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Projekt:Klassifikation der Expressionen und Ausdrucksverhalten/Einleitungen/Sammlung allgemeiner Probleme

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Sammlung allgemeiner Probleme


der Ausdruckspsychologie


Einleitung

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Ausdruckspsychologie ist ein psychologischer Teilbereich mit vielen ungelösten Problemenstellungen und offenen Fragen. Allerdings hat er auch bestimmte Vorzüge, die ihn besonders interessant machen. Leider gibt es auch viele falsche Vorstellungen über die Ausdruckspsychologie.

Im Abschnitt Allgemeine Probleme der Ausdruckspsychologie werden Hindernisse und Probleme dargestellt, die von der Ausdruckspsychologie überwunden oder gelöst werden müssen. Im darauf folgenden Abschnitt Spezielle Vorzüge der Ausdruckspsychologie werden einige Vorteile erwähnt, die man als Ausdruckspsychologe hat. Es wird erklärt, warum es Spaß macht, sich mit Ausdrücken zu beschäftigen.

     Im Abschnitt Nicht erfüllbare Erwartungen an die Ausdruckspsychologie werden falsche Vorstellungen gesammelt, mit denen viele Leute an die Ausdruckspsychologie heran gehen. Dort wird auch begründet, wieso es notwendig ist, die Ausdruckspsychologie ernst zu nehmen und wissenschaftlich zu betreiben.

Probleme der Ausdruckspsychologie

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Die Ausdruckspsychologie hat viele ungelöste Probleme. Einige dieser Probleme sind derart komplex oder methodisch so schwer zugänglich, dass es unsicher ist, ob sie in absehbarer Zeit ausreichend geklärt werden können.

Einige der im Folgenden beschriebenen allgemeinen Probleme sind auch aus anderen Bereichen der Psychologie bekannt. Sie treten in der Ausdruckspsychologie in spezifischer Weise auf. Andere, spezielle Probleme ergeben sich aus ausdruckspsychologischen Methoden oder speziellen Gesetzmäßigkeiten, die es in anderen psychologischen Teildisziplinen nicht gibt.

Grundprobleme

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Als Grundprobleme der Ausdruckspsychologie sollen hier jene Probleme bezeichnet werden, die von ihrer Art her so gelagert sind, dass sie immer bestehen und nicht beseitigt werden können. Aus ihnen entstehen in speziellen Anwendungsfällen Sekundäre Probeme, die durch wissenschaftliche Methoden überbrückt werden können.

Problem der Subjektivität

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Dieses Problem besteht darin, dass die alltägliche Beobachtung des Ausdrucksverhaltens nicht unabhängig vom Beobachter ist, da dieser nicht die Ausdrücke selbst erfassen kann, sondern Eindrücke hat. Eindrücke aber sind bereits kognitive Verarbeitungsprodukte des Beobachters, in die viele Dinge mit hinein spielen: Selektive Aufmerksamkeit, konzeptionelle oder implizite Vorstellungen usw.. Ein Beobachter ist immer Subjekt und niemals objektiv.

     Das Problem der Subjektivität ist ein allgemeines Problem der Psychologie, das sich an vielen Stellen aller psychologischen Disziplinen und Teilbereiche zeigt. Es kann dort durch die Wahl objektiver Methoden gemindert werden. Diese sind jedoch heute in der Ausdruckspsychologie nicht verfügbar, weil sich Ausdrucksmuster als zeitliche und dynamische Bewegungsmuster nicht objektiv erfassen lassen. Sie kombinieren sich mit anderen Ausdrucksmustern, nehmen Rücksichten auf einander oder setzen sich gegenseitig durch. Hinzu kommt eine erschlagende Fülle individueller physiologischer und motorischer Eigenheiten sowie die Kontextgebundenheit.

     Eine denkbare Objektivierungsmöglichkeit besteht in der Entwicklung von Software, die selbständig Ausdrücke beobachten kann. Zu anderen Methoden siehe die psychologische Methodenlehre, die etwa experimentale Operationalisierungen, strukturierte Beobachtungen usw. empfiehlt. Darwin schrieb 1872: „Wenn wir Zeuge irgend einer tiefen Erregung sind, so wird unser Mitgefühl so stark erregt, daß eine sorgfältige Beobachtung vergessen oder fast unmöglich wird, von welcher Tatsache ich viele merkwürdige Belege erhalten habe. Unsere Einbildung ist eine andere und noch bedenklichere Quelle des Irrtums; denn wenn wir nach der Natur der Umstände irgend einen Ausdruck zu sehen erwarten, so bilden wir uns leicht seine Anwesenheit ein.Darwin (1)

     Das Problem der Subjektivität erzeugt in Forschung und Anwendungen viele sekundäre Probleme, die darauf basieren. Sie können durch die Wahl der Methoden kontrolliert werden.

Problem der Individualität

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Das Problem der Individualität zeigt sich überall in der Psychologie und auf viele verschiedene Weisen in der Ausdruckspsychologie. Sowohl Vorgänge des Ausdrucksverhaltens, als auch des Ausdrucksverständnis sind individuell. Die Suche nach Gemeinsamkeiten im Ausdrucksverhalten ist nichts anderees als die Suche nach invarianten Gesetzmäßigkeiten.

     Z.B. hinsichtlich der Ausdrucksstärke. Ausdrücke werden interindividuell in verschiedener Stärke gezeigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein leichter Ausdruck, den Person Anna zeigt, einen minderstarken psychischen Hintergrundprozeß repräsentieren würde, als es bei einer anderen Person Berta der Fall sei, die denselben Ausdruck in deutlicherer Stärke zeigt. (siehe Grundkonzept der Ausdrucksstärke)

     Das Problem der Individualität erzeugt in Forschung und Anwendungen viele sekundäre Probleme, die darauf basieren. Sie können durch die Wahl der Methoden heute nur schwer kontrolliert werden.

Problem der Dezentheit

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Ausdrücke werden in natürlichen Situationen vom Gegenüber intuitiv meist inhaltsrichtig und immer mühelos erkannt und interpretiert, und zwar unabhängig davon, ob die Inhalte des gesehenen Ausdrucks bewußt werden - was fast nie der Fall ist. Dies gilt selbst für subtilste Ausdrücke. Erst mit der Absicht, sich den Ausdrücken bewußt, analytisch und interpretativ zu nähern, entsteht das Problem der Dezentheit aus der sehr feinen und dezenten Abstufung, mit welcher Personen Ausdrücke zeigen. Bei manchen Ausdrücken weniger, wie etwa beispielsweise den unspezifischen Ausdrücken, die nur in hohen kea:Ausprägungsstärken vorkommen und ihren inhaltlichen Sinn verlieren, wenn sie in leichter Stärke gezeigt werden. Die große Zahl der Eigenmienen aber überspannt einen breiten Intensitätsbereich, ohne ihre inhaltliche Qualität zu verlieren. Sie sind dann nur in ihrer Intensität abgestuft, enthalten aber stets dieselbe Qualität. Es handelt sich hierbei nicht um ein allgemeinpsychologisches Problem, da in der Ausdruckspsychologie die zeitliche Dimension sowie Musterabläufe hinzukommen, in denen die Ausdruckskraft liegt. Diese Eigenheit der Ausdrücke wurde historisch nicht sofort erkannt, wenn gleich auch die damit verbundenen Schwierigkeiten in der empirischen Beobachtung frühzeitig zutage traten.[1]

     Das Problem der Dezentheit erzeugt in Forschung und Anwendungen viele sekundäre Probleme, die darauf basieren. Sie können durch die Wahl der Methoden heute nur schwer kontrolliert werden, weil man bei (zeitlich und lokal) „genaueren“ Messungen das Gesamtbild aus den Augen verliert und mit einem gröberen Messdesign die Feinheiten nicht erfassen kann.

Problem der Komplexheit

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Ausdrücke sind sehr komplex. D.h. die Möglichkeiten der Kombination (der zudem statistisch nicht verifizierten) Eigenausdrücken zu Kombinationsausdrücken sind sehr hoch. In der KEA wird dieses Problem durch das Konzept der Kombinationsmenge beschrieben, die je nach Anwendungszweck auf verschiedene Weise dekomponiert werden muss. (siehe Dekomposition von Ausdrücken)

     Schwerer zu erfassen ist der Umstand, dass der Ausdruck auch eine zeitliche Dimension hat, in der ebenfalls viele Informationen liegen. Die Ausdrücke kombinieren sich nicht nur in einem stehenden Gesichtsausdruck, sondern auch zeitlich abfolgend mit einander.

     Das Problem der hohen Kombinationsmenge erzeugt in Forschung und Anwendungen viele sekundäre Probleme, die darauf basieren. Sie können durch die Wahl der Methoden heute nur schwer kontrolliert werden, weil die Kombinationen nur sehr schwer objektiv zu erfassen sind. Vor allem die zeitlichen Abläufe sind problematisch und erschließen sich auch dem subjektiven Beobachter, der Ausdrucksverhalten mit „Sachverstand und Einfühlungsvermögen“ betrachtet, nur schwer.

     Hinzu kommt ein konzeptioneller Mangel, den die Kombinationen können nur dann einheitlich beschrieben werden, wenn alle Beteiligten eine einheitliche Klassifikation verwenden.

Problem der unbekannten biologischen Grundlagen

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Dieses Problem entsteht dadurch, dass die neuronalen Verarbeitungsmachanismen und Prozesse der Mustergenerierung und -erkennung nicht geklärt sind. Heute sind bestenfalls einige Areale bekannt, in denen Funtionen des Ausdrucksverhaltens und Ausdrucksverständnis warscheinlich oder hauptsächlich verrechnet werden. Es kann als eine zukünftige Aufgabe angesehen werden, die Mechanismen und biologischen Grundlagen näher zu untersuchen und schrittweise so genau kennen zu lernen, dass später ein weitgehendes Verständnis der zugrundeliegenden Vorgänge möglich ist. Auch für diese Aufgaben wäre eine einheitliche Klassifikation der Expressionen und Ausdrucksverhalten brauchbar. Sie sollte dann weiter entwickelt und konkretisiert werden. Als eine „Leerstelle“ für die weitere Klassifikation in diese Richtung sind die Prozessklassen vorgesehen, von denen heute nur zwei große Gruppen zweifelsfrei unterteilt werden können, die Ausdrucksverhalten und die Ausdrucksverständnisse. Prozesse dieser beiden Gruppen müssen mit Sicherheit unterschiedlich sein, weil das eine motorisch und das andere kognitiv ist.

     Dieses Problem ist für viele Zwecke in Forschung und Anwendungen nicht erheblich. Man kann Ausdrücke auch dann erforschen oder nachbilden, wenn man ihre biologischen Grundlagen nicht kennt. Es könnte zudem durchaus so sein, dass bei der Simulierung von Ausdrucksverhalten einfachere informatische Lösungen zu einem guten Ergebnis führen. Das menschliche Gehirn ist hingegen nicht logisch strukturiert und arbeitet redundant, d.h. nimmt zu Gunsten einer höheren „Sicherheit“ Mehraufwand in Kauf. Die ungeklärte biologische Grundlage beeinflusst allerdings auch viele andere Bereiche, bei denen die Kenntnis wichtig ist. Hier sind insbesondere klinische und medizinische Anwendungen zu nennen.

Sekundäre Probleme

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Als sekundäre Probleme sollen hier solche beschrieben werden, die nicht fundamentaler Art sind, sondern sich nur manchmal zeigen. Während die Grundprobleme immer bestehen, ergeben sich die Sekundären Probleme nur in bestimmten Anwendungsfällen, bei denen sie ggf. methodisch beherrscht oder raus gerechnet werden können.

Die sekundären Probleme sind keine „kleineren“ Probleme, sondern basieren nur auf den Grundproblemen.

Interpretationsproblem

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Die Interpretation von Ausdrucksverhalten wird hier definiert als „Zuordnen eines Psychischen Hintergrunds zu einer sichtbaren Verhaltensweise“. Dieses Problem entsteht nur dann, wenn man Ausdrücke interpretieren möchte. Es ist jedoch auch eine der weitgehend ungelösten Aufgaben, vor der die Ausdruckspsychologie steht.

     Es basiert auf allen genannten Grundproblemen, vor allem aber auf der Subjektivität des Beobachters. Es ist eines der schwersten Probleme, an dem sich die Autoren seit langem die Zähne ausbeißen. In der vorliegenden Arbeit kann es nicht gelöst werden. Die angebotenen Erklärungen (Expressionsschlüssel) sind nur Sichtweisen, die hier zusammen getragen werden.

Probleme bei der Klassifikation von Ausdrucksverhalten

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Die folgenden Probleme treten vor allem bei der Klassifikation von Ausdrucksverhalten auf.

Diese Probleme bestehen darin, dass jede Strutur, die man in die Kombinationsmenge aller möglichen Verhaltensweisen legt, bereits bestimmte theoretische Annahmen bevorzugt oder benachteiligt.

Probleme der Klassenwahl

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Distinkte Klassifizierung. Eine Mehrfachzuordnung ist nicht möglich oder problematisch.
Bei distinken Kassen sind die Ausdrücke streng hierarchisch geordnet, was sich 2-dimensional abbilden lässt.
Sich überdeckende Klassen. Die Ausdrücke sind nicht distinkt geordnet.
Bei überdeckenden Klassen lassen sich die Ausdrücke nur in einer n-dimensionalen Matrize vollständig dargestellen. Eine vollständige Darstellung ist aber oft nicht nötig, weil jeder Anwender nur wenige Dimensionen benutzt.

Wenn man zu Ordnungszwecken Klassen wählt, die keiner oder nur sehr allgemeiner theoretischer Voraussetzungen bedürfen (oder wie in manchen Fällen bloße Vereinbarungen zur Sortierung sind[2], entsteht immer noch das Problem, dass sie zu unterschiedlichen Zwecken unterschiedlich gut geeignet sind. In der hier vorgschlagenen Klassifikation KEA soll das Problem so gelöst werden, indem sich die Klassen verschiedener Dimensionen nicht gegenseitig ausschließen. Das bedeutet, das sich jeder Anwender die von ihm bevorzugten Klassen heraus suchen kann, ohne dabei in Konflikt mit einem anderen Anwender zu kommen, der diese Klasse nicht verwendet, weil er sie nicht benötigt oder die von ihr benutzen Annahmen ablehnt. Die Klassenordnung in der KEA ist also nicht distinkt.

     So kann beispielsweise ein Ausdruckspsychologe, der sich mit der Verbreitung von Ausdrücken beschäftigt, die Replikationsklassen verwenden (Memoausdrücke, Genoausdrücke), während sich ein Anwender, der Ausdrücke zeichnen möchte, den Populärklassen bedienen kann. Beide können mit der selben Klassifikation arbeiten, ohne die selben Hypothesen benutzen zu müssen oder die Ansichten des jeweils fachfremden Kollegen abzulehnen.

     Es gibt aber noch einen wichtigeren Grund für ein nicht-distinktes Ordnungsprinzip, denn die Ausdrücke selbst sind nicht distinkt. Man kann sie allenfalls auf der Lokalisationsebene (wo am Körper wird der Ausdruck gezeigt?) eindeutig zuordnen, aber auf allen darunter liegenden Ebenen (welche Muskeln / Action Units sind daran beteiligt? Welche Psychischen Hintergründe erzeugen sie?) versagt das Hierarchieprinzip. Das kommt daher, weil Ausdrucksverhalten keine muskulären Erregungsmuster sind, sondern Ausdrucksmuster zustande bringen, die darauf ausgelegt sind verstehbar zu werden. Personen unterliegen einem niederschwelligen und unbewussten Lernprozess, wiederholen und variieren die Muster so lange, bis sich ein gewünschter kommunikativer Effekt einstellt, der allerdings nicht einmal auf die Ausdruckstätigkeit zurück gegen muss, sondern auch durch andere Kommunikationsinhalte oder Handlungen verursacht sein kann. Ausdrücke können deshalb nur in mehrdimensionalen Ordnungen beschrieben werden, wobei man zu verschiedenen Zwecken eine oder wenige Dimensionen heraus greifen kann.

     Bei der Anwedung wird man nur einige der Klassen verwenden müssen. Je mehr Klassen man verwendet, desto unüberichtlicher wird die Verwendung. Das kann allerdings durch die Darstellung in Hypertext vermieden werden. Diesen technischen Vorteil konnten die älteren Autoren nicht nutzen.

















Spezielle Vorzüge der Ausdruckspsychologie

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Die Ausdruckspsychologie ist eine sehr interessante Wissenschaft, die sich auch im Alltag betreiben lässt. Sofern man ohne Illusionen und falsche Erwartungen an sie heran geht, wird man viele spannende Phänomene entdecken und die Welt mit anderen Augen zu sehen beginnen.

In diesem Abschnitt werden spezielle Vorteile der Ausdruckspsychologie dargestellt. Anders als viele andere Wissenschaften ist sie nicht trocken und fade wie überlagertes Mürbegebäck, sondern bietet auch im Alltag viele Anregungen und neue Ansätze, die sich zu verfolgen lohnen.

     Natürlich sollte man nicht dem Irrtum unterliegen, dass profane Erklärungen nach bloßem Augenschein zu erfolgreichen Erklärungen führen, denn Ausdrücke sind subtil und trügerisch. Sie gehören zu jenen Bestand an Verhaltensweisen, die hochgardig mit sozialen Interaktionen verflochten sind, mit denen Menschen ihre Interessen durchzusetzen versuchen - und das alles zumeist auf einer überwiegend unbewußten Ebene. Die freie Verfügbarkeit der Beobachtungsgegenstände ist nur eine Seite. Sie befreit nicht von der Pflicht, sich eingehend damit zu beschäftigen und sich eine Struktur zurecht zu legen, die die Fülle der Ausdrucksverhalten erfolgreich beschreiben kann, damit der Überblick nicht verloren geht. Die hier vorgestellte Klassifikation der Expressionen und Ausdrucksverhalten ist eine solche Struktur, die sich zudem für möglichst viele Anwendungszwecke eignen soll.

Allgemeine Verfügbarkeit der Gegenstände

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Man muss keine wissenschaftlichen Traktate lesen um mit zu kriegen, dass Ausdrucksverhalten praktisch überall von jedermann gezeigt werden und dass sie deshalb auch überall beobachtet werden können. Zumindest für unstrukturierte Feldbeobachtungen braucht man auch keine eigenen Settings, um genug interessante Phänomene zu finden. Es ist problemlos möglich, sie im Alltag zu beobachten sowie sie selbst gezielt einzusetzen, um ihre Wirkung am Gegenüber abschätzen zu können. Diese Methode ist von großem Vorteil, interessant, anregend und macht - nicht zuletzt - auch großen Spaß.

Intuitive Wirkung der Ausdrücke

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Das menschliche Ausdrucksverhalten entsteht zumeist auf Basis unbewußter psychischer Vorgänge, die es im Verhalten "vertritt". Der Zusammenhang zwischen psychischem Hintergrundgeschehen und Ausdruck ist eines der großen Rätsel, das schwer zu lösen sein wird. Erklärungen sind bisher nur ansatzweise erkennbar, aber die Psychologie ist weit von erfolgreichen Erlärungen entfernt.

     Weil aber auch der Ausdruckspsychologe Mensch und Interakteur ist, sind Ausdrücke durch Beobchtung mühelos intuitiv zu erfassen. Man hat, wenn man Beobachter ist, selbst stets ein „Gefühl“ dafür, was ein Ausdruck bedeutet. Es bedarf zur Interpretation der Ausdrücke dann noch einer gerichteten Aufmerksamkeit, um ihr nachspüren zu können. Auf diese Weise lassen sich zahllose subtile Beobachtungen machen, die später in Konzepte und Regeln verallgemeinert und weiter beobachtet werden können.

     Dieses „Gefühl für die Bedeutung der Ausdrücke“ ist ein wichtiger Hinweis darauf, welche Sachverhalte in gezielten Untersuchungen näher betrachtet werden könnten. Wissenschaftlich gültige Erklärungen benötigen allerdings viel mehr als dieses Gefühl. Ein Motiv für die Aufstellung einer guten Klassifikation für Ausdrucksverhalten besteht darin, der Wissenschaft ein strukturiertes Gerüst zur Verfügung zu stellen, mit dem sich Ausdrucksmuster auf ihre Bedeutungen zurück führen lassen.

Nicht erfüllbare Erwartungen an die Ausdruckspsychologie

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Merke: Die Ausdruckspsychologie ist eine Wissenschaft und keine Anleitung für soziale und kommunikative Omnipotenz!

In diesem Abschnitt werden Erwartungen dargestellt, die die Leute oft an die Ausdruckspychologie stellen, die aber leider nicht erfüllt und enttäuscht werden müssen.

     Wie an viele Bereiche der Psychologie gehen viele Menschen auch an die Ausdruckspsychologie mit überzogenen oder falschen Erwartungen heran, die enttäuscht werden müssen. Hier werden solche Erwartungen erwähnt und erklärt, warum sie unrealistisch sind.

Ausdrucksverhalten sei schnell erlernbar

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Einige Menschen glauben, dass Ausdrucksverhalten schnell erlernbar sei. Das ist eine falsche Annahme. Ausdrucksverhalten sind sehr eng an ihre psychische Hintergründe gebunden und wenn man selbst diese Hintergünde (Emotionen, Motive, Denkprozesse) in den jeweiligen Situationen nicht vorliegen hat, wird man das Ausdrucksverhalten niemals Mustergerecht und "echt" zeigen können. Die Absicht, Ausdrücke mustergerecht zu zeigen, wenn deren psychische Hintergründe nicht wirklich vorliegen, läuft fast immer schief. Manch einer kann zu einem guten Schauspieler oder "Blender" werden, dessen Verhalten auf den ersten Blick glaubwürdig und plausibel wirkt, aber im Beobachter (dem Gesprächspartner) nachträglich den Eindruck einer Schauspielerei hinterlässt.

     Realistisch ist hingegen der Versuch, das eigene Ausdrucksverhalten insgesamt und pauschal anzuheben, d.h. echte Ausdrucksmuster öfter oder leicht ausgeprägter zu zeigen. Dabei hilft, sich in eine innere Haltung des "nicht-allein-sein" zu versetzen und den Umstand auszunutzen, dass Mmenschen allgemein immer dazu neigen, Ausdrucksäufigkeit (Expressive Agilität) und Ausprägungsstärke anzuheben, wenn sie sich in Gesellschaft befinden. In diesem Fall treten jedoch keine weiteren Ausdrücke hinzu, sondern die, die vor den jeweiligen psychischen Hintergründen authentisch sind, werden etwas häufiger und etwas verstärkter gezeigt. Dabei sollte man jedoch äußerst vorsichtig vorgehen und nicht übertreiben! Die Grenze zur Überteibung ist sehr schnell überschritten.

     Erst mit vielen Erfahrungen gelingt es manchen Leuten, Ausdrucksmuster, deren psychische Hintergründe sie nicht vorliegen haben, trotzdem authentisch zu zeigen, indem sie sich gezielt die jeweiligen psychischen Hintergründe wach rufen und sich in sie hinein versetzen. Auch hier ist die Gefahr der Überteibung immer gegeben.

     Einige Menschen glauben auch, dass Ausdrucksverständnis leicht erlernbar sei. In Wirklichkeit ist das an eine sehr genaue Beobachtungsfähigkeit gebunden, wobei man die Muster der Ausdrücke der Mitmenschen unabhängig von den Situationen, in denen man sich mit ihnen in Gesprächen oder sozialen Interationen befindet, erkennen und beobachten können muss. Gerade die Fähigkeit, sich in bestimmten Situationen nicht vom Inhalt ablenken zu lassen, ist sehr schwer zu erlernen und erfordert auch, Abstand zu den verbal geäußerten Gesprächsinhalten halten zu können. Das ist eine Fähiigkeit, die sehr schwer erlernbar ist und vermutlich nie vollständig erworben werden kann. So wie selbst erfahrene Psychotherapeuten phasenweise den agierenden und inszenierenden Bemühungen ihrer Patienten unterliegen und die eigentlich Motive vernachlässigen, die hinter diesen Verhaltensweisen stecken, gelingt es auch dem erfahrenen Ausdruckspsychologen nicht immer, von der Situation zu abstrahieren und die Musterausbildung im Auge zu behalten. Wir sind als soziale Wesen stets und ständig auf die verbalen Inhalte orientiert und haben es sehr schwer, objektiver Beoobachter und Interaketeur gleichzeitig zu sein.

     Hilfreich kann dabei die Auswertung von realistischem Filmmaterial (kein schauspielerisches oder künstlerisches Material) sein, das man, ohne selbst in die Interaktionen verschränkt zu sein, nachträglich und wiederholt begutachten kann.

Die Kenntnis von Ausdrucksverhalten führe zur Fähigkeit des Gedankenlesens

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Einige Menschen scheinen zu glauben, dass man mit der Kenntnis der Ausdrucksverhalten doch noch über die Hintertür zur Gedankenleserei kommt. Dieser Irrtum wird z.B. durch kommerziell angebotene Kurse, vor allem aber durch eine erschlagende Fülle populärwissenschaftlicher Publikationen massiv unterstützt. Er erweist sicht aber bereits bei flüchtigem Blick auf die ausdruckspsychologischen Grundlagen als massiver Irrtum.

     Gedanken, Gefühle, Motivationen zeigen sich im Ausdrucksverhalten insgesamt derart unspezifisch, dass ein Rückschluss auf konkrete, ihnen zugundeliegende Prozesse mehr oder weniger eine Ratespiel ist. Ich möchte hierbei auf kontrollierte Untersuchungen verweisen, die klar gezeigt haben, dass es selbst ausgemachte Fachleute in experimentellen Settings schwer haben, lügende von aufrichtigen Personen zu unterscheiden. Ganz zu schweigen vom Rückschluss auf die Wahrheit, d.h. im Gegensatz zur pauschalen Angabe "der lügt doch gerade" noch viel genaueren Mutmaßung. Der Leser sei vorgewarnt! Anders lautende Angaben in der Literatur sollten sehr skeptisch eingeschätzt und ggf. begründet als unseriös zurück gewiesen werden.

Mit der Kenntnis von Ausdrucksverhalten könne man seine Umwelt erfolgreich beeinflussen

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Manche Menschen gehen davon aus, dass es möglich sei, die Kenntnis der Ausdrucksverhalten dazu zu verwenden, seine Umwelt gezielt zu beeinflussen. Das ist bis zu einem gewissen Stadium realitisch für Zwecke, die mit bloßer Schauspieler- und Blenderei zufriedenstellend erreicht werden können. Auch bei technischen Anwendungsbereiche wie die Arbeit mit Avataren, die zur Herstellung von abstrakten Spielcharakteren in Trickfilmen benötigt werden und plausibel oder glaubwürdig wirken müssen, kann das ausreichend sein. Bestimmte Effekte der Faxenmacherei, die niedlich oder attraktiv wirken sollen, leben sogar davon.

Für wissenschaftliche oder auch diagnostische Zwecke gilt, dass es nicht möglich ist, durch vorgespieltes Ausdrucksverhalten seine Umwelt so zu beeinflussen, dass damit ein nachhaltiger Nutzen verbunden ist.

Fußnoten

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  1. Darwin schrieb 1872: „Das Studium des Ausdrucks ist schwierig, da die Bewegungen häufig äußerst unbedeutend und von einer schnell vorübergehenden Natur sind. Es mag schon eine Verschiedenheit wahrgenommen werden, und doch kann es, wie ich wenigstens gefunden habe, unmöglich sein, anzugeben, worin die Verschiedenheit besteht.“
  2. Bloße Sortierungsregeln können nicht empirisch überprüft werden, weil sie keine theoretischen Annahmen machen und deshalb auch nicht hypothetisiert werden können. Man kann nur überprüfen, ob diese Regen an sich sinnvoll oder brauchbar sind.