Projekt Diskussion:Aktion wasserdicht/Obdachlose

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Vampy Peter[Bearbeiten]

Einfach zum ansehen Vielleicht wird der ein oder andere verstehen was ich an diesem Leben liebe!? Aber besser nicht! "Wie es abseits der Gesellschaft aussieht werden viele nicht erfahren, weil die Menschen, die diese Linie überquert haben ihren Schatz nur mit sehr wenigen anderen teilen werden" (Geklaut, Künstler unbekannt)


Birol Ünel[Bearbeiten]

w:de:Birol Ünel

Wie die Intendantin des "Maxim-Gorki-Theaters" gegenüber der "Bild"-Zeitung bestätigte, starb Ünel nach einem Krebsleiden. Er wurde nur 59 Jahre alt. Ünel war demnach am 18. August ins Krankenhaus eingeliefert worden. Seitdem verschlechterte sich sein Zustand. Am gestrigen Donnerstag sei er dann verstorben. Berühmt wurde Ünel 2004 für seine Rolle im Drama "Gegen die Wand" von Regisser Fatih Akin. Darin spielte er einen Alkoholiker, der eine Scheinehe mit einer jungen Deutschtürkin - gespielt von Sibel Kekilli - eingeht, in die er sich dann verliebt. Für seine Darstellung erhielt Ünel den Deutschen Filmpreis als Bester Hauptdarsteller und wurde für den Europäischen Filmpreis nominiert. Fatih Akin: "Du hattest ein Licht in Dir, das mich immer überwältigt hat" Auch in Akins Komödie "Soul Kitchen" wirkte er 2009 mit und spielte einen exzentrischen Koch. Der Regisseur würdigte Birol Ünel am Freitag und schrieb auf Instagram: "Ruhe in Frieden, mein Freund. Du hattest ein Licht in Dir, das mich immer überwältigt hat." Schauspieler Lars Eidinger erinnerte mit einem Schwarz-Weiß-Foto an Ünel und veröffentlichte dazu symbolisch ein gebrochenes Herz. Ünel hatte 2009 seine Alkoholsucht öffentlich gemacht. Damit habe er ein Statement in einer perfektionierten Branche setzen wollen. Für die Öffentlichkeit habe er nie ein guter Junge sein wollen, sagte Ünel 2014 in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn ich ab und zu drei Tage nur saufe, will ich mich ausklinken". Er habe sich in seine Verträge schreiben lassen, "dass ich fünf Flaschen Bier pro Drehtag möchte". Am Filmset "ein Maniac" Auch am Filmset mochte er es exzessiv. "Wenn es heißt: Vier Tage Drehpause, da könnte ich ausrasten." Er sei immer voll in seiner Rolle und probe noch während der Pausen seine Texte. "Da bin ich ein Maniac." 2015 wurde durch einen Bericht der "B.Z." öffentlich, dass er zu dieser Zeit obdachlos war. Bereits die Jahre zuvor hatte Ünel keinen festen Wohnsitz und war dann aus einer WG geflogen, in der er wohnte. Geboren wurde Ünel am 18. August 1961 in der Türkei, mit 7 Jahren kam er nach Deutschland, wo er in der Nähe von Bremen aufwuchs. Seine Ausbildung zum Schauspieler machte er an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, nachdem er zunächst Parkettleger gelernt und diesem Beruf auch gearbeitet hatte. Seine erste Rolle in einem Kinofilm spielte er 1987 in "Der Passagier" an der Seite von Tony Curtis. 1997 spielte Ünel im Doku-Drama "Todesspiel" von Heinrich Breloer über die Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer durch die RAF sowie die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ einen palästinensischen Terroristen. Im Fernsehen war Ünel in Serien wie "Tatort", Der Fahnder" oder "Schimanski" zu sehen. Eine seiner jüngsten Rollen im Kino war 2015 die des Americo im Film "Ich bin dann mal weg", der auf der gleichnamigen Bestseller von Hape Kerkeling beruhte.

Bekannt aus "Gegen die Wand"Schauspieler Birol Ünel stirbt mit nur 59 Jahren Focus vom 4. September 2020

Es ist ein skurriles und zugleich bedrückendes Foto, das die „Berliner Zeitung“ (B.Z.) veröffentlicht hat: Ein Mann liegt ausgestreckt auf dem Bürgersteig am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg – unrasiert, eine Hand in den Hosenbund geschoben, die Augen geschlossen. Der etwa 50 Jahre alte Mann mit ergrauten Haaren ist jedoch kein gewöhnlicher Obdachloser, wie man auf den ersten Blick vermuten würde. Es ist „einer von Berlins Besten“, wie das Blatt titelt: Birol Ünel, 53 Jahre alt, Schauspieler. Bekannt wurde er durch seine Rolle in dem Kinofilm „Gegen die Wand“ des Regisseurs Fatih Akin aus dem Jahr 2004, der mit dem Deutschen Filmpreis prämiert wurde. In dem Drama mimt er einen lebensmüden, von Alkoholexzessen gezeichneten Mann – eine Rolle, die auch zum wahren Leben von Birol Ünel passt. Nach seinem beruflichen Aufstieg, fiel er privat tief: Ünel trinkt, neigt zu Wutausbrüchen, ist polizeibekannt. Mehrfach kassierte er bereits Strafanzeigen wegen Beamtenbeleidigung, Prügeleien und Schwarzfahrens. Weil er Geldbußen nicht fristgemäß beglich, kam er in Haft. Den Höhepunkt seines privaten Abstiegs hat nun die „B.Z.“ auf ihrer Titelseite eingefangen: Der türkischstämmige Darsteller, der schon seit Jahren keinen festen Wohnsitz mehr hat, ist nach eigenen Angaben aus seiner WG geworfen worden und seit einigen Tagen obdachlos. Bereitwillig ließ er sich von der „B.Z.“ in dieser prekären Lage ablichten. Dem Blatt soll er gesagt haben: „Druckt die Schlaf-Fotos ruhig ab, vielleicht findet sich dann was.“ Ünel gibt sich dem Bericht zufolge aber überzeugt, dass die Obdachlosigkeit nur vorübergehend ist. Er sprach sogar von neuen Jobangeboten als Schauspieler: „Ich spreche zurzeit mit einer Regisseurin. Wir drehen bald auf Mallorca oder in Santo Domingo.“ Und seine Alkoholsucht? „Ich bin zurzeit in der Reduktion, trinke maximal vier bis fünf Bier am Tag.“

SCHAUSPIELER BIROL ÜNEL: Am Boden. VON JULIAN DORN. FAZ vom11. August 2015: Seine Rolle im Drama „Gegen die Wand“ machte Birol Ünel bekannt. Privat lief es zuletzt jedoch schlecht für den Schauspieler. Jetzt soll er sogar obdachlos sein.

Bild: Er hat keine Bleibe mehr: Birol Ünel lebt zurzeit am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg auf der Straße.

Obdachlos liegt er auf der Straße – Birol Ünel war einst ein bekannter Schauspieler, für einen kurzen Moment mit „Gegen die Wand“ sogar berühmt. Doch der Bad Boy hat die Kurve einfach nicht gekriegt.

Es ist ein Bild, das einen merkwürdig berührt. Ein Mann liegt am helllichten Tag auf dem Trottoir am Kottbusser Tor. Es sieht aus, als ob er schläft. Doch irgendetwas stimmt nicht mit diesem Mann. Obdachlose suchen sich gewöhnlich eine Parkbank oder einen Hauseingang. Wer aber haut sich schon im grauen Sakko mitten auf den Bürgersteig? Wer legt seine rechte Hand auf die Brust und schiebt sich die linke halb in den Hosenbund? Es ist der Schauspieler Birol Ünel, 53. Das Bild hat etwas von einer Filmszene. Sein Foto ist auf der ersten Seite der „B.Z“ abgebildet. Ünel, so heißt es, habe nichts dagegen gehabt, dass ihn ein Reporter in der Gosse ablichtete. Im Gegenteil. Er, der schon seit Jahren bei irgendwelchen Freunden auf dem Sofa übernachtet, ist aus seiner letzten WG rausgeflogen. Er ist jetzt obdachlos und sucht dringend ein Dach über dem Kopf. Die „B.Z.“ soll ihm dabei helfen, das ist der Deal. Das Blatt zitiert ihn mit den Worten. „Druckt die Schlaf-Fotos ruhig, vielleicht findet sich dann was.“ Erinnert sich noch jemand an „Gegen die Wand“? „Hier liegt einer von Berlins Besten“, titelt das Boulevardblatt. Und das ist nur ein kleines bisschen übertrieben. Denn Ünel war nie ein Star. Er wollte auch nie einer sein, jedenfalls keiner von der Sorte, die winkend über rote Teppiche flanieren und Starreporter vom Bussi-Bussi-Blatt „Bunte“ für Homestorys in ihre Bude lassen. So etwas hätte sich nicht mit seinem Image als Bad Boy vertragen. Zudem hat Ünel seine beste Zeit schon lange hinter sich. Oder erinnert sich noch jemand an seinen beeindruckenden Auftritt als Hauptdarsteller in Fatih Akins preisgekröntem Kinofilm „Gegen die Wand“ (2004)? Es war eine Geschichte, die von der wundersamen Macht der Liebe erzählt. Ünel spielte in dem Film Cahit, unrasiert, lebensmüde, gezeichnet von den Folgen exzessiven Alkoholkonsums. Cahit will nicht mehr leben. Er ist am Ende. Er rast mit dem Auto gegen die Wand. Doch er überlebt den Suizidversuch. In der Reha lernt er Sibel (Sibel Kekilli) kennen, beide sind Deutschtürken. Sie ist jung, sexy, lebenshungrig. Sie heiraten, aber nur zum Schein, damit ihre Eltern in der Türkei Ruhe geben und sie machen kann, was sie will: „Leben, tanzen, ficken.“ Eine Rolle, angelehnt an seine Person Auf der Kinoleinwand nimmt die Geschichte kein gutes Ende. Das richtige Leben meinte es besser mit Birol Ünel. Der Film war einer der erfolgreichsten des Jahres 2004 und der Durchbruch für ihn und den Regisseur, Fatih Akin. Für die Rolle des lebensmüden Alkoholikers, den die Liebe wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft und ihn dann zerstört, gewann er den Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller. Es war eine Rolle wie geschaffen für einen Mann, von dem Kritiker sagen, ihn habe in seinen besten Momenten eine dämonische Aura umgeben, wie man sie nur von Klaus Kinski kannte, dem Bad Boy des deutschen Kinos. Aber das war eben nur die eine Seite. Diese ungeheure Wut, die sich nicht nur gegen andere, sondern auch gegen sich selber richtete. Auf der anderen Seite konnte Ünel unglaublich verletzlich sein. Es war diese Zerrissenheit, die sein Charisma ausmachte. Der zärtliche Rebell. Wer genau hinsah, ahnte vielleicht schon damals, dass der Cahit aus „Gegen die Wand“ eine Rolle war, die sich eng an seine Person anlehnte. Dass er auch im richtigen Leben gerne einen über den Durst trank, sich dann auch mal im Ton vergriff und prügelte, war bekannt. Dass er Strafanzeigen wegen Beamtenbeleidigung und Schwarzfahren kassierte und Mahnungen einfach ignorierte. Die Karriere war wieder zu Ende, als sie begonnen hatte: Beim Schauspiel war Ünel auf Umwegen gelandet. Der Vater malochte als Gastarbeiter auf einer Werft, die Mutter war Analphabetin. Ünel hatte Parkettleger gelernt, bevor er 1982 entdeckt wurde. Nach dem Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover arbeitete er mit Regisseuren wie Frank Castorf zusammen, bevor er einen Fuß in die Tür zur Filmbranche bekam. Er spielte Episodenrollen im „Tatort“ oder in „Ein Fall für zwei“, meistens Kleinkriminelle, aber herrje, Ünel liebte seinen Job. Und wer konnte das sonst schon von seiner Arbeit sagen? Man hätte Fatih Akin gern gefragt, was er in dem Schauspieler gesehen hat, als er ihn im Jahr 2000 für eine Nebenrolle in seinem Roadmovie „Im Juli“ engagierte. Und auch, was er dazu sagt, dass Ünel jetzt so tief gesunken ist, dass er auf der Straße nächtigt und einem Boulevardblatt erlaubt, das traurige Foto zu veröffentlichen, in der Hoffnung, dass jemand helfen wird. Dass Dreharbeiten mit Ünel kein Picknick waren, daraus hat Akin nie ein Geheimnis gemacht. Dass er Termine nicht eingehalten und sich nicht an Regeln gehalten habe. Dass er fünf Flaschen Bier pro Drehtag gefordert habe, so stand es in den Verträgen. Man tritt Ünel wohl nicht zu nahe, wenn man sagt, er habe sich in vielen Rollen selber gespielt. Und vielleicht erklärt das auch, warum seine Karriere in dem Moment wieder zu Ende war, in dem sie begonnen hatte. Warum er nach dem Erfolg von „Gegen die Wand“ nur noch in Nebenrollen zu sehen war. Doch Fatih Akin ist nicht erreichbar. In Berlin dreht er gerade das Roadmovie „Tschick“ nach dem gleichnamigen Bestseller des 2013 verstorbenen Schriftstellers Wolfgang Herrndorf. Man sei nicht die Erste, die ihn wegen Birol Ünel sprechen wolle, heißt es bei seiner Produktionsfirma Corazon International. Akin könnte dazu eine Menge erzählen. Aber er habe keine Zeit. Einen letzten Rest Würde bewahrt: Auch beim Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS), der Gewerkschaft der Bühnen- und Theaterschauspieler, will man den bizarren Hilferuf Ünels in der „B.Z.“ nicht kommentieren. „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu persönlichen Schicksalen“, heißt es beim BFFS. Der Fall Ünel sei zwar in gewisser Weise exemplarisch für die Branche: 70 Prozent der rund 15.000 deutschen Schauspieler verdienten weniger als 30.000 Euro brutto im Jahr, rund die Hälfte sogar weniger als 20.000 Euro brutto. Doch der Fall Ünel sei wohl eine bedauerliche Ausnahme. Wohl wahr. Dass sich Schauspieler in ihrer Not an die Öffentlichkeit wenden, ist nicht neu. Ingrid Steeger hat das getan, Martin Semmelrogge oder Horst Janson. Doch sie haben dafür die ARD-Talkshow von Sandra Maischberger gewählt und nicht die erste Seite der „B.Z.“. Und das erklärt, warum dieses Foto so berührt. Birol Ünel liegt am Boden, doch er tut so, als spiele er nur eine Rolle. Einen letzten Rest Würde hat er sich bewahrt: The show must go on.

PANORAMA. BIROL ÜNEL OBDACHLOS. Der traurige Hilferuf des Bad Boys aus „Gegen die Wand“ Die Welt vom 10.08.2015. Von Antje Hildebrandt.

Birol Ünel sitzt im Café Kotti am Kottbusser Tor. Der 50-jährige trinkt Becks, es ist früher Nachmittag. Ünel, deutscher Film- und türkischer Nationalpreisträger, hat kein Geld mehr auf dem Handy, einen Vertrag bekommt er nicht mehr. "Ich weigere mich, den Zinseszins zu zahlen", sagt er. Von der Gage seiner letzten größeren Rolle in Fatih Akins "Soul Kitchen" ist nichts mehr übrig. Seine Augen blicken freundlich aus dem zerfurchten Gesicht. Mit neun Jahren ist Birol Ünel aus Anatolien nach Brinkum bei Bremen gekommen, er nennt sich selbst einen "Assyrer". Seine Sprache ist geschliffen und wird doch immer wieder von derbem Straßenslang gebrochen. Ünel hat Theater studiert, den Nibelungen-Siegfried gespielt, dieser Junge von der Straße mit Hauptschulabschluss und Tischlerlehre, der Matthias Brandt, dem Sohn von Willy Brandt, die Wohnung renovierte. Damals, in den frühen 80ern, als die beiden gemeinsam die Schauspielschule in Hannover besuchten. "Ich kann nicht mit Geld umgehen" Ünel raucht Drehtabak, Marke "Pepe". Sein letztes Bargeld ist für Bier draufgegangen, er will nach Hause gehen. Das ist zurzeit die Couch eines befreundeten Regisseurs. Nach seinem Triumph für "Gegen die Wand" lebte er noch in einer 140-Quadratmeter-Wohnung. "Ich kann nicht mit Geld umgehen", sagt er. "Wenn ich was habe, gebe ich es aus." Birol Ünel lebt die Rolle, die ihn berühmt gemacht hat. Den impulsiven, selbstzerstörerischen, liebenswerten Säufer. Ein paar Wochen später in einem Kreuzköllner Atelier unter der Wohnung seines Gastgebers. Seine Freundin ist da, eine hübsche, etwa 30-jährige dunkelhaarige Frau, die sich nach kurzer Zeit auf Türkisch verabschiedet. Amir, ein Künstlerfreund und Drehassistent, ein bosnischstämmiger junger Mann mit wachem Gesicht, klebt mit schwarzem Tesafilm einen an die Leinwand projizierten Wladimir Putin nach. Eines dieser Propagandabilder mit nacktem Oberkörper, Jagdgewehr und Kreuzkette. Es ist dunkel draußen, Ünel trinkt Chardonnay. Er beobachtet aufmerksam die Arbeit seines Freundes, der auch ein Kumpel von Ünels 25-jährigem Sohn Rahmin ist. "Der will auch Schauspieler werden", sagt der Vater, "ich mische mich da nicht ein." Glas für Glas unberechenbarer: Ünel spricht über einen Dreh in Kalkutta, wo er einen Taxifahrer spielen soll, der Geld für seine schwer kranke Tochter zusammenbringen muss. Das Problem: Vor zwei Tagen sind ihm Pass und Kreditkarten geklaut worden, als er betrunken durch Berlin zog. Ohne Pass kein Visum für Indien. Und die spanischen Kreditkarten, die er während eines Drehs in Madrid bekam, kann er nicht sperren lassen. "Hab' die Nummern vergessen", sagt er und schenkt sich Wein nach. Und wird Glas für Glas unberechenbarer, wie Klaus Kinski kurz vorm Ausrasten. "Mach ma Deine Recherche, Digger!", er habe schließlich schon bei Heiner Müller Theater gespielt. Und wird plötzlich wieder sanft. "Ich träume davon, dass ich wie ein Maler eine Leinwand habe. Aber der Maler hat gerade keine Möglichkeit, das richtige Material zu kaufen, was er braucht, um diese Leinwand zu bearbeiten. Das Bild ist im Kopf, die Leinwand ist leer, das Bild muss raus." Ideen und Pläne, die im Alkohol zu verdunsten scheinen. Zum Abschied sagt er: "Schreib auf, dass Birol Ünel gerade Zahnschmerzen hat". Zwei Wochen später sitzt Ünel in der Ankerklause am Maybachufer. Es ist Mittag, die Frühjahrssonne scheint ihm ins vernarbte Gesicht. Die Narben stammen aus der Zeit, als er noch bei seiner Kichererbsen züchtenden Großmutter in den Bergen Anatoliens wohnte. Ein Haushaltsunfall mit heißem Öl. Magenschleimhautentzündung und Wasserbeine: Ünel geht von Bier zu Weißwein über, seine Laune ist gut, es ist besser, ihn früher am Tag zu treffen, wenn sein heller Kopf noch nüchtern ist. Die spanischen Kreditkarten hat er immer noch nicht sperren lassen. "Ich weiß die Nummern nicht, mach' ich morgen", sagt er, wie schon Wochen zuvor. Um sein Konto scheint er sich nicht zu sorgen, so lange die Euros für Tabak und Alkohol reichen. Die letzte Zeit hat er im Krankenhaus verbracht. Magenschleimhautentzündung und Wasserbeine, vom Trinken. Jetzt geht es schon wieder. Ünel hat neue Pläne, er sagt, er arbeite an einer Theaterumsetzung der Geschichte Kasper Hausers. "Wie er aus einzelnen assoziativen Begriffen einen Satz formt", sagt er "wie er sich dann doch ausdrücken kann, wie er aus einzelnen Fragmenten seine Persönlichkeit formt, finde ich sehr bemerkenswert." Bis zu seinem Studium hat Birol Ünel nur "Perry Rhodan"-Groschenromane gelesen. Im norddeutschen Kaff waren die Ünels die einzigen Türken, der Vater arbeitete als Schiffstechniker in einer Werft, die Mutter war Analphabetin. Später, so seine Legende, kamen Gaukler ins Dorf, die Ünels Talent erkannten und ihn an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover anmeldeten. Drei Gläser später sind Ünels Gedankenkreise bei Christian Wulff gelandet und dessen Rede über den Islam, die bei Teilen der türkischen Community gut angekommen ist. "Gutmenschen-Themen", sagt er, Propaganda für die "armen, armen Ausländer. So arm sind wir nicht! Wenn wir alle weg wären, würde die deutsche Wirtschaft in den Orkus fahren!" Ünel will nicht nach Almosen betteln. Stolz, wie er ist, und kampfeslustig, wenn er für etwas brennt. Ünel war deutscher Jugendmeister im Shotokan-Karate, prügelte sich als junger Mann mit Rechtsradikalen in Hannover, die das linke "Musiktheater BAT" überfielen, wo er als Türsteher arbeitete. Das Geld fehlt: Es gibt einen Charakterzug, der ihn an seinen Landsleuten in Deutschland besonders stört. Das "Nede yelesh ode belesh", wie er es auf Türkisch nennt. Aus dem Leid eines Anderen Nutzen zu ziehen. "In Deutschland sagt man ‚Leichenfledderei'. Das ist schon ein sehr hartes Reglement innerhalb der türkischen Gemeinschaft, wenn einer abkacken geht, wird er gerupft. Ich hasse das", sagt er, verzieht dabei die Mundwinkel. Als hätte er es am eigenen Leib erfahren. Die geplante Reise zum Dreh nach Kalkutta wurde schon zweimal verschoben, der indische Produzent vertröstet und vertröstet ihn, trotz böser E-Mails, die Ünel ihm geschrieben hat. Das Geld fehlt. Aber es gibt auch gute Neuigkeiten. Es soll eine neue Zusammenarbeit mit Fatih Akin geben, sagt Ünel. Wird es vielleicht wieder so ein Erfolg wie "Gegen die Wand"? "Es geht um ein Epos von Yilmaz Güney, einem türkischen Filmemacher, den soll ich verkörpern. Es soll eine internationale Produktion werden, ein Politikum." Vielleicht kann Ünel noch einmal seine Energie auf die Leinwand bringen, ihm und dem deutschen Film wäre es zu wünschen. Erst mal holt er sich ein neues Glas Wein.

LEUTE. BIROL ÜNEL. Vom Star zum selbstzerstörerischen, sanften Säufer. Die Welt vom 06.06.2012. Von Til Biermann. - Bild: Birol Ünel hält Hof in der Ankerklause. Seine Tage verlebt er in den Bars und Cafés der Hauptstadt - Schauspieler Birol Ünel lebt in Berlin die Rolle, die ihn berühmt gemacht hat. Vor acht Jahren gewann er den Deutschen Filmpreis für "Gegen die Wand". Aber der Ruhm ist abgeblättert.

--Methodios (Diskussion) 21:48, 7. Sep. 2020 (CEST)[Beantworten]