Benutzer:Birkenkrahe/HWR-MBA
Zur Veranstaltung Problemlöse- und Entscheidungstechniken
[Bearbeiten]Eine Vorlesung mit Übungen erstmals gehalten im SS 2012 am Institut für Management der HWR Berlin. Mit der Transformation des Curriculums der MBA-Kurse wurde aus der Veranstaltung ein "Skills-Seminar", weshalb ich die Zahl der Themen, die bearbeitet und zugleich noch eingeübt werden können, stark reduzieren musste. Ich benutze diese Seite zur Planung, aber auch Außenstehende und Kursteilnehmer haben hier die Möglichkeit, zu kommentieren, Fragen zu stellen oder Änderungen vorzuschlagen (anonym oder namentlich nach Registrierung).
Motivation und Ziele
[Bearbeiten]Die Management-Praxis in allen Organisationen besteht vor allem aus dem Lösen von Problemen. D.h. wenn Sie nicht gerade die Lösung eines Problems feiern, oder einfach einmal „Routine fahren“, was Sie beides tun und genießen sollten. Oder natürlich, falls Sie keine Lösung finden können, und sich deshalb im Kreis zu drehen scheinen – sicherlich ein Zustand, den Sie kennen, gleichgültig, aus welcher Ecke der Wirtschaft (oder Wissenschaft) Sie kommen mögen!
Eines der ersten Dinge, die mir in meiner ersten Stelle als Berater gesagt wurden, war: „There are no problems – only challenges.“ Sicherlich ist dies auch ein Stück Mythos und Behauptungslyrik, aber dahinter steht eine weitere wichtige Tatsache: die Aufgabe eines Managers ist nicht so sehr, Probleme zu lösen, oder Lösungen zu finden (zwei Formulierungen, die nicht nur unterschiedlich klingen, sondern, wie wir sehen werden, auch sehr verschieden sind), sondern vor allem, Entscheidungen zu fällen, und zwar möglichst rasch und nachhaltig. Dieser Sachverhalt war Peter Drucker, wichtig genug, um unter seinen Kanon von wesentlichen Fähigkeiten aufgenommen zu werden, die einen Manager wirkungsvoll machen (Drucker, 2004).
Jede mögliche Behandlung eines so breit angelegten Themas hat das Potential, den zur Verfügung stehenden Raum zu sprengen — eine beliebte Perspektive in Schulungen ist der mathematische Weg, der aus der Disziplin ‘Operations Research’ kommt. Er hat den Vorteil, dass er rasch Prozessschemata liefert, an die man sich dann halten kann.
Obwohl konzeptuell fordernder habe ich mich in dieser Veranstaltung für einen anderen Weg entschieden – vor allem aufgrund meiner eigenen Erfahrungen im Management – welcher der Psychologie, dem Coaching und vor allem systemischen Beratungsmethoden näher steht und damit zwar eventuell weniger vertraut, aber dafür anwendbarer ist.
Diese Lehrveranstaltung soll Sie in die Lage versetzen, eigene berufliche Belastungssituationen mit Hilfe einer Reihe von modernen Problemlöse- und Entscheidungstechniken systematisch analysieren zu können.
Ort, Ablauf, Mittel
[Bearbeiten]SS 2012:
- Samstag, 09.06.2012 9.00-17.00 Uhr (Raum C.84)
- Sonntag, 10.06.2012 9.00-17.00 Uhr (Raum C.84)
Beginn | Ende | Beschreibung |
---|---|---|
09:00 | 09:30 | Einführung, Check-In |
09:30 | 10:15 | Impulsvortrag zum Thema 1 |
10:15 | 10:30 | Pause |
10:30 | 12:30 | Übungen zum Thema 1 |
12:30 | 13:30 | Mittagspause |
13:30 | 14:15 | Impulsvortrag zum Thema 2 |
14:15 | 14:30 | Pause |
14:30 | 16:30 | Übungen zum Thema 2 |
16:30 | 17:00 | Zusammenfassung, Check-Out |
Themen: siehe weiter unten.
Bitte bringen Sie für die Geschäftsprozessmodellierungs-Übungen Ihren eigenen HWR-WLAN-fähigen Laptop mit, falls vorhanden. Andernfalls beim Studienbüro wegen Leih-Laptops melden.
Vorarbeit
[Bearbeiten]Im ersten Teil der Veranstaltung möchte ich den Boden bereiten: durch gegenseitige Vorstellung, Abklopfen Ihrer Erwartungen und Ihrer bisherigen Gedanken zu den Konzepten „Problem“, „Lösung“ und „Entscheidung. In einer großen Teilnehmerrunde sammeln wir Beispiele aus Ihrer Berufspraxis, für die Techniken im Bereich Problemlösen nützlich sein könnten, auf die wir im Verlauf der Veranstaltung auch wieder zurückkommen werden.
Tragen Sie bitte schon vor der Veranstaltung, wenn Sie möchten, in der unten stehenden Tabelle (anonym) ohne viel nachzudenken eine typische, aktuelle Problemstellung aus Ihrem Arbeitsleben ein: beschreiben Sie kurz, was das Problem darstellt, was Ihr Lösungsansatz ist oder war, und ob der Ansatz das Problem bereits gelöst hat oder nicht. (Die Beispiele 1-2 stammen von mir und dienen zur Illustration—Sie sind aber völlig frei was und wie viel Sie schreiben!). Zum Abschluss kategorisieren Sie (nach Bauchgefühl) Ihren (bisherigen) Lösungsweg noch schnell auf einer Skala von 0 bis 10 (nur ganze Zahlen, wobei 0 = ungeeignet; 10 = perfekte Lösung).
Bearbeitungshinweise: | |
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Problemstellungen der Teilnehmer
[Bearbeiten]Nr. | Problem | Problembeschreibung | Problemlösung | Status/Ergebnis (Rating 0-10) |
---|---|---|---|---|
1 | Neues Forschungsthema finden und aufbauen | Ich möchte meine Forschungsrichtung ändern, obwohl (oder weil) ich bereits etabliert bin; für das neue Thema habe ich nur Interesse, aber keine extra Zeit, kein Netzwerk und keine Erfahrung | Ich überlasse das Praktische dem Zufall, bereite mich aber innerlich und durch informelle Gespräche darauf vor und biete an, bei Seminaren von meinen Ideen zu sprechen; siehe auch Open Science | Nach weniger als sechs Monaten habe ich vier Vorträge im In- und Ausland zu dem Thema gebucht und bereite eine erste Publikation vor (R=7) |
2 | Mit neuem Kollegen zurechtkommen | Ein neue Abteilungsleiter torpediert einen Einstellungsprozess, wovon ich erst durch die Personalabteilung höre; ich bin verärgert: wie soll ich mich behaupten? Muss ich mich behaupten? | Schreibe ihm einen netten Brief indem ich ihm für seine Intervention danke und ihn um detaillierteren Input bitte; als daraufhin wenig kommt, hake ich interessiert nach (siehe Umgang mit "Bullies") | Problem gelöst? Minimaler Kontakt; beide Egos sind noch intakt; Einstellung ist erfolgt; ich musste dabei Kompromiss eingehen (R=6) |
3 | Aufgaben werden nicht ausreichend erklärt | Bei der Verteilung der Aufgaben werden diese nicht ausreichend detailiert mit der entsprechenden Zielsetzung, im notwendigen Umfang und Inhalten erklärt. Dies führt zumeist zu Mehrarbeit durch wiederholte Abstimmungen und immer wiederkehrenden Korrekturstufen. | gemeinsam vorab Eckpunkte formulieren, offene Fragen besprechen | Problemlösung bisher noch nicht implementiert (R=5) |
4 | Mitarbeiter motivieren | In einem schwierigen Projekt, geht es nicht voran wie erhofft. Ergebnisse sind schlecht und Mitarbeiter demotiviert. | Den Grund für die schlechten Ergebnisse heraus finden und gemeinsam lösen. | Schlechte Ergebnisse sind bedingt durch mangelnde Ressourcen und tief verankerte Strukturen. Problem ist schwer zu lösen (R=3) |
5 | Schwierigkeit, Fachinformationen zu erhalten | In meiner Arbeit stehe ich vor dem Problem, dass öfters neue Sachverhalte bearbeitet werden müssen. Oft fehlt mir aber die nötige Fachkenntnis, um das Problem detailliert bearbeiten zu können. Es ist schwierig sich Informationen zu den einzelnen Themen selbst anzueignen, da diese kaum verfügbar sind. | Rücksprache mit Kollegen im Fachbereich, Rückgriff auf bestehende Informationen etc. | kontinuierlicher Rückgriff auf das Fachwissen der Kollegen notwendig (R=5) |
6 | Mit altem Kollegen zurechtkommen | Alter Kollege mit Führungsfunktion kommt nach langer Zeit zurück. Habe Aufgaben übernommen und erfolgreich bearbeitet. Rückkehrer zunächst sehr unsicher und zaghaft. In schleichendem Prozess stellt er "alten" Kompetenzen klar heraus + "reißt" alle Aufgaben wieder an sich. Im täglichen Arbeitsablauf oft Beschwerden über zu hohes Arbeitspensum. Kapazitäten wären vorhanden. Nach mehrjähriger Erfahrung stehe ich wieder am Anfang. Konzentration auf Fortbildung. "Kampf" wagen oder lieber aussteigen? | Neue aufkommende Themen besetzen und eigene Ideen realisieren. | Konfliktvermeidungsstrategie. Lösung ggf. zielführend, bisher aber nicht umgesetzt. Und wie mit Strukturen umgehen?(R=2) |
Themen
[Bearbeiten]Thema: Systemische Problemlösemethoden
[Bearbeiten]Die Systemtheorie ist ein Gebiet, das sich durch Interdisziplinarität auszeichnet. Sie ist unter diesem Namen bekannt seit ca. Anfang des 20. Jahrhunderts, darin beispielsweise den (nur unwesentlich älteren) Kulturwissenschaften ähnlich. Sie ist bekannt vor allem als eine schier unerschöpfliche Quelle verschiedener Methoden und Techniken, die in vielen verschiedenen Bereichen fruchtbar gemacht werden können - der Einsatz von systemischen Methoden in der Organisationsberatung oder im Coaching sind nur zwei Beispiele aus dem Bereich Wirtschaft.
Im Vordergrund werden deshalb hier auch der Systemtheorie entlehnte Werkzeuge stehen – Storytelling dient uns als Eingangsbeispiel. Einige wenige theoretische Konzepte, wohlverstanden, genügen hierbei bereits, um dramatische Effekte und Ergebnisse zu erzielen.
Thema: Geschäftsprozessmodellierung
[Bearbeiten]Probleme lösen und Entscheidungen treffen sind Prozesse. In diesem Abschnitt der Veranstaltung lernen Sie die Prozesssichtweise kennen und hoffentlich schätzen – insbesondere das Problemlösen als Vorgang der gesteuerten Informationsverarbeitung. Wir sehen uns mit das ARIS Modell von Prozessen in Organisationen an und Sie modellieren selbstständig verschiedene Prozesse (am PC) mit Hilfe von Ereignis-gesteuerten Prozessketten (EPKs).
Der Zusammenhang zwischen Prozessmodellen, Metamodellen (also Vorlagen für spezielle Prozesse) und Problemlösemethoden ist nicht ganz so offensichtlich: jedes Prozessmodell und jedes Metamodell steht im Zeichen der Standardisierung – des Entwurfs eines Modells, das in vielen Situationen wiederverwendet werden kann und soll. Bei Problemen stehen wir aber insbesondere dann vor Schwierigkeiten, wenn die Probleme komplex sind (was das genau bedeutet, werden wir lernen), und wenn unsere Kreativität (per definitionem etwas Unwiederholbares, schwerlich Standardisierbares) gefordert ist. Viele, wenn nicht die meisten Situationen im Bereich des Unternehmens, sind von dieser Art.
Prozessmodelle und Meta-Modelle sind keineswegs hinreichend, um Probleme zu lösen, aber Prozesse modellieren zu können ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer umfassenden Problemlöse-Kompetenz. Zum größeren Thema Prozessstandardisierung siehe auch Davenport (2006).
Thema: Methoden des Pyramidenprinzips
[Bearbeiten]Ende der 1960er Jahre führte Barbara Minto, die erste weibliche Beraterin bei McKinsey & Co., der Strategieberatungsfirma, ein völlig neues Schema ein, um Logik auf Kommunikation anzuwenden – oder genauer: auf Denken, Schreiben und Präsentieren. Mittlerweile hat Minto ihr „Pyramidenprinzip“ nicht nur aktualisiert und erweitert, sondern es auch zur Grundlage der Beratungsstrategien bei allen großen Management Consulting Firmen gemacht. In multinationalen Konzernen wird diese Methode Topmanagern ebenfalls beigebracht.
Wir werden im Kurs das Pyramidenprinzip nach Minto kennen lernen und an praktischen Beispielen einüben. Dieses Werkzeug wird Ihnen sowohl im MBA als auch nachher noch viel Nutzen bringen.
Hier ist ein ausführliches Beispiel zum Pyramidenprinzip, eine meiner Präsentationen.
Thema: Szenarientechnik
[Bearbeiten]Seit 1970 von Pierre Wack bei Shell entwickelte Technik der Unternehmensplanung.
- «Stories that can help us recognise and adapt to changing aspects of our present environment. They form a method for articulating the different pathways that might exist for you tomorrow, and finding your appropriate movements down each of those possible paths.» (P. Schwartz)
- «Scenarios deal with two worlds; the world of facts and the world of perceptions. They explore for facts but they aim at perceptions inside the heads of decision-makers. Their purpose is to gather and transform information of strategic significance into fresh perceptions.» (P. Wack)
Weiterführende Literatur
[Bearbeiten]Bücher
[Bearbeiten]- Argyris, C. (1999) On Organisational Learning, London: Blackwell.
- Argyris, ein Forscher aus Harvard, ist ein Klassiker der Organisationsentwicklung, der auch im Bereich “Aus Fehlern lernen” viel Interessantes zu berichten hat. Hervorragend durch seine sehr ausführliche Forschungsarbeit. Steht in der Tradition von Kurt Lewin.
- Bateson, G. (1972) Steps to an Ecology of Mind, Chicago: University of Chicago Press.
- Gregory Bateson ist das Enfant Terrible der Systemtheorie – ein Anthropologe, der auf vielen Gebieten Erstaunliches geleistet hat. U.a. kommt die Idee des “double bind” - die Bindung an paradoxe Botschaften – aus seiner Denkwerkstatt.
- Dörner, D. (2005) Die Logik des Misslingens – strategisches Denken in komplexen Situationen, Hamburg: Rowohlt.
- Dörner ist emeritierter theoretischer Psychologe von der Uni Bamberg. Das vorliegende Buch ist ein Klassiker der Problemlöseforschung, in der viele Grundlagen – z.B. die Klassifikation komplexer Probleme – von Dörner stammen. Das Buch ist außerdem sehr kurzweilig und strotzt vor Beispielen.
- Funke, J. (2003) Problemlösendes Denken, Stuttgart: Kohlhammer.
- Funke ist ein Schüler Dörners – diese relativ junge Veröffentlichung fasst eine breite Zahl von theoretischen Ansätzen und Forschungsergebnissen in gut lesbarer Form zusammen.
- De Geus, A. (1998) Jenseits der Ökonomie, Stuttgart: Klett-Cotta.
- de Geus ist ein ehemaliger Leiter der Planungsabteilung von Royal Dutch Shell – mit der ich selbst viel später gearbeitet habe. In seinem Buch – engl. Titel “The Living Company” beschreibt er Unternehmen und Organisationen als lebendige Organismen.
- Minto, B. (2001) Das Prinzip der Pyramide, München: Pearson Studium.
- Auch Barbara Minto kenne ich aus meiner Zeit bei Shell. Ihre Methode des logischen Denkens und Kommunizierens ist Standard bei den erfolgreichsten Strategieberatungen, z.B. McKinsey & Co. und Boston Consulting Group. Ihr Buch ist recht schwer geschrieben.
- Sell, R. und Schimweg, R. (2002) Probleme lösen, Heidelberg: Springer.
- Die Autoren sind Ingenieure und dem analytischen Ansatz des Problemlösens, einschließlich begrenzt mathematischer Methoden, verpflichtet. Das Buch ist (trotzdem) sehr lesbar und enthält viele Details zur Problemlösung in Projekten.
- Watzlawick P., Weakland J. and Fisch, R. (2001) Lösungen – zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels, Bern: Huber.
- Der Titel der englischen Originalausgabe lautet einfach “Change” - und darum geht es in diesem Klassiker der Systemtheorie; viele der vorgestellten Werkzeuge aus der Werkstatt des Stanfordprofessors Watzlawick, den Sie vielleicht aus anderen Büchern (z.B. “Anleitung zum Unglücklichsein”) kennen, hat in moderne Verfahren Eingang gefunden, z.B. in NLP (Neuro-Linguistic Programming), um die gleiche Zeit in Kalifornien entstanden.
Artikel
[Bearbeiten]- Davenport T (2005) The Coming Commoditization of Process, in: Harvard Business Review, Vol 83 No 6 (pp. 100-108).
- Denning S (2004) Telling Tales, in: Harvard Business Review (May 2004)
- Drucker P (2004) What makes Makes an Effective Executive?, in: Harvard Business Review, Vol 82 No 3 (pp. 58-63).
- Leadership is a conversation -- HBR June 2012.
Videos
[Bearbeiten]- Nancy Duarte (2010) Engage through storytelling, online: YouTube.
Nach der Veranstaltung
[Bearbeiten]Nach dem Seminar ist vor dem Seminar! Hier können Sie jenseits der Standard-Evaluation Kommentare zum Kurs oder zu Ihren eigenen Plänen und Interessen hinterlassen.
- Literaturempfehlung für Dietrich Dörner kann ich nur unterstreichen. Sehr gutes Buch mit anschaulichen Fallbeispielen und tatsächlich sehr kurzweilig. Kennen sicherlich einige. Eine kurze Einführung, die vielleicht Lust auf mehr macht, bringe ich mit. Ich könnte mir vorstellen, dass Vester, Frederic - "Die Kunst vernetzt zu denken. Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität" auf dieses Themengebiet ebenso passt. Ich bringe das Buch morgen mit und verleihe es gern. Dörner kann zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls verliehen werden. F.