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Projekt:Klassifikation der Expressionen und Ausdrucksverhalten/Grundlagen der KEA/Grundkonzept der Replikationsklassen

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Theoretische Grundlagen


Grundkonzept der Replikationsklassen


in der Klassifikation der Expressionen und Ausdrucksverhalten





Einleitung

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Der folgende Abschnitt begründet, warum diese Klassen notwendig sind, woraus sie sich ableiten lassen und wozu sie verwendet werden können.

Ausdrucksverhalten und Ausdrucksverständnis sind vollständig organismische Leistungen und unterliegen der individuellen und evolutionären Entwicklung (Phylogenese und Ontogenese). Alle organismischen Phänomene müssen sich replizieren, d.h. „mehr werden“, sich verbreiten oder in ihrem Bestand erhalten bleiben.

Eine Replikationsklasse ist eine Gruppe von Ausdrücken, die sich auf die selbe Weise replizieren. Da es im Bereich der Lebewesen nur zwei bekannte Replikationsformen gibt, nämlich die Vervielfältigung von Erbsubstanz und die Vervielfältigung von Lerninhalten, entstehen dabei zwei sehr große Klassen. Sie sind jedoch sehr wichtig, weil sie sehr unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten aufweisen.

  • Memoausdrücke (Abkürzung für memetische Ausdrucksverhalten)
  • Genoausdrücke (Abkürzung für genetisch bedingte Ausdrucksverhalten)

Merkmale und Unterteilung

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Der folgende Abschnitt fasst zusammen, wie sich die Klassen von einander unterscheiden lassen.

Merkmale von Geno- und Memoausdrücken

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Memoausdrücke seien hier definiert als Ausdrücke, die sich über Lernmechanismen verbreiten und in den Kulturen unterschiedlich verwendet werden können. Genoausdrücke werden weitgehend von allen Menschen auf die selbe Weise gezeigt und auch so verstanden. Folgende Merkmale werden Geno- und Memoausdrücken hier zugrunde gelegt:
Vorgehen Merkmale von Memoausdrücken Merkmale von Genoausdrücke
Herkunft Besitzen eine (oft bekannte) kulturelle Grundlage, die in gemeinsamen Vorstellungen, bewußt oder implizit besteht. Besitzen eine (oft unbekannte) genetische Grundlage, Pleiotropie, Polygenie. Gemeinsame Vorstellungen sind nicht vorhanden.
Verbreitung über Lernen (Modellernen) über Vererbung
Variation Variieren über die Bildung von neuen Versionen des Ausdrucks und Moden, was schnell erfolgt und leicht nachweisbar ist. Variieren durch genetische Mutationen, sind schwer nachzuweisen.
Neurophysiologie Haben keine neurophysiologische Entsprechung, sondern sind Mnestische-Funktionen Haben eine neurophysiologische Entsprechung, sind determiniert oder prädisponiert.
Vorkommen kulturspezifisch über viele Kulturen verbreitet
Musterhaftigkeit haben freie Ausdrucksmuster haben restriktive Ausdrucksmuster
Zweckgebundenheit Sind zweckhaft. Sind nicht zweckhaft.
Kommunikativität Dienen immer der Kommunikation. Sind motorische Begleiterscheinungen der psychischen Prozesse, können kommunikativ sein.
Objektgebundenheit Sie können hinsichtlich ihres Verständnisses an Objekte gebunden sein. Sind hinsichtlich des Musterverständnis nie an Objekte gebunden, auch wenn sie scheinbar objektgebunden ausgeführt werden.
Gegenstandsnutzung Können gegenstandsnutzend sein. Sind nie gegenstandsnutzend.
Lateralität Eine Körperseite kann beim Ausdruck etwas anderes machen als die andere. Die Körperhälften können auch Verbindung auf nehmen. Können immer mit beiden Körperseiten ausgeführt werden, ohne daß Inhalt oder Ausdruckskraft sich verändert. Die Körperseiten nehmen nie Verbindung zu einander auf.
Ähnlichkeit zu anderen Primaten Vergleich ergibt nie ähnliche Ausdrücke. Vergleich kann ähnliche Ausdrücke aufzeigen.

Trennung von Geno- und Memoausdrücken

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In diesem Abschnitt ...

Wie im Teil kea:Historisches und Rezentes ausführlich dargestellt, führte die Entdeckung, dass Menschen wie viele andere Tiere Träger zweier gleichzeitig ablaufender Evolutionen sind, auf dem Gebiet der Ausdruckspsychologie zur konzeptionellen Notwendigkeit, vererbte und erworbene Ausdrucksverhalten zu trennen. In der KEA sollen deshalb hinsichtlich der Replikation zwei Klassen getrennt werden.

Synonyme für Geno- und Memoausdrücke aus der Literatur

  • häufige Synonyme für Genoausdrücke
    • erbliche (ererbte) Ausdrücke
    • universelle Ausdrücke
  • häufige Synonyme für Memoausdrücke
    • erworbenes Ausdrucksverhalten
    • kulturspezifische Ausdrücke
    • intrakulturelle Ausdrücke
    • Modeausdrücke

Beispiele für Geno- und Memoausdrücke aus der Literatur

  • von Autoren beschriebene Ausdrücke, die Memoausdrücke sind:
    • Embleme oder emblematische Ausdrücke
    • Gesten in der Emotionspsychologie
  • von Autoren beschriebene Ausdrücke, die Genoausdrücke sind:
    • die Ausdrucksmuster der Basisemotionen
Memoausdrücke und Genoausdrücke folgen unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten, mit denen sie auch von einander unterschieden werden können. Betrachen wir die Methoden zur Untersheidung dieser beiden Klassen in einer tabellarischen Übersicht:
Vorgehen Memoausdrücke Genoausdrücke
Nachweis psychischer Hintergrundprozesse sehr schwierig, durch Studien der Vorstellungen und strukturierte Beobachtungen Hintergründe durch bildgebende Verfahren nachweisen
Verteilungsschwankungen statistisch messen kulturspezifisch und zeitlich existierende modische Schwankungen nachweisen annähernd gleiche lokale und zeitliche Verteilungen nachweisen
Säuglingsstudien Säuglinge zeigen den erworbenen Ausdruck nicht zeigen den erblichen Ausdruck (Ausdrucksverhalten an Säuglingen gut aber nicht vollständig ausgebildet)
Zwillingsstudien können bei Zwillingen verschieden sein sollten bei Zwillingen gleich sein
durch Zurückführen: auf symbolisierte Zweckhandlungen oder Ideen (Stäbchen-Geste) nur auf biologische Verhaltensweisen rückführbar, die zudem vom Ausdruck nicht symbolisch nachgestellt werden
blind geborene Kinder werden von ihnen nicht gezeigt, individuelle ausdruckshafte Gewohnheiten werden aber entwickelt werden von ihnen mustergerecht gezeigt
Vergleiche zwischen kontaktlosen Kulturen) zeigen unterschiedliche erworbene Ausdrücke zeigen gleiche erbliche Ausdrücke
interpretativer Nachweis von Objektgebundenheit möglich (Fingerzeigen) nicht möglich
interpretativer Nachweis der Gegenstandsnutzung möglich (z.B. Stift-Schwingen, Zeigestock) nicht möglich
Lateralität nachweisen möglich nicht möglich
Primatenforschung ähnliche Ausdrücke kommen nicht vor ähnliche Ausdrücke können vorkommen

Eindeutigkeit von Replikationsklassen

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Ein spezifisches, zu einem bestimmten Zeitpunkt betrachtetes (kombiniertes) Ausdrucksverhalten kann Musterbestandteile beider Replikationsklassen enthalten. Da kombinierte Ausdrucksverhalten (Kombinationsausdrücke) weitaus zahlreicher sind und viel häufiger gezeigt werden als reine kea:Eigenausdrücke, ist die Zuordnung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt beobachteten Ausdrucksverhaltens zu einer der beiden Klassen oft nicht eindeutig möglich.

Wird das Ausdrucksverhalten jedoch kea:dekomponiert, d.h. in die beteiligten Ausdrucksmuster zerlegt, lassen sich diese jeweils nur einer der beiden Klassen zuordnen. Die Dekomposition führt zur eindeutigen Zuordnung.

Kreuzbeziehung von Geno- und Memoausdrücken mit Ausdrucksverhalten und Ausdrucksverständnis

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In diesem Abschnitt werden vier Bereiche vorgestellt, in denen sich Gesetzmäßigkeiten entdecken lassen.

Wir haben im Abschnitt kea:Grundkonzept der Funktionsklassen gesehen, dass Ausdrucksverständnis und Ausdrucksverhalten zwei völlig unterschiedliche organismische Leistungen sind, die bei der wissenschaftllichen Betrachtung der Gesetzmäßigkeiten beachtet werden müssen. Hinsichtlich der beiden Replikationsklassen sind nun vier große Bereiche möglich, die untersucht werden können:
Genoausdrücke Memoausdrücke
Ausdrucksverhalten Beziehung von
Genoausdrücken zum
Ausdrucksverhalten
Beziehung von
Memoausdrücken zum
Ausdrucksverhalten
Ausdrucksverständnis Beziehung von
Genoausdrücken zum
Ausdrucksverständnis
Beziehung von
Memoausdrücken zum
Ausdrucksverständnis

Jeder dieser vier Bereiche weist jeweils unterschiedliche und zu untersuchende Gesetzmäßigkeiten auf. Es ist die Aufgabe der Ausdruckspsychologie, diese Gesetzmäßigkeiten systematisch heraus zu arbeiten.

Zweckhafte kommunikative Genogesten?

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Hinweis Die folgende Überlegung ist obsolet aus der Sicht jener psychologischer Schulen, die davon ausgehen, dass Gesten nie erblich sind, weil mit dieser Annahme keine Genogesten unterteilt werden.

Mit der Unterscheidung der Begriffe kea:„Person“ und „Gegenüber“ - die u.a. notwendig war, um die Beschreibungen der Einträge im Katalog der KEA lesbar zu machen, d.h. zu kennzeichnen, welcher von zwei interagierenden Menschen gerade gemeint ist - wurde vielleicht der Umstand ein wenig vernachlässigt, daß jede Person ihre Genoausdrücke auch dann zeigt, wenn es überhaupt keinen Gegenüber gibt. Im Falle der Gesichtsausdrücke ist dies völlig klar und vom Leser jederzeit nachvollziehbar, da jeder vor dem Computer sitzend öfter mal lacht oder verärgerte Ausdrücke zeigt.

     Nun sind aber eine ganze Reihe von Genogesten bekannt, die fast ausschließlich in kommunikativen Situationen beobachtbar sind und man könnte hier annehmen, dass sie genetisch bedingt und zweckhaft (kommunikativ) zugleich seien, Also das für Genoausdrücke geforderte Merkmal der Zwecklosigkeit (siehe Abchnitt kea:Merkmale von Geno- und Memoausdrücken) erfüllen würden. Bei eingehender Beobachtung erkennt man jedoch, daß kommunikative Eigengesten - wie etwa die Armgeste des Hinweisens GA359.01 - nur dann gezeigt werden, wenn der entsprechende psychische Hintergrundprozeß vorliegt, und dies ist nicht gegeben, wenn die Person (a) allein ist oder (b) blind ist. So haben wir beispielsweise nur selten Grund, die Armgeste des Warnens GA381.01 zu zeigen, wenn niemand da ist, mit dem man sich unterhalten könnte. Lachen F-560.01 oder Anspannung 001 zeigen wir jedoch in gleicher Weise, unabhängig davon, ob wer da ist oder nicht, weil die entsprechenden Hintergrundprozesse immer vorliegen können.

Anwendungsbezogene Relevanz der Replikationsklassen

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In diesem Abschnitt werden einige Überlegungen zu den Konsequenzen gesammelt, die aus der Unnterscheidung dieser beiden Klassen resultieren.







Für die klinische Diagnostik

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Die Erkenntnis, dass es diese zwei großen Bereiche gibt, ist für die klinische Diagnostik von Nutzen. Im Anwedungsteil werden dieser Überlegungen aufgegriffen. Man wird sehen, dass verhaltensmäßige und verstehende Prozesse bei Patienten für jede Replikationsklasse selektiv gestört sein können und dass es darüber möglich ist, Aussagen über die Ätiologie eines Kranheitsbildes oder einer Krankengeschichte treffen zu können.

Für die Simulation von Ausdrucksverhalten

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Für die Simulation von Ausdrucksverständnis

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Fußnoten

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