Kurs:Organisationslehre/Virtuelle Organisation

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Einen wichtigen Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit Virtualität liefert folgende Definition: Virtuell wird abgeleitet vom lateinischen "virtus" = "Tüchtigkeit" und steht dabei für die Eigenschaften eines konkreten Objekts die nicht physisch, aber trotzdem ihrer Leistungsfähigkeit nach oder (durch den Einsatz von Zusatzspezifikationen, z.B. eine multimediale Kommunikationsstruktur) doch der Möglichkeit nach vorhanden sind.[1] Virtualität drückt somit die Ertüchtigung zur Leistungsfähigkeit trotz physischer Abwesenheit aus.

Die virtuelle Organisation stellt eine Form der Netzwerkorganisation dar, die sich aus mehreren, eher kleinen und überschaubaren Einheiten zusammensetzt (Modularisierung) und durch einen mehr oder weniger umfangreichen Einsatz gemeinsamer Informations- und Kommunikationstechnik auszeichnet, die für das Konzept und den Erfolg der virtuellen Organisation zentrale Bedeutung besitzt. Durch die Virtualisierung soll die gesamte Wertschöpfungskette optimiert und die Ausrichtung auf individuelle Kundenbedürfnisse verbessert werden.

historische Wurzeln von Virtualität[Bearbeiten]

Um die Virtualität ansich zu verstehen, wird es auch notwendig, als erstes die historischen Wurzeln der Virtualität zu erklären. Diese Wurzeln zeichnen sich durch die Evolution vom virtuellen Speicher bis hin zu virtuellen Organisationsstrukturen aus. Hier ist auch zu beachten, dass es notwendig ist, die Wirklichkeit zu verstehen, bevor Virtualität verstanden werden kann. Christian Scholz[1] gibt dazu eine Entwicklungshistorisches Schema an das sich wie folgt abzeichnet.

Virtueller Speicher
Ein Begriff aus der Informatik. Der Arbeitsspeicher wird um eine virtuellen, nicht direkt ersichtlichen, virtuellen Speicher im Adressraum auf der Festplatte des Computers erweitert. Dadurch wird der mögliche Arbeitsspeicher, welcher bei der Programmausführung zur Verfügung steht, flexibel und um ein vielfaches erweitert.
Die Virtualität wird durch die nicht direkte Ersichtlichkeit und die erreichte Flexibilität definiert.

Virtuelle Realität
Personen werden mittels elektronischen Brillen und Datenhandschuhen in eine vom Computer kreierte virtuelle Realität eingebettet. Durch die dreidimensionale Darstellung und die Möglichkeit der Interaktion über den Datenhandschuh, wird die der Eidruck erschaffen sich in einer anderen Umgebung zu befinden, die jedoch nur virtuell im Recher existiert. (Beispiel: 1996, Olympische Spiele in Atlanta - virtuelle Darstellung des GorgiaDome) Ein weiterer Schritt stellt die Einbindung von Informationstechnologie in Kleidungsstücke und Körperteile dar.
Diese Entwicklungen beleben Diskussionen, um Auswirkungen von ausschliesslicher virtueller Interaktion von Personen und die Bildung von virtuellen Gemeinschaften.

Virtuelle Erzeugnisse
Die Idee des virtuellen Erzeugisses nützt die Möglichkeit, den Eindruck eines realen Objekts zu vermitteln, indem Unternehmen zeitgleich mit dem Entstehen eines Kundenwunsches, gemeinsam mit dem Kunden, ein auf den Kunden zugeschnittenes Produkt erzeugen.

Diese virtuellen Erzeugnisse stehen jedoch immer im Zusammenhang mit einem realen Erzeugnis, welches als Abbild des virtuellen Erzeugnisses geschaffen wird.

Virtuelle Organisationen
Bei der Definition von virtuellen Unternehmen steht die Schaffung von neuartigen Struktur- und Ablaufmodellen im Vordergrund. Diese Definition beginnt Mitte der 1980er Jahre mit einer eher unbewussten Definition von Netzwerkmodellen, die höhere Flexibilität schaffen und die Wertschöpfung optimieren sollen. Eine Phase der übertriebenen Euphorie die zu Beginn der 1990er Jahre einsetzt und virtuelle Unternehmen zu Hoffnungsträgern der rezessiven Weltwirtschaft macht, bereitet den Weg für eine ganze Reihe von Autoren, die erstmals Grundlagen für virtuelle Unternehmen defineren und bewußte Konzepte schaffen. Darauf folgt eine Phase der ernüchternden Relativierung, welche Kritikpunkte an der bisherigen Auseinandersetzung mit der virtuellen Organisation aufzeigt und somit eine differenzierte Anwendung erst ermöglicht.

Es ergibt sich die Gliederung der Entwicklung von virtuellen Organisationen in fünf Phasen:

  1. Die Phase der unbewußten Vorläufer
  2. Die Phase der übertriebenen Euphorie
  3. Die Phase der bewußten Konzeptionalisierung
  4. Die Phase der ernüchternden Relativierung
  5. Die Phase der differenzierten Anwendung


Das virtuelle Unternehmen stellt ein Organisationsmodell dar, welches in die Tradition der Diskussion um unterschiedliche Koordinierungs-, Organisations-, und Netzwerkstrukturen einzuordnen ist. Die virtuelle Unternehmung konzentriert sich auf Kernkompetenzen der Mitglieder, dem Outsourcing und der Ausweitung flexibler Kooperationsformen. Die Organisationsform des virtuellen Unternehmens hat ihr Potential darin, daß sie den teilnehmenden Unternehmen die Chance bietet, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen und gemeinsame Kompetenzen aufzubauen. Technologie spielt insofern eine wichtige Funktion, als daß durch sie Informationsbarrieren überwunden werden können, auch über große Entfernungen kooperiert werden kann und Projekte schneller und effizienter durchgeführt werden können.

Ettighoffer beschreibt hierzu drei wesentliche Eigenschaften virtueller Unternehmungen:

  • Standortunabhängigkeit
  das Unternehmen kann durch moderne Informationstechnologien maximale Marktnähe schaffen, 
  externes Expertenwissen nutzen und
  räumlich entfernte Managementressourcen nutzen
  • Zeitunabhängigkeit
  mittels automatischer Auftragsannahme wird eine intensivere Nutzbarkeit der Anlagen erzielt und
  somit die Servicequalität erhöht
  zeitliche Kapazitätsgrenzen können durch Weltweite Vernetzung erweitert werden.
  • Wissensressourcenvernetzung
  Herausbildung von Wissensnetzwerken[2]

Dimensionierung: Die Virtualisierungsformen[Bearbeiten]

Während die Klassiker der Virtualisierungsforschung noch von einem Standardmodell ausgehen, beginnen einige Autoren bereits die virtuelle Organisation als das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung im mehrdimensionalen Raum zu sehen. Dafür stehen die folgenden Modelle zur Verfügung. Das Drei-Stufen-Modell ist eher informationstechnisch ausgerichtet, während das virt.cube-Modell eher organisationstechnisch ausgerichtet ist. (Scholz 2000, S. 332)[1]

Das Drei-Stufen-Modell
Dieses Modell ist eine Kombination aus spezifischen Fähigkeiten und Denkhaltungen. Dabei ist diese Denkhaltung nicht nur für High-Tech-Firmen gedacht, sondern betrifft die generelle Verzahnung der Unternehmen mit der Umwelt. Dafür postulierten Venkatraman und Henderson drei Entwicklungsvektoren:

  • virtuelles Anbieten und eventuell konsumieren von Produkten und Dienstleistungen (virtual encounter)
  • Leverage Effekte durch die Virtualisierung des inner- und zwischenbetrieblichen Beschaffungsprozesses (virtual sourcing)
  • Wissensleverage durch effiziente und bürokratiefreie Form "Produktion" von Expertenwissen (virtual expertise)

Diese drei Vektoren sind nicht unabhängig wählbar, sondern sind vielmehr erfolgreich wenn sich die Unternehmen auf allen drei Vektoren gleichzeitig bewegen. Daher spricht man korrekterweise auch von einem Stufenmodell. Bei diesen Virtualitätsstufen geht es

  • auf Stufe 1 um die Virtualisierung einzelner Aspekte beziehungsweise Einheiten
  • auf Stufe 2 um die Abstimmung zwischen den Einheiten und
  • auf Stufe 3 um die Zusammenführung der Einheiten, das Schaffen einer (virtuellen) Gemeinschaft. (Scholz 2000, S. 333)[1]

Das virt.cube-Modell
Der virt.cube beruht auf drei Dimensionen:

  • Virtuelle Realität durch Schaffung eines computerisierten Objektes => Organisationsnachbildung

Eine Organisatorische Einheit wird ganz oder teilweise in den Comuter verlagert. Dadurch sollen die Vernetzung und die Geschwindigkeit des Informationsflusses gesteigert und die Wissensbasis vergrößert werden.

  • Neuausrichtung der Kernkompetenzen" durch Neugestaltung von Organisationen => Organisationsneuausrichtung

Erfolgreiche Unternehmen müssen sich schnell auf geänderte Anforderungen umstellen um die nachhaltige Wertschöpfung sicher zu stellen. Diese laufenden Änderungen führen zu laufenden und umfangreichen Reorganisationsmaßnahmen sowie Restrukturierungen der Wertschöpfungskette.

  • Weiche Integration durch Organisationszusammenführung

Durch die Aufspaltung nach den Kernkompetenzen werden gewohnte Strukturen aufgebrochen, wodurch Unternehmen (Abteilungen, Mitarbeiter) nicht mehr als "Einheit" dem Kunden gegenüber auftreten. Dem wird durch die Schaffung einer gemeinsamen Vision entgegengewirkt um somit wieder das Bild "one face to the customer" für den Kunden zu generieren. (Scholz 2000, S. 336-339)[1]

Arbeitsthesen[Bearbeiten]

Geschichte der virtuellen Organisation:

Spätestens 1993 war die Untersuchung und Analyse der Auswirkungen von Informations- und Kommunikationstechnologien um eine Facette reicher. Dann nämlich, als in einem Artikel in Business Week der Begriff des virtuellen Unternehmens salonfähig gemacht wurde. Schon in den 70er und 80er Jahren waren neue und sich ständig verändernde Organisations- und Kooperationsformen von Unternehmen aufgetreten. Der rasche technologische Wandel samt der Nutzung von Informationstechnologien brachte auch den Bedarf nach immer flexibleren und anpassungsfähigeren Organisationsstrukturen von Unternehmen mit sich. Neu an der Idee des virtuellen Unternehmens ist aber nicht so sehr, durch neue Formen von Allianzen oder Kooperationen auf Entwicklungen der Umwelt, insbesondere technologische Veränderungen, zu reagieren, sondern diese Technologien selbst für die Bildung eines neuen Organisationstyps zu nutzen.


Bezeichnung der virtuellen Organisation:

Eine Virtuelle Organisation “bezeichnet eine Menge von unabhängigen Individuen und Institutionen, die sich vereinbarten Regeln für die gegenseitige Nutzung von Ressourcen unterwerfen”. Dabei werden real existierende Organisationen und/oder Einzelpersonen in Virtuellen Organisationen zusammengeschlossen, wobei jede Identität aus der realen Welt eine Identität in der Virtuellen Welt zugewiesen bekommt und damit gewisse Rechte bzw. Einschränkungen in der Nutzung in der Virtuellen Welt hat.

Beispiel an Mitglieder in einer virtuellen Organisation:


Datei:Mitlieder virt. Org..gif

Quelle: http://www.prodwi.tu-cottbus.de/prodwi/upload/bilder Zugriff am 07.Oktober 2010 16.00Uhr


Die Virtuelle Organisation in einem Unternehmen zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Zusammenschluss von mindestens zwei rechtlich selbständigen Unternehmen
  • Zusammenarbeit für einen bestimmten Zweck bzw. eine definierte Dauer
  • Die einzelnen Organisationen partizipieren mit ihren Kernkompetenzen
  • Auftritt am Markt unter einem Namen
  • Geringer Grad an Formalisierung und zentralen Managementaktivitäten
  • Die Regeln der Kooperation werden in einem demokratischen Prozess beschlossen
  • Die Unterstützung durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie
  • Kooperative Erarbeitung der Zielsetzungen


Unterschiedliche Formen einer virtuellen Organisation:


Quelle: vgl. Brütsch: „Virtuelle Unternehmen“, 1999

Eigenständige Stellungnahme[Bearbeiten]

Die virtuelle Organisation ist eine neue Chance für jedes Unternehmen. Es können neben der "normalen" Produktion bzw. neben dem "normalen" Verkauf noch weitere Nischen entdeckt und genutzt werden. Dies führt zu mehr Umsatz und somit hoffentlich auch zu mehr Gewinn. Der grösste Vorteil ist, dass man nur bei Unterproduktion einsteigen muss, ansonsten kann man auch darauf verzichten. Weiters kann diese Plattform als Werbezweck verwendet werden.


Weiterführende Literatur[Bearbeiten]

  • Hubert, Österle: Virtuelle Organisation, Dpunkt Verlag, 2005
  • Georg Peter, Mavridis: Anreizsysteme für Mitarbeiter von virtuellen Organisationen, VDM Verlag Dr. Müller, 2010
  • Volker, Wulf: Auf dem Weg zur virtuellen Organisation, Physica-Verlag Heidelberg, 2001
  • Axel, Vinke: Virtuelle Arbeitsstrukturen und organisationales Commitment, Wiesbaden Dt. Univ.-Verlag, 2005
  • German, Whinger: Die Informations- und Kommunikationsstruktur in der virtuellen Organisation, 2005
  • Götz-Andreas, Kemmner: Virtuelle Unternehmen : ein Leitfaden zum Aufbau und zur Organisation einer mittelständischen Unternehmenskooperation, Heidelberg Physica-Verlag, 2000
  • Brütsch, David: Virtuelle Unternehmen, Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 1999


Kurzfilm[Bearbeiten]

[1] Virtuelle Organisation (youtube)

Einzelnachweise[Bearbeiten]

<references>

[2]

[1]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Scholz, Christian: Strategische Organisation: Multiperspektivität und Virtualität, Landsberg/Lech: Verlag moderne Industrie AG & Co. KG, 2. überarb. Aufl. 2000, ISBN 3-478-39792-8
  2. 2,0 2,1 Kathrin M. Möslein in: Rohde, Markus; Rittenbruch, Markus; Wulf, Volker: Auf dem Weg zur virtuellen Organisation. Fallstudien Problembeschreibungen Lösungskonzepte, 2001 Physica-Verlag Heidelberg