Benutzer:H.-P.Haack/Entwicklung der Psychiatrie/Ideler 1841 Tafel II.

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Lithographie von Carl Resener 22 x 15 cm 1841

Ideler, K. W.: Biographien Geisteskranker in ihrer psychologischen Entwicklung, Tafel 2.

Heutige Diagnose: Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie.


Exzerpt aus Idelers Angaben:

Patientin H. D., 1800 geboren, ist die Tochter eines Berliner Glaswarenhändlers. Der Vater verstarb, als sie 9 Jahre alt war. Von da an zog sie die Mutter im Ladengeschäft zu Hilfe. Nebenher erhielt sie etwas Privatunterricht. Mit 13 Jahren hatte sie ihre Körpergröße fast erreicht und erstmalig menstruiert, aber noch mit Puppen gespielt und keine Neigung gezeigt, sich gleichaltrige Freundinnen zu suchen. Als sie vor der Einsegnung die wichtigsten Ereignisse der drei letzten Lebensjahre Jesu rekapitulieren sollte, sei sie in lautes, nicht zu hemmendes Gelächter ausgebrochen.

Schon früh habe sie in „sinnlicher Eitelkeit“ beschlossen, keinem Mann die Hand zu reichen, dessen jährliches Einkommen sich nicht auf wenigstens 2.000 Taler beliefe. Herangewachsen gewann sie von einem über 20 Jahre älteren, reichen Verwandten den Eindruck, er wolle sie heiraten. Unbestimmte Äußerungen von ihm, wohl aus Galanterie, hatte sie für ein Eheversprechen genommen. Von der Einladung zu einem Fest, das der Erhoffte gab, glaubte sie, es sei zu ihrer offiziellen Verlobung angesetzt worden. Auf dem Fest kümmerte er sich jedoch nicht um sie und begleitete am Ende eine andere nach Hause. Danach sah sie diesen Mann nie wieder. Eine für ihn gestickte Handarbeit schickte ihr seine Mutter zurück mit einem Begleitbrief, in dem sie ihr Sturzbäder empfahl. [Güsse mit kaltem Wasse]

In der Folge führte die ungeduldige Erwartung, der reiche Verwandte führe sie endlich heim, zu so heftigen Ausbrüchen, dass ein Mann und eine Frau zur Bewachung bestellt werden mussten. Dann begann sie zu befürchten, samt ihren Verwandten guillotiniert zu werden. Den Schlag des Fallbeils höre sie bereits nebenan. In den Essen der benachbarten Häuser würden mindestens ein Dutzend Schornsteinfeger einen Gesang anstimmen, der gegen sie gerichtet sei. Einem Prediger teilte sie mit, der Teufel habe ihren Schatten gestohlen und sie sei in die gleiche Not wie Peter Schlemihl geraten. Der König müsse neue Münzen schlagen lassen, mit denen sie dem Teufel ihren Schatten wieder abkaufen könne.

1827 hatte sich der Zustand so verschlimmert, dass ihre Aufnahme in die Irrenabteilung der Charité notwendig wurde. Den Aufenthalt dort erlebte sie als Prüfung, um sich dem geliebten Mann als würdig zu erweisen.

Er hielt eine Heilung für aussichtslos, - auch für wenig hilfreich. „Was wäre aber auch einem Gemüth, welches jedes andere Lebensinteresse in sich erstickt hatte, geblieben, wenn wirklich die Zerstörung ihres Wahns gelungen wäre?“ (S. 25)

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