Selbstorganisierende Karte
Einleitung
[Bearbeiten]Diese Seite zum Thema Selbstorganisierende Karte kann als Wiki2Reveal Folien angezeigt werden. Einzelne Abschnitte werden als Folien betrachtet und Änderungen an den Folien wirken sich sofort auf den Inhalt der Folien aus. Dabei werden die folgenden Teilaspekte im Detail behandelt:
- (1) Motivation für neuronale Karten in der Neurophysiologie
- (2) Mathematische Grundlagen und visuelle Darstellung
- (3) Implementation von Methoden z.B. in GNU R oder Octave
Zielsetzung
[Bearbeiten]Diese Lernressource ist es Selbstorganisierende Karten neurophysiologisch zu motivieren und in die mathematische Modellbildung und Implementation der Methoden einzuführen.
Lernvoraussetzungen
[Bearbeiten]Die Lernressource zum Thema Selbstorganisierende Karte hat die folgenden Lernvoraussetzungen, die zum Verständnis der nachfolgenden Ausführungen hilfreich bzw. notwendig sind.
- Mathematische Grundkenntnisse aus der lineare Algebra
- Grundvorstellungen zur Funktionsweise von neuronalen Netzen
Begriff und Einbettung des Themas
[Bearbeiten]Als Selbstorganisierende Karten, Kohonenkarten oder Kohonennetze (nach Teuvo Kohonen; englisch self-organizing map, SOM bzw. self-organizing feature map, SOFM) bezeichnet man eine Art von künstlichen neuronalen Netzen. Sie sind als unüberwachtes Lernverfahren ein leistungsfähiges Werkzeug des Data-Mining.
Animation
[Bearbeiten]Deformation eines Netzes durch geclusterte Trainingsdaten
Funktionsprinzip
[Bearbeiten]Das Funktionsprinzip selbstorganisierender Karten beruht auf der biologischen Erkenntnis, dass viele Strukturen im Gehirn eine lineare oder planare neurophysiologische Topologie aufweisen. Mathematische Strukturen, mit denen diese neurophysiologische Strukturen modelliert werden können, werden im Kontext der Graphentheorie und auch der Topologie behandelt.
Dimensionsreduktion
[Bearbeiten]Die Signale des Eingangsraums, z. B. visuelle Reize, sind jedoch multidimensional. Es stellt sich also die Frage, wie diese multidimensionalen Eindrücke durch planare Strukturen verarbeitet werden. Biologische Untersuchungen zeigen, dass die Eingangssignale so abgebildet werden, dass ähnliche Reize nahe beieinander liegen. Der Phasenraum der angelegten Reize wird also kartiert.
Sensorische Karte
[Bearbeiten]Erhält eine selbstorganisierende Karte Signale als Eingaben, so werden nur diejenigen Gebiete der Karte erregt, die dem Signal ähnlich sind. Die Neuronenschicht wirkt als topologische Merkmalskarte, wenn die Lage der am stärksten erregten Neuronen in gesetzmäßiger und stetiger Weise mit wichtigen Signalmerkmalen korreliert ist.
Anwendungsgebiete
[Bearbeiten]Anwendung finden selbstorganisierende Karten zum Beispiel in der Computergrafik (als Quantisierungsalgorithmus zur Farbreduktion von Rastergrafikdaten) und zur Clusteranalyse.
Laterale Umfeldhemmung
[Bearbeiten]Ein allgemeines Arbeitsprinzip des Nervensystems ist, dass aktive lokale Gruppen von Nervenzellen andere Gruppen ihrer Umgebung hemmen, und somit deren Aktivität unterdrücken (siehe laterale Hemmung). Die Aktivität einer Nervenzelle wird daher aus der Überlagerung des erregenden Eingangssignals und den hemmenden Beiträgen aller Schichtneuronen bestimmt. Da diese laterale Hemmung überall gilt, kommt es zu einem ständigen Wettbewerb um die Vorherrschaft. Der Verlauf der lateralen Hemmung ist für kurze Distanzen erregend/verstärkend und für lange Distanzen hemmend/schwächend. Es lässt sich zeigen, dass dieser Effekt ausreichend ist, eine Lokalisierung der Erregungsantwort in der Nähe der maximalen äußeren Erregung zu bewirken.
Laterale Inhibition - Optische Täuschung
[Bearbeiten]Hell-Dunkel-Wechsel als Ausgangsbild für die optische Täuschung.
Laterale Inhibition - Monochromes graues Rechteck
[Bearbeiten]Auf dem gegebenen Hell-Dunkel-Wechsel als Ausgangsbild wird nun ein monochromes graues Rechteck ergänzt.
Aufgabe - Laterale Inhibition
[Bearbeiten]Das graue Rechtecht ist monochrome. Dennoch scheint sich ein komplementärer Wechsel von helleren zu dunkleren Bereichen von dem benachbarten Übergänge zwischen schwarz und weiß zu induzieren. Nehmen Sie zwei Blätter Papier und bedecken Sie den Bildschirm so, dass nur noch das graue Rechteck zu sehen ist. Die laterale Inhibition is so als optische Täuschung zu erkennen. Erläutern Sie den Mechanismus der lateralen Inhibition an diesem Beispiel.
Struktur und Lernen
[Bearbeiten]Eingabeschicht
[Bearbeiten]Eine Eingabeschicht mit 𝑛 Neuronen ist vollständig mit allen Neuronen innerhalb der Kohonenkarte (der sogenannte competitive layer), im Folgenden einfach Karte, verbunden. Jeder zu kartierende Eingangsreiz 𝑣 wird über die Verbindungen an jedes Neuron dieser Karte weitergegeben.
Verbindungsgewichte
[Bearbeiten]Die Verbindungsgewichte 𝑤 zwischen den Neuronen der Eingabeschicht und den Neuronen in der Karte definieren je einen Punkt im Eingangsraum der angelegten Reize 𝑣. Alle Neuronen innerhalb der Karte sind untereinander inhibitorisch (hemmend) vernetzt.
Erläuterungen zu Iteration
[Bearbeiten]- (1) Die Abbildung zeigt einen Adaptionsschritt im Modell von Kohonen. Ein Reiz 𝑣 wird an das Netz angelegt.
- (2) Das Netz sucht das Erregungszentrum 𝑠 in der Karte, dessen Gewichtsvektor 𝑤 am nächsten zu 𝑣 liegt (kleinster Abstand).
- (3) Der Unterschied zwischen 𝑤 und 𝑣 wird in einem Adaptionsschritt verringert.
- (4) Die Neuronen nahe am Erregungszentrum 𝑠 werden auch adaptiert, aber umso weniger, je weiter sie vom Erregungszentrum entfernt sind.
Euklidischer Abstand
[Bearbeiten]Es ist gebräuchlich, aber nicht zwingend, sowohl für die Lernvektoren als auch für die Karte den euklidischen Abstand als Abstandsmaß zu verwenden.
Epoche für Trainingsdaten
[Bearbeiten]Steht ein Satz verschiedener Trainingsdaten zur Verfügung, so ist eine Epoche im Training vollständig, wenn alle Reize genau einmal in zufälliger Reihenfolge an die Eingabeschicht angelegt worden sind. Das Training endet, wenn das Netz seinen stabilen Endzustand erreicht hat.
Animation - Training SOM
[Bearbeiten]Lernen als Interationsprozess
[Bearbeiten]Das Lernen in einer selbstorganisierten Karte kann formal als iterativer Prozess beschrieben werden. Im Anfangszustand sind die Gewichtsvektoren der Neuronen zufällig im Netz verteilt und in jedem Lernschritt wird an das Netz ein Reiz angelegt. Die selbstorganisierende Karte verändert die Gewichtsvektoren der Neuronen entsprechend der Hebbschen Lernregel, sodass sich im Laufe der Zeit eine topografische Abbildung ergibt.
Training einer SOM im Beispiel
[Bearbeiten]Die folgende Tabelle zeigt ein Netz, dessen Neuronen in einem Gitter angeordnet sind und zu Beginn zufällig im Raum verteilt sind. Es wird mit Eingabereizen aus dem Quadrat trainiert, die gleichverteilt sind.
Formale Beschreibung des Trainings
[Bearbeiten]Gegeben ist eine endliche Menge von Trainingsstimuli , die durch einen n-dimensionalen Vektor spezifiziert sind:
Weiterhin sei eine Menge von Neuronen gegeben, denen jeweils ein Gewichtsvektor und eine Position ki auf einer Kohonen-Karte zugeordnet wird.
Beispiel - zweidimensionaler Grundraum
[Bearbeiten]Im weiteren Verlauf wird der Grundraum des Kohonennetzes als zweidimensional angenommen, da so das Prinzip der Kohonennetze gut veranschaulicht werden kann. Die Kartendimension kann beliebig-dimensional gewählt werden, wobei Kartendimensionen kleiner-gleich drei zur Visualisierung von hochdimensionalen Zusammenhängen verwendet werden. Die Positionen auf der Karte sollen diskreten, quadratischen Gitterpunkten entsprechen (alternative Nachbarschaftstopologien wie z. B. hexagonale Topologien sind ebenfalls möglich), und jeder Gitterpunkt soll durch genau ein Neuron besetzt sein:
Lernphase
[Bearbeiten]In der Lernphase wird aus der Menge der Stimuli zum Präsentationszeitpunkt t ein Element mjt gleichverteilt zufällig ausgewählt. Dieser Stimulus legt auf der Karte ein Gewinnerneuron nst fest, das als Erregungszentrum bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um genau das Neuron, dessen Gewichtsvektor wst den geringsten Abstand im Raum X zu dem Stimulusvektor xjt besitzt, wobei eine Metrik dX(.,.) des Inputraumes gegeben sei:
Nachdem nst ermittelt wurde, werden alle Neuronen nit bestimmt, die neben dem Erregungszentrum ihre Gewichtsvektoren anpassen dürfen. Es handelt sich dabei um die Neuronen, deren Entfernung dA(ks, ki) auf der Karte nicht größer ist als ein zeitabhängiger Schwellenwert, der als Entfernungsreichweite δt bezeichnet wird, wobei eine Metrik dA(.,.) der Karte gegeben sei. Diese Neuronen werden in einer Teilmenge N+t ⊂ Nt zusammengefasst:
Im folgenden Adaptionsschritt wird auf alle Neuronen aus N+t ein Lernschritt angewendet, der die Gewichtsvektoren verändert. Der Lernschritt ist interpretierbar als eine Verschiebung der Gewichtsvektoren in Richtung des Stimulusvektors xjt.
Es wird entsprechend dem Modell von Ritter et al. (1991) dabei die folgende Adaptionsregel verwendet:
mit den zeitabhängigen Parametergleichungen εt und hsit, die festgelegt werden als:
1) Die zeitabhängige Lernrate εt:
mit der Startlernrate εstart und εend als der Lernrate zum Ende des Verfahrens, d. h. nach tmax Stimuluspräsentationen.
2) Die zeitabhängige Entfernungsgewichtungsfunktion hsit:
mit δt als dem Nachbarschafts- oder Adaptionsradius um das Gewinner-Neuron auf der Karte:
mit dem Adaptionsradius δstart zum Anfang des Verfahrens, und δend als dem Adaptionsradius zum Ende des Verfahrens.
Damit eine topologie-erhaltende Abbildung entsteht, d. h., dass benachbarte Punkte im Inputraum X auf benachbarte Punkte auf der Karte abgebildet werden, müssen zwei Faktoren berücksichtigt werden:
- Die topologische Nachbarschaft hsit um das Erregungszentrum muss anfangs groß gewählt und im Laufe des Verfahrens verkleinert werden.
- Die Adaptionsstärke εt muss ausgehend von einem großen Wert im Laufe des Verfahrens auf einen kleinen Restwert sinken.
In dem dargestellten Lernprozess werden tmax Präsentationen durchgeführt, wonach die SOM in die Anwendungsphase überführt werden kann, in der Stimuli präsentiert werden, die in der Lernmenge nicht vorkamen. Ein solcher Stimulus wird dem Gewinnerneuron zugeordnet, dessen Gewichtsvektor die geringste Distanz von dem Stimulusvektor besitzt, sodass dem Stimulus über den Umweg des Gewichtsvektors ein Neuron und eine Position auf der Neuronenkarte zugeordnet werden kann. Auf diese Weise wird der neue Stimulus automatisch klassifiziert und visualisiert.
Varianten der SOM
[Bearbeiten]Es wurden eine Vielzahl von Varianten und Erweiterungen zu dem ursprünglichen Modell von Kohonen entwickelt, u. a.:
- Kontext-SOM (K-SOM)
- Temporäre SOM (T-SOM)
- Motorische SOM (M-SOM)
- Neuronen-Gas (NG-SOM)
- Wachsende Zellstrukturen (GCS-SOM)
- Wachsende Gitterstruktur (GG-SOM)
- Wachsende hierarchische SOM (GH-SOM)
- Wachsendes Neuronen-Gas (GNG-SOM)
- Parametrische SOM (P-SOM)
- Hyperbolische SOM (H-SOM)
- Interpolierende SOM (I-SOM)
- Local-Weighted-Regression-SOM (LWR-SOM)
- Selektive-Aufmerksamkeits-SOM (SA-SOM)
- Gelernte Erwartungen in GNG-SOMs (LE-GNG-SOM)
- Fuzzy-SOM (F-SOM)
- Adaptive-Subraum-SOM (AS-SOM)
- Generative Topographische Karte (GTM)
Literatur
[Bearbeiten]- Günter Bachelier: Einführung in selbstorganisierende Karten. Tectum-Verlag, Marburg 1998, ISBN 3-8288-5017-0
- Teuvo Kohonen: Self-Organizing Maps. Springer-Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-540-58600-8
- Helge Ritter, Thomas Martinetz, Klaus Schulten: Neuronale Netze. Eine Einführung in die Neuroinformatik selbstorganisierender Netzwerke. Addison-Wesley, Bonn 1991, ISBN 3-89319-131-3
Weblinks
[Bearbeiten]- DemoGNG.js JavaScript Simulator für SOMs und andere Netzwerkmodelle (Neural Gas, Growing Neural Gas, Growing Grid etc.)
- ANNetGPGPU: C++ Library mit einer Implementierung für SOMs auf GPUs und CPUs und Python Interface
- SOM-Research an der Helsinki University of Technology (Teuvo Kohonen)
- Über SOM in der comp.ai.neural-nets FAQ
- Java SOMToolbox: Open-Source-Anwendung zum Erstellen, Analysieren und Interagieren mit Selbstorganisierenden Karten, entwickelt an der Technischen Universität Wien.
- Ultsch Marburg: Datenbionik – Datenvisualisierung und Data-Mining mit Emergenten SOM.
- MusicMiner: Visualisierung von Musiksammlungen ESOM
- GNOD, The Global Network of Dreams, ein Kohonen-Netz zur Bestimmung von Ähnlichkeiten von Musik, Film und Buchautoren
- Demonstrationsbeispiel: HTW Dresden – ein SOM fängt einen Ball
- Viscovery SOMine: SOM Technologie Tool von Viscovery
- Neural Networks with Java
Seiteninformation
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