Kurs:Stochastik/Stetige Verteilung
Einführung
[Bearbeiten]Die stetigen (Wahrscheinlichkeits)verteilungen, auch oder atomlose (Wahrscheinlichkeits)verteilungen bzw. Wahrscheinlichkeitsmaße genannt,[1] sind in der Stochastik eine große Klasse von häufig auftretenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf den reellen Zahlen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass kein isolierter Punkt eine große Wahrscheinlichkeit zugeordnet bekommt. Insofern bilden sie das Gegenstück zu den diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Die stetigen Verteilungen sind eng verbunden mit den absolutstetigen Verteilungen, aber nicht mit ihnen identisch. Sie sollten somit nicht verwechselt werden.
Definition - stetige Verteilung
[Bearbeiten]Gegeben sei eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf den reellen Zahlen , versehen mit der Borelschen σ-Algebra .
Dann heißt eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung, wenn die Verteilungsfunktion von stetig ist.
Äquivalentes Kriterium
[Bearbeiten]Äquivalent dazu ist, dass atomlos ist. Das bedeutet, es existiert kein , so dass ist.
Bemerkung - Äquivalentes Kriterium
[Bearbeiten]Das äquivalente Kriterium bedeutet, dass Einpunktmengen bei stetigen Verteilungen keine Wahrscheinlichkeitsmasse tragen dürfen. Die Verteilungsfunktion hat dann an der Stelle genau eine Sprungstelle in der "Höhe" der Wahrscheinlichkeitsmasse
Aufgabe
[Bearbeiten]Beweisen Sie, dass das oben angegebene Kriterium äquivalent zur Stetigkeit der Verteilungsfunktion ist!
Beispiele
[Bearbeiten]- Rechteckverteilung bzw. stetige Gleichverteilung auf einem Intervall
- Normalverteilung
- Exponentialverteilung
Weitere Unterteilung
[Bearbeiten]Nach dem Darstellungssatz lässt sich jede stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung noch weiter zerlegen in
- Eine absolutstetige Wahrscheinlichkeitsverteilung, für die eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion existiert.
- Eine stetigsinguläre Wahrscheinlichkeitsverteilung, deren Ableitung fast überall verschwindet.
Abgrenzung zu den absolutstetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen
[Bearbeiten]Wie oben bereits erwähnt, ist jede absolutstetige Wahrscheinlichkeitsverteilung immer auch eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, wie das pathologische Beispiel der stetigsingulären Cantor-Verteilung zeigt.
Implikationen
[Bearbeiten]- absolutstetige Verteilung stetige Verteilung
- stetige Verteilung absolutstetige Verteilung
Unterscheidung - stetig und absolutstetige Verteilung
[Bearbeiten]Somit sollten absolutstetige und stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen nicht verwechselt werden. Schon allein aufgrund der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ist die Handhabung von absolutstetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen wesentlich leichter als die von stetigen.
Absolutstetige Verteilungen
[Bearbeiten]Die absolutstetigen (Wahrscheinlichkeits-)Verteilungen, auch absolutstetige Wahrscheinlichkeitsmaße genannt, sind eine spezielle Klasse von Wahrscheinlichkeitsmaßen in der Stochastik. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie über ein Integral und eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion definiert bzw. dargestellt werden können.
Definition - absolutstetige Verteilung
[Bearbeiten]Ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf heißt absolutstetig, wenn es absolutstetig bezüglich des Lebesgue-Maßes ist.[2] Das bedeutet, dass jede -Nullmenge auch eine -Nullmenge ist.
Nach dem Satz von Radon-Nikodým ist dies äquivalent dazu, dass eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion besitzt. Das bedeutet, es gilt für alle mit
- .
Bemerkung - Kennzeichnung des dominierendes Maß
[Bearbeiten]Streng genommen müsste man die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion so definieren, dass klar ist, dass es sich um eine Dichte bezüglich des Lebesgue-Maßes handelt. In der Stochastik sind jedoch Dichten bezüglich anderer Maße als des Lebesgue-Maßes selten, daher wird oft auf die Angabe in der Regel verzichtet.
Riemann-Integral - Lebesgue-Integral
[Bearbeiten]Bei dem Integral handelt es sich streng genommen um ein Lebesgue-Integral. Häufig wird dieses jedoch wie hier durch ein Riemann-Integral ersetzt, dann schreibt man anstelle von .
Abgrenzung zu den stetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen
[Bearbeiten]Als stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen werden diejenigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen bezeichnet, die eine stetige Verteilungsfunktion besitzen.[3] Auf Maße übertragen bedeutet das, dass die stetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen atomlos sind, also keine einzelnen Punkte mit besitzen.
Nach der Lebesgue-Zerlegung lassen sich atomlose Maße weiter aufspalten:
- In einen absolutstetigen Anteil. Dieser entspricht den absolutstetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen.
- In einen singulären Anteil. Dieser entspricht den stetigsingulären Wahrscheinlichkeitsverteilungen.
Somit ist jede absolutstetige Wahrscheinlichkeitsverteilung immer eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung. Aber nicht jede stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung ist eine absolutstetige Wahrscheinlichkeitsverteilung. Beispiel hierfür ist die Cantor-Verteilung: Ihre Verteilungsfunktion ist stetig, aber sie besitzt keine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion.
Einzelnachweise
[Bearbeiten]- ↑ Georgii: Stochastik. 2009, S. 242.
- ↑ Schmidt: Maß- und Wahrscheinlichkeit. 2011, S. 255.
- ↑ Georgii: Stochastik. 2009, S. 242.
Literatur
[Bearbeiten]- David Meintrup, Stefan Schäffler: Stochastik. Theorie und Anwendungen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2005, ISBN 978-3-540-21676-6, doi:10.1007/b137972.
- Hans-Otto Georgii: Stochastik. Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. 4. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021526-7, doi:10.1515/9783110215274.
- Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg Dordrecht London New York 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, doi:10.1007/978-3-642-21026-6.
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