Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2019-2020)/Teil I/Vorlesung 23/latex

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\setcounter{section}{23}


\epigraph { Man gibt seine Kinder auf die Schule, daß sie still werden, auf die Hochschule, daß sie laut werden. } { Jean Paul (1763-1825) }

Die Lösungsmenge eines homogenen linearen Gleichungssystems in $n$ Variablen über einem Körper $K$ ist ein Untervektorraum des $K^n$. Häufig wird dieser Lösungsraum durch die Menge aller \anfuehrung{Linearkombinationen}{} von endlich vielen (besonders einfachen) Lösungen beschrieben. In dieser Vorlesung entwickeln wir die dazu notwendigen Begriffe.






\zwischenueberschrift{Erzeugendensysteme}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {VectorGenerado.gif} }
\end{center}
\bildtext {Die von zwei Vektoren $v_1$ und $v_2$ erzeugte Ebene besteht aus allen Linearkombinationen
\mathl{u=xv_1+yv_2}{.}} }

\bildlizenz { VectorGenerado.gif } {} {Marianov} {Commons} {PD} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} eine Familie von Vektoren in $V$. Dann heißt der Vektor
\mathdisp {s_1v_1+s_2v_2 + \cdots + s_nv_n \text{ mit } s_i \in K} { }
eine \definitionswort {Linearkombination}{} dieser Vektoren \zusatzklammer {zum \stichwort {Koeffiziententupel} {} $(s_1 , \ldots , s_n)$} {} {.}

}

Zwei unterschiedliche Koeffiziententupel können denselben Vektor definieren.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Dann heißt eine Familie
\mathbed {v_i \in V} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} ein \definitionswort {Erzeugendensystem}{} von $V$, wenn man jeden Vektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ \in }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als\zusatzfussnote {Es bedeutet keinen Verständnisverlust, wenn man hier nur endliche Familien betrachtet. Das Summenzeichen über eine endliche Indexmenge bedeutet einfach, dass alle Elemente der Familie aufzusummieren sind} {.} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{v }
{ =} {\sum_{j \in J} s_j v_j }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer endlichen Teilfamilie
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{J }
{ \subseteq }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_j }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} darstellen kann.

}

Im $K^n$ bilden die Standardvektoren
\mathbed {e_i} {}
{1 \leq i \leq n} {}
{} {} {} {,} ein Erzeugendensystem. Im Polynomring
\mathl{K[X]}{} bilden die Potenzen
\mathbed {X^n} {}
{n \in \N} {}
{} {} {} {,} ein \zusatzklammer {unendliches} {} {} Erzeugendensystem.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Zu einer Familie
\mathbed {v_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} setzt man
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \langle v_i ,\, i \in I \rangle }
{ =} { { \left\{ \sum_{i \in J} s_i v_i \mid s_i \in K , \, J \subseteq I \text{ endliche Teilmenge} \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und nennt dies den von der Familie \definitionswort {erzeugten}{} oder \definitionswort {aufgespannten Untervektorraum}{.}

}

Der von der leeren Menge erzeugte Untervektorraum ist der Nullraum\zusatzfussnote {Dies kann man als Definition nehmen oder aber aus der Definition ableiten, wenn man die Konvention berücksichtigt, dass die leere Summe gleich $0$ ist} {.} {.} Dieser wird ebenso von der $0$ erzeugt. Zu einem einzigen Vektor $v$ besteht der aufgespannte Raum aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Kv }
{ = }{ { \left\{ s v \mid s \in K \right\} } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist dies eine \stichwort {Gerade} {,} was wir im Rahmen der Dimensionstheorie noch präzisieren werden. Bei zwei Vektoren \mathkor {} {v} {und} {w} {} hängt die \anfuehrung{Gestalt}{} des aufgespannten Raumes davon ab, wie die beiden Vektoren sich zueinander verhalten. Wenn sie beide auf einer Geraden liegen, d.h. wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{s v }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt, so ist $w$ überflüssig und der von den beiden Vektoren erzeugte Untervektorraum stimmt mit dem von $v$ erzeugten Untervektorraum überein. Wenn dies nicht der Fall ist \zusatzklammer {und \mathkor {} {v} {und} {w} {} nicht $0$ sind} {} {,} so erzeugen die beiden Vektoren eine \anfuehrung{Ebene}{.}

Wir fassen einige einfache Eigenschaften für Erzeugendensysteme und Unterräume zusammen.

\inputfaktbeweis
{Vektorraum/Erzeugendensystem und aufgespannter Unterraum/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Zu einer Familie
\mathbed {v_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} von Elementen in $V$ ist der \definitionsverweis {erzeugte Untervektorraum}{}{} ein Untervektorraum\zusatzfussnote {In der Bezeichnung \anfuehrung{erzeugter Untervektorraum}{} wurde diese Eigenschaft schon vorweg genommen} {.} {} von $V$. } {Die Familie
\mathbed {v_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} ist genau dann ein Erzeugendensystem von $V$, wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \langle v_i ,\, i\in I \rangle }
{ =} { V }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 23.3. }







\zwischenueberschrift{Lineare Unabhängigkeit}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Dann heißt eine Familie von Vektoren
\mathbed {v_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} \zusatzklammer {mit einer beliebigen endlichen Indexmenge $I$} {} {} \definitionswort {linear unabhängig}{,} wenn eine Gleichung
\mathdisp {\sum_{i \in I} s_i v_i =0 \text{ mit } s_i \in K} { }
nur bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_i }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle $i$ möglich ist.

} Wenn eine Familie nicht linear unabhängig ist, so nennt man sie \stichwort {linear abhängig} {.} Man nennt übrigens eine Linearkombination
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{i \in I} s_i v_i }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \stichwort {Darstellung des Nullvektors} {.} Sie heißt die \stichwort {triviale Darstellung} {,} wenn alle Koeffizienten $s_i$ gleich $0$ sind, andernfalls, wenn also mindestens ein Koeffizient nicht $0$ ist, spricht man von einer \stichwort {nichttrivialen Darstellung der Null} {.} Eine Familie von Vektoren ist genau dann linear unabhängig, wenn man mit ihnen nur auf die triviale Art den Nullvektor darstellen kann. Dies ist auch äquivalent dazu, dass man keinen Vektor aus der Familie als Linearkombination der anderen ausdrücken kann.




\inputbeispiel{}
{

Die \definitionsverweis {Standardvektoren}{}{} im $K^n$ sind \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{.} Eine Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\sum_{i = 1}^n s_i e_i }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bedeutet ja einfach
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ s_1 \begin{pmatrix} 1 \\0\\ \vdots\\0 \end{pmatrix} + s_2 \begin{pmatrix} 0 \\1\\ \vdots\\0 \end{pmatrix} + \cdots + s_n \begin{pmatrix} 0 \\0\\ \vdots\\1 \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} 0 \\0\\ \vdots\\0 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} woraus sich aus der $i$-ten Zeile direkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_i }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ergibt.


}




\inputbeispiel{}
{

Die drei Vektoren \mathlistdisp {\begin{pmatrix} 3 \\3\\ 3 \end{pmatrix}} {} {\begin{pmatrix} 0 \\4\\ 5 \end{pmatrix}} {und} {\begin{pmatrix} 4 \\8\\ 9 \end{pmatrix}} {} sind \definitionsverweis {linear abhängig}{}{.} Es ist nämlich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 4 \begin{pmatrix} 3 \\3\\ 3 \end{pmatrix} + 3 \begin{pmatrix} 0 \\4\\ 5 \end{pmatrix} -3 \begin{pmatrix} 4 \\8\\ 9 \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} 0 \\0\\ 0 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine nichttriviale Darstellung des Nullvektors.


}


\inputfaktbeweis
{Linear unabhängig/Einfache Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} und
\mathbed {v_{ i }} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} eine Familie von Vektoren in $V$.}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungsechs{Wenn die Familie \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{} ist, so ist auch zu jeder Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{J }
{ \subseteq }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Familie
\mathbed {v_i} {,}
{i \in J} {}
{} {} {} {,} linear unabhängig. }{Die leere Familie ist linear unabhängig. }{Wenn die Familie den Nullvektor enthält, so ist sie nicht linear unabhängig. }{Wenn in der Familie ein Vektor mehrfach vorkommt, so ist sie nicht linear unabhängig. }{Ein einzelner Vektor $v$ ist genau dann linear unabhängig, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. }{Zwei Vektoren \mathkor {} {v} {und} {u} {} sind genau dann linear unabhängig, wenn weder $u$ ein skalares Vielfaches von $v$ ist noch umgekehrt. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 23.9. }







\inputbemerkung
{}
{

Die Vektoren
\mathl{v_1 = \begin{pmatrix} a_{11} \\\vdots\\ a_{m1} \end{pmatrix} , \ldots , v_n = \begin{pmatrix} a_{1n} \\\vdots\\ a_{mn} \end{pmatrix} \in K^m}{} sind genau dann \definitionsverweis {linear abhängig}{}{,} wenn das \definitionsverweis {homogene lineare Gleichungssystem}{}{}
\mathdisp {\begin{matrix} a _{ 1 1 } x _1 + a _{ 1 2 } x _2 + \cdots + a _{ 1 n } x _{ n } & = & 0 \\ a _{ 2 1 } x _1 + a _{ 2 2 } x _2 + \cdots + a _{ 2 n } x _{ n } & = & 0 \\ \vdots & \vdots & \vdots \\ a _{ m 1 } x _1 + a _{ m 2 } x _2 + \cdots + a _{ m n } x _{ n } & = & 0 \end{matrix}} { }
eine nichttriviale \zusatzklammer {d.h. von $0$ verschiedene} {} {} Lösung besitzt.

}






\zwischenueberschrift{Basen}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Dann heißt ein \definitionsverweis {linear unabhängiges}{}{} \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{}
\mathbed {v_i \in V} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} von $V$ eine \definitionswort {Basis}{} von $V$.

}




\inputbeispiel{}
{

Die \definitionsverweis {Standardvektoren}{}{} im $K^n$ bilden eine \definitionsverweis {Basis}{}{.} Die \definitionsverweis {lineare Unabhängigkeit}{}{} wurde in Beispiel 23.6 gezeigt. Um zu zeigen, dass auch ein \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{} vorliegt, sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{v }
{ =} { \begin{pmatrix} b_1 \\b_2\\ \vdots\\b_n \end{pmatrix} }
{ \in} { K^n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ein beliebiger Vektor. Dann ist aber direkt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{v }
{ =} { \sum_{i = 1}^n b_i e_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Also liegt eine Basis vor, die man die \stichwort {Standardbasis} {} des $K^n$ nennt.


}





\inputfaktbeweisnichtvorgefuehrt
{Vektorraum/Charakterisierungen von Basis/Maximal/Minimal/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v_1 , \ldots , v_n }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Familie von Vektoren.}
\faktuebergang {Dann sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungvier{Die Familie ist eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $V$. }{Die Familie ist ein minimales \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{,} d.h. sobald man einen Vektor $v_i$ weglässt, liegt kein Erzeugendensystem mehr vor. }{Für jeden Vektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{u }
{ \in }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es genau eine Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{u }
{ =} { s_1 v_1 + \cdots + s_n v_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Die Familie ist maximal \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{,} d.h. sobald man irgendeinen Vektor dazunimmt, ist die Familie nicht mehr linear unabhängig. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir führen einen Ringschluss durch. $(1) \Rightarrow (2)$. Die Familie ist ein Erzeugendensystem. Nehmen wir einen Vektor, sagen wir $v_1$, aus der Familie heraus. Wir müssen zeigen, dass dann die verbleibende Familie, also
\mathl{v_2 , \ldots , v_n}{} kein Erzeugendensystem mehr ist.  Wenn sie ein Erzeugendensystem wäre, so wäre insbesondere $v_1$ als \definitionsverweis {Linearkombination}{}{} der Vektoren darstellbar, d.h. man hätte
\mathdisp {v_1= \sum_{i=2}^n s_i v_i} { . }
Dann ist aber
\mathdisp {v_1- \sum_{i=2}^n s_i v_i = 0} { }
eine nichttriviale Darstellung der $0$, im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der Familie. $(2) \Rightarrow (3)$. Nach Voraussetzung ist die Familie ein Erzeugendensystem, so dass sich jeder Vektor als Linearkombination darstellen lässt.  Angenommen, es gibt für ein
\mathl{u \in V}{} eine mehrfache Darstellung, d.h.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{u }
{ =} {\sum_{i = 1}^n s_i v_i }
{ =} {\sum_{i = 1}^n t_i v_i }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei mindestens ein Koeffizient verschieden sei. Ohne Einschränkung sei
\mathl{s_1 \neq t_1}{.} Dann erhält man die Beziehung
\mathdisp {(s_1 - t_1)v_1 = \sum_{i=2}^n (t_i- s_i) v_i} { . }
Wegen
\mathl{s_1 - t_1 \neq 0}{} kann man durch diese Zahl dividieren und erhält eine Darstellung von $v_1$ durch die anderen Vektoren. Nach Aufgabe 23.3 ist auch die Familie ohne $v_1$ ein Erzeugendensystem von $V$, im Widerspruch zur Minimalität. $(3) \Rightarrow (4)$. Wegen der eindeutigen Darstellbarkeit besitzt insbesondere der Nullvektor nur die triviale Darstellung, d.h. die Vektoren sind \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{.} Nimmt man einen Vektor $u$ hinzu, so besitzt dieser eine Darstellung
\mathdisp {u= \sum_{i=1}^n s_i v_i} { }
und daher ist
\mathdisp {0= u- \sum_{i=1}^n s_i v_i} { }
eine nichttriviale Darstellung der $0$, so dass die verlängerte Familie
\mathl{u,v_1 , \ldots , v_n}{} nicht linear unabhängig ist. $(4) \Rightarrow (1)$. Die Familie ist linear unabhängig, wir müssen zeigen, dass sie auch ein Erzeugendensystem bildet. Es sei dazu
\mathl{u \in V}{.} Nach Voraussetzung ist die Familie
\mathl{u,v_1 , \ldots , v_n}{} nicht linear unabhängig, d.h. es gibt eine nichttriviale Darstellung
\mathdisp {0= s u + \sum_{i=1}^n s_iv_i} { . }
Dabei ist
\mathl{s \neq 0}{,} da andernfalls dies eine nichttriviale Darstellung der $0$ allein mit den linear unabhängigen Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} wäre. Daher können wir
\mathdisp {u= - \sum _{i=1}^n \frac{ s_i}{ s } v_i} { }
schreiben, so dass eine Darstellung von $u$ möglich ist.

}







\inputbemerkung
{}
{

Es sei eine \definitionsverweis {Basis}{}{}
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} eines $K$-\definitionsverweis {Vektorraums}{}{} $V$ gegeben. Aufgrund von Satz 23.12  (3) bedeutet dies, dass es für jeden Vektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{u }
{ \in }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine eindeutig bestimmte Darstellung \zusatzklammer {eine \definitionsverweis {Linearkombination}{}{}} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{u }
{ =} {s_1 v_1 + s_2 v_2 + \cdots + s_n v_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt. Die dabei eindeutig bestimmten Elemente
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s_i }
{ \in }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {Skalare} {} {} heißen die \stichwort {Koordinaten} {} von $u$ bezüglich der gegebenen Basis. Bei einer gegebenen Basis entsprechen sich also die Vektoren aus $V$ und die Koordinatentupel
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (s_1,s_2 , \ldots , s_n) }
{ \in }{ K^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Man sagt, dass eine Basis ein \stichwort {lineares Koordinatensystem} {} festlegt\zusatzfussnote {Lineare Koordinaten vermitteln also eine bijektive Beziehung zwischen Punkten und Zahlentupeln. Aufgrund der Linearität ist eine solche Bijektion mit der Addition und der Skalarmultiplikation verträglich. In vielen anderen Kontexten spielen auch nichtlineare (oder krummlinige) Koordinaten eine wichtige Rolle. Auch diese setzen Raumpunkte mit Zahlentupeln in eine bijektive Verbindung. Wichtige nichtlineare Koordinaten sind u.A. Polarkoordinaten, Zylinderkoordinaten und Kugelkoordinaten. Mathematische Probleme können häufig durch eine geeignete Wahl von Koordinaten vereinfacht werden, beispielsweise bei Volumenberechnungen.} {} {.}

}





\inputfaktbeweis
{Vektorraum/Endlich erzeugt/Basis/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} mit einem endlichen \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besitzt $V$ eine endliche \definitionsverweis {Basis}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathbed {v_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} ein Erzeugendensystem von $V$ mit einer \definitionsverweis {endlichen}{}{} Indexmenge $I$. Wir wollen mit der Charakterisierung aus Satz 23.12  (2) argumentieren. \fallunterscheidungzwei {Falls die Familie schon minimal ist, so liegt eine Basis vor.}
{Andernfalls gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{k }
{ \in }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass die um $v_k$ reduzierte Familie, also
\mathbed {v_i} {}
{i \in I \setminus \{k\}} {}
{} {} {} {,} ebenfalls ein Erzeugendensystem ist. In diesem Fall kann man mit der kleineren Indexmenge weiterargumentieren.}
Mit diesem Verfahren gelangt man letztlich zu einer Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{J }
{ \subseteq }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass
\mathbed {v_i} {}
{i \in J} {}
{} {} {} {,} ein minimales Erzeugendensystem, also eine Basis ist.

}







\zwischenueberschrift{Dimensionstheorie}

Ein endlich erzeugter Vektorraum hat im Allgemeinen ganz unterschiedliche Basen. Allerdings ist die Anzahl der Elemente in einer Basis stets konstant und hängt nur vom Vektorraum ab. Diese wichtige Eigenschaft werden wir jetzt formulieren und als Ausgangspunkt für die Definition der Dimension eines Vektorraums nehmen.





\inputfaktbeweisnichtvorgefuehrt
{Vektorraum/Endlich erzeugt/Länge von jeder Basis/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} mit einem endlichen \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besitzen je zwei \definitionsverweis {Basen}{}{} von $V$ die gleiche Anzahl von Basisvektoren.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es seien
\mathl{\mathfrak{ b } =b_1 , \ldots , b_n}{} und
\mathl{\mathfrak{ u }=u_1 , \ldots , u_k}{} zwei Basen von $V$. Aufgrund des Basisaustauschsatzes, angewandt auf die Basis $\mathfrak{ b }$ und die linear unabhängige Familie $\mathfrak{ u }$ ergibt sich
\mathl{k \leq n}{.} Wendet man den Austauschsatz umgekehrt an, so folgt
\mathl{n \leq k}{,} also insgesamt
\mathl{n=k}{.}

}


Dieser Satz erlaubt die folgende Definition.


\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} mit einem endlichen \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{.} Dann nennt man die Anzahl der Vektoren in einer \definitionsverweis {Basis}{}{} von $V$ die \definitionswort {Dimension}{} von $V$, geschrieben
\mathdisp {\operatorname{dim}_{ } { \left( V \right) }} { . }

}

Wenn ein Vektorraum nicht endlich erzeugt ist, so setzt man
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{dim}_{ } { \left( V \right) } }
{ = }{ \infty }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Der Nullraum $0$ hat die Dimension $0$. Einen eindimensionalen Vektorraum nennt man auch eine \stichwort {Gerade} {,} einen zweidimensionalen Vektorraum eine \stichwort {Ebene} {,} einen dreidimensionalen Vektorraum einen \stichwort {Raum} {} \zusatzklammer {im engeren Sinn} {} {,} wobei man andererseits auch jeden Vektorraum einen Raum nennt.





\inputfaktbeweis
{Standardraum/K^n/Dimension n/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besitzt der \definitionsverweis {Standardraum}{}{} $K^n$ die \definitionsverweis {Dimension}{}{} $n$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die \definitionsverweis {Standardbasis}{}{}
\mathbed {e_i} {}
{i = 1 , \ldots , n} {}
{} {} {} {,} besteht aus $n$ Vektoren, also ist die Dimension $n$.

}





\inputbeispiel{}
{

Die \definitionsverweis {komplexen Zahlen}{}{} bilden einen zweidimensionalen reellen \definitionsverweis {Vektorraum}{}{,} eine Basis ist z.B. \mathkor {} {1} {und} {{ \mathrm i}} {.}


}




\inputbeispiel{}
{

Der \definitionsverweis {Polynomring}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R }
{ = }{K[X] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} über einem \definitionsverweis {Körper}{}{} $K$ ist kein \definitionsverweis {endlichdimensionaler Vektorraum}{}{.} Es ist zu zeigen, dass es kein endliches \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{} des Polynomringes gibt. Betrachten wir $n$ Polynome
\mathl{P_1 , \ldots , P_n}{.} Es sei $d$ das Maximum der \definitionsverweis {Grade}{}{} dieser Polynome. Dann hat auch jede $K$-\definitionsverweis {Linearkombination}{}{}
\mathl{\sum_{i=1}^n a_i P_i}{} maximal den Grad $d$. Insbesondere können Polynome von einem größeren Grad nicht durch
\mathl{P_1 , \ldots , P_n}{} dargestellt werden, und diese endlich vielen Polynome sind kein Erzeugendensystem für alle Polynome.


}





\inputfaktbeweisnichtvorgefuehrt
{Vektorraum/Untervektorraum/Dimensionsvergleich/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $U$ ebenfalls endlichdimensional und es gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{dim}_{ } { \left( U \right) } }
{ \leq} { \operatorname{dim}_{ } { \left( V \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{ \dim_{ K } { \left( V \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Jede linear unabhängige Familie in $U$ ist auch linear unabhängig in $V$. Daher kann es aufgrund des Basisaustauschsatzes in $U$ nur linear unabhängige Familien der Länge $\leq n$ geben. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{k }
{ \leq }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass es in $U$ eine linear unabhängige Familie mit $k$ Vektoren gibt, aber nicht mit
\mathl{k+1}{} Vektoren. Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mathfrak{ u } }
{ = }{ u_1 , \ldots , u_k }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine solche Familie. Diese ist dann insbesondere eine maximal linear unabhängige Familie in $U$ und daher wegen Satz 23.12 eine Basis von $U$.

}


\inputfaktbeweis
{Vektorraum/Dimension n und n Vektoren/Begriffsgleichheit/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} mit endlicher \definitionsverweis {Dimension}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{ \operatorname{dim}_{ } { \left( V \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Es seien $n$ Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} in $V$ gegeben.}
\faktfolgerung {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent. \aufzaehlungdrei{
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} bilden eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $V$. }{
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} bilden ein \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{} von $V$. }{
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} sind \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 23.17. }





\inputbeispiel{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{.} Man kann sich einfach einen Überblick über die \definitionsverweis {Untervektorräume}{}{} des $K^n$ verschaffen, als \definitionsverweis {Dimension}{}{} von Untervektorräumen kommt nach Korollar 23.20 nur
\mathbed {k} {mit}
{0 \leq k \leq n} {}
{} {} {} {} in Frage. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es nur den Nullraum selbst, bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es den Nullraum und $K$ selbst. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es den Nullraum, die gesamte Ebene $K^2$, und die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt. Jede solche Gerade $G$ hat die Gestalt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{G }
{ =} { Kv }
{ =} { { \left\{ s v \mid s \in K \right\} } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einem von $0$ verschiedenen Vektor $v$. Zwei von $0$ verschiedene Vektoren definieren genau dann die gleiche Gerade, wenn sie \definitionsverweis {linear abhängig}{}{} sind. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es den Nullraum, den Gesamtraum $K^3$, die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt und die zweidimensionalen Ebenen durch den Nullpunkt.


}

Der folgende Satz heißt \stichwort {Basisergänzungssatz} {.}




\inputfaktbeweisnichtvorgefuehrt
{Vektorraum/Basisergänzungssatz/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} der \definitionsverweis {Dimension}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ = }{ \dim_{ K } { \left( V \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Es seien
\mathdisp {u_1 , \ldots , u_k} { }
\definitionsverweis {linear unabhängige}{}{} Vektoren in $V$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es Vektoren
\mathdisp {u_{k+1} , \ldots , u_n} { }
derart, dass
\mathdisp {u_1 , \ldots , u_k, u_{k+1} , \ldots , u_n} { }
eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $V$ bilden.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{b_1 , \ldots , b_n}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $V$. Aufgrund des Austauschsatzes findet man
\mathl{n-k}{} Vektoren aus der Basis $\mathfrak{ b }$, die zusammen mit den vorgegebenen
\mathl{u_1 , \ldots , u_k}{} eine Basis von $V$ bilden.

}