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Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 11/latex

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\setcounter{section}{11}






\zwischenueberschrift{Ebene monomiale Kurven und Knoten}

In den letzten beiden Vorlesungen haben wir \zusatzklammer {hauptsächlich im Zweidimensionalen} {} {} gezeigt, inwiefern sich eine isolierte Singularitäten in der lokalen Fundamentalgruppe niederschlägt. Die lokale Fundamentalgruppe ist eine intrinsische topologische Invariante der affin-algebraischen Menge $V$ und unabhängig von der Einbettung von $V$ in einen ${\mathbb C}^n$. In dieser Vorlesung werden wir eine Beispielklasse anschauen, bei der die Singularität keine Auswirkung auf die intrinsische topologische Gestalt von $V$ hat, bei der aber die Singularität eine starke topologische Auswirkung auf Invarianten der Einbettung besitzt.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Cusp.svg} }
\end{center}
\bildtext {Das reelle Bild der Neilschen Parabel} }

\bildlizenz { Cusp.svg } {} {Satipatthana} {Commons} {PD} {}


Wir betrachten die Nullstellenmenge
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ V }
{ =} { V { \left( Z^a-W^b \right) } }
{ \subseteq} { {\mathbb C}^2 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} die bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a,b }
{ \geq }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine isolierte Singularität im Nullpunkt besitzt. Wenn \mathkor {} {a} {und} {b} {} teilerfremd sind, so ist das Polynom
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{Z^a-W^b }
{ \in} { {\mathbb C} [Z,W] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} irreduzibel und damit ist auch $V$ irreduzibel. Diese Eigenschaft werden wir im Folgenden voraussetzen, das einfachste singuläre Beispiel ist die Neilsche Parabel. Eine andere wichtige Beschreibung von $V$ ergibt sich als Bild der polynomialen Abbildung \maabbeledisp {\varphi} { {\mathbb C} } {V \subseteq {\mathbb C}^2 } {t} { { \left( t^b,t^a \right) } } {.} Jeder Bildpunkt
\mathl{\varphi(t)}{} erfüllt offenbar die beschreibende Gleichung. Bei vorausgesetzter Teilerfremdheit der Exponenten kann man einfach zeigen, dass die Abbildung $\varphi$ sogar bijektiv ist. Es gibt also eine polynomiale Bijektion \maabb {\varphi} { {\mathbb C} } { V } {,} wobei ${\mathbb C}$ glatt und $V$ singulär ist. Von daher könnte man meinen, dass die Singularität von $V$ topologisch keine besondere Relevanz haben sollte. In der Tat liegt ein Homöomorphismus zwischen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathbb C} }
{ \cong }{ \R^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und $V$ vor. Wir werden aber zeigen, dass die Singularität sehr wohl eine topologische Relevanz besitzt, und zwar in der Art, wie sie im umgebenden Raum
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathbb C}^2 }
{ \cong} { \R^4 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eingebettet ist. Ein erster wichtiger Hinweis in diese Richtung ergibt sich, wenn man die Abbildung $\varphi$ mit der Standarddurchlauf des Einheitskreises verknüpft. Dieser ist durch \maabbeledisp {} { [0,1] } { S^1 \subseteq {\mathbb C} } {s} { e^{ 2 \pi { \mathrm i} s } } {,} gegeben. Verknüpft mit $\varphi$ erhält man die Abbildung \maabbeledisp {} { [0,1]} { V \subseteq {\mathbb C}^2 } {s} { \left( e^{ 2 b\pi { \mathrm i} s } , \, e^{ 2 a \pi { \mathrm i} s } \right) } {.} Da eine Homöomorphie vorliegt, ist dieser Weg ein Erzeuger der Fundamentalgruppe von
\mathl{V \setminus \{ (0,0) \}}{,} ebenso wie der Standarddurchlauf des Einheitskreises ein Erzeuger der Fundamentalgruppe von
\mathl{{\mathbb C} \setminus \{ 0 \}}{} ist. Ein Unterschied besteht aber in der Verschlingung dieses Weges im $\R^4$.

Wir Identifizieren den ${\mathbb C}^2$ mit dem $\R^4$ und schreiben
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ = }{ x_1 + x_2 { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ = }{ y_1 + y_2 { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Im $\R^4$ arbeiten wir also mit den reellen Koordinaten
\mathl{x_1,x_2,y_1,y_2}{.} Eine komplexe Zahl ist genau dann $0$, wenn sowohl ihr Realteil als auch ihr Imaginäreteil $0$ ist. Die definierende Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{z^a -w^b }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für ein komplexes Zahlenpaar
\mathl{(z,w)}{} bedeutet daher ins Reelle übersetzt, wegen
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ z^a }
{ =} { { \left( x_1 + x_2 { \mathrm i} \right) }^a }
{ =} { \sum_{j = 0}^a \binom { a } { j } { \mathrm i}^j x_1^{a-j} x_2^j }
{ =} { { \left( \sum_{j \text{ gerade } } (-1)^{j/2} \binom { a } { j } x_1^{a-j} x_2^j \right) } + { \mathrm i} { \left( \sum_{j \text{ ungerade} } (-1)^{(j-1)/2} \binom { a } { j } x_1^{a-j} x_2^j \right) } }
{ } { }
} {} {}{} \zusatzklammer {und entsprechend für $w^b$} {} {,} dass die beiden reellen Gleichungen
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \sum_{j \text{ gerade } } (-1)^{j/2} \binom { a } { j } x_1^{a-j} x_2^j }
{ =} { \sum_{j \text{ gerade } } (-1)^{j/2} \binom { b } { j } y_1^{b-j} y_2^j }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \sum_{j \text{ ungerade} } (-1)^{(j-1)/2} \binom { a } { j } x_1^{a-j} x_2^j }
{ =} { \sum_{j \text{ ungerade} } (-1)^{(j-1)/2} \binom { b } { j } y_1^{b-j} y_2^j }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} simultan erfüllt sein müsssen. Für die Neilsche Parabel bedeutet das, dass die beiden Gleichungen


\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_1^2-x_2^2 -y_1^3 +3 y_1y_2^2 }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 2x_1x_2 -3y_1^2y_2 + y_2^3 }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllt sein müssen.

Auf $V$ wirkt die multiplikative Gruppe ${\mathbb C} ^{\times}$ durch die \definitionsverweis {Operation}{}{} \maabbeledisp {} {{\mathbb C} ^{\times} \times V } {V } { (u,z,w)} { ( u^bz, u^aw) } {.} Diese Gruppenwirkung hängt mit der $\N$-\definitionsverweis {Graduierung}{}{} des Restklassenringes
\mathl{{\mathbb C}[Z,W]/ { \left( Z^a-W^b \right) }}{} durch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Grad} \, (Z) }
{ = }{ b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Grad} \, (W) }
{ = }{ a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zusammen. Wir schränken die Operation auf positive reelle Zahlen ein. Diese Operation setzt sich auf dem gesamten $\R^4$ fort, durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ u (x_1,x_2,y_1,y_2) }
{ =} { (u^bx_1,u^bx_2,u^ay_1,u^ay_2) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die Bahnen dieser Operation zu einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (x_1,x_2,y_1,y_2) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sind selbst wieder reelle mit Koeffizienten versehene monomiale Kurven im Vierdimensionalen. Für
\mathl{u \rightarrow 0}{} streben diese Bahnen gegen den Nullpunkt und für $u \rightarrow + \infty$ gegen Unendlich. Diese Bahnen sollte man in Analogie zu den Strahlen \zusatzklammer {Halbgeraden} {} {} im $\R^n$ sehen, die vom Nullpunkt ausgehen. Jedes Strahl durchstößt die Sphäre in genau einem Punkt. Eine entsprechende Aussage gilt auch für die gegenwärtigen Bahnen.

Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{S^3 }
{ =} { { \left\{ (x_1,x_2,y_1,y_2) \mid x_1^2 + x_2^2+y_1^2 +y_2^2 = 1 \right\} } }
{ \subseteq} { \R^4 }
{ \cong} { {\mathbb C}^2 }
{ } { }
} {}{}{} die reell dreidimensionale Sphäre im reell vierdimensionalen Raum. Wir betrachten den Durchschnitt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ L }
{ =} { V \cap S^3 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da $V$ reell zweidimensional ist, erwartet man \zusatzklammer {reelle Kodimensionen zählen} {} {} einen reell eindimensionalen Schnitt. $L$ steht hier für Link, auf Deutsch \stichwort {Umgebungsrand} {.} Es ist generell ein wichtiges topologisches Hilfsmittel, zu einer affin-algebraischen Varietät
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq} { {\mathbb C}^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer Singularität im Nullpunkt den Durchschnitt mit der reell $2n-1$-dimensionalen Sphäre zu betrachten, also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{L }
{ = }{ V \cap S^{2n-1} }
{ \subseteq }{ S^{2n-1} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dabei ist für geeignete Sphärenradien der Durchschnitt $L$ eine reelle Mannigfaltigkeit, deren Dimension um $1$ kleiner als die reelle Dimension von $V$ ist.

In unserer Situation liegt insgesamt das kommutative Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} \R_+ \times S^1 & \stackrel{ }{\longrightarrow} & {\mathbb C}^{\times} & \\ \downarrow & & \downarrow & \\ \R_+ \times L & \stackrel{ }{\longrightarrow} & V \setminus \{0\} & \!\!\!\!\! \\ \end{matrix}} { }
von Homöomorphismen vor. Dabei steht oben die Polarkoordinantenabbildung, rechts steht
\mathl{t \mapsto \left( t^b , \, t^a \right)}{} mit der Umkehrabbildung
\mathl{(z,w) \mapsto z^\beta w^\alpha}{,} wobei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\alpha a + \beta b }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gelte \zusatzklammer {siehe Lemma 5.3} {} {,} und unten
\mathl{\left( u , \, x_1 , \, x_2 , \, y_1 , \, y_2 \right) \mapsto \left( u^bx_1 , \, u^bx_2 , \, u^ay_1 , \, u^ay_2 \right)}{,} was wir gleich als bijektiv nachweisen werden.





\inputfaktbeweis
{Monomiale ebene Kurve/Umgebungsrand/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{V }
{ =} { V { \left( Z^a-W^b \right) } }
{ \subseteq} { {\mathbb C}^2 }
{ \cong} { \R^4 }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mathl{a,b}{} \definitionsverweis {teilerfremd}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ L }
{ = }{ V \cap S^3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die Abbildung \maabbeledisp {\varphi} { \R_+ \times L} { V \setminus \{0\} } { (u, x_1,x_2,y_1,y_2) } { (u^b x_1, u^b x_2, u^ay_1, u^a y_2) } {,} eine \definitionsverweis {Homöomorphie}{}{.} Die Verknüpfung von \maabbeledisp {\gamma} {S^1} { V \setminus \{0\} } {s} { \left( e^{ 2 b\pi { \mathrm i} s } , \, e^{ 2 a \pi { \mathrm i} s } \right) } {,} mit $\varphi^{-1}$ und der Projektion auf $L$ ergibt eine Homöomorphie zwischen \mathkor {} {S^1} {und} {L} {.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Abbildung $\varphi$ ist wohldefiniert und stetig. Zu einem fixierten, von $0$ verschiedenen Punkt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \tilde{x}_1,\tilde{x}_2,\tilde{y}_1,\tilde{y}_2 \right) } }
{ \in} {V }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} zeigen wir, dass es ein eindeutiges Urbild gibt. Wir behaupten, dass die reelle Bahn
\mathbed {{ \left( u^b \tilde{x}_1 , u^b \tilde{x}_2 , u^a \tilde{y}_1 , u^a \tilde{y}_2 \right) }} {}
{u \in \R_+} {}
{} {} {} {} durch diesen Punkt die dreidimensionale Sphäre in genau einem Punkten schneidet. Die Schnittbedingung ist
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ { \left( u^b \tilde{x}_1 \right) }^2 + { \left( u^b \tilde{x}_2 \right) }^2 + { \left( u^a \tilde{y}_1 \right) }^2 + { \left( u^a \tilde{y}_2 \right) }^2 }
{ =} { u^{2b} { \left( \tilde{x}_1^2+\tilde{x}_2^2 \right) } +u^{2a} { \left( \tilde{y}_1^2+\tilde{y}_2^2 \right) } }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wegen der monomialen Bedingung sind sowohl \mathkor {} {( \tilde{x}_1,\tilde{x}_2)} {als auch} {(\tilde{y}_1,\tilde{y}_2)} {} von $0$ verschieden und daher sind
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ = }{ \tilde{x}_1^2+\tilde{x}_2^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{d }
{ = }{ \tilde{y}_1^2+\tilde{y}_2^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} positive reelle Zahlen. Es liegt also eine Gleichung der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c { \left( u^b \right) }^2 +d { \left( u^a \right) }^2 }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} vor. Die Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{c v^2 +d w^2 }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} beschreibt eine Ellipse und es muss wegen der Positivität von
\mathl{u,v,w}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{v }
{ =} { u^b }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{w }
{ =} { u^a }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gelten. Dafür gibt es nur eine Lösung in $u$. \zusatzklammer {dies sieht man auch, wenn man
\mathl{c { \left( u^b \right) }^2 +d { \left( u^a \right) }^2}{} nach $u$ ableitet und das aymptotische Verhalten dieser Funktion betrachtet} {} {.} Das legt über
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_1 }
{ \defeq }{ u^b \tilde{x}_1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} etc. auch die anderen Koordinaten im Urbild fest.

Die Norm von $\gamma (s)$ ist wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \gamma (s) }
{ =} { { \left( e^{ 2 b\pi { \mathrm i} s } , e^{ 2 a \pi { \mathrm i} s } \right) } }
{ =} { { \left( \cos 2bs , \sin 2bs , \cos 2as , \sin 2as \right) } }
{ =} { { \left( \tilde{x}_1 , \tilde{x}_2, \tilde{y}_1, \tilde{y}_2 \right) } }
{ } { }
} {}{}{} gleich $\sqrt{2}$. Es sei $u_0$ die eindeutig bestimmte positive reelle Zahl mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{u_0^ {2b} + u_0^{2a} }
{ =} {1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die beschriebene Hintereinanderschaltung ist dann \maabbeledisp {} {S^1} { L } {s} { \left( u_0^b e^{ 2 b\pi { \mathrm i} s } , \, u_0^a e^{ 2 a \pi { \mathrm i} s } \right) = \left( u_0^b \cos 2bs , \, u_0^b \sin 2bs , \, u_0^a \cos 2as , \, u_0^a \sin 2as \right) } {.}

}


Wir betrachten nun das Paar bestehend aus der Sphäre $S^3$ und $L$, das homöomorph zu $S^1$ ist. Wenn man aus $S^3$ einen Punkt herausnimmt, der nicht auf dem eingebetteten $S^1$ liegt, so erhält man eine $1$-Sphäre im $\R^3$. Ein solches Gebilde nennt man einen Knoten.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Example of Knots.svg} }
\end{center}
\bildtext {Links ein Schnürsenkelknoten, rechts ein mathematischer Knoten. Durch die Verbindung der Schnürsenkelenden merkt man sich die eigentliche Verknotung besser.} }

\bildlizenz { Example of Knots.svg } {} {Talifero} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}




\inputdefinition
{}
{

Unter einem \definitionswort {Knoten}{} versteht man eine topologische Einbettung der $1$-\definitionsverweis {Sphäre}{}{} in den Raum $\R^3$

} Manchmal beschränkt man sich auf stetig differenzierbar eingebettete Kreise.




\inputdefinition
{}
{

Zwei Knoten \mathkor {} {K_1} {und} {K_2} {} heißen \definitionswort {äquivalent}{,} wenn es eine \definitionsverweis {stetige Abbildung}{}{} \maabbdisp {\Psi} {[0,1] \times \R^3} { \R^3 } {} derart gibt, dass für jedes $t$ die Abbildung $\Psi_t$ ein \definitionsverweis {Homöomorphismus}{}{} des $\R^3$ ist, dass $\Psi_0$ die Identität ist und dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi_1 (K_1) }
{ =} {K_2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist.

} Die Bildknoten
\mathl{\Psi_t (K_1)}{} beschreiben dabei eine stetige Deformation des ersten Knoten in den zweiten Knoten mit dem Zeitparameter $t$.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Bowen-knot-in-rope.png} }
\end{center}
\bildtext {Ein trivialer Knoten, der ziemlich, aber nicht völlig trivial aussieht.} }

\bildlizenz { Bowen-knot-in-rope.png } {} {The Man in Question} {Commons} {CC-by-sa 2.5} {}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {Knoten}{}{} $K$, der zum Knoten
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left\{ (x,y,0) \mid x^2+y^2 = 1 \right\} } }
{ \subseteq} { \R^3 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \definitionsverweis {äquivalent}{}{} ist, heißt \definitionswort {trivial}{.}

} Streng genommen meint man die Standardeinbettung dieses Knotens, also di Abbildung \maabbeledisp {} {[0,1]} { \R^3 } {s} { \left( \cos 2 \pi s , \, \sin 2 \pi s , \, 0 \right) } {,} doch ist jeder andere Durchlauf dazu äquivalent.

Zur Orientierung der im Folgenden zu besprechenden Knoten ist der Begriff des Torus und des Torusknotens hilfreich.




\inputdefinition
{}
{

Die \definitionsverweis {Produktmannigfaltigkeit}{}{}
\mathl{S^1 \times S^1}{} heißt \definitionswort {Torus}{.}

} Der Torus ist in natürlicher Weise eine abgeschlossene zweidimensionale Untermannigfaltigkeit des $\R^4$. Ein Torus lässt sich aber auch einfach als abgeschlossene Untermannigfaltigkeit des $\R^3$ realisieren, beispielsweise, indem man einen Kreis um eine Gerade außerhalb des Kreises rotieren lässt. Ein Torus ist somit einfach ein Fahrradschlauch.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {TorusKnot-3-8.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { TorusKnot-3-8.svg } {} {Christian.Mercat} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {Knoten}{}{,} der auf einem \definitionsverweis {Torus}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{T }
{ \subseteq }{\R^3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} liegt, heißt \definitionswort {Torusknoten}{.}

}

Wir arbeiten nun mit Polarkoordinaten für die beiden ${\mathbb C}$, und zwar sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{z }
{ =} { \rho_1 e^{2 \pi { \mathrm i} \theta_1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{w }
{ =} { \rho_2 e^{2 \pi { \mathrm i} \theta_2} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Auf
\mathl{V \setminus \{(0,0)\}}{} sind beiden Koordinaten nicht $0$, und daher kann man mit diesen Koordinaten alles erfassen. In diesen Koordinaten ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathbb C}^\times \times {\mathbb C}^\times }
{ =} { \R_+ \times S^1 \times \R_+ \times S^1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} In der Polarkoordinatenbeschreibung wird
\mathl{V \setminus {(0,0)}}{} durch
\mathdisp {{ \left\{ (\rho_1, \theta_1, \rho_2, \theta_2) \mid \rho_1^a = \rho_2^b , \, a \theta_1 = b \theta_2 \right\} }} { }
beschrieben. Dabei ist die zweite Gleichung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a \theta_1 }
{ = }{ b \theta_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als Winkelgleichung, also modulo $\Z$ zu verstehen. In dieser Darstellung erkennt man den positiven Quadranten der reellen monomialen Kurve, wenn man die Winkelgleichung vergisst. Die Lösungsmenge der Winkelgleichung, also
\mathdisp {{ \left\{ { \left( \theta_1,\theta_2 \right) } \mid a \theta_1 = b \theta_2 \text{ modulo } \Z \right\} }} { , }
ist innerhalb von
\mathl{[0,1[ \times [0,1[}{} der \anfuehrung{Funktionsgraph}{} zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \theta_2 }
{ =} { { \frac{ a }{ b } } \theta_1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} der allerdings aus verschiedenen parallelen Strecken besteht. Sie ist homöomorph zum $S^1$.

Wenn man auch auf der Normalisierung ${\mathbb C}$ der Kurve Polarkoordinaten
\mathl{(\rho,\theta)}{} einführt, so ist die Normalisierungsabbildung durch
\mathdisp {( \rho, \theta) \mapsto { \left( \rho^b ,b \theta, \rho^a, a \theta \right) }} { }
gegeben.

Der erzeugende Weg $\gamma$ der Fundamentalgruppe von $V \setminus \{0\}$ hat in beiden komplexen Koordinaten den Radius $1$ und ist daher ein Weg auf dem \definitionsverweis {Torus}{}{}
\mathl{S^1 \times S^1}{.} Er dreht sich um den ersten Kreis $b$-fach und um den zweiten $a$-fach. Um einen Weg auf dem Link $L$ zu erreichen, muss man den Weg \maabbeledisp {} {S^1} {L } { \theta} { \left( u_0^b , \, b \theta , \, u_0^a , \, a \theta \right) } {,} mit $u_0$ wie im Beweis zu Lemma 11.1 nehmen. Dies ändert nichts daran, dass der Weg auf einem Torus verläuft \zusatzklammer {wobei die beiden Kreise jetzt untershciedliche Radien haben} {} {} und wie oft sich der Weg in den beiden Richtungen dreht.

Wenn man den $S^3$ ohne einen Punkt $N$ auf den $\R^3$ homöomorph abbildet \zusatzklammer {etwa durch die \definitionsverweis {stereographische Projektion}{}{,}} {} {} und der Projektionspunkt $N$ nicht auf diesem Torus und damit auch nicht auf $L$ liegt, so wird der Torus homöomorph auf einen Torus im $\R^3$ abgebildet. Daraus ist ersichtlich, dass es sich bei
\mathl{(L,S^3)}{} um einen Torusknoten handelt. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ = }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b }
{ = }{3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist dieser Knoten die sogenannte Kleeblattschlinge.




\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Trefoil knot left.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Trefoil knot left.svg } {} {Rybu} {en. Wikipedia} {gemeinfrei} {}

Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} oder
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ergibt sich ein Torusknoten, der einmal längs des einen Kreises und beliebig oft längs des anderen Kreises läuft. Das ist dann aber ein trivialer Knoten, man denke an die homöomorphe Projektion dieses Knoten auf die Ebene, die einen geschlängelten Kreis ergibt. Wir halten die folgende topologische Auswirkung einer Singularität fest: Die ebene monomiale Kurve ist genau dann regulär, wenn der zu ihr gehörende Link trivial ist.

Wir behandeln abschließend noch den Fall, wo die Exponenten der Variablen nicht teilerfremd sind. Der Link besteht dann aus mehreren eindimensionalen Sphären, die im $S^3$ in einer bestimmten charakteristischen Weise miteinander verschlungen sind.




\inputfaktbeweis
{Monomiale ebene Kurve/Exponent/Gemeinsamer Teiler/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{V }
{ =} { V { \left( Z^{ca}-W^{cb} \right) } }
{ \subseteq} { {\mathbb C}^2 }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{} mit
\mathl{a,b}{} \definitionsverweis {teilerfremd}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine Faktorzerlegung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ Z^{ca} -W^{cb} }
{ =} { \prod_{j = 0}^{c-1} { \left( Z^a - \zeta^j W^b \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $\zeta$ eine $c$-te \definitionsverweis {primitive Einheitswurzel}{}{} ist. Die Komponenten
\mathl{V { \left( Z^a - \zeta^j W^b \right) }}{} sind untereinander isomorph und schneiden sich paarweise im Nullpunkt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X^{c} -Y^{c} }
{ =} { \prod_{j = 0}^{c-1} { \left( X - \zeta^j Y \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn man
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{X }
{ = }{Z^a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{Y }
{ = }{W^b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einsetzt, so erhält man das Resultat. Es sei $\xi$ eine $b$-te Wurzel von $1/\zeta^j$. Dann ist \maabbeledisp {} {V { \left( Z^a - W^b \right) } } {V { \left( Z^a - \zeta^j W^b \right) } } {(z,w)} { (z, \xi w) } {,} ein Isomorphismus. Ferner ist bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{j }
{ \neq }{k }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( Z^a - \zeta^j W^b, Z^a - \zeta^k W^b \right) } }
{ =} { { \left( Z^a , W^b \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} die Nullstellenmenge davon ist allein der Nullpunkt.

}


Dies bedeutet insbesondere, dass der Durchschnitt
\mathl{S^3 \cap V { \left( Z^{ca}-W^{cb} \right) }}{} aus $c$ disjunkten $S^1$ bestehen.




\inputbeispiel{}
{






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Love_Heart_symbol_rings.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Love_Heart_symbol_rings.svg } {} {Nevit} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}

Wir betrachen die monomiale Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{z^2 }
{ =} {w^2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} in ${\mathbb C}^2$, wo also die beiden Exponenten nicht teilerfremd sind. Diese Kurve kann auch durch die Gleichung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{zw }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} beschrieben werden, es handelt sich also um das komplexe Achsenkreuz
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ = }{V(zw) }
{ = }{ V(z) \cup V(w) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} In diesem Fall besteht der Durchschnitt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{L }
{ =} { V \cap S^3 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} aus zwei disjunkten Kreisen. Diese beiden Kreise sind einfach ineinander verschlungen. Man spricht von der \stichwort {Hopfverschlingung} {.}


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachen die monomiale Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{Z^2 }
{ =} {W^4 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} in ${\mathbb C}$,die beiden Exponenten sind also nicht teilerfremd sind. Das beschreibende Polynome zerfällt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Z^2-W^4 }
{ = }{ { \left( Z-W^2 \right) } { \left( Z+W^2 \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die Nullstellenmenge $V$ ist also die Vereinigung von zwei Parablen. Der Durchschnitt
\mathl{V { \left( Z-W^2 \right) } \cap V { \left( Z+W^2 \right) }}{} besteht allein aus dem Nullpunkt. Daher besteht
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{L }
{ =} { V \cap S^3 }
{ =} { { \left( V { \left( Z-W^2 \right) } \cap S^3 \right) } \cup { \left( V { \left( Z+W^2 \right) } \cap S^3 \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} aus zwei disjunkten Kreisen. Diese beiden Kreise sind doppelt ineinander verschlungen.


}