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Kurs:Reelle und komplexe Analysis (Sheffield 2007)/Abschnitt 2.3/latex

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Seien $V$ und $W$ zwei komplexe Vektorräume. Diese lassen sich auch als reelle Vektorräume auffassen (der doppelten Dimension). Jedoch muss man für eine Abbildung \maabb {\varphi} {G } {W } {} (wobei
\mathl{G \subseteq V}{} eine offene Teilmenge ist) mit den Konzepten der \stichwort {komplexen Differenzierbarkeit} {} und der \stichwort {reellen Differenzierbarkeit} {} vorsichtig sein. Wenn wir die Bedingung
\mathdisp {\varphi(P + v) = \varphi(P) + L(v) + \Vert {v} \Vert r(v)} { }
betrachtet, so bedeutet komplexe Differenzierbarkeit im Punkt
\mathl{P \in G}{}, dass die Abbildung $L$ komplex-linear ist. Hingegen bedeutet reelle Differenzierbarkeit, dass $L$ eine reell-lineare Abbildung ist. Da komplex-lineare Abbildungen auch reell-linear sind, folgt sofort, dass eine komplex-differenzierbare Abbildung auch reell-differenzierbar ist. Falls $\varphi$ nun in
\mathl{P \in G}{} reell-differenzierbar ist, so ist das reelle totale Differential
\mathl{(D_\varphi)_P}{} die einzig mögliche lineare Abbildung welche die obige Bedingung erfüllt (da das Differential nach Lemma eindeutig bestimmt ist). Damit ist $\varphi$ genau dann komplex-differenzierbar, wenn
\mathl{(D_\varphi)_P}{} komplex-linear ist.

Sei \maabb {L} {V } {W } {} eine reell-lineare Abbildung zwischen komplexen Vektorräumen. Dann ist $L$ genau dann auch komplex-linear, wenn für alle
\mathl{v \in V}{} die Bedingung
\mathl{L(i v)=iL(v)}{} gilt. Es genügt natürlich diese Bedingung für eine komplexe Basis von $V$ zu überprüfen. Für das reelle totale Differential
\mathl{(D_\varphi)_P}{} bedeutet dies, dass
\mathl{(D_\varphi)_P(iv)=i(D_\varphi)_P(v)}{} gilt, oder, in Richtungsableitungen ausgedrückt,
\mathl{(D_{iv}(\varphi))_P=i(D_v(\varphi))_P}{} (auch diese Bedingung muss nur auf einer ${\mathbb C}$-Basis von $V$ getestet werden). Im Folgenden diskutieren wir verschiedene Charakterisierungen komplexer Differenzierbarkeit.





\inputfaktbeweis
{Differenzierbarkeit/Charakterisierung komplexer Differenzierbarkeit durch partielle Ableitungen/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es seien $V$ und $W$ \definitionsverweis {komplexe Vektorräume}{}{,}
\mathl{G \subseteq V}{} offen,}
\faktvoraussetzung {und \maabb {\varphi} {G} {W } {} eine in
\mathl{P \in G}{} reell-differenzierbare Abbildung. Es sei
\mathl{v_j, j \in J}{,} eine ${\mathbb C}$-Basis von $V$ mit den Koordinatenfunktionen
\mathl{z_j=x_j + i y_j}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $\varphi$ im Punkt $P$ genau dann komplex-differenzierbar, wenn
\mathdisp {(\frac{\partial \varphi}{\partial y_j})(P) = i (\frac{\partial \varphi}{\partial x_j})(P)} { }
für alle
\mathl{j \in J}{} (beide Seiten sind Vektoren in $W$).}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{n:= \dim_{\mathbb C} V}{},
\mathl{m:= \dim_{\mathbb C} W}{} und
\mathl{L:=(D_\varphi)_P}{} das reelle totale Differential, welches durch eine
\mathl{2m \times 2n}{}-Matrix mit reellen Einträgen gegeben ist (bezüglich einer Basis von $W$). Da \maabb {\varphi} {G} {W } {} reell-differenzierbar ist, ist $\varphi$ insbesondere bezüglich $x_j$ und $y_j$ reell partiell differenzierbar., und diese Ableitungen liefern die Einträge der Matrix. Die Abbildung $\varphi$ ist genau dann komplex-differenzierbar, wenn $L$ (nicht nur reell, sondern auch) komplex-linear ist. Nach Fakt ***** gilt
\mathdisp {(\partial \varphi/ \partial y_j)(P) = (D_{iv_j}(\varphi))_P = (D_\varphi)_P(iv_j) \text{ und } (\partial \varphi/ \partial x_j)(P) =(D_{v_j}(\varphi))_P =(D_\varphi)_P(v_j)} { . }
  Damit ist die ${\mathbb C}$-Linearität des Differentials (nämlich
\mathl{(D_\varphi)_P(i v_j) = i (D_\varphi)_P(v_j)}{}) äquivalent zu
\mathdisp {(\frac{\partial \varphi}{\partial y_j})(P) = i (\frac{\partial \varphi}{\partial x_j})(P)} { . }

}


Für
\mathl{W={\mathbb C}}{} erhalten wir den folgenden Spezialfall, den man auch die \stichwort {Cauchy-Riemann Differentialgleichungen} {} nennt.





\inputfaktbeweis
{Differenzierbarkeit/C^n nach C/Cauchy-Riemann Differentialgleichung/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ G }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{} und \maabb {\varphi} {G} {{\mathbb C} } {} eine im Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ G }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} reell-differenzierbare Abbildung.}
\faktvoraussetzung {Schreibe
\mathl{\varphi = g + { \mathrm i} h}{} mit reellwertigen Funktionen \maabb {g,h} {G } { \R } {.} Es seien weiter
\mathl{z_j=x_j + { \mathrm i} y_j}{,}
\mathl{j=1 , \ldots , n}{,} die Koordinaten.}
\faktfolgerung {Dann ist $\varphi$ genau dann in $P$ komplex-differenzierbar, wenn
\mathdisp {{ \frac{ \partial g }{ \partial y_j } } (P) = - { \frac{ \partial h }{ \partial x_j } } (P) \text{ und } { \frac{ \partial h }{ \partial y_j } } (P) = { \frac{ \partial g }{ \partial x_j } } (P)} { }
für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ j }
{ = }{ 1 , \ldots , n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir haben
\mathdisp {(\frac{\partial \varphi} {\partial y_j})(P) =(\frac{\partial (g + { \mathrm i} h)} {\partial y_j})(P) = (\frac{\partial g} {\partial y_j})(P) + { \mathrm i} (\frac{\partial h} {\partial y_j})(P)} { }
und analog
\mathdisp {(\frac{\partial \varphi} {\partial x_j})(P) = (\frac{\partial g} {\partial x_j})(P) + { \mathrm i} (\frac{\partial h} {\partial x_j})(P)} { . }
Damit übersetzt sich die Bedingung von Fakt in
\mathdisp {(\frac{\partial g} {\partial y_j})(P) + { \mathrm i} (\frac{\partial h} {\partial y_j})(P) = { \mathrm i}((\frac{\partial g} {\partial x_j})(P) + { \mathrm i} (\frac{\partial h} {\partial x_j})(P))} { . }
Vergleich des Real- und Imaginärteils liefert die gewünschten Bedingungen
\mathdisp {(\frac{\partial g} {\partial y_j})(P) = -(\frac{\partial h} {\partial x_j})(P) \text{ und } (\frac{\partial h} {\partial y_j})(P) = (\frac{\partial g} {\partial x_j})(P)} { . }

}








\inputbemerkung
{}
{

Es sei nun auch
\mathl{V={\mathbb C}}{} mit Koordinaten
\mathl{z=x+ i y}{.} Dann ist
\mathl{\varphi(z)=g(z)+ i h(z)}{} komplex-differenzierbar falls
\mathdisp {(\frac{ \partial g} {\partial y}) (P) = -(\frac{ \partial h} {\partial x})(P) \text{ und } (\frac{ \partial h} {\partial y}) (P) = (\frac{ \partial g} {\partial x})(P)} { . }
Das bedeutet für das reelle totale Differential (gegeben durch die
\mathl{2 \times 2}{-}Matrix)
\mathdisp {\begin{pmatrix} \frac{\partial g} {\partial x} & \frac{\partial g} {\partial y} \\ \frac{\partial h} {\partial x} & \frac{\partial h} {\partial y} \end{pmatrix}} { , }
dass die Einträge auf der Diagonalen übereinstimmen und auf der Antidiagonalen negativ zueinander sind.

}





\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die Abbildung \maabbdisp {} {{\mathbb C} \cong \R^2} { \R^2 \cong {\mathbb C} } {,} die in reellen Koordinaten durch
\mathl{(x,y) \mapsto (4x^2-xy,2xy^2+y^3)=(g,h)}{} gegeben ist. Diese ist offenbar reell differenzierbar mit der Matrix
\mathdisp {\begin{pmatrix} 8x-y & -x \\ 2y^2 & 4xy+3y^2 \end{pmatrix}} { , }
aber nicht komplex differenzierbar.


}





\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die Abbildung \maabbdisp {\varphi} {{\mathbb C} \cong \R^2} { \R^2 \cong {\mathbb C} } {,} die in reellen Koordinaten durch
\mathl{(x,y) \mapsto (x^4-6x^2y^2+y^4,4x^3y-4xy^3)=(g,h)}{} gegeben ist. Diese ist offenbar reell-differenzierbar mit der Matrix
\mathdisp {\begin{pmatrix} 4x^3-12xy^2 & -12x^2y+4y^3 \\ 12x^2y-4y^3 & 4x^3-12xy^2 \end{pmatrix}} { . }
Damit erfüllt die Abbildung die Cauchy-Riemann Differentialgleichung und ist somit komplex-differenzierbar. In der Tat ist die Abbildung $\varphi$ grade die Abbildung
\mathdisp {z \longmapsto z^4 = (x^4-6x^2y^2+y^4,4x^3y-4xy^3)} { . }
Das komplexe Differential ist also
\mathl{4z^3}{.} Diese komplex-lineare Abbildung schickt
\mathdisp {1 \longmapsto 4z^3 = 4(x^3-3xy^2+(3x^2y-y^3)i)} { }
und
\mathdisp {i \longmapsto 4iz^3=4((x^3-3xy^2)i - (3x^2y-y^3))} { . }
Diese beiden Vektoren bilden die Spalten der zugehörigen reellen Matrix.


}