Benutzer:H.-P.Haack/Entwicklung der Psychiatrie/ Ideler 1841 Tafel V.

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Lithographie 22 x 32 xm von Carl Resener um 1841.
In: Ideler, K. W.: Biographien Geisteskranker in ihrer psychologischen Entwicklung, Tafel 5. Diagnose: Somnambule Zustände.


Fig.1 stellt die D. in ihrem gewöhnlichen wachen Zustand dar.

Fig. 2. giebt ein Bild von der eigenthümlichen Gesichtsverzerrung, bei welcher sie den Mund rüsselartig vorstreckt, wobei zuweilen die Zunge zwischen die Lippen tritt.

Fig. 3. macht die verzogene Gestalt anschaulich, welche ihr Mund bei dem Spucken gegen das Licht annimmt.

Fig. 4. drückt das von einem zwitschernden oder kichernden Laute begleitete Lachen beim Anblick des Mondes aus.

Fig. 5. versinnlicht eine der heftigsten Krampfformen.


Fig. 5 der lithographischen Tafel entspricht phänotypisch dem sogenannten großen hysterischen Anfall (Hystérie grande), einen Terminus, den Charcot 1886 als Differentialdiagnose zum großen epileptischen Anfall (Grand mal) einführte.


Exzerpt aus Idelers Angaben:

Patientin C. D., geb. 1801, mager und nur etwas über vier Fuß hoch.[1] Als Waise lebte sie bis zum 12. Lebensjahr in verschiedenen Pflegefamilien. Schulbesuch erfolgte lediglich vom 12. bis 14.Lebensjahr im Waisenhaus. Ab dem 14. Lebensjahr war sie Dienstbotin in verschiedenen Haushalten oder Magd bei Bauern.

Seit der Kindheit, verstärkt seit dem 16. Lebensjahr sei sie nächtens auf Dächer oder Bäume geklettert oder nachts auf den Feldern umher gerannt, doch stets zu ihrer Schlafstätte wieder zurückgekehrt.

1830, wieder in Berlin bei einem Bäckermeister als Dienstbotin erregten die somnambulen Anfälle allgemeines Aufsehen, sodass die Polizei eine ärztliche Untersuchung anordnete. Die Aussagen der gerichtlichen Zeugenvernehmung wurden in Hitzig’s Zeitschrift für Kriminal-Rechts-Pflege, 19. Band, S. 317 – 418 mitgeteilt.

Die Patientin kam zunächst in die Stadtvogtei und wenig später in die Charité. Nach kurzer Zeit konnte sie dort wieder entlassen werden, da keine Auffälligkeiten festgestellt wurden. Doch bald erfolgte auf polizeiliche Anordnung eine erneute Unterbringung in der Irrenabteilung der Charité wegen der nächtlichen Umtriebe. Seither ist sie dort verblieben.

Ideler attestiert ihr Fleiß, Friedfertigkeit gegenüber ihren Mitpatientinnen, Ordnungsliebe, Ehrlichkeit und Bescheidenheit. Nie habe er an ihr einen Zug wahrgenommen, der ihren Charakter in ein zweideutiges Licht gestellt hätte. Ihr hartes Schicksal trage sie mit rührender Ergebenheit.


  1. Ein Fuß in Preußen: 34,1cm (Meyeres Konversationslexikon 1888).


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Siehe auch: Charcot und Richer 1887