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Kurs:Meißen im Mittelalter/Die Gründung des Bistums Meißen/Der Magdeburgplan/955

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Otto der Große

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Otto I. HRR

Eingreifen in Italien und Hochzeit mit Adelheid von Burgund

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Otto I. neben Adelheid im Meißner Dom. Das Kaiserpaar, als Stifter des Domes verehrt, im Chor. Der Kaiser mit Krone, Zepter und Reichsapfel, Adelheid mit Krone und hermelingefüttertem Mantel, dargestellt als frommes Ehepaar, das einander zugewandt am Gottesdienst teilnimmt.

Mit dem Tod Berengars I. von Italien war das karolingisch begründete neue westliche Kaisertum 924 erloschen.[1] Es stand somit jedem Herrscher eines fränkischen Teilreiches frei, sich mit imperialem Glanz zu schmücken, ohne missliebige Reaktionen hervorzurufen. Jedoch scheint Ottos Vorhaben der Kaiserkrönung sich erst spät zu einem festen Handlungskonzept verdichtet zu haben. Solange die Königin Edgith lebte, konzentrierte sich die Aktivität Ottos vornehmlich auf das ostfränkische Reich.

In Italien erzeugte Hugos und Lothars Regiment mit der Zeit manchen Unmut unter den Großen, an deren Spitze sich Berengar von Ivrea setzte. Er musste allerdings 941 an den Hof Ottos fliehen, der so erstmals mit den politischen Problemen Italiens in unmittelbare Berührung kam. Otto vermied jedoch eine dezidierte Parteinahme. Weder lieferte er seinen Gast an Hugo aus noch gewährte er ihm seine ausdrückliche Unterstützung, als Berengar 945 von sich aus über die Alpen zurückkehrte und Hugo in Oberitalien rasch in die Enge trieb. Hugo starb 948 in seiner provenzalischen Heimat, wohin er ausgewichen war, und überließ das Feld seinem Sohn Lothar. Bevor es zu einer größeren Auseinandersetzung kam, fand auch Lothar am 22. November 950 einen plötzlichen Tod und machte die noch nicht 20-jährige Adelheid zur Witwe.

Nach langobardischer Tradition konnte Adelheid durch Eheschließung die Königswürde weitergeben. Aus diesem Grund nahm Berengar sie in Gefangenschaft und erklärte sich am 15. Dezember 950, nur drei Wochen nach Lothars Tod, zum König sowie seinen jüngeren Sohn Adalbert zum Mitregenten. Doch fand auch er keine allseitige Anerkennung, und die Blicke der Unzufriedenen richteten sich auf Adelheid, die sich anscheinend die Vorstellung zu eigen gemacht hatte, durch Neuvermählung über die Zukunft des Reiches bestimmen zu können.

Die Eiserne Krone der Langobarden war das Insigne der italienischen Königswürde, die 951 an Otto überging.

Adelheid war nicht nur Witwe des italienischen Königs, sondern über ihre Mutter Berta auch verwandt mit der schwäbischen Herzogsfamilie, deren Haupt Ottos Sohn Liudolf durch die Ehe mit Ida geworden war.[2]

Vor allem aber war Otto selbst sehr daran interessiert, in Italien einzugreifen. Da er seit 946 selbst Witwer war, hatte er die Möglichkeit, Adelheid zu ehelichen und damit seine Herrschaft nach Italien auszudehnen. Zudem bot sich damit die Perspektive auf die Kaiserwürde. Nach der Festsetzung Adelheids entschloss sich Otto, nach Italien zu ziehen; ob er darum gebeten wurde oder gar zur Übernahme der Herrschaft aufgefordert wurde, ist unklar.[3]

Wohl schon im Frühjahr 951 war Liudolf ohne Verständigung mit seinem Vater mit nur schwacher Begleitung nach Italien geritten.[4] Was Liudolf damit bezweckt hatte, ist ungewiss. Sein Unternehmen scheiterte jedenfalls an der Intriganz seines Onkels Heinrich, der Liudolfs Gegner heimlich gewarnt hatte, ohne dafür von Otto zur Rede gestellt worden zu sein.

Heinrich wurde von Otto sogar als Heerführer eingesetzt und war der wichtigste Mittelsmann auf Ottos Italienzug im September 951, der ohne Kämpfe verlief. Heinrich führte Adelheid von ihrer Fluchtburg Canossa nach Pavia, wo sich Otto im Oktober mit ihr vermählte.

Die italienische Königswürde übernahm er, ohne dass ein Erhebungsakt in den Quellen ausdrücklich erwähnt wäre. Seine Kanzlei titulierte ihn am 10. Oktober, deutlich an Karl den Großen anknüpfend, „König der Franken und Langobarden“ (rex Francorum et Langobardorum) und am 15. als „König der Franken und Italiener“ (rex Francorum et Italicorum).[5]

Aufstand Liudolfs

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Die Ehe mit Adelheid führte zu Spannungen zwischen dem König und seinem Sohn und designierten Nachfolger Liudolf, da sich die Frage stellte, welche Rechte den dieser Ehe entstammenden Söhnen zustanden.[6] Auch misstraute Liudolf dem wachsenden Einfluss seines Onkels, des ehemaligen Rebellen Heinrich. Wahrscheinlich war Heinrich anderer Ansicht darüber, wer die Position des secundus a rege (des Zweiten nach dem König) einnehmen sollte: der Bruder oder der Sohn.[7]

Liudolf verließ jedenfalls im November in demonstrativem Unmut und ohne Abschied seinen Vater, was einem Affront gleichkam.[8] Über die Alpen begleitet wurde er von Erzbischof Friedrich von Mainz. Der Erzbischof war im Auftrag Ottos persönlich nach Rom gezogen, um beim Papst wegen einer Kaiserkrönung anzufragen, doch blieb seine Reise vergeblich: Papst Agapet II. erteilte den Plänen Ottos aus nicht näher bekannten Gründen eine Absage. Sie ist vielleicht dem Ungeschick des Gesandten anzulasten.[9]

Zu Weihnachten 951 veranstaltete Liudolf in Saalfeld ein Gelage (convivium), bei welchem er Erzbischof Friedrich von Mainz und alle anwesenden Großen des Reiches um sich versammelte. Dieses Gelage war bereits vielen Zeitgenossen verdächtig und erinnerte an jenes convivium, das Heinrich ein gutes Jahrzehnt zuvor gefeiert hatte, um eine bewaffnete Erhebung gegen Otto einzuleiten.[10] Mit dem Festmahl wurden Bindungen aktiviert, um Widerstand gegen den König zu sammeln.[11]

Als Reaktion darauf kehrte Otto im Februar 952 mit Adelheid nach Sachsen zurück und verweigerte dem Sohn demonstrativ seine Huld. Den Osterhoftag als das wohl wichtigste Ereignis des Jahres beging Otto in Sachsen „zur Repräsentation herrscherlicher Macht und göttlicher Legitimation“.[12]

Liudolf gewann in seinem Schwager Konrad dem Roten einen mächtigen Verbündeten. Konrad hatte in Italien durch Verhandlungen Berengar dazu gebracht, Otto in Magdeburg aufzusuchen, und Berengar dabei offensichtlich verbindliche Zusagen zum Ausgang dieses Treffens gemacht. Eine Gruppe von Herzögen, Grafen und Hofleuten, mit den Herzögen Konrad und Liudolf an der Spitze, erkannte Berengar als König an und brachte dies in einem Empfang ostentativ zum Ausdruck. Am Hof angekommen, ließ Otto Berengar jedoch zunächst drei Tage lang warten, um ihn zu brüskieren, gestattete von den Versprechungen Konrads nichts und gewährte Berengar nur den freien Abzug.[13] Da Herzog Konrad und die weiteren Fürsprecher Berengars Ottos Antwort als persönliche Beleidigung empfanden, schlossen sie sich den Gegnern des Königs an.

Trotz des sich so formierenden Widerstands wurde in der Frage der Stellung Berengars noch ein Kompromiss erreicht. Als Ort für eine Unterwerfung (deditio) Berengars und für ein freiwilliges Bündnis (foedus spontaneum) mit Otto einigten sich die Kontrahenten auf einem Hoftag in Augsburg, Anfang August 952. Berengar und sein Sohn Adalbert leisteten Otto einen Vasalleneid und erhielten von ihm das Königreich Italien als Lehen. Allerdings wurden die Marken Verona und Aquileja Herzog Heinrich von Bayern zugeschlagen.

Nachdem Adelheid im Winter 952/953 mit Heinrich einen ersten Sohn zur Welt gebracht hatte, soll Otto ihn statt Liudolf als Nachfolger gewollt haben.[14] Im März 953 brach in Mainz der Aufstand aus. Als Otto in Ingelheim das Osterfest begehen wollte, zeigten ihm Konrad und Liudolf offen die „Zeichen des Aufstandes“ (rebellionis signa).[15] Liudolf und Konrad hatten inzwischen eine große Schar Bewaffneter zusammengebracht – vor allem junge Leute aus Franken, Sachsen und Bayern sollen darunter gewesen sein. Der König konnte deshalb weder in Ingelheim noch in Mainz oder Aachen das Osterfest als wichtigsten Akt der Herrschaftsrepräsentation feiern. Immer mehr Adelsgruppen verbündeten sich mit Liudolf. Als Otto hörte, dass Mainz in die Hände seiner Feinde gefallen war, zog er in größter Eile dorthin und begann im Sommer mit der Belagerung der Stadt. Schon zu Beginn des Aufstandes hatte Erzbischof Friedrich von Mainz zu vermitteln versucht,[16] aber der König „befahl seinem Sohn und Schwiegersohn, die Urheber des Verbrechens zur Bestrafung auszuliefern, andernfalls werde er sie als geächtete Feinde (hostes publici)[17] betrachten. Diese Forderung war für Liudolf und Konrad unannehmbar, da sie ihre eigenen Bundesgenossen hätten verraten müssen. Ein solches Verhalten hätte sie zu Meineidigen gemacht, denn es war üblich, sich gegenseitig Schwüre des Beistands zu leisten, bevor man in eine Fehde ging.

Das Zentrum des Konflikts verlagerte sich 954 nach Bayern. Dort hatte Liudolf mit Unterstützung Arnulfs, eines der Söhne des 937 verstorbenen Bayernherzogs, Regensburg eingenommen, sich der dort angesammelten Schätze bemächtigt und sie als Beute unter seine Gefolgschaft verteilt. Auf Drängen Heinrichs begab sich das Heer des Königs umgehend auf den Weg nach Süden, um Regensburg zurückzugewinnen, doch zog sich die Belagerung bis Weihnachten hin. Gleichzeitig mit den Kriegsaktionen vollzog Otto zwei wichtige Personalentscheidungen: Markgraf Hermann Billung wurde zum Herzog und Stellvertreter des Königs in Sachsen ernannt, und Brun, der jüngste unter den Königsbrüdern, wurde zum Erzbischof von Köln befördert. Um den Konflikt zu beenden, wählte man auch in Bayern das Mittel der Verhandlung.

Lechfeldschlacht

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Schlacht auf dem Lechfeld

Die Lechfeldschlacht in der Sächsischen Weltchronik. Buchmalerei, um 1270 (Gotha, Forschungs- und Landesbibliothek, Ms. Mamb. I. 90, fol. 87v)
Die Heilige Lanze war für Otto von besonderer Bedeutung. In der Schlacht bei Birten, bei der Otto ein bedeutender Erfolg gegen seine reichsinternen Gegner glückte [im März 939 nahe Xanten statt gegen Ottos Schwager, den lothringischen Herzogs Giselbert], betete er laut Liudprands Darstellung „vor den siegbringenden Nägeln, mit denen die Hände des Herrn Erlösers Jesus Christus befestigt und die in seine Lanze eingesetzt waren“.[18] Nach Widukind von Corvey ging Otto bei seinem Sieg über die Ungarn mit der Heiligen Lanze seinem Heer in der Schlacht voran.[19] Die Heilige Lanze befindet sich heute in der Schatzkammer Wien.

Als Liudolf sich gegen Otto erhob, bedrohten nach wie vor die Ungarn das Reich. Obwohl die Ostmarken zur Sicherung gegen heidnische Slawen und Magyaren eingerichtet worden waren, blieben die Ungarn an der Ostgrenze des Ostfrankenreiches eine dauerhafte Bedrohung. Die Ungarn kannten das Reich und dessen innere Schwäche, die ihnen Anlass gab, im Frühjahr 954 mit einer großen Streitmacht in Bayern einzufallen. Zwar war es Liudolf und Konrad gelungen, ihre eigenen Gebiete zu schonen, indem sie den Ungarn Führer in den Westen mitgaben, die sie östlich des Rheins durch Franken geleiteten. Außerdem hatte Liudolf am Palmsonntag des Jahres 954 in Worms ein großes Gastmahl zu Ehren der Ungarn veranstaltet und sie mit Gold und Silber überhäuft. Aber Liudolf sah sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, mit den Feinden Gottes paktiert zu haben, und verlor schlagartig Anhänger an Otto. Die Bischöfe Ulrich von Augsburg und Hartpert von Chur, die engste Vertraute des Königs waren, vermittelten ein Treffen zwischen den Konfliktparteien am 16. Juni 954 auf einem Hoftag in Langenzenn.[20] Verhandelt wurden nicht so sehr die Ursachen des Konfliktes zwischen Vater und Sohn, sondern vielmehr allein die Verwerflichkeit des Paktes Liudolfs mit den Ungarn. Dessen Verteidigung, er habe dies „nicht aus freien Stücken getan, sondern durch die äußere Not getrieben“[21], überzeugte nicht.

Als Ergebnis dieser Verhandlungen trennten sich Erzbischof Friedrich und Konrad der Rote von Liudolf, der dennoch nicht bereit war, sich zu unterwerfen, sondern alleine gegen den Vater weiterkämpfte, der wieder Regensburg belagerte. Zweimal kam der Sohn persönlich aus der Stadt heraus, um Frieden beim Vater zu erbitten. Erst beim zweiten Mal erhielt er ihn durch Vermittlung der Fürsten. Die endgültige Beilegung des Streites wurde auf einen Hoftag in Fritzlar vertagt. Der Konflikt wurde durch die rituelle deditio (Unterwerfung) beigelegt.[22] Noch innerhalb der Frist warf er sich im Herbst 954 während der Königsjagd in Suveldun nahe Weimar barfuß vor dem Vater zu Boden und flehte um Gnade, die ihm gewährt wurde. „So wurde er in väterlicher Liebe wieder zu Gnaden angenommen und gelobte zu gehorchen und in allem den Willen des Vaters zu erfüllen.“[23]

Die Ungarn waren unterdessen vor Augsburg aufgehalten worden, da Bischof Ulrich die Stadt zäh verteidigen ließ. Er verschaffte so Otto Zeit, ein Heer zu sammeln und zum Entsatz Augsburgs zu eilen. Die Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August 955 beseitigte die Ungarngefahr dauerhaft. Der triumphale Sieg festigte Ottos Macht und Ansehen. Nach Widukind von Corvey[24], dessen Darstellung angezweifelt wird, soll Otto noch auf dem Schlachtfeld vom siegreichen Heer zum imperator ausgerufen worden sein, die Hofkanzlei veränderte Ottos Titel auch nach 955 bis zum Februar 962 nicht.[25] Nach dem Zeugnis Thietmars von Merseburg gelobte Otto vor der Lechfeldschlacht im Falle eines Sieges dem Tagesheiligen Laurentius, in seiner Pfalz Merseburg ein Bistum zu dessen Ehren zu errichten.[26]

Nach dem Sieg ließ Otto in allen Kirchen des Reiches Dankesgottesdienste feiern und führte den Sieg auf die Hilfe Gottes zurück, die das Gottesgnadentum des Herrschers habe sichtbar werden lassen.[27] Auch fasste er spätestens seit 955 konkrete Pläne zur Errichtung eines Erzbistums in Magdeburg.[28] Dem Gotteshaus, in dem Königin Edgith 946 bestattet wurde, folgte ab 955 ein stattlicher, nach Thietmars Worten mit Marmor und Gold geschmückter Neubau.[29] Im Sommer 955 schickte er den Fuldaer Abt Hademar nach Rom, wo dieser bei Agapet II. für den König die Erlaubnis bewirkte, Bistümer nach Belieben zu gründen. Aus einem Protestbrief[30] des Mainzer Erzbischofs Wilhelm von 955 an Papst Agapet II. geht hervor, dass Otto offenbar die Absicht hatte, das Bistum Halberstadt zu verlegen, um in dessen Grenzen das neue Magdeburger Erzbistum zu schaffen. Geplant war nach Wilhelms Ausführungen, das Bistum Halberstadt nach Magdeburg zu transferieren und es zum Erzbistum zu erheben. Es wäre damit aus dem Verband der Mainzer Erzdiözese ausgeschieden. Derart weitreichende Veränderungen bedurften aber der Zustimmung der betroffenen Bischöfe. Wilhelm und der Halberstädter Bischof Bernhard weigerten sich vehement, einer solchen Schmälerung ihrer Diözese zuzustimmen. Otto sah daher zunächst davon ab, in dieser Sache weiter vorzugehen. Der Widerstand gegen Ottos Magdeburg-Pläne muss in Sachsen erheblich stärker gewesen sein, denn Widukind von Corvey, Hrotsvit von Gandersheim, Ruotger von Köln, Liudprand von Cremona und der Continuator Reginonis, der spätere Erzbischof Adalbert von Magdeburg, berichteten über die Gründung Magdeburgs mit keinem Wort.[31]

Die Lechfeldschlacht gilt als eine Wende in der Regierung des Königs. Nach 955 kam es im ostfränkisch-deutschen Reich bis zu Ottos Tod nicht mehr zu Erhebungen der Großen gegen den König, wie sie in der ersten Hälfte seiner Herrscherzeit wiederholt aufgeflammt waren. Ferner blieb Ottos Herrschaftsgebiet fortan von den Einfällen der Ungarn verschont. Sie gingen nach 955 zur sesshaften Lebensweise über und nahmen bald das Christentum an.[32]

Im selben Jahr drangen slawische Abodriten in Sachsen ein. Als Reaktion zog König Otto mit einem Heer nach dem Sieg über die Ungarn in den Osten. Als die Abodriten die Tributzahlung und Unterwerfung verweigerten, mussten sie in der Schlacht an der Recknitz eine weitere militärische Niederlage hinnehmen. Im Gegensatz zur Milde gegenüber inneren Rebellen gingen die Ottonen gegen äußere Feinde unnachsichtig und grausam vor. Nach der Schlacht wurde der Anführer Stoinef enthauptet und 700 Gefangene umgebracht.[33] Mit dem Ende der Kämpfe im Herbst 955 endete auch die unruhige Periode um den Aufstand Liudolfs.

Ottonische Reichskirche

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Bild Ottos I. in der anonymen Kaiserchronik für Kaiser Heinrich V. um 1112/14 Corpus Christi, Cambridge, Ms 373, fol. 42v

Nicht nur der Aufstand seines Sohnes schwächte zeitweise die Herrschaft Ottos, sondern es verstarben auch innerhalb kürzester Zeit wichtige Akteure, etwa Ottos Bruder Heinrich von Bayern noch 955. Konrad der Rote, der zwar nicht mehr Herzog, aber immer noch eine der bedeutendsten Personen des Ostfrankenreiches war, fiel in der Schlacht auf dem Lechfeld. Liudolf wurde Ende 956 nach Italien geschickt, um dort Berengar zu bekämpfen, doch erlag er schon am 6. September 957 einem Fieber und wurde im Stift St. Alban vor Mainz begraben.

Das durch den Tod Heinrichs frei gewordene Herzogtum Bayern wurde nicht wieder vergeben, sondern unter der Regentschaft von Heinrichs Witwe Judith für ihren vierjährigen Sohn Heinrich belassen. Lediglich Schwaben erhielt einen vollwertigen neuen Herzog, Adelheids Onkel Burkhard, der durch die Heirat mit Judiths und Heinrichs Tochter Hadwig enger an die Herrscherfamilie gebunden wurde. Damit waren Otto kurz nach seinem Triumph über den Aufstand plötzlich wichtige Strukturen des Reiches weggebrochen. Hinzu kam, dass die beiden ersten Söhne seiner zweiten Ehe jung gestorben und der dritte Sohn Otto erst Ende 955 zur Welt gekommen war.

Nach der älteren Forschung soll Otto nach der Lechfeldschlacht einen zweiten Versuch unternommen haben, das Reich zu konsolidieren, indem er die Reichskirche für seine Zwecke gegen die weltlichen Großen nutzbar gemacht haben soll. Besonders Ottos jüngerer Bruder Brun, der seit 940 Kanzler, seit 951 zugleich Erzkaplan des Reiches und seit 953 Erzbischof von Köln war, soll in der Hofkapelle Kleriker auf ihre spätere Tätigkeit als Reichsbischöfe vorbereitet haben. Dieses sogenannte ottonisch-salische Reichskirchensystem beurteilt die jüngere Forschung zurückhaltender.[34] Mit Poppo I. von Würzburg und Othwin von Hildesheim entstammten lediglich zwei der insgesamt 23 von Otto investitierten Bischöfe der Mainzer Kirchenprovinz der Hofkapelle.[35] Im Beziehungsgefüge zwischen König und Bischof hatten vielmehr das Domkapitel Hildesheim und die Domschulen eine zentrale Funktion.[36] Der König konnte keineswegs allein über die Besetzung bischöflicher Ämter entscheiden. Vor allem in der zweiten Phase seiner Regierung wurde eine Zunahme von Fürsprachen bei Bischofswahlen beobachtet.[37] In die Hofkapelle wurden bevorzugt Söhne aus adligen Familien aufgenommen.[38] Als kirchliche Würdenträger waren sie durch das Kirchenrecht geschützt und dem königlichen Einfluss größtenteils entzogen.[39]

Die Reichskirche erhielt zahlreiche Schenkungen, die neben Landbesitz auch königliche Hoheitsrechte (Regalien) wie Zoll-, Münz- und Marktrechte umfassten. Diese Schenkungen verpflichteten jedoch die Beschenkten zu erhöhtem Dienst für König und Reich. Die ottonischen Könige ließen sich von den Reichskirchen beherbergen und verköstigen. Auch waren es die Reichskirchen, die bereits zur Zeit seines Sohnes und Nachfolgers Ottos II. in Kriegszeiten zwei Drittel des Reiterheeres stellten,[40] aber auch im Frieden zu Naturalabgaben (servitium regis) verpflichtet waren. Neben der Versorgungsfunktion dienten die Reichsklöster und Bistümer dazu, die gottgewollte religiöse Ordnung zu verwirklichen, Gebetshilfe zu leisten und den christlichen Kult zu mehren.

Berengar II.

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Berengar war der Sohn des Markgrafen Adalbert I. von Ivrea und von Gisela, Tochter des Unruochingers Berengar I., und damit ein Nachkomme Karls des Großen. 925 wurde er als Nachfolger seines Vaters Markgraf von Ivrea.

Er lehnte sich gegen König Hugo I. von Italien auf, dessen Nichte Willa, die Tochter von Boso, Markgraf von Tuscien, er geheiratet hatte, musste aber 941 zum ostfränkischen König Otto I. fliehen. 945 kehrte er mit einem kleinen Heer zurück und wurde von den Städten und Baronen des Landes als Befreier begrüßt.

Nach der Abdankung Hugos im Jahr 946 erhielt zwar dessen 18-jähriger Sohn Lothar II. den Königstitel, aber Berengar II. herrschte an seiner Stelle, bis Lothar 950 plötzlich starb, und die lombardischen Herrscher Berengar II. und dessen Sohn Adalbert II. zu Königen wählten; beide wurden in der Kirche San Michele Maggiore in Pavia gekrönt.[41] Als Lothars junge Witwe Adelheid, die Tochter des Königs Rudolf II. (Welf) von Burgund, sich weigerte, Adalbert zu heiraten, sperrte Berengar sie 951 im Turm del Baradello hoch über Como ein. Sie entkam und rief Otto I. um Hilfe an. Dieser zog nach Italien, besiegte Berengar, heiratete Adelheid selbst und ließ sich ohne Krönung zum König der Langobarden erklären. Berengar hatte sich in die appeninische Gebirgsfestung San Marino zurückgezogen. Der wieder über die Alpen abziehende Otto ließ seinen Schwiegersohn Konrad den Roten in Italien zurück. Der brachte Berengar durch Verhandlungen dazu, 952 als Vasall Ottos zum Augsburger Reichstag zu kommen. Darauf erhielten er und sein Sohn das Königreich Italien als königliches Lehen unter Abgabe der Markgrafschaft Verona und des Herzogtums Friaul an das Herzogtum Bayern.

Während des Aufstands von Ottos Sohn Liudolf 953/54 war die ottonische Herrschaft geschwächt, was Berengar II. dazu nutzte, die abgetrennten Gebiete zurückzuerobern. Dabei ging er auch gegen den Papst und mehrere norditalienische Adlige vor. Als Berengar den Markgrafen Azzo in Canossa belagerte, schickte Otto ein Heer unter seinem zwischenzeitlich wieder in Huld aufgenommenen Sohn Liudolf. Dieser drängte den König 957 zurück in seine Festung San Giulio, von wo er durch seine eigenen Leute bald darauf ausgeliefert wurde. Doch Liudolf entließ ihn wieder und nach dessen Tod am 6. September 957 übernahm Berengar wieder die Herrschaft in Italien.


Papst Agapet II.

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Agapitus II., Darstellung in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern

Agapitus II., auch Agapet II., (* in Rom; † 8. November 955[42] ebenda) war Papst vom 10. Mai 946 bis zu seinem Tod. Sein Pontifikat fiel in die Zeit, als Alberich II., der Sohn Marozias, die unabhängige Republik Rom unter dem Titel Fürst und Senator der Römer regierte. Agapitus II. war der vierte Papst, der auf die Anweisung des übermächtigen Herrschers auf den Stuhl Petri gewählt wurde.

Agapitus, ein Mann mit einem starken Charakter, gab sein Bestes, um den Niedergang des Papsttums aufzuhalten, in den die sogenannte Pornokratie (gr. porneia, Unzucht, Hurenherrschaft), die seit Sergius III. 904 bis zur Absetzung Johannes XII. 963 dauerte, das Amt des Kirchenoberhauptes gebracht hatte.[43]

Während seines Pontifikats sprach er dem Erzbistum Hamburg das Recht auf die Mission im Norden zu, im Bistum Halberstadt wurde ein Missionszentrum eingerichtet.

Nach seiner Rückkehr im Januar 945 während des Pontifikats von Papst Marinus II. gelang es Markgraf Berengar II. von Ivrea, den tyrannischen König von Italien, Hugo von Arles, die allgemeine Unzufriedenheit ausnutzend, 946 abzusetzen. Daraufhin floh Hugo zurück in die Provence und ließ dabei seinen Sohn und Mitregenten Lothar, charakterlich in allem das Gegenteil seines gefürchteten Vaters, in Italien zurück. Berengar ließ ihn wohl auch aus Dank für seine Warnung König bleiben, wenn auch als einen machtlosen. Die reale Macht besaß Markgraf Berengar. Hugo versuchte, von Burgund aus Italien zurückzuerobern, doch dies vereitelte schließlich sein Tod am 10. April 947 in Arles.

Wenige Jahre später, am 22. November 950, starb auch Lothar in Turin, vielleicht vergiftet. Am 15. Dezember 950 ließ sich Berengar in Pavia zum italienischen König und seinen Sohn Adalbert zum Mitkönig krönen.

Aus Angst vor seiner Rivalin Adelheid von Burgund, der Witwe König Lothars, und um ihre Machtansprüche auszuschließen, kerkerte Berengar diese am 20. April 951 ein und ließ sie dort misshandeln. An den Folterungen war auch seine Frau Willa beteiligt. Am 20. August 951 konnte Adelheid nach vier Monaten der Tortur entfliehen und sich unter den Schutz des deutschen Königs Otto I. stellen, als dieser in Italien erschien.

König Otto zog am 23. September 951 in Pavia ein, erklärte sich ohne Krönung zum König von Italien und heiratete im Dezember 951 Adelheid von Burgund. Nun forderte er auch die Kaiserkrone für sich, doch Fürst Alberich und der Papst lehnten ab.

Otto ging daraufhin mit seiner Frau – vorläufig – nach Deutschland zurück und ließ Berengar und Adalbert als Lehenskönige zurück. Diese versuchten sofort wieder, sich selbstständige Machtpositionen zu schaffen.

Als Fürst Alberich im Sterben lag, verpflichtete er durch Eid Papst und römischen Adel, seinen erst etwa 16 Jahre alten Sohn Octavian von Spoleto zum Fürsten von Rom und nach dem Tod Agapits zum Papst zu wählen. Fürst Alberich starb am 31. August 954. Sein Grab befindet sich in der Lateranbasilika hinter der Apsis.[44]

Papst Agapit (II.) erteilt den Mönchen von Magdeburg (Magadaeburgensis coenobii) ein Privileg

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Agapit II. - RI II,5 n. 189

(946‒955)

Papst Agapit (II.) erteilt den Mönchen von Magdeburg (Magadaeburgensis coenobii) ein Privileg.

Überlieferung/Literatur

Erw.: n. 249. Reg.: J. *2808; JL. *3660; Mülverstedt, Reg. III 483 n. 17.

Kommentar

In n. 249 opponiert Erzbischof Wilhelm von Mainz mit Hinweis auf das heute verlorene Privileg Agapits II. für Magdeburg gegen die Pläne Ottos des Großen, in Magdeburg ein Erzbistum zu errichten und dazu die Dotation des von ihm begründeten Moritzklosters zu verwenden. Vgl. darüber Holtzmann, Otto der Große und Magdeburg (in: Magdeburg in der Politik der deutschen Kaiser, 1936, 45‒80).

Über den Zeitpunkt der Ausstellung und über den Inhalt des Papstprivilegs ist nichts bekannt.

Semmler in ZRG. KA. 45/1959, 18 vermutet, daß der Papst das Kloster in seinen Schutz genommen habe.

In seinem Brief erwähnt Wilhelm, daß die Mönche nicht bloß von Agapit II., sondern auch vestrisque antecessoribus privilegiert worden seien.

Diese Vorurkunden, die von den Päpsten Stephan VIII. und Marinus II. stammen könnten, sind ebenfalls verloren; vgl. n. 155 und n. 167.

RI II,5 n. 189, in: Regesta Imperii Online,

URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0946-00-00_1_0_2_5_0_203_189

(Abgerufen am 23.10.2024).


Agapit (II.) gestattet durch ein Dekret dem Bischof (Bernhard) von Halberstadt den Gebrauch des Rationale bei Meßfeiern an Festtagen

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Agapit II. - RI II,5 n. 190

(946‒955)

Papst Agapit (II.) gestattet durch ein Dekret dem Bischof (Bernhard) von Halberstadt (und dessen Nachfolgern) den Gebrauch des Rationale bei Meßfeiern an Festtagen.

Überlieferung/Literatur

Erw.: Brief B. Hildewards v. Halberstadt an B. Adalbero II. v. Metz ca. 984‒996 (Schmidt, UB. Halberstadt 142); Sigebert v. Gembloux, Vita Deoderici 9 (MGSS. IV 468). Reg.: J. *2809; JL. *3661. Lit.: Salmon, Étude sur les insignes 40; H. Beumann, Das Rationale der Bischöfe von Halberstadt und seine Folgen (in: Gedenkschrift für R. Olesch = Mitteldeutsche Forsch. 100/1990) 46 f. u. 64; Beumann, Pontifikalinsignien 25 f.

Kommentar

Sigebert berichtet über die Verleihung auf Grund des Briefes Hildewards, des Nachfolgers Bernwards, der darüber schreibt: altaris speciale donum, doctrine videlicet et veritatis rationale vocatum, venerabilis pape Agapeti decreto sibi collatum ... Vgl. zur Mainzer Opposition gegen das dann 1063 anstelle des Rationale von Papst Alexander II. verliehene Pallium (vgl. Martí Bonet, Concesión del palio 218) die zitierten Aufsätze von Beumann. Dieser vermutet in der Nachfolge von K. Honselmann, Das Rationale der Bischöfe (1975) 26 f., daß der Protestbrief des Erzbischofs Wilhelm von Mainz (n. 249) auch die Auszeichnung des Halberstädters im Auge hatte, die vielleicht erst knapp vorher durch Abt Hadamar von Fulda als Bote König Ottos des Großen (vgl. n. 248) erwirkt worden war, weswegen auf Sommer 955 (n. 248a) umdatiert werden sollte.

RI II,5 n. 190, in: Regesta Imperii Online,

URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0946-00-00_2_0_2_5_0_204_190

(Abgerufen am 23.10.2024).

Agapit II. deponiert Reliquien des Märtyrers Cyriak in dem dann nach diesem benannten römischen Kloster an der Via lata

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Agapit II. - RI II,5 n. 198

(946‒950), Rom

Papst Agapit II. deponiert Reliquien des Märtyrers Cyriak in dem dann nach diesem benannten römischen Kloster an der Via lata (sanctissimus praesul ... recondidit corporis caput almi martyris et levitae Cyriaci intra monasterium iuxta regionem Viae latae secus arcum Tiburii et sicut olim vocabatur ecclesia sancti Stephani mutavit pontifex nomen monasterii, ut vocaretur sancti Cyriaci).

Überlieferung/Literatur

Erw.: Translatio s. Cyriaci (AASS. Aug. II 335 f.). Reg.: ‒ Lit.: L. Cavazzi, La diaconia di S. Maria in Via lata e il monastero di S. Ciriaco (Rom 1908) 251 f.; Hamilton, House of Theophylact 203 ff.

Kommentar

Über das Cyriakkloster und seine Gründung vgl. weiters IP. I 78; Gerstenberg, Entwicklung 42; Huelsen, Le chiese 243 ff.; Antonelli in Benedictina 4/1950, 36 und Ferrari, Rom. Monasteries 112 ff.

Laut der zitierten Translatio erfolgte die Gründung des Klosters im Jahre 940 durch die Basen des Fürsten Alberich von Rom Marozia II., Stephania und Theodora III.

Die Deponierung der Reliquien des Cyriak datiert die Translatio temporibus gloriosissimi Ottonis augusti, praesidente Romae sanctissimo papa Agapito.

Abgesehen von der voreiligen Benennung Ottos des Großen als Kaiser, der allerdings 962 tatsächlich mit dem Kloster in Beziehung trat (vgl. n. 297), ergeben sich auch andere Schwierigkeiten für die Datierung der Ereignisse und den wahren Gehalt der Legende. Unter anderem wird erzählt, daß bei der Überführung der Reliquien von einem Zömeterium an der Via Ostia in das Stephanskloster das die Reliquien transportierende Gefährt dreimal und zuletzt knapp vor dem Kloster stehenblieb und sich nicht weiterbewegen ließ. Agapit II. wurde deswegen um Rat gefragt, beriet mit seinem Klerus, kam endlich selbst an die Stelle und forderte dort in einer wörtlich wiedergegebenen Rede das versammelte Volk zum Gebet auf, da alle anderen Mittel versagen würden. In der Tat setzte sich dann der Wagen wieder in Bewegung, und Agapit vollzog auf Bitten der Klostergründerinnen die Deposition der Reliquien im Stephanskloster.

Unter dem Namen San Ciriaco ist das Kloster erstmals 955 in einer Papsturkunde (n. 247) bezeugt. Die Translation muß aber noch vor 951 stattgefunden haben, da in diesem Jahre Theodora III. zum letzten Male als lebend urkundlich erscheint. Wenn dem Translationsbericht getraut werden darf, der ihre und ihrer Schwestern Anwesenheit bei der Deposition voraussetzt, so muß allerdings angenommen werden, daß Theodora deswegen von Neapel, wo sie seit 940 mit Herzog Johannes III. verheiratet lebte, nach Rom gereist war.


RI II,5 n. 198, in: Regesta Imperii Online,

URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0946-00-00_10_0_2_5_0_212_198

(Abgerufen am 23.10.2024).

Papst Johannes XII.

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Johannes XII. (* 937 oder 939 als Octavian von Spoleto in Rom; † 14. Mai 964 in der Campagna) war Papst vom 16. Dezember 955 bis zu seiner Absetzung am 4. Dezember 963. Er krönte 962 mit Otto dem Großen erstmals einen römisch-deutschen König zum Kaiser, den er selbst um Hilfe ersucht hatte.

Octavian beherrschte als Abkömmling der führenden stadtrömischen Familien die Stadt und versuchte zugleich mit Ottos Hilfe den Kirchenstaat gegen Eingriffe seitens der sogenannten „Nationalkönige“ zu verteidigen. Er war der einzige Papst – vielleicht mit Ausnahme des Papstes Benedikt IX. [dreimal Papst in einem Zeitraum von 1032 bis 1048] –, der als Jugendlicher sein Amt antrat.

Leben

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Abstammung, Papstwahl

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Octavian war Sohn des Grafen Alberich II. von Spoleto und damit ein Enkel des Stammvaters der Tuskulaner, des Langobarden Alberich I., und der senatrix Marozia. Alberich II. ließ auf dem Sterbelager Papst Agapitus II. und den römischen Adel per Eid verpflichten, seinen Sohn Octavian nicht nur zum princeps von Rom zu machen, sondern nach dem Tod des Papstes auch zu dessen Nachfolger zu wählen. Nach dem Tod des Agapitus wurde der nunmehrige Herr Roms Octavian am 16. Dezember 955 im Alter von höchstens 18 Jahren zum Papst gewählt und Johannes XII. genannt. Er war der fünfte Papst, der auf Befehl Alberichs gewählt wurde. Die Wahl stand in Gegensatz zum Dekret des Papstes Symmachus [Am 22. November 498 wurde er mit Unterstützung des Ostgotenkönigs Theoderich zum Bischof von Rom gewählt; † 19. Juli 514], das Absprachen vor der Papstwahl zu Lebzeiten des noch amtierenden Papstes ausdrücklich untersagte. Johannes verfolgte die beiden Hauptziele seines Vaters, nämlich die Wahrung der Autonomie Roms und der des Kirchenstaates, jedoch mangelte es ihm an der dazu notwendigen Erfahrung.

Späteren Darstellungen zufolge war er ungebildet und sprach kein Latein. Trotz der tendenziösen Schilderungen seiner Amtszeit in der Überlieferung durch Liutprand von Cremona kann als gesichert gelten, dass Johannes weder ein frommer noch ein fähiger Papst war, sondern ein weltliches Leben führte.[45] Der Abt und Bischof Rather von Verona[46] behauptet, Octavian habe nicht einmal zum römischen Klerus gezählt, und er habe auch keinerlei religiöse Unterweisung erhalten. Im Liber pontificalis heißt es: „totam vitam suam in adulterio et vanitate duxit“ (S. 246), er habe also sein ganzes Leben mit Ehebruch und Eitelkeit zugebracht. Dennoch wurde seine Autorität, auch in Lehrfragen, in der gesamten Kirche anerkannt, wie eine Reihe von entsprechenden Anfragen erweist. Ob die im Vergleich zu Johannes XIII. [Papst vom 1. Oktober 965 bis 972] deutlich geringere Anzahl dieser Anfragen auf die ungünstigere Quellenlage oder den schlechten, bzw. weltlichen Lebenswandel und Ruf Octavians zurückzuführen ist, lässt sich nicht klären.

  1. Rudolf Hiestand: Byzanz und das Regnum Italicum im 10. Jahrhundert. Ein Beitrag zur ideologischen und machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen Osten und Westen. Zürich 1964, S. 130–137.
  2. Stefan Weinfurter: Kaiserin Adelheid und das ottonische Kaisertum. In: Frühmittelalterliche Studien 33 (1999) S. 1–19, hier: S. 4 ff. (online)
  3. Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 2. erweiterte Auflage, Stuttgart u. a. 2005, S. 96.
  4. Hagen Keller: Entscheidungssituationen und Lernprozesse in den 'Anfängen der deutschen Geschichte'. Die 'Italien- und Kaiserpolitik' Ottos des Großen. In: Frühmittelalterliche Studien 33, 1999, S. 20–48, hier: S. 32 f.
  5. Gerd Althoff, Hagen Keller: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. Stuttgart 2008, S. 188.
  6. Widukind, Sachsengeschichte III, 9; Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 2. erweiterte Auflage, Stuttgart u. a. 2005, S. 98.
  7. Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 2. erweiterte Auflage, Stuttgart u. a. 2005, S. 98.
  8. Gerd Althoff, Hagen Keller: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. Stuttgart 2008, S. 188 f.
  9. Johannes Laudage: Otto der Große. Eine Biographie. Regensburg 2001, S. 147.
  10. Gerd Althoff: Zur Frage nach der Organisation sächsischer coniurationes in der Ottonenzeit. In: Frühmittelalterliche Studien 16, 1982, S. 129–142, hier: S. 136 ff.
  11. Vgl. dazu Gerd Althoff: Der frieden-, bündnis- und gemeinschaftstiftende Charakter des Mahles im früheren Mittelalter. In: Irmgard Bitsch, Trude Ehlert, Xenja von Ertzdorff (Hrsg.): Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit. Sigmaringen 1987, S. 13–25.
  12. Hagen Keller: Otto der Große urkundet im Bodenseegebiet. Inszenierungen der ›Gegenwart des Herrschers‹ in einer vom König selten besuchten Landschaft. In: Jürgen Petersohn (Hrsg.): Mediaevalia Augiensia. Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, vorgelegt von Mitgliedern des Konstanzer Arbeitskreises aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens. Stuttgart 2001, S. 205–245, hier: S. 227. (Volltext online)
  13. Widukind, Sachsengeschichte III, 10.
  14. Gerd Althoff, Hagen Keller: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. Stuttgart 2008, S. 193.
  15. Adalberti Continuatio Reginonis ad 952.
  16. Hermann Kamp: Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter. Darmstadt 2011, S. 174.
  17. Widukind, Sachsengeschichte III, 15.
  18. Liudprand, Antapodosis IV, 24.
  19. Widukind, Sachsengeschichte III, 46.
  20. Sarah Thieme: „‚So möge alles Volk wissen‘ – Funktionen öffentlicher Beratung im 10. und 11. Jahrhundert.“ In: Frühmittelalterliche Studien 46, 2012, S. 157–189, hier: S. 169–173.
  21. Widukind, Sachsengeschichte III, 32.
  22. Gerd Althoff: Das Privileg der deditio. Formen gütlicher Konfliktbeendigung in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft. In: Otto Gerhard Oexle, Werner Paravicini (Hrsg.): Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa. Göttingen 1997, S. 27–52; wieder in: Gerd Althoff: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde. Darmstadt 1997, S. 99–125; Gerd Althoff: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter. Darmstadt 2003, S. 68 ff.
  23. Widukind, Sachsengeschichte III, 40.
  24. Widukind, Sachsengeschichte III, 49.
  25. Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 2. erweiterte Auflage, Stuttgart u. a. 2005, S. 107.
  26. Thietmar II, 10.
  27. Widukind, Sachsengeschichte III, 49.
  28. Gerd Althoff: Die Gründung des Erzbistums Magdeburg. In: Matthias Puhle (Hrsg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa. Eine Ausstellung im kulturhistorischen Museum Magdeburg vom 27. August bis 2. Dezember 2001. Bd. 1, Mainz 2001, S. 344–352.
  29. Thietmar II, 17.
  30. Brief Wilhelms an Agapet II.: Epistolae Moguntinae Nr. 18, S. 347–350.
  31. Gerd Althoff: Widukind von Corvey. Kronzeuge und Herausforderung. In: Frühmittelalterliche Studien 27 (1993), S. 253–272, hier: S. 258, Anm. 18; Gerd Althoff: Die Gründung des Erzbistums Magdeburg. In: Matthias Puhle (Hrsg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa. Eine Ausstellung im kulturhistorischen Museum Magdeburg vom 27. August bis 2. Dezember 2001. Bd. 1, Mainz 2001, S. 344–352, hier: S. 344.
  32. Matthias Springer: 955 als Zeitenwende – Otto I. und die Lechfeldschlacht. In: Matthias Puhle (Hrsg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa. Bd. 1, Mainz 2001, S. 199–208, hier: S. 200.
  33. Widukind, Sachsengeschichte III, 55. Thomas Scharff: Der rächende Herrscher. Über den Umgang mit besiegten Feinden in der ottonischen Historiographie. In: Frühmittelalterliche Studien 36, 2002, S. 241–253 (online).
  34. Gerd Althoff, Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. Stuttgart 2008, S. 364–372. Ausgelöst wurde die Kritik durch: Timothy Reuter: The „Imperial Church System“ of the Orronian and Salian Rulers. A Reconsideration. In: Journal of Ecclastiastical History, 33, 1982, S. 347–374. Dagegen: Josef Fleckenstein: Problematik und Gestalt der Reichskirche. In: Karl Schmid (Hrsg.): Reich und Kirche vor dem Investiturstreit. Festschrift Gerd Tellenbach. Sigmaringen 1985, S. 83–98.
  35. Tina Bode: König und Bischof in ottonischer Zeit. Herrschaftspraxis – Handlungsspielräume – Interaktionen. Husum 2015, S. 331 und 541.
  36. Tina Bode: König und Bischof in ottonischer Zeit. Herrschaftspraxis – Handlungsspielräume – Interaktionen. Husum 2015, S. 541.
  37. Tina Bode: König und Bischof in ottonischer Zeit. Herrschaftspraxis – Handlungsspielräume – Interaktionen. Husum 2015, S. 546.
  38. Gerd Althoff, Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. Stuttgart 2008, S. 365; Rudolf Schieffer: Der Ottonische Reichsepiskopat zwischen Königtum und Adel. In: Frühmittelalterliche Studien 23, 1989, S. 291–301, hier: S. 295.
  39. Stephan Freund: Herrschaftsträger des Reiches: Konflikte und Konsens unter Otto. In: Matthias Puhle, Gabriele Köster (Hrsg.): Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike bis zum Mittelalter. Regensburg 2012, S. 529–537, hier: S. 535.
  40. Johannes Laudage: Otto der Große. Eine Biographie. Regensburg 2001, S. 253.
  41. Gillian Elliott: "Representing Royal Authority at San Michele Maggiore in Pavia". In: Zeitschrift fuer Kunstgeschichte 77 (2014). (academia.edu [abgerufen am 6. September 2023]).
  42. Die Catholic Encyclopedia nennt den August 956 als Todeszeitpunkt.
  43. Peter de Rosa: Päpstliche Pornokratie. Via Regia – Kulturroute des Europarates, archiviert vom Original am 7. Oktober 2007; abgerufen am 7. Juni 2018.
  44. Martin Marker: Agapet II. Vatican-History, 13. Februar 2005, abgerufen am 7. Juni 2018.
  45. Werner Goez: Lebensbilder aus dem Mittelalter. Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer. 3., um ein Vorwort erw. Auflage (Sonderausgabe 2010), WBG, Darmstadt 2010, S. 87.
  46. Brief n. 16, S. 80.