Kurs:Die GAP in der Schule: EU-Planspiele in der politischen Bildung
Kurs: Die GAP in der Schule: Informelle Bildungsangebote als Komplement des Lehrplans
2. EU-Planspiele in der politischen Bildung
3. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU
Politische Bildung
[Bearbeiten]Im Zeichen des stetigen Wandels (z. B. das Anwachsen von schneller veraltendem Fakten- und Datenwissen) besteht die Notwendigkeit von stabilen Kenntnissen, wie etwa im Bereich der Recherche oder Organisation von und mit neuem Wissen. Besonders nach dem sogenannten PISA-Schock von 2004 rückte die Kompetenzorientierung und die Definition eines konstruktiven Lernverständnisses in den Fokus der Lehrplanentwicklung. Die Einführung von Bildungsstandards hat zu einer verbindlichen Implementierung des Kompetenzerwerbs geführt.
Generell lässt sich jedoch feststellen, dass es keinen einheitlichen Methodenbegriff oder universelles methodisches Kerncurriculum in der Politikdidaktik gibt. Wie in anderen Unterrichtsfächern auch, wird Lernen hier als ganzheitlicher, individueller Prozess mit allen Sinnen verstanden. Dabei sollte darauf geachtet werden, die Methode vom Lehrgegenstand aus zu wählen und dabei Faktoren wie Lerngruppe, Lernumfeld und die Unterrichtsphase bei der Anwendung zu berücksichtigen.
Für die Auseinandersetzung mit Lerngegenständen der politischen Bildung gelten dabei nach wie vor die drei Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses (Vgl. Wehling 1977):
1 . Überwältigungsverbot: »Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinn erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern.«
2. Kontroversitätsgebot: »Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. «
3. Analysefähigkeit und Interessenlage der Schüler*innen: »Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. «
Nach wie vor dominieren im klassischen Politikunterricht traditionelle Formen der Auseinandersetzung mit politischen Themen, das heißt die klassische Textanalyse dient u. a. als Instrument zur Vermittlung politischer Inhalte. Dabei gibt es vielfältige Möglichkeiten, um einen vielseitigen und spannenden Politikunterricht anbieten zu können.
Typologie von Spielformen im Politikunterricht nach Scholz
[Bearbeiten]Spielerische Kleinformen im Unterricht (Mikromethoden) werden in der Fachdidaktik erst seit ca. 20 Jahren akzeptiert. Vor allem in den letzten zehn Jahren gab es einen Anstieg an Publikationen von Spielen und Spielformaten.
Ziel dieser spielerisch-kreativen Methoden im Unterricht ist die Behebung des lange beklagten Defizits an emotionaler und ästhetisch-sinnlicher Erfahrung im Politikunterricht.
Angelehnt an die von Lothar Scholz vorgeschlagene Systematik orientiert sich die Typologie entlang ähnlicher Handlungsformen, didaktischen Intentionen und Kompetenzen.
Die gesammelten Methoden sind geordnet nach verschiedenen Spieltypen.
Assoziations- und Einstiegsspiele
[Bearbeiten]Assoziationsspiele dienen vor allem dem Reihen- oder Stundeneinstieg. Sie zeigen verschiedene Aspekte von oder Perspektiven zu einem Thema auf und geben den Schüler*innen durch ihre offene Gestaltung die Möglichkeit, sich leicht einzubringen. Dabei werden politische Handlungskompetenzen, wie Komplexitätszuwachs, Konfliktfähigkeit, Perspektivenwechsel, Selbstreflexion und Kommunikationsfähigkeit, trainiert. Besonders niedrigschwellig ist z. B. der Einstieg mit einer Bildcollage. Hier eine Version mit Bildern zu verschiedenen Aspekten der GAP und eine Google-Bildersuche zur Europäischen Union, deren Bildauswahl repräsentativ für die ersten und häufigsten Ergebnisse ist.
Diskussions- und Entscheidungsspiele
[Bearbeiten]Kontrovers denken, Diskussionen führen, argumentieren und begründete Urteile treffen, sind zentrale Kompetenzen, die politische Bildung ausbilden soll. Ein gutes Trainingsfeld für politische Diskussionen können hierbei Entscheidungsspiele sein, deren Spielziel es ist, nach einer Aushandlungsphase zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Diese Diskussionen kann man dabei mit der eigenen Meinung führen oder „sanktionsfreier“ aus der Perspektive einer Rolle. Neben der Methode an sich bieten Entscheidungsspiele den Vorteil, dass sie gleichzeitig auch Inhalte vermitteln, da die Schüler*innen immer über eine „Sache“, z. B. die GAP oder die EU, nachdenken.
Politische Entscheidungen haben Folgen, positive wie negative. Dem will das Entscheidungsspiel "Unsere Landwirtschaft" Rechnung tragen, bei dem die Klasse drei Entscheidungen zur Agrarpolitik treffen sollen, die angelehnt sind an die realen Entscheidungen im Zuge der GAP. Simulationsspiele Simulationsspiele akzentuieren den spielerischen Charakter im Lernprozess und bauen auf interessengeleiteten Rollen auf. Sie können in verschiedenen Formen auftreten: z. B. Rollenspiele, Planspiele, Tribunal, Talkshow, Befragung, Interview oder Podiumsdiskussion.
Das Planspiel zur Gemeinsamen Agrarpolitik ist ein größeres, komplexes Simulationsspiel. Es vermittelt Wissen zum Ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, zur GAP, zu den Fraktionen im Europäischen Parlament und fördert politische Handlungskompetenz sowie Sozial- und Selbstkompetenzen. Ein Nachteil dieser Makro-Methoden liegt darin, dass sie Vorbereitungs- und Zeit-intensiv sind. Interaktions- und Kooperationsspiele zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass die Übungen einen abstrakten und auf den ersten Blick nicht immer sofort erkennbaren Bezug zu Gesellschaft und dem Wert der Zusammenarbeit haben. Deswegen ist die Reflexion, Besprechung und Übertragung auf reale Gegebenheiten bei diesen Methoden besonders zentral. Während so manche Kooperationsspiele einiges an Materialien benötigen, kommt die Übung „Zollstock“ mit nur einem Zollstock und etwas Platz aus. Sie verdeutlicht anschaulich, dass „der Ton die Musik“ beim Diskutieren und gemeinsamen Probleme Lösen spielt.
Wissensspiele
[Bearbeiten]Wissensspiele zu (europa-)politischen Inhalten kommen in vielen Formen, als Quiz, Brett- und Würfelspiel, Kartenspiel, Rätsel, Legespiele, Lückentexte oder Puzzle. Meist kann man sie zur Überprüfung vom Erlernten oder Reaktivierung von Wissen verwenden. Wir haben zwei Wissensspiele entwickelt, deren Spielform seltener sind, ein Europa-Bingo und ein Mythen-Memory.
Szenische Spielformen Politik, vor allem Europäische Politik, wird von Schüler*innen oft als fern empfunden. Szenische Darstellungen, Improvisationen, Standbilder und weitere kreative Formen können helfen, Situationen und Themen ins Klassenzimmer und damit den Erfahrungshorizont zu bringen. Außerdem fördern diese Spielformen Kreativität und politische Handlungs- und Urteilskompetenz. Wie sehe unsere Welt ohne die EU aus? Dieser kontrafaktischen Fragestellung gehen die Rollenkarten in der „Was Wäre Wenn Improvisation“ nach. Die Schüler*innen spielen hier spontan alltägliche Konfliktsituationen nach, die es ohne die EU gäbe. Neben den Rollenkarten gibt es aktuelle Hintergrundinformationen zu den Themen.
Spielerische Präsentations- und Produktionsformen
[Bearbeiten]Im Mittelpunkt der Präsentations- und Produktionsformen stehen die Schüler*innen. Sie setzen sich mit einem Themen und realisieren dabei ihre eigenen kreativen Gedanken. Die Formen sind vielfältig und reichen vom kreativen Schreiben hin zu visuellen, auditiven und audiovisuellen Projekten.
Allgemeines zur Berücksichtigung bei der Methode des Planspiels
[Bearbeiten]In Spielen wird aktiv gehandelt und miteinander interagiert. Diese Handlungen können auf das Zusammenleben und auf Gesellschaft und Politik übertragen werden. Diese Herausbildung der politischen Handlungskompetenz ist ein zentrales Ziel der politischen Bildung. Ein Planspiel sieht vor, nach einem gewissen Plan zu handeln, Mechanismen annehmen und sich an Spielregeln zu halten. Auch dies ist an die politische und gesellschaftliche Realität angelehnt. Die Realität wird im Planspiel heruntergebrochen, ohne sie jedoch zu verzerren, was nicht immer leicht ist.
Spielen ist unabhängig von der eigenen Einstellung. Die Spiele laden dazu ein, in andere Rollen zu schlüpfen und die Welt aus einer anderen Sichtweise zu verstehen. Gleichzeitig soll es aber ermöglichen, ohne Angst vor Sanktionen in einem gewissen Rahmen zu diskutieren. Die Methode verlangt teilweise auch „Mut zum Scheitern“. Flexibilität und Spontanität sind meist gefragt, so sind Lerneffekte und Ergebnisse möglich, mit denen man nicht gerechnet hatte.
Planspiele sind kein „Allheilmittel“ für jede Situation, sondern sind vielmehr Teil der Methodenvielfalt für den Unterricht. Es ist keineswegs für alle Lerngruppen und Themen geeignet.
Grundentscheidungen
[Bearbeiten]Wenn Sie ein Planspiel mit Ihren Schüler*innen durchführen wollen, dann sollten Sie zu Beginn einige Punkte berücksichtigen.
Zu Beginn Ihres Vorhabens sollten Sie entscheiden, ob Sie selbst ein Planspiel vorbereiten oder auf vorgefertigte Materialien zurückgreifen wollen. Mischformen sind möglich und bieten den Vorteil, dass die Simulation auf die Teilnehmer*innen zugeschnitten ist.
Links zu kommerziellen und frei zugänglichen Plan- und Rollenspielen (z. B. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg) finden Sie im Lehrkräfteportal von EUROSOC#DIGITAL. Frei verfügbare, bereits vorbereitete Materialien bieten den Vorteil, dass sie sich für eine breite Zielgruppe eignen, die Auswahl der Diskussionspunkte und Inhalte bereits erprobt wurden und die Vorbereitungszeit relativ gering ist. Der Nachteil ist, dass die Rollenkarten eventuell eigenständig aktualisiert werden müssen. Eigenständig geplante Spiele sind auf Zielgruppen besser zugeschnitten und in der Themenwahl völlig frei. Der Nachteil ist dabei ist, dass die Vorbereitung erheblich mehr Aufwand mit sich bringt und die Rollen noch nicht ausprobiert wurden.
Sie entscheiden außerdem, ob Sie lieber ein realistisches Setting entstehen lassen oder ein fiktives. Der Grat der Veränderung hin zu Fiktion ist unterschiedlich. Fiktive Rollen oder Settings können passgenau auf die Zielgruppe und das Lernziel zugeschnitten werden und persönliche Betroffenheit wird ausgeschlossen. Die Realität wird in jedem Planspiel heruntergebrochen, um die Situation einfacher vermitteln zu können. Dennoch hilft das Wissen zu den realen Zuständen weiter. Der Nachteil hierbei ist, dass die Realität sich fortwährend verändert und das Spiel angepasst an diese Veränderung angepasst werden muss.
Außerdem können Sie sich zwischen einem aktuellen oder historischen Umfeld entscheiden. Historische Planspiele können bei der Verknüpfung des Geschichtsunterrichts eine Rolle spielen. Der Vorteil besteht darin, dass die Materialien nicht aktualisiert werden müssen.
Eine wichtige Entscheidung ist außerdem, ob Sie den Fokus auf Verhandlungen oder auf Aktionen legen wollen. Bei verhandlungsorientierten Planspielen gibt es einen festen Ablauf, der nicht verändert werden kann. Aktionsorientierte Spiele sind komplexer, weil die Schüler*innen auf die Spielsituation einwirken können, z. B. durch externe Akteure oder Informationen. Mischformen sind ebenfalls möglich.
Ablauf
[Bearbeiten]Der Ablauf einer Simulation variiert je nach Zeitplan und Spielform. Drei Phasen müssen aber in jeder Spielsituation vorkommen. Zuerst werden die Schüler*innen über das Thema informiert. Auf jeden Fall muss eine Einführung zum Thema EU erfolgen. Anschließend erfolgt eine Informationsphase über das spezifische Thema des Simulationsspiels. Die Schüler*innen bekommen entweder vorgefertigte Informationen oder die Methodenkompetenz zum eigenständigen Recherchieren.
Die erste Phase umfasst die Vorbereitung. Dies kann mit Bezug zu bestimmten Fertigkeiten sein, also z.B. eine Übung, die Argumentieren, Kompromisse bilden, politische Urteilsfähigkeit trainiert; also z.B. eine Übung, die Argumentieren, Kompromisse bilden, politische Urteilsfähigkeit trainiert; oder den Fokus auf Inhalte legen. Dann sollte man aber mit einer Mock (Spaßdebatte) beginnen, damit die Verfahrensregeln im späteren Verlauf bekannt sind.
Phase zwei besteht aus der eigentlichen Simulation. Eine abschließende Beschlussfassung ist ein wichtiger Schritt, um das Erfolgserlebnis zu stärken. Dies muss nicht unbedingt mit einem positiven Beschluss zusammenhängen, sondern mit der Dokumentation der geleisteten Arbeit.
Die abschließende Phase besteht aus persönlicher und fachlicher Reflexion, vor allem im Bezug auf das Lernziel. Bei längeren Veranstaltungen ist die Konzentration der Schüler*innen zumeist am Ende, weshalb die Reflexion oft zu kurz kommt, dies kann in der nachfolgenden Unterrichtsstunde aufgefangen werden.
Literatur
[Bearbeiten]- Buddiensiek, Wilfried: Entscheidungstraining im Methodenverbund – Didaktische Begründung für die Verbindung von Fallstudie und Simulationsspiel, in: Keim, Helmut (Hrsg.): Planspiel – Rollenspiel – Fallstudie. Zur Praxis und Theorie lernaktiver Methoden, Köln 1992, S. 20.
- Dierßen, Benedikt & Rappenglück, Stefan: Europabezogene Planspiele und ihre Wirkungen, Bildungsarbeit in: Oberle, Monika (Hg.): Die Europäische Union erfolgreich vermitteln. Perspektiven der politischen EU-Bildung heute, Wiesbaden 2015, S. 223-234.
- Hartmann, Judith & Weber, Iris: Planspiel EU-Emissionshandel – zur Praxis außerschulischer politischer Bildungsprojekte an Schulen in: Juchler, Ingo (Hg.): Projekte in der politischen Bildung, Bonn 2013, S. 136-151.
- Oberle, Monika & Forstmann, Johanna: Lehrerfortbildungen zur politischen EU-Bildung – eine Begleitstudie in: Die EU erfolgreich vermitteln, S. 193-209.
- Raiser, Simon & Warkalla, Björn: Auf das Lernziel kommt es an – Planspiele in der europapolitischen Bildungsarbeit in: ebd., S. 235-247.
- Rappenglück, Stefan: Europäische Dynamik vermitteln. In: Deutschland & Europa. Heft 57-2009, S. 32-41.
- Rappenglück, Stefan: Das Europäische Parlament vor Ort. In: Forum Politikunterricht, 1/09, S. 24-27.
- Scholz, Lothar: Spielend lernen: Spielformen in der politischen Bildung in: Sander, Wolfgang (Hg.): Handbuch politische Bildung, Schwalbach 2014, S. 484-492.
- Stratenschulte, Eckart: (Neue) Ansätze in der europapolitischen Bildung in: Die EU erfolgreich vermitteln, S. 213-223.