{g_\alpha }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Ein solcher Differentialoperator $E$ ist eine $K$-lineare Abbildung \maabbeledisp {} { K[X_1 , \ldots , X_n] } { K[X_1 , \ldots , X_n] } {f} { E(f) = \sum_\alpha g_\alpha \cdot \partial^\alpha(f) } {.} Er führt also polynomiale Funktionen auf dem $K^n$ in ebensolche Funktionen über. Im physikalischen Kontext sind die Koeffizientenfunktionen häufig nur stetige Funktionen auf einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} und da beim Anwenden des Operators der Differenzierbarkeitsgrad heruntergeht, sind die Funktionenräume, die aus hinreichend oft differenzierbaren Funktionen bestehen und die als Definitionsbereich und als Wertebereich auftreten, nicht unbedingt identisch. Die beschriebenen Differentialoperatoren nennt man genauer lineare partielle Differentialoperatoren. Partiell bezieht sich dabei darauf, dass es mehr als eine Variable gibt \zusatzklammer {sonst spricht man von gewöhnlichen Differentialgleichungen} {} {} und linear darauf, dass die einzelnen $\partial^\alpha$ nur mit Koeffizientenfunktionen multipliziert werden, aber beispielsweise nicht quadriert werden. Insbesondere ist der Operator als Abbildung $K$-linear. Ein nichtlinearer partieller Differentialoperator ist beispielsweise der Monge-Ampère-Operator
\mathdisp {\partial_1^2 \cdot \partial_2^2 - ( \partial_1 \partial_2)^2} { . }
Hier steht links nicht die Verknüpfung der Operatoren, sondern das Produkt! Die Wirkungsweise auf eine Funktion $f$ ist also
\mathl{\partial_1^2 (f) \cdot \partial_2^2 (f)- ( \partial_1 \partial_2 (f) )^2}{.}






\inputbemerkung
{}
{

Ein Differentialoperator $E$ auf
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R }
{ =} {K[X_1 , \ldots , X_n] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und ein Polynom
\mathl{g \in K[X_1 , \ldots , X_n]}{} gibt Anlass zur \zusatzklammer {linearen} {} {} partiellen Differentialgleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E (f) }
{ =} { g }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei nach den Lösungen
\mathl{f \in K[X_1 , \ldots , X_n]}{} \zusatzklammer {bzw. realistischer im Ring der hinreichend oft differenzierbaren Funktionen auf dem $K^n$, \mathlk{K=\R, {\mathbb C}}{}} {} {} gesucht wird. Prominente partielle Differentialgleichungen sind die Wärmeleitungsgleichung mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E }
{ =} { \partial_t- \partial_x^2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {in \mathlk{K[t,x]}{}} {} {} oder die Wellengleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E }
{ =} { \partial^2_t - \sum_{j = 1}^n \partial^2_{x_j} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {in \mathlk{K[t,x_1 , \ldots , x_n]}{}} {} {.}

}




\inputbeispiel{}
{

Den Operator
\mathdisp {x_1 \partial_1 + \cdots + x_n \partial_n} { }
nennt man den \stichwort {Homogenitätsoperator} {} oder die \stichwort {Euler-Derivation} {.} Er bildet ein Monom $X^\mu$ auf
\mathl{\betrag { \mu } X^\mu}{} ab. Allgemeiner wird ein homogenes Polynom $f$ von Grad $m$ durch diesen Operator auf $m f$ abgebildet. Die homogenen Polynome vom Grad $m$ sind also die Eigenvektoren zum Eigenwert $m$ zu diesem Operator.


}






\inputbemerkung
{}
{

Die Differentialoperatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} haben die besondere Eigenschaft, dass sie $X^\alpha$ auf $1$ abbilden. Generell gibt es für jedes Polynom
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einen Operator, der dieses Polynom auf $1$ abbildet. Wenn $f$ die Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f }
{ =} { \sum_{\beta= d} c_\beta X^\beta + \sum_{\beta < d} c_\beta X^\beta }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c_\alpha }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vom Grad $d$ für ein bestimmtes $\alpha$, so ist ${ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }$ ein Operator, der $f$ auf $c_\alpha$ abbildet.

}

Wir nennen einen Differentialoperator $E$ unitär, wenn es ein Polynom $f$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E (f) }
{ =} {1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt, wenn also die partielle Differentialgleichung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E (-) }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Lösung besitzt. Wegen der Existenz der Operatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} gibt es in einem Polynomring viele unitäre Operatoren. Ein Operator wie
\mathl{X \partial_X}{} ist nicht unitär.

Die Operatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} sind in positiver Charakteristik zunächst nicht definiert, wenn $\alpha!$ ein Vielfaches der Charakteristik ist. Dennoch kann man dieses Operatoren auch in diesem Fall sinnvoll interpretieren.




\inputbemerkung
{}
{

Die mehrdimensionale Taylor-Formel \zusatzklammer {bis zur Ordnung $k$} {} {} hat die Form \zusatzklammer {siehe Fakt} {} {}
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{f(P+v) }
{ \sim} { \sum_{ \betrag { \, \alpha \, } \leq k } { \frac{ \partial^\alpha (f) }{ \alpha ! } } \cdot v^\alpha }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dabei ist $f$ eine hinreichend oft differenzierbare Funktion in einer Umgebung eines Punktes
\mathl{P \in \R^n}{,} $v$ repräsentiert einen von $P$ ausgehenden Vektor und $\sim$ bedeutet, dass der Fehlerterm in einem gewissen Sinne klein ist. Wenn $f$ ein Polynom über einem beliebigen Körper ist, so gilt diese Beziehung nach wie vor \zusatzklammer {bei $k$ hinreichend groß handelt es sich um eine Gleichung} {} {,} und zwar im Polynomring
\mathl{K[X_1 , \ldots , X_n, V_1 , \ldots , V_n ]}{,} und diese Beziehung lässt sich direkt algebraisch beweisen. Beispielsweise ist für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ = }{X^2+XY+Y^3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ (X+U)^2 + (X+U)(Y+V) + (Y+V)^3 }
{ =} { X^2+2XU+U^2+XY+XV+UY+UV+Y^3+3YV^2+3Y^2V+V^3 }
{ =} { X^2+XY+Y^3 + { \left( 2X+Y \right) } U + { \left( X+3Y^2 \right) } V +UV +U^2+3YV^2 + V^3 }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.} Die Koeffizientenfunktion vor $U^2$, also die konstante Funktion $1$, kann man als
\mathl{\partial_X(f)/2!}{} erhalten. Da die Gleichung aber algebraisch ist, gilt sie in jeder Charakteristik. In der Tat kann man den Ausdrücken
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha ! } } (f)}{} auch in positiver Charakteristik einen wohldefinierten Sinn zuordnen, nämlich eben als Koeffizientenfunktion zu $V^\alpha$ in der Taylor-Entwicklung. Zur Berechnung kann man dabei so vorgehen, dass man \anfuehrung{normal}{} vollständig ableitet und die vorgezogenen Exponenten erstmal in $\Z$ belässt, dann mit $\alpha!$ kürzt \zusatzklammer {das Ergebnis bleibt in $\Z$} {} {} und erst dann diese Zahl in $K$ interpretiert.

Über einem Körper der Charakteristik $p$ gibt es also auch die Differentialoperatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha ! } }}{.} Insbesondere ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha ! } } (X^\alpha) }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Diese Operatoren sind aber nicht, wie in Charakteristik $0$, als eine Hintereinanderschaltung von partiellen Ableitungen realisierbar. Der Ring aller Differentialoperatoren ist in positiver Charakteristik nicht endlich erzeugt.

}






\inputbemerkung
{}
{

Einen Differentialoperator auf $K^n$ bzw. auf
\mathl{K[X_1 , \ldots , X_n]}{} kann man auf jede offene Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{K^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einschränken. Er ist dann definiert auf der entsprechenden Funktionsklasse auf $U$. Dies gilt auch im algebraischen Kontext.

Die partiellen Ableitungen $\partial_i$ sind lokal in dem Sinne, dass
\mathl{(\partial_i (f)) (P)}{} nur von einer offenen Umgebung des Punktes $P$ abhängt und $f$ auch nur auf einer solchen Umgebung definiert sein muss. Insbesondere ist
\mathl{\partial_i { \left( { \frac{ f }{ g } } \right) }}{} für rationale Funktionen \zusatzklammer {also $f,g$ Polynome mit \mathlk{g \neq 0}{}} {} {} wohldefiniert, und ergibt wieder eine rationale Funktion, die außerhalb der Nullstellenmenge von $g$ definiert ist. Dies überträgt sich auf alle Differentialoperatoren. Insbesondere führt ein Differentialoperator $E$ auf
\mathl{K[X_1 , \ldots , X_n]}{} zu einem Differentialoperator auf dem Körper der rationalen Funktionen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ K (X_1 , \ldots , X_n) }
{ =} { { \left\{ { \frac{ f }{ g } } \mid f,g \in K[X_1 , \ldots , X_n] , \, g \neq 0 \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

Umgekehrt lässt sich nicht jeder auf einer offenen Menge definierte Differentialoperator sinnvoll auf den Gesamtraum fortsetzen. Beispielsweise ist ein Operator wie
\mathl{{ \frac{ 1 }{ X } } \partial_X}{} auf der Nenneraufnahme $K[X]_X$ \zusatzklammer {geometrisch: dort, wo \mathlk{X \neq 0}{} ist} {} {} definiert, aber nicht überall. Alle unter der Verwendung verschiedener Nennerpolynome aufgestellten Differentialoperatoren kann man als Differentialoperator auf
\mathl{K (X_1 , \ldots , X_n)}{} auffassen und vergleichen. Dabei gilt, dass ein Differentialoperator \maabbdisp {E} { K (X_1 , \ldots , X_n)} { K (X_1 , \ldots , X_n) } {} genau dann auf einem Unterring
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R }
{ \subseteq} { K (X_1 , \ldots , X_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} einen sinnvollen Differentialoperator definiert, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E (R) }
{ \subseteq }{R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. Es wird dann einfach der Definitionsbereich und der Bildbereich auf $R$ eingeschränkt.

}






\zwischenueberschrift{Differentialoperatoren auf singulären Räumen}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {DoubleCone.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { DoubleCone.png } {Lars H. Rohwedder} {RokerHRO} {Commons} {PD} {}

Im Weiteren soll es um Differentialoperatoren gehen, die nicht auf \zusatzklammer {Funktionen auf} {} {} dem glatten Raum $K^n$ wirken, sondern auf Räumen mit Singularitäten. Als ein typisches Beispiel kann man einen Doppelkegel betrachten, den man als die Nullstellenmenge des Polynoms
\mathl{Z^2-X^2-Y^2}{} betrachten kann. Nennen wir dieses geometrische Objekt $S$, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{S }
{ =} { { \left\{ (x,y,z) \in K^3 \mid x^2+y^2 = z^2 \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es hat in der Kegelspitze
\mathl{(0,0,0) \in S}{} eine Singularität. In jedem anderen Punkt ist er glatt, d.h. man kann \zusatzklammer {bei \mathlk{K=\R}{} oder ${\mathbb C}$} {} {} den Satz über implizite Abbildungen anwenden und erhält, dass außerhalb der Singularität eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit vorliegt. Es gibt also lokal in einer offenen Umgebung $U$ zu einem jeden Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \neq }{ (0,0,0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einen Diffeomorphismus zu einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{\R^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Auf einer solchen offenen Menge wissen wir, was die Differentialoperatoren sind. Mit lokalen Koordinaten
\mathl{s,t}{} für $V$ hat man lokal die partiellen Ableitungen \mathkor {} {\partial_s} {und} {\partial_t} {} und somit auch ihre Verknüpfungen und Multiplikation mit Koeffizentenfunktionen zur Verfügung. Über den Diffeomorphismus überträgt sich dies zurück auf $U$. Im algebraischen Kontext ist diese Überlegung etwas komplizierter und arbeitet mit regulären Ringen.

Ein sinnvoller Differentialoperator auf \zusatzklammer {Funktionen auf} {} {} $S$ muss jedenfalls auch auf jeder offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{S }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einen Differentialoperator induzieren, und wenn eine Überdeckung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{U }
{ =} { \bigcup_{i \in I} U_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit offenen Mengen vorliegt und auf den $U_i$ jeweils ein Differentialoperator $E_i$ gegeben ist, die miteinander verträglich sind in dem Sinne, dass für die Einschränkungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E_i {{|}}_{U_i \cap U_j } }
{ =} { E_j {{|}}_{U_i \cap U_j } }
{ } { }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{} gilt, so sollte dies von einem Differentialoperator $E$ auf ganz $U$ herrühren. D.h. man erwartet, dass Differentialoperatoren eine Garbe bilden. Diese naheliegenden Bedingungen legen bereits ein eindeutiges Konzept für Differentialoperatoren auf
\mathl{S \setminus \{(0,0,0)\}}{} fest. In der Tat werden diese Operatoren bereits die Operatoren auf ganz $S$ sein \zusatzklammer {die Singularität ist normal} {} {.}

Achtung: Die partiellen Ableitungen
\mathl{\partial_X,\partial_Y, \partial_Z}{} des umgebenden Raumes $K^3$ ergeben keinen Sinn auf $S$. Das Polynom
\mathl{Z^2-X^2-Y^2}{} ist ja die Nullfunktion auf $S$ \zusatzklammer {$S$ wurde ja als die Nullstellenmenge dieses Polynoms definiert} {} {,} es ist aber
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_X ( Z^2-X^2-Y^2) }
{ =} { -2X }
{ \neq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auf $S$.

Wir geben nun die allgemeine algebraische Definition für einen Differentialoperator für eine beliebige kommutative $K$-Algebra. Im ober erwähnten Beispiel geht es um den Restklassenring
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R }
{ = }{ K[X,Y,Z]/(Z^2-X^2-Y^2) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}


\inputdefinition
{}
{

Es sei $R$ eine \definitionsverweis {kommutative}{}{} $K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{.} Das Konzept eines \definitionswort {Differentialoperators}{} wird induktiv definiert, wobei es sich um spezielle $K$-\definitionsverweis {lineare Abbildungen}{}{} von $R$ nach $R$ handelt. \aufzaehlungzwei {Ein Differentialoperator der Ordnung $0$ ist die Multiplikationsabbildung \maabbeledisp {\mu_f} {R} {R } {x} {xf } {,} zu einem Element
\mathl{f \in R}{.} } {Ein Differentialoperator $E$ der Ordnung $\leq n$ ist eine lineare Abbildung \maabb {E} {R} {R } {} mit der Eigenschaft, dass für jedes
\mathl{f \in R}{} die Abbildung
\mathdisp {E \circ \mu_f - \mu_f \circ E} { }
ein Differentialoperator der Ordnung
\mathl{\leq n-1}{} ist. }

}

Wir bemerken, dass dieses Konzept für den Polynomring über einem Körper den durch die
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} frei erzeugten Modul ergibt. Eine entsprechende Beschreibung gilt für jeden regulären \zusatzklammer {glatten} {} {} lokalen Ring.

Man sagt, dass ein Differentialoperator die Ordnung \zusatzklammer {genau} {} {} $n$ besitzt, wenn er eine Ordnung $\leq n$, aber nicht $\leq n-1$ besitzt. Differentialoperatoren der Ordnung $1$ sind einfach Derivationen, also $K$-lineare Abbildungen \maabb {D} {R} {R } {,} die die Leibniz-Regel
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{D (fg) }
{ =} {f D(g)+ gD(f) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllen. Diese Regel kann man auch \zusatzklammer {was zunächst komplizierter aussieht} {} {} als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{D (fg) }
{ =} {f D(g)+ gD(f)-fg D(1) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} schreiben, da eine Derivation die Konstanten auf $0$ abbildet. Diese so formulierte Regel wird auch von den Multiplikationsabbildungen erfüllt, d.h. sie gilt für alle Differentialoperatoren der Ordnung $\leq 1$. Sie besitzt die folgende Verallgemeinerung.


\inputfakt{Differentialoperator/Algebraisch/Induktiv und Produktbedingung/Fakt}{Lemma}{} {

\faktsituation {Es sei $R$ eine \definitionsverweis {kommutative}{}{} $K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{} und sei \maabb {E} {R} {R } {} eine $K$-lineare Abbildung.}
\faktuebergang {Dann sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {$E$ ist ein \definitionsverweis {Differentialoperator}{}{} der Ordnung $\leq n$. } {Für beliebige Elemente
\mathl{f_0,f_1 , \ldots , f_n \in R}{} gilt
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ E(f_0 \cdots f_n) }
{ =} { \sum_{s =1}^{n+1} (-1)^{s+1} \sum_{I \subseteq \{0 , \ldots , n\},\, { \# \left( I \right) } = s } \prod_{i \in I} f_i \cdot E { \left( \prod_{i \notin I} f_i \right) } }
{ =} { \sum_{I \subseteq \{0 , \ldots , n\},\, I \neq \emptyset } (-1)^{ { \# \left( I \right) } +1} \prod_{i \in I} f_i \cdot E { \left( \prod_{i \notin I} f_i \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}






\inputbemerkung
{}
{

Ein Differentialoperator \maabb {E} {R} {R } {} auf einer $K$-Algebra $R$ besitzt eine eindeutige Fortsetzung $\tilde{E}$ auf der Nenneraufnahme $R_W$ zu einem multiplikativen System
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{W }
{ \subseteq }{R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Diese wird induktiv über die Ordnung von $E$ definiert. Für die Ordnung $0$ ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\tilde{E} { \left( { \frac{ f }{ w } } \right) } }
{ =} { { \frac{ E(f) }{ w } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es sei die Fortsetzung nun für alle Operatoren der Ordnung $\leq n$ definiert und sei $E$ ein Operator der Ordnung $\leq n+1$. Dann setzt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\tilde{E} { \left( { \frac{ f }{ w } } \right) } }
{ =} { { \frac{ E(f)- \widetilde{[E, \mu_w] } { \left( { \frac{ f }{ w } } \right) } }{ w } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die Fortsetzung rechts aufgrund der kleineren Ordnung schon definiert ist.

}

Es ist im Allgemeinen schwierig, sich einen Überblick über alle Differentialoperatoren einer $K$-Algebra $R$ zu verschaffen. Wir werden uns im Rahmen dieser Vorlesungen auf die folgenden Fragen konzentrieren. \aufzaehlungdrei{Wie kann man für Monoidringe die Differentialoperatoren beschreiben? }{Wie kann man Differentialoperatoren algorithmisch beschreiben? }{Kann man über die Anzahl von unitären Differentialoperatoren eine sinnvolle Aussage machen und mit ihnen eine Singularität quantitativ erfassen? }