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Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Vorlesung 66/latex

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\setcounter{section}{66}

Es ist unser Ziel zu zeigen, dass auf der Produktmenge von Maßräumen unter recht allgemeinen Voraussetzungen ein Maß definiert ist, das durch die Produktwerte auf den Quadern festgelegt ist. Dafür gehen wir den Weg über den Produkt-Präring.






\zwischenueberschrift{Produkt-Präringe}




\inputdefinition
{}
{

Es seien
\mathl{(M_1, {\mathcal P }_1) , \ldots , (M_n, {\mathcal P }_n)}{} Mengen mit darauf erklärten \definitionsverweis {Präringen}{}{.} Dann nennt man den von allen \definitionsverweis {Quadern}{}{}
\mathdisp {S_1 \times \cdots \times S_n \text{ mit } S_i \in {\mathcal P }_i \text { für alle } i =1 , \ldots , n} { }
\definitionsverweis {erzeugten Präring}{}{} den \definitionswort {Produkt-Präring}{} der
\mathbed {(M_i, {\mathcal P }_i)} {}
{i = 1 , \ldots , n} {}
{} {} {} {.}

}





\inputfaktbeweis
{Produktmenge/Endlich/Quaderbeschreibung des Produkt-Präringes/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{(M_1, {\mathcal P }_1) , \ldots , (M_n, {\mathcal P }_n)}{} Mengen mit darauf erklärten \definitionsverweis {Präringen}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besteht der \definitionsverweis {Produkt-Präring}{}{} aus allen endlichen \definitionsverweis {disjunkten Vereinigungen}{}{} von \definitionsverweis {Quadern}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Quader
\mathl{S_1 \times \cdots \times S_n}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ S_i }
{ \in }{ {\mathcal P_i } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gehören zum Produkt-Präring, und damit auch endliche Vereinigungen davon. \teilbeweis {Wir müssen also zeigen, dass das angegebene Mengensystem ${\mathcal H }$ \zusatzklammer {das aus den endlichen disjunkten Vereinigungen von Quadern besteht} {} {} ein \definitionsverweis {Präring}{}{} ist.\leerzeichen{}}{Wir beschränken uns dabei auf den Fall von zwei Mengen \mathkor {} {(M, {\mathcal P })} {und} {(N, {\mathcal R })} {,} der allgemeine Fall folgt daraus durch Induktion.\leerzeichen{}}{}
{Die leere Menge ist als leerer Quader in ${\mathcal H }$ enthalten. \teilbeweis {}{}{}
{Wir diskutieren zunächst die Mengenoperationen für zwei Quader \mathkor {} {S_1 \times T_1} {und} {S_2 \times T_2} {.} Der Durchschnitt davon ist gleich
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (S_1 \times T_1) \cap (S_2 \times T_2) }
{ = }{ (S_1 \cap S_2) \times (T_1 \cap T_2) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} also wieder ein Quader. Für die Vereinigung gilt
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ (S_1 \times T_1) \cup (S_2 \times T_2) }
{ =} { ((S_1 \setminus S_2) \times T_1) \uplus ((S_1 \cap S_2) \times (T_1 \cup T_2)) \uplus ((S_2 \setminus S_1) \times T_2) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{,} was eine endliche disjunkte Vereinigung aus Quadern ist. Für die Differenzmenge ist
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ (S_1 \times T_1) \setminus (S_2 \times T_2) }
{ =} { ((S_1 \setminus S_2 ) \times T_1) \uplus ((S_1 \cap S_2 ) \times (T_1 \setminus T_2) ) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ebenfalls eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Es seien nun zwei disjunkte endliche Vereinigungen von Quadern, \mathkor {} {V_1 = \biguplus_{i \in I} Q_i} {und} {V_2 = \biguplus_{j \in J} L_j} {,} gegeben. Dann ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ V_1 \setminus V_2 }
{ =} { { \left( \biguplus_{i \in I} Q_i \right) } \setminus { \left( \biguplus_{j \in J} L_j \right) } }
{ =} { \biguplus_{i \in I} { \left( Q_i \setminus { \left( \biguplus_{j \in J} L_j \right) } \right) } }
{ =} { \biguplus_{i \in I} { \left( { \left( Q_i \setminus L_{j_0} \right) } \setminus { \left( \biguplus_{j \in J,\, j \neq j_0} L_j \right) } \right) } }
{ } { }
} {} {}{.} Nach der obigen Überlegung ist
\mathl{Q_i \setminus L_{j_0}}{} für jedes $i$ eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern. Diese kann man zu einer disjunkten Vereinigung von kleineren Quadern über eine größere Indexmenge $I'$ zusammenfassen. Die Behauptung folgt somit durch Induktion über die Anzahl von $J$. Für die Vereinigung ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ V_1 \cup V_2 }
{ =} { { \left( \biguplus_{i \in I} Q_i \right) } \cup { \left( \biguplus_{j \in J} L_j \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{} eine endliche Vereinigung von Quadern. Durch Induktion über die Anzahl der Quader kann man unter Verwendung der obigen Überlegung für zwei Quader zeigen, dass man dies auch als eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern darstellen kann.}
{}}
{}

}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Simple_set1.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Simple set1.png } {} {Oleg Alexandrov} {Commons} {PD} {}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Simple_set2.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Simple set2.png } {} {Oleg Alexandrov} {Commons} {PD} {}











Der obige Beweis beeinhaltet insbesondere, dass man jede endliche Vereinigung von Quadern als eine endliche disjunkte Vereinigung schreiben kann.






\zwischenueberschrift{Produktmaße}


\inputfaktbeweis
{Produktmenge/Endlich/Produkt-Prämaß/Wohldefiniertheit/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{(M_1, {\mathcal P }_1, \mu_1) , \ldots , (M_n, {\mathcal P }_n, \mu_n)}{} Mengen mit darauf erklärten \definitionsverweis {Präringen}{}{} und \definitionsverweis {Prämaßen}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Die für eine endliche \definitionsverweis {disjunkte Vereinigung}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ V }
{ =} { \biguplus_{i \in I} Q_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} von \definitionsverweis {Quadern}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q_i }
{ = }{ S_{i1} \times \cdots \times S_{in} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {wobei die Seiten endliches Maß haben} {} {} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(V) }
{ =} { \sum_{i \in I} \mu(Q_i) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu(Q_i) }
{ = }{ \mu_1(S_{i1}) { \cdots } \mu_n (S_{in}) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte Zahl ist unabhängig von der gewählten Zerlegung. } {Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu_i(M_i) }
{ < }{ \infty }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {insbesondere sei dies definiert} {} {.} Dann ist die Zuordnung
\mathl{V \mapsto \mu(V)}{} ein \definitionsverweis {Prämaß}{}{} auf dem \definitionsverweis {Produkt-Präring}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{Wir beschränken uns im Beweis auf zwei Mengen \mathkor {} {(M, {\mathcal P } , \pi)} {und} {(N, {\mathcal R } , \rho)} {,} die allgemeine Aussage folgt daraus durch Induktion. \teilbeweis {}{}{}
{Seien
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{V }
{ =} {\biguplus_{i \in I} Q_i }
{ =} {\biguplus_{j \in J} L_j }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} zwei Darstellungen einer Menge $V$ als endliche disjunkte Vereinigung von Quadern. Wir müssen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\sum_{i \in I} \mu(Q_i) }
{ = }{\sum_{j \in J} \mu(L_j) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zeigen. Für jeden Quader $Q_i$ ist insbesondere
\mathl{Q_i \subseteq \bigcup_{j \in J} L_j}{.} Damit ist auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{Q_i }
{ =} {Q_i \cap (\biguplus_{j \in J} L_j) }
{ =} {\biguplus_{j \in J} (Q_i \cap L_j) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir können nach Lemma 66.2 die Durchschnitte rechts als endliche disjunkte Vereinigung von Quadern schreiben. Damit erhalten wir eine dritte Darstellung von $V$, die beide Darstellungen verfeinert. Daher können wir gleich annehmen, dass jedes $L_j$ Teilmenge eines $Q_i$ ist. Dann ist insbesondere
\mathl{Q_i =\biguplus_{j \in J_i} L_{j}}{} mit einer gewissen Teilmenge
\mathl{J_i \subseteq J}{,} wobei die $J_i$ für verschiedene $i$ disjunkt sind. Es genügt also, für einen Quader
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ Q }
{ =} {A \times B }
{ =} {\biguplus_{j \in J} L_j }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die Gleichheit
\mathl{\mu(Q)=\sum_{j \in J} \mu(L_j)}{} zu zeigen. Da $J$ endlich ist, sind überhaupt nur endlich viele Seiten $S_j$ aus ${\mathcal P }$ und $T_j$ aus ${\mathcal R }$ an diesen überdeckenden Quadern beteiligt. Aus diesen Seiten kann man ein Mengensystem
\mathl{{\mathcal S }}{} bilden, das aus allen möglichen Durchschnitten der $S_j$ und ihrer Komplemente
\mathl{A \setminus S_j}{} besteht, und ein Mengensystem
\mathl{{\mathcal T }}{} bilden, das aus allen möglichen Durchschnitten der $T_j$ und ihrer Komplemente
\mathl{B \setminus T_j}{} besteht. Diese Mengen seien mit
\mathbed {S_\lambda} {}
{\lambda \in \Lambda} {}
{} {} {} {,} und
\mathbed {T_\gamma} {}
{\gamma \in \Gamma} {}
{} {} {} {,} bezeichnet. Damit kann man jeden Quader
\mathl{L_j}{} als eine endliche disjunkte Vereinigung aus Quadern der Form
\mathl{S_\lambda \times T_\gamma}{} schreiben \zusatzklammer {das bedeutet, dass wir ein \anfuehrung{Raster}{} einführen} {} {,} und jeder dieser Quader kommt in genau einem $L_j$ vor. Insgesamt ergibt sich
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{\mu(Q) }
{ =} { \pi (A) \cdot \rho (B) }
{ =} { \pi ( \biguplus_{\lambda \in \Lambda} S_\lambda ) \cdot \rho (\biguplus_{ \gamma \in \Gamma } T_\gamma) }
{ =} { ( \sum_{\lambda \in \Lambda} \pi (S_\lambda ) ) \cdot (\sum_{ \gamma \in \Gamma } \rho( T_\gamma)) }
{ =} { \sum_{ (\lambda, \gamma) \in \Lambda \times \Gamma } \pi (S_\lambda) \cdot \rho (T_\gamma) }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} {\sum_{ (\lambda, \gamma) \in \Lambda \times \Gamma } \mu (S_\lambda \times T_\gamma) }
{ =} { \sum_{j \in J} \mu(L_j ) }
{ } {}
{ } {}
}{}{}}
{}

\teilbeweis {}{}{}
{(2). Produktmenge/Endlich/Produkt-Prämaß/Wohldefiniertheit/Eigenschaften/Teil 2/Fakt Beweis}
{}}





\inputfaktbeweis
{Maßtheorie/Existenz/Produktmaß/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es seien $n$ $\sigma$-\definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {Maßräume}{}{}
\mathl{(M_1, {\mathcal A }_1, \mu_1) , \ldots , (M_n, {\mathcal A }_n, \mu_n)}{} gegeben.}
\faktfolgerung {Dann gibt es genau ein \zusatzklammer {$\sigma$-endliches} {} {} Maß $\mu$ auf der \definitionsverweis {Produkt}{}{-}$\sigma$-\definitionsverweis {Algebra}{}{}
\mathl{{\mathcal A }_1 \otimes_{ } \cdots \otimes_{ } {\mathcal A }_n}{,} das für alle messbaren Quader \zusatzklammer {deren Seiten endliches Maß besitzen} {} {} den Wert
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(T_1 \times \cdots \times T_n ) }
{ =} { \mu_1(T_1) { \cdots } \mu_n(T_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir beschränken uns auf den Fall von zwei $\sigma$-endlichen Maßräu\-men \mathkor {} {(M, {\mathcal A } ,\pi)} {und} {(N, {\mathcal B } ,\rho)} {.} Es seien \mathkor {} {M_n,\, n \in \N,} {bzw.} {N_n, \, n \in \N,} {} jeweils Ausschöpfungen der Räume durch Teilmengen mit endlichem Maß. \teilbeweis {}{}{}
{Die Eindeutigkeit folgt aus Satz 64.7, da das Maß auf dem durchschnittsstabilen Erzeugendensystem aller Quader festgelegt ist, und die Mengen
\mathbed {M_n \times N_n} {}
{n \in \N} {}
{} {} {} {,} eine Ausschöpfung des Produktraumes mit endlichem Maß bilden.}
{}

\teilbeweis {}{}{}
{Zur Existenz. \teilbeweis {}{}{}
{Wir ersetzen zuerst die Ausschöpfungen durch disjunkte Vereinigungen, indem wir
\mathl{M_n \setminus M_{n-1}}{} statt $M_n$ betrachten. Dann bilden die
\mathbed {M_i \times N_j} {}
{(i,j) \in \N \times \N} {}
{} {} {} {,} eine disjunkte Vereinigung von
\mathl{M \times N}{.} Da ein Maß nach Aufgabe ***** durch die Einschränkungen auf einer abzählbaren disjunkten Vereinigung eindeutig bestimmt ist, genügt es, auf jedem
\mathl{M_i \times N_j}{} ein Maß zu konstruieren. D.h. wir können annehmen, dass die Maße \mathkor {} {\pi} {und} {\rho} {} \definitionsverweis {endlich}{}{} sind.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Es sei ${\mathcal H }$ der \definitionsverweis {Produkt-Präring}{}{} auf
\mathl{M \times N}{.} Nach Lemma 66.3 gibt es auf diesem Mengensystem ein wohldefiniertes \definitionsverweis {Prämaß}{}{,} das auf den Quadern durch das Produkt der Seitenmaße gegeben ist.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Aufgrund von Satz 65.7 kann man dieses Prämaß zu einem Maß auf der $\sigma$-Algebra
\mathl{{\mathcal A } \otimes {\mathcal B }}{} fortsetzen.}
{}}
{}

}





\inputdefinition
{}
{

Es seien
\mathl{(M_1, {\mathcal A }_1, \mu_1) , \ldots , (M_n, {\mathcal A }_n, \mu_n)}{} $\sigma$-\definitionsverweis {endliche Maß\-räume}{}{.} Dann nennt man das in Lemma 66.3 und Satz 66.4 konstruierte \definitionsverweis {Maß}{}{} das \definitionswort {Produktmaß}{} auf
\mathl{M_1 \times \cdots \times M_n}{.} Es wird mit
\mathl{\mu_1 \otimes_{ } \cdots \otimes_{ } \mu_n}{} bezeichnet.

}


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