Projekt:FE Beobachtung 1/TOVS/Grundlagen
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Allgemeines
[Bearbeiten]Für die messtechnische Erfassung vertikaler Temperatur- und Feuchteprofile in der Atmosphäre kommen häufig Radiometer zum Einsatz. Mit diesen Geräten kann das Rückstrahlverhalten in der Atmosphäre (zum Beispiel entsprechend dem Wasserdampfgehalt), welches den Regeln der Strahlungsausbreitung unterliegt (Strahlungsgesetze), beurteilt und so auf die jeweilige Untersuchungsgröße geschlossen werden. Dazu wird die emittierte elektromagnetische Strahlung (vor allem im Mikrowellen- und Infrarot-Bereich (Spektrum)) quantitativ erfasst. Früher handelte es sich dabei, wie im Fall der Crookes'schen Lichtmühle, um mechanische Radiometer. Im Bereich der satellitengestützten Fernerkundung werden moderne digitale Sensoren mit einer höheren Genauigkeit eingesetzt.
Die Sensoren arbeiten nach dem Prinzip eines opto-mechanischen Abtasters. Ihre Funktionsweise basiert auf der Überlegung, dass der Anteil der gemessenen emittierten bzw. reflektierten Strahlung entsprechend der optischen Dichte des Mediums, dass heißt der Atmosphäre, aus unterschiedlichen Höhen stammt. Dass bedeutet, der überwiegende Anteil der Strahlung stammt in einer optisch dichteren Atmosphäre aus höheren Schichten, als in einer optisch weniger dichten Atmosphäre. Je dichter die Atmosphäre, desto kürzer der Weg zwischen Sensor und Ort der Reflexion/ Emission. Die optische Dichte und das Absorptionsvermögen wird dabei vor allem durch den Anteil der Absorber, deren Eigenschaften und dem Spektralbereich der Strahlung beeinflusst. Innerhalb von Absorptionsbanden kann die optische Dicke zwischen dem Zentrums- und den Randbereichen variieren, wobei sie am Rand kleiner ist und Strahlung demzufolge aus niedrigeren Schichten stammt. Um diesen Effekt messtechnisch zu nutzen werden Sensoren mit Kanälen in unterschiedlichen Frequenzbereichen ausgestattet. Dadurch kann die gemessene Strahlung nach ihrer Höhe differenziert werden. Für die Bestimmung von Vertikalprofilen der Temperatur eignen sich Absorber mit einem vertikal gleich bleibenden Mischungsverhältnis.
Messung mit Mikrowellenstrahlung
[Bearbeiten]Vertikale Temperaturprofile können mit Mikrowellenstrahlung erstellt werden, da diese auch durch thermische Emission (Physik) erzeugt werden. Die thermische Emission im Mikrowellenbereich ist jedoch um einiges schwächer als die im Infrarot, auf deren Messung im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird. Die Mikrowellenstrahlung nimmt im elektromagnetischen Spektrum die Wellenlängen von 1 mm bis 1 m ein. Sie wird emittiert in Abhängigkeit von der Temperatur des emittierenden Mediums und lässt sich mit Mikrowellenradiometern (siehe auch DMR) aufzeichnen. Man unterscheidet im Allgemeinen aktive und passive Mikrowellensensoren, wobei bei ersteren die Plattform sowohl als Sender und Empfänger der Strahlung dient und die erst ausgesendete und von der Erdoberfläche rückgestreute Mikrowellenstrahlung misst. Die Vertikalsondierung arbeitet mit passiven Sensoren, das heißt, der Sensor sendet selbst keine Strahlung aus, sondern misst die von der Oberfläche emittierte Mikrowellenstrahlung. Von besonderer Bedeutung bei der Temperaturerfassung ist die Strahlungstemperatur TA. Sie ist eine fiktive Temperatur und lässt sich aus dem Planckschen Strahlungsgesetz (siehe auch Plancksches Strahlungsgesetz) ableiten, wenn man den Emissionsgrad ε gleich eins setzt. Diese berechnete Temperatur entspricht der gemessenen Strahldichte. Der Emissionsgrad entspricht jedoch in der Natur nicht eins, sondern schwankt abhängig von der Emissionsquelle unter diesem Wert. Die wahre Temperatur ist deshalb höher als der berechnete Wert der Strahlungstemperatur. Im Fall der Vertikalsondierung der Atmosphäre ist sie besonders abhängig vom Transmissionsgrad der Atmosphäre τL. Ist der Transmissionsgrad τL=1, dann berechnet sich die Strahlungstemperatur der Geländeoberfläche aus
Ist der Transmissionsgrad hingegen τL=0, dann gilt:
Somit hat die Strahlungstemperatur der Geländeoberfläche keinen Einfluss mehr und man erhält die Strahlungstemperatur der Atmosphäre. Je größer dieser Transmissionsgrad ist, desto tiefere Atmosphärenschichten können vom Sensor erfasst werden. Im Mikrowellenbereich korreliert die spektrale Transmission der Atmosphäre stark mit den Absorbtionsbanden von molekularem Sauerstoff und Wasserdampf. Der Sauerstoff hat seine Absorptionsmaxima bei etwa 60 und 120 GHz (siehe Abbildung). Wasserdampf wirkt auf Mikrowellen bei allen Frequenzen absorbierend, besonders aber bei 190 GHz.
Misst man die emittierte Strahlung in mehreren Frequenzbereichen mit zunehmenden Abständen zu den Maxima der Absorbtionsspektren, erhält man entlang eines vertikalen Aufnahmeprofils Informationen über die Temperatur. Ein großer Vorteil der Aufnahmen mit Mikrowellen ist ihre Unabhängigkeit von den herrschenden Wetterbedingungen und von der Tages- oder Nachtzeit. Da Mikrowellen von der Atmosphäre kaum beeinflusst werden, stellen Wolken und Dunst keine Behinderung beim Messen dar. Die Intensität der empfangenen Signale ist jedoch sehr gering.
Grundlagen der Gewichtsfunktion
[Bearbeiten]Gewichtsfunktionen stellen die Abhängigkeiten gemessener Strahlungen von vertikalen Profilen atmosphärischer Parameter dar und beschreiben den Eingang unterschiedlicher Atmosphärenlevel in die gemessenen Strahlungen. Die allgemeine Formel lautet:
Dabei ist ΔR die Differenz zwischen gemessener und modellierter Strahlung, ΔX die gesuchte Korrektur für das atmosphärische Profil, K (x) die Gewichtsfunktion und z die Vertikalkoordinate. Die Evaluation der Gewichtsfunktionen erfolgt dabei anhand weniger atmosphärischer Strahlungsparameter, die in die Strahlungsübertragunsgleichung eingehen.
Man unterscheidet drei Gruppen atmosphärischer Parameter. Auf dem ersten Level befinden sich die Parameter, die in der Strahlungsübertragunsgleichung enthalten sind. Dies sind die Planckfunktion, die totale Phasenfunktion und der totale Extinktionskoeffizient. Auf dem zweiten Level findet man Parameter, die sich je nach bezeichnender Komponente unterscheiden, also komponentenindividuell sind. Die jeweilige Summe dieser Parameter bilden die Parameter des ersten Levels. Beispiele hierfür sind der Extinktionskoeffizient und die Phasenfunktion. Die geophysikalischen Parameter liegen auf dem dritten Level. Hier werden die Temperatur, mikrophysikalische und andere makrophysikalische Parameter eingeordnet. Von diesen Parametern ist die Aerosolextinktion abhängig, wobei der mikrophysikalische Teil die Phasenfunktion beeinflusst. Die Temperatur ist ebenfalls ein makrophysikalischer Parameter, genießt aber eine Sonderstellung, da sie alle anderen Parameter beeinflusst. Mikrophysikalische Parameter lassen sich darstellen mit:
Die Gleichung für die übrigen makrophysikalischen Parameter lautet:
Jedes Level ist mit dem nächsthöheren bzw. -niedrigeren verbunden. Aber bis auf die Temperatur gibt es keine Verbindung zwischen dem ersten und dem dritten Level.
Gewichtsfunktionen für die Atmosphäre sind aus zwei Einheiten aufgebaut. Auf der einen Seite gehen Funktionen mit ein, die aus der Strahlungsübertragunsgleichung abgeleitet wurden, auf der anderen bildet man partielle Differentiale bezüglich atmosphärischer geophysikalischer Parameter. Man unterscheidet zwei generelle Merkmale: beobachtbare Daten wie die Strahlung und abrufbare Daten wie geophysikalische Parameter, die die Atmosphäre und die Erdoberfläche beschreiben.
Daneben unterscheidet man zwischen zwei Fällen: der streuenden und der nicht streuenden Atmosphäre. Im letzteren vereinfachenden Fall wird die Lufthülle als Schwarzkörper-Atmosphäre betrachtet. Hier verwendet man eine Planckfunktion mit einem Extinktionskoeffizienten. Diese nichtstreuende Situation wird bei praktischen Fällen im thermischen Bereich angenommen, wenn die Streuung an atmosphärischen Gaskomponenten vernachlässigt werden kann. Mit einigen vereinfachenden Annahmen und nach Substitution stellt sich die Temperatur-Gewichtsfunktion in einer nicht streuenden Atmosphäre wie folgt dar:
Für die streuende Atmosphäre benötigt man zusätzlich die Phasenfunktion der Streuung. Die zugehörigen Gewichtsfunktionen sind hier neben der Planck-Gewichtsfunktion und der Extinktionskoeffizient-Gewichtsfunktion auch eine Reihe von Gewichtsfunktionen für den Expansionskoeffizienten der Phasenfunktion.
Es lässt sich auch eine Gleichung für den generellen Verwendungszweck darstellen:
Gewichtsfunktion am Beispiel der Temperaturprofilermittlung
[Bearbeiten]Die Gewichtsfunktion stellt somit eine Methodik dar, um z.B. aus den gemessenen Strahldichten Temperaturprofile der Atmosphäre zu erstellen. Grundlage ist dabei die Lösung der Strahlungsübertragungsgleichung (SÜG). Diese beschreibt die Strahldichte , welche durch ein optisches Medium mit dem Weg von einer frequenzabhängigen Strahlungsquelle emittiert wird:
Zur Ermittlung der Temperaturprofile sind neben verschiedenen Umformungen der SÜG auch verschiedenene Randbedingungen, bzw. Annahmen zu treffen:
- Die Integration der SÜG soll über die gesamte Atmosphäre stattfinden.
- Die Planckfunktion, welche lediglich von der Frequenz und dem höhenabhängigen Temperaturprofil abhängig ist, wird als Quelle angenommen.
- Die Integration erfolgt über die Vertikalkoordinaten mit dem Boden als unterer Grenze und dem Oberrand der Atmosphäre als oberer Grenze.
- Die Transmission, welche eine Funktion des optischen Weges (siehe auch optischer Weg) darstellt, wird anstatt des optischen Weges genutzt.
Es ergibt sich Gleichung für die monochromatische Radianz durch ein Medium innerhalb der Strecke z0 bis z.
Es wird ersichtlich, dass der erste Term der Gleichung unterschiedliche Wichtungen annehmen kann, je nach betrachteter Frequenz. Werden Frequenzen in einem Sauerstoffabsorptionsband von einem Kanal betrachtet, der in der tiefen Stratosphäre misst, erhält dieser Term kein Gewicht, da die diesbezüglich gemessenen Informationen nur aus höheren Schichten der Atmosphäre zur Verfügung stehen. Die Abstrahlung des MSU wird durch vier Frequenzkanäle realisiert, welche Schichten innerhalb der Atmosphäre vom Boden bis zur Stratosphäre repräsentieren. Gemessen wird die Emission von Sauerstoff, der im Mikrowellenbereich abstrahlt. Die Kanäle sind so gewählt, dass die Strahldichten nur Informationen aus der Atmosphäre enthalten und somit der erste Term vernachlässigt werden kann. Als Gewichtsfunktion wird die Ableitung der Transmission nach der Höhe bezeichnet. Wegen der Temperaturabhängigkeit der Transmission ist die Zuordnung zur Höhe nicht einfach.
Durch Einsetzen der Gewichtsfunktion in die Vereinfachung der SÜG erhält man:
Unter Voraussetzung der Kenntnis der Sauerstoffkonzentrationsverteilung und dadurch auch der Transmission ist das Temperaturprofil der einzig unbekannte Term. Die Gewichtsfunktion ist bei MSU-Kanälen eine sehr breite Funktion, die jeweils ganze Atmosphärenschichten beschreibt. Deswegen kann der Strahldichte nicht eine direkte Emissionshöhe, sondern nur ein Emissionsniveau zugeordnet werden. Die Ermittlung des Temperaturprofils aus der Strahldichte erweist sich dennoch als schwierig, da das Integral bekannt, der Integrand jedoch unbekannt ist. Somit muss ein inverses Problem gelöst werden, da das resultierende Gleichungssystem unterbesetzt ist und somit unendlich viele Temperaturprofile der Strahldichte zugeordnet werden können. Für dieses Problem existieren verschiedene Lösungsansätze, welche im Folgenden nur aufgelistet werden:
- Lösen der SÜG durch Reduktion der Dimensionen des inversen Problems
- Aus bekannten Messungen werden den Strahldichten wahrscheinliche Temperaturprofile zugeordnet (rein statistische Zuordnung)
- Verwendung eines Backgroundtemperaturprofils (z.B. Vorhersagemodell), um auf ein mögliches Temperaturprofil zu schließen
- Strahldichten werden im 3D-VAR oder 4D-VAR Assimilationssystem mit assimiliert, wodurch der Background nicht statisch ist, sondern einem assimilierenden Modells entstammt.
Messung im infraroten Spektralbereich
[Bearbeiten]Daneben ist es möglich, die emittierte thermische Strahlung im Infrarot (780 nm - 1 mm) zu messen. Hierzu eignet sich besonders das atmosphärische Fenster, das zwischen acht und 14 μm und damit im Bereich des mittleren Infrarot liegt. Die Messung erfolgt hier mit Rotationsabtastern. Mit Hilfe von zwei Schwarzkörper-Referenzstrahlern, deren Temperatur bekannt ist, lässt sich durch lineare Interpolation die Temperatur TG des Objektes ermitteln. Die Gleichung lautet:
S steht hier für das gemessene elektrische Signal, T für die Temperaturen der Referenzstrahler. Das Emissionsvermögen der Atmosphäre steigt mit sinkendem Transmissionsgrad, wie folgende Gleichung verdeutlicht:
Der Emissionsgrad ist vom Kohlendioxid- und Wasserdampfgehalt der Atmosphäre abhängig. Als vereinfachtes Atmosphärenmodell verwendet man viele horizontal übereinander liegende Schichten, die sich hinsichtlich ihrer Temperatur und ihres Wasserdampfgehaltes unterscheiden. Jede Schicht emittiert davon abhängig unterschiedlich viel Strahlung, die entweder in der angrenzenden Schicht absorbiert, zur Erdoberfläche gestrahlt und daran reflektiert wird oder zum Abtaster gelangt und von diesem aufgezeichnet wird.
Weiterhin wird der Strahlungstransfer bei bewölkter und klarer Atmosphäre unterschiedlich betrachtet. Deswegen sollen im Folgenden die unterschiedlichen Berechnungsformeln dargestellt werden. Die langwellige Strahlung in der Atmosphäre wird über ein Strahlungstransfermodell nach GUPTA (1983) berechnet. Dabei wird der Strahlungstransfer in einer wolkenfreien, klaren und einer bewölkten Atmosphäre unterschiedlich betrachtet. Der Strahlungstransfer in einer klaren Atmosphäre berechnet sich über folgende Formel.
Die abwärtsgerichtete Strahlung einer zur Ebene parallelen klaren Atmosphäre an der Erdoberfläche befindet sich in einer Ausrichtung θ zum Zenit. Die Strahlung wird über ein Integral der Planck-Funktion (Bv(Tz)) in Abhängigkeit der Temperatur und dem atmosphärischen Transmissionsgrad zwischen Oberfläche und der Höhe z errechnet. Das Integral ist dabei abhängig von der Ausrichtung θ zum Zenit. Das Integral kann in einem Bereich von τ (Transmissionsgrad in Abhängigkeit der Atmosphärenoberkante h) bis zu einem Wert von 1 liegen. Bei einer bewölkten Atmosphäre ergibt sich die Formel des Strahlungstransfers zu:
Der erste Term dieser Gleichung (Bv(Tc)τvc(θ)) repräsentiert die Strahlung der Wolke, der zweite Term beschreibt die Strahlung unterhalb der Wolke. Unter der Annahme, dass die Wolkenoberfläche Eben-parallel ist und als Schwarzkörper im Infrarot strahlt, wird die abwärtsgerichtete Nettostrahlung durch eine Wichtung von Nettostrahlung wolkenfreier und bewölkter Atmosphäre erhalten.
Referenzen
[Bearbeiten]- Christina Tavolato, 2006: Vergleich globaler korrigierter Radiosondentemperaturdatensätze mit MSU-Satellitendaten Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien [1]
- Darnell, Gupta, Staylor, 1983: Downward Longwave Radiation at the Surface from Satellite Measurements JOURNAL OF CLIMATE AND APPLIED METEOROLOGY [2]
- K.Kraus, W. Schneider, 1988: Fernerkundung Band 1 Physikalische Grundlagen und Aufnahmetechniken, Ferd. Dümmlers Verlag Bonn
- E. Csaplovics, 2008: Fernerkundung 3, Vorlesungsskript Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der Universität Dresden
- E. A. Ustinov, 2004: Atmospheric weighting functions and surface partial derivatives for remote sensing of scattering planetary atmospheres in thermal spectral region: general adjoint approach Journal of Quantitative Spectroskopy and Radiative Transfer
- E. A. Ustinov, 2006: Passive remote sensing of planetary atmospheres and retrievals of atmospheric micro- and macrophysical parameters Journal of Quantitative Spectroskopy and Radiative Transfer