Wikiversity:Fellow-Programm Freies Wissen/Freie Fakten, Freie Kultur, Freie Technologie
Marion Goller: Freie Fakten, Freie Kultur, Freie Technologie?[Bearbeiten]In meiner Dissertation erforsche ich die Privatisierung von Wissen durch Immaterialgüterrechte. Ich analysiere, wie diese Privatisierung in den letzten Jahrzehnten immer mehr ausgeweitet und verschärft wurde und wie eine Gegenbewegung von Wissensproduzenten selbst versucht, diese Entwicklung umzukehren. Privatisierung durch Immaterialgüterrechte[Bearbeiten]Ich unterscheide drei Arten von Wissensgütern:
Fakten sind durch Immaterialgüterrechte grundsätzlich nicht schützbar. An wissenschaftlichen Texten in Büchern oder Artikeln besteht aber für gewöhnlich ein Urheberrecht. Wissenschaftliche Verlage nutzen dieses, um Forschungsergebnisse zu monopolisieren. Des Weiteren hat die EU in den 1990ern ein spezielles Schutzrecht für Datenbanken eingeführt. Dieses soll gerade keine Monopolisierung von Fakten ermöglichen; die Abgrenzung ist dort aber häufig so schwierig, dass es vor allem große Rechtsunsicherheit ausgelöst hat. Noch kontroverser ist das neue Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Dieses bleibt – je nach Auslegung – im besten Fall ohne Wirkung, im schlimmsten wird es zu einem Monopol auf Sprache. Kulturgüter sind grundsätzlich mit einem Urheberrecht/Copyright oder einem verwandten Schutzrecht belegt. Dieses galt zunächst nur für Schriftwerke, richtete sich gegen die Wettbewerber der druckenden Unternehmen und lief nach wenigen Jahren ab, woraufhin das Werk gemeinfrei wurde. Heute haben Schöpfer_innen aller Arten von Kunst ein Urheberrecht an ihren Werken, welches bis 70 Jahre nach ihrem Tod andauert. Auch verwandte Schutzrechte wurden auf bis zu 70 Jahre nach Erscheinen des Werks verlängert. Der technologische Fortschritt hat Handlungen vereinfacht, die das Urheberrecht verletzen können. Es betrifft also nicht mehr nur Wettbewerber, sondern auch Privatpersonen. Online und auf Datenträgern sind immer mehr Kulturgüter durch das sog. Digitale Rechtemanagement (DRM) geschützt. Die Umgehung dieses technischen Schutzes steht unter Strafe. Das stärkt Monopole und verhindert sogar, dass Menschen ihre eigenen Geräte reparieren können, weil sie die darin verbaute Software nicht einmal einsehen dürfen. Technologien werden vor allem durch Patente geschützt. Auch deren Anwendungsbereich haben Gesetzgeber und Gerichte immer mehr ausgeweitet. Heute vergeben die Patentämter Patente auch auf Software und sogar auf Organismen. Außerdem hat eine wahre Patentflut auf offensichtliche Entwicklungen dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Neue Schutzrechte, wie etwa die Datenexklusivität in der Medizinforschung, verzögern und erschweren den Wettbewerb. Gegenbewegung hin zur Öffnung[Bearbeiten]Mehr und mehr setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass nicht nur ein zu niedriges, sondern auch ein zu hohes Schutzniveau die Produktion weiteren Wissens verhindern kann. Immaterialgüterrechte schaffen Wissensmonopole, die ihrer Natur nach wettbewerbsfeindlich wirken. Ein zu scharfes Urheberrecht kann außerdem die Meinungs- und Informationsfreiheit beeinträchtigen. Kritiker warnen daher vor einer grenzenlosen Privatisierung. Der effektivste Widerstand kommt hier von den Wissensproduzenten selbst, die ihre Forschungsergebnisse, ihre Werke oder ihre Entwicklungen nicht länger allein in den Dienst des Marktes stellen wollen. Von der „Graswurzel“ her suchen sie nach Alternativen zur Privatisierungsideologie. Den Ursprung bildete die Free Software-Bewegung, von der sich später Open Source Software abspaltete. Anstatt auf Gesetzesänderungen hinzuwirken, bediente sie sich einer neuartigen Lizenz, um das Urheberrecht/Copyright so zu modifizieren, dass die Weitergabe und sogar die Veränderung von Programmcode erlaubt sind. In der Wissenschaft kämpft die OpenAccess-Bewegung für einen offenen Umgang mit Forschungsergebnissen. Aufbauend auf diesen Grundsätzen entwickelte das Creative-CommonsProjekt ähnliche Lizenzen, mit denen Kulturwerke aller Art einer Nachnutzung zugänglich gemacht werden können. Meine These lautet: In der Technologie wird das nicht funktionieren. Das Patentsystem ist auf eine derartige lizenzrechtliche Modifikation nicht ausgelegt. Gesetze und Rechtsprechung müssen geändert werden, um den hier vorherrschenden Missbrauch zu beenden und für Öffnung zu sorgen. Weiterführende Links[Bearbeiten]
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