Quellen und Darstellungen der Zeitgeschichte/Filmische Quellen und Darstellungen

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Mit der audio-visuellen Revolution im 20. Jahrhundert begann das Film- und Fernsehzeitalter. Film und Fernsehen wurden zu einem der bedeutendsten Medien weltweit. Sie haben einen wichtigen Einfluss auf unser Wissen und Geschichtsbewusstsein. Da ein gewisses Maß an Subjektivität bei Filmquellen stets gegeben ist, stellt es meist ein Problem dar, historische Realitäten realitätsnah darzustellen.

Filmgeschichte[Bearbeiten]

1820 waren Fotographien schon Realität. Das Ziel war die Bilder zum Laufen zu bringen. Es wurden nach und nach Geräte erfunden, die Bilder aneinanderreihten und somit eine Illusion der Bewegung erschufen. Diese „Filme“ waren zunächst eine Jahrmarktsattraktion, da sie immer nur von einer Person betrachtet werden konnten. Als Geburtsstunde des Kinos gilt die Filmvorführung von Auguste und Louis Lumière am 28. Dezember 1895. Gezeigt wurden kurze Filme, aber vor allem Alltagsaufnahmen wie Straßenszenen in Lyon oder die Ankunft eines Zuges. Zu Beginn waren die Filme von Einfachheit und Alltäglichem geprägt. Das änderte sich jedoch mit der Zeit. Bereits ab 1903 wurden verschiedene Kameraeinstellungen verwendet und Themen wurden komplexer und umfassten fiktionalen Stoff. Die Stummfilm-Ära dauerte bis 1927, in dieser Zeit bildeten sich Stars wie etwa Charlie Chaplin. Die Hauptattraktion war für das Publikum viel mehr das Kino zu besuchen als einen Film zu sehen. Mit 1927 beginnt die Tonfilm-Ära, die Filme büßten jedoch, verglichen mit Stummfilmen, an Qualität ein. Filme wurden in mehreren Ausführungen und verschiedenen Sprachen gedreht, zum Teil mit ganz anderen Besetzungen.[1]

Definition von filmischen Quellen[Bearbeiten]

Filme sind eine gemachte Illustration von etwas, welches sich vor der Linse des Kameramanns zu einem gewissen Zeitpunkt abspielt. Die Begebenheiten zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer verfilmten Version wieder angesehen werden und dann auch als Quellen ihrer Entstehungszeit befragt werden.

Bedeutung der Filmquelle[Bearbeiten]

Ein großer Bestandteil der historischen Filmanalyse ist die Analyse von Aspekten der Vergangenheit, wie die Kleidungsstile und weitere Dinge des Zeitgeistes. Es ist auch möglich, verschiedene Denkweisen, Sitten, Sorgen oder Ideen der Gesellschaft zu analysieren. Deshalb kann ein historischer Film durch unabsichtliche Überlieferungen von großem Wert sein.[2]

Bei der Analyse oder Beurteilung eines Filmes sollte der Begutachter sich also darauf konzentrieren, die Sichtweise der betrachteten Zeit offenzulegen, um sie so besser interpretieren zu können. Dies ist eine der wichtigsten Aufgaben der filmischen Quellenkritik. Dabei wird in der Regel unterschieden zwischen innerer und äußerer Quellenkritik.[3]

Äußere Quellenkritik[Bearbeiten]

Äußere Quellenkritik bezogen auf einen Film heißt, zu versuchen, Aspekte wie die Herkunft der Filmquelle oder den gesellschaftlichen Zusammenhang festzustellen. Die Ermittlung von Auftraggeber, Produzent, Produktionszeit und -ort, Regisseur usw. fällt ebenfalls unter diese Kategorie. Es können auch die verschiedenen politischen oder wirtschaftlichen Umstände der Produktionszeit berücksichtigt werden.

Innere Quellenkritik[Bearbeiten]

Im Gegensatz zur äußeren Quellenkritik geht es bei der inneren mehr um die Konstruktion des Filmes selbst und die damit einhergehenden Aussagen zu entdecken als auch darum, die wichtigsten Motive herauszufinden.

Filmischen Quellen[Bearbeiten]

Analyse von filmischen Quellen[Bearbeiten]

Es wäre möglich, jeden Film als historische Quelle zu benützen. Man muss sich jedoch dabei im Klaren sein, dass die Darstellung, welche in Filmen gezeigt wird, oft ungewollt bei den Zusehern als Realität angenommen wird. Filme stellen ihren Inhalt jedoch nie komplett objektiv dar, sondern jeweils zwei Dinge zugleich, nämlich eine Handlung und die Sicht auf diese Handlung, also eine bildliche Darstellung der Realität und deren gewollte oder ungewollte Interpretation oder Kommentierung in einem. Durch die verschiedenen Aspekte der Verfilmung (Kameraposition, Schnitt, Montage etc.) wird stets eine Sicht der Realität produziert und diese kann dann nochmals von den Zuschauern interpretiert werden. Diese verschiedenen Aspekte müssen bei einer historischen Filmkritik reflektiert werden und deshalb hat das Erkennen der filmgestalterischen Mittel große Bedeutung.[4]

Oft reduziert sich die traditionelle Geschichtswissenschaft auf sogenannte „Filmdokumente“, um besser in der Lage zu sein, den Quellenwert von Filmaufnahmen bestimmen zu können, denn lediglich diesen Filmdokumenten wird eine teilweise wahrhaftige Realität zugesprochen, welche analysiert werden kann. Die Geschichtswissenschaftler versuchen dabei oft, die „Erzählerperspektive“ verschwinden zu lassen. Das heißt also zu rekonstruieren, wie der Film gemacht wurde, um dann so zu einer gewissen Objektivität zu gelangen. Allerdings ist zu bedenken, dass die Objektivität, zu der man gelangen möchte, nie ohne diese „Erzählerperspektive“ existiert. Es könnte sich zu einer sehr schwierigen oder nicht sogar unmöglichen Aufgabe herausstellen, eine Wirklichkeit ohne den Gestaltungsanteil zu finden.

„Als Quellen sind Filme interessant, insofern sie selbstverständliche zeitgenössische Einstellungen transportieren jenseits der erkennbaren Intentionen der Filme.“[5] Der klassische Spielfilm kann dabei eine wichtige Rolle spielen, da dieser zum einen oft mehr bildlich einfängt, was nicht beabsichtigt war und damit am meisten unbeabsichtigte Überreste bietet und zum anderen weil der Spielfilm gesellschaftlicher angelegt ist und es damit leichter ist, die damalige Mentalität und den Zeitgeist festzuhalten.[6]

Filmische Quelle anhand dem Beispiels der Olympiade 1936[Bearbeiten]

Beispielhaft wird nun auf einen Film zu den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin eingegangen:

Beim ersten Beispiel handelt es sich um Ausschnitte aus Olympia - Fest der Völker von Leni Riefenstahl aus dem Jahr 1938. Zu sehen sind u.a. der 100-Meter-Lauf von Minute 40:10 bis Minute 42:15[7] und zum anderen der Weitsprung von der Minute 58.00 bis Minute 1:00:30[7]. Beide Disziplinen wurden von Jesse Owens gewonnen, welcher während der Olympiade 1936 zahlreiche Rekorde aufstellte. Die Aufnahmen dokumentieren die Olympischen Spiele und veranschaulichen die Disziplinen wahrscheinlich besser wie ein Foto es könnte. In Bezug auf quantifizierbare Daten und Fakten, statistische Werte oder detaillierte Angaben gibt es jedoch Quellengattungen, die sich besser eignen. Die Filmquelle zeigt auch nicht, wie die Athleten behandelt wurden oder welche Stimmung im Stadion herrschte. Jedoch vermittelt die Quelle einen Gesamtüberblick der Situation.

Bei dem Film handelt es sich um einen von den Nationalsozialisten in Auftrag gegebenen Propagandafilm. Dies wird nicht deutlich, wenn man nur diese zwei Ausschnitte isoliert betrachtet, jedoch beim Einstieg und beim weiteren Betrachten des Films.

Filmische Darstellungen[Bearbeiten]

Dokumentarfilme[Bearbeiten]

Die Film-dokumentarische Geschichtsdarstellung umfasst ein breites Spektrum an Gattungen und Formen: vom klassischen Unterrichtsfilm, der einem illustrierten, didaktisch klar strukturierten Lehrervortrag entspricht, über Dokumentarfilmklassiker. Dabei ist zu beachten, dass keiner der genannten Filme zeigt „wie es wirklich war“, auch wenn „wirkliche“ (also keine gefälschten) Bilder verwendet werden. Vielmehr eröffnen die Filme eine „Sicht“ auf die gezeigte Thematik, die einem bestimmten Kenntnisstand entspricht, ein Interesse verfolgen und einer Annäherungsweise und einer Darstellungsstrategie zugrunde liegen. Daraus ergeben sich Fragen, die eine selbständige kritische Auseinandersetzung des Betrachters mit den jeweiligen Filmen erleichtern sollen:

Wie wurde das Thema gewählt?

Welche Schwerpunkte sind zu erkennen? Was ist das Ziel oder Interesse?

Wie wird mit dem Quellenmaterial umgegangen?

Quellen, die im Auftrag von diktatorischen Regimen entstehen, sind oft Propagandamaterial.

Gibt es Quellennachweise?

Meist tauchen dieselben Filmsequenzen in verschiedenen Produktionen immer wieder auf. Wird eingeblendet, wo die Filmausschnitte herkommen oder werden diese aus älteren Dokumentarfilmen recycelt?

Wie ist das Ton- und Bildverhältnis?

Lässt der Kommentar genug Raum für die Bilder oder können diese gar nicht wirken? Ist der Kommentar angebracht und bringt die Bilder zu sprechen? Sind andere Tonquellen eingebaut?

Wie werden Zeitzeugen eingesetzt?

In neuen Dokumentationen spielen Zeitzeugen bei zeitgeschichtlichen Themen oft eine wichtige Rolle. Sie verdeutlichen Geschichte, indem sie eine menschliche Komponente mit einbringen. Jedoch wird dadurch auch eine begrenzte Perspektive aufgezeigt. Die Frage ist, wie mit Zeitzeugen umgegangen wird und wie sie eingesetzt werden. Eine weitere Frage ist auch, was das Ziel der Dokumentation ist und dementsprechend werden einzelne Segmente, die zum Thema passen, in das Werk geschnitten und anderes Material nicht berücksichtigt.[8]

Als Beispiel für einen Dokumentarfilm dient eine Szene aus der 45-minütigen Dokumentation „Jesse Owens - Der schnellste Mann der Welt“ von Stanley Nelson, aus dem Jahr 2012 (Minute 22:00 bis 27:30[9]). Es handelt sich um ein Dokumentation, die sich mehr auf das Leben des Sportlers, anstatt auf die Olympiade 1936 an sich bezieht. Das Ziel ist eindeutig die Veranschaulichung des Lebens des Athleten. In dieser Dokumentation wird Quellenmaterial verwendet, ohne eine Angabe über dieses zu machen: Weder wird erwähnt, woher dieses stammt noch wird eingeblendet, dass es sich um den Film von Riefenstahl handelt. Allerdings ist es oft der Fall, dass moderne Dokumentationen auf leicht zu findendes Material zurückgreifen. Thematisiert wird auch nicht, dass es sich um ehemaliges Propagandamaterial handelt. In diesem Fall ist dies relativ unproblematisch, weil die Aussagen und Intentionen nicht mit denen des ursprünglichen Films übereinstimmen. Es wird im Grunde nur beschrieben wie der Wettkampf zwischen Owens und Luz Long vonstattenging.

Analyse des Historienfilms[Bearbeiten]

Unsere Vorstellung über die Historie wird stark von filmischen Medien geprägt. Dies findet hauptsächlich durch unterhaltende Medien statt, also durch sogenannte Historienfilme. Beurteilungen über solche Filme fallen meist schwer, denn es stellt sich immer wieder die Frage, wie und was dargestellt wird und vor allem ob dies der Realität entspricht. Diese Frage kann eigentlich nur unter zwei Aspekten beantwortet werden. Einerseits wird untersucht, ob die im Film gezeigten Fakten nachweisbar sind und andererseits wird gefragt, ob diese auch korrekt wiedergegeben werden. Die Quellenlage macht dies umso schwerer in einem Film, entweder ist diese so knapp, dass um einiges mehr dazu erfunden werden muss oder es gibt zu viel Quellenmaterial und es muss entschieden werden, was in den Film genommen wird. Dieses Konstrukt kommt schlussendlich bei den Zusehern an und vermittelt einen Eindruck über die Zeit, die der Film thematisiert. Das Problem dabei ist, dass das Publikum sich dessen bewusst sein muss, dass dies nur eine Inszenierung ist und nicht den Entschluss zieht „so war es“.[8]

Ein Beispiel zu diesem Thema ist ein Ausschnitt[10] aus Race - Zeit für Legenden von Stephen Hopkins aus dem Jahr 2016. In der behandelten Szene wird der 100-Meter-Lauf, wie in den anderen Beispielen auch schon, dargestellt. Interessant ist, dass einige Aufnahmen von Riefenstahl übernommen wurden. Jedoch wird klar, wie schon im vorhergegangenen Absatz besprochen wurde, dass die Bilder nur ein Konstrukt vorgeben. Bei der näheren Betrachtung der Quellenlage wird ersichtlich, dass sich der Film in dieser Szene hauptsächlich auf Riefenstahl bezieht. Der Film ergänzt die historischen Abläufe durch frei erfundene.

Didaktische Aufarbeitung[Bearbeiten]

Bei der Arbeit mit Filmen müssen verschiedene Schritte beachtet werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich kritisch mit dem Film auseinandersetzen und Fragen dazu beantworten.

Was ist der Inhalt des Films?

Was wird dargestellt?

Sind die Szenen sachlich richtig oder werden Wahrheit und Fiktion vermischt?

Inwiefern werden Inhalte nicht wahrheitsgetreu dargestellt?

Gibt es Szenen, die dramatisiert sind oder wo erfundene Inhalte vorkommen um den Film spannender zu machen?

Was ist das Filmische am Film?

Werden komplexe Inhalte vereinfacht dargestellt?

Stehen einzelne Charaktere im Mittelpunkt?

Welche Absichten hat der Film, welche Ziele werden verfolgt?

Gibt es Interviews, in denen die Absichten des Films besprochen werden?

Gibt es Filmkritiken, welche etwas über die Verfolgung der Ziele aussagen?[11]

Literatur[Bearbeiten]

Detlef Endeward / Peter Stettner: Film als historische Quelle. Anmerkungen zu Joachim Wendorf / Michael Lina: Probleme einer themengebundenen Filmquellen-Edition, S. 496-498

Dittrich, Elke. Ernst Sagebiel: Leben und Werk (1892-1970). Lukas Verlag, 2005, S. 80-84.

Werner Faulstich. "Filmgeschichte: Filmgeschichte für Anfänger-ein Überblick von den Anfängen bis heute." Filmgeschichte. Wilhelm Fink Verlag, 2005, S. 15-24.

Manfred Hagen: Filme und Tonaufnahmen als Überrestquellen. Versuch einer thematisch-kritischen Bild- und Tonquellenedition zum 17. Juni 1953. In: GWU 6/1990, S. 352-369.

Peter Stettner: Film - das ist Geschichte, 24 mal in der Sekunde. Überlegungen zum Film als historischer Quelle und Darstellung von Geschichte. In: Geschichtswerkstatt 17, Hamburg 1989, S. 13-20.

Peter Stettner: Geschichte im Film. Das visuelle Gedächtnis einer Gesellschaft. In: Schlachten und Stätten der Liebe. Zur Geschichte von Kino und Film in Ostwestfalen und Lippe, hg. vom Filmarchiv Lippe, Detmold 1996, S. 20 - 36.

Peter Stettner: Dokumentarfilm als historische Quelle. In: Archivpflege in Westfalen-Lippe, hg. von Marcus Stumpf und Wolfgang Bockhorst, Münster 2008, S. 4 - 10.

Irmgard Wilharm: Geschichte im Film. In: Geschichte lernen und lehren. Festschrift für Wolfgang Marienfeld zum 60. Geburtstag, hg. von Gerhard Schneider, Hannover 1986 (Theorie und Praxis Bd. 10), S. 283-295

Links[Bearbeiten]

https://www.youtube.com/watch?v=H3LOPhRq3Es

https://www.youtube.com/watch?v=SktJsFug-ME

https://www.youtube.com/watch?v=4am1GbrF7h0&list=PLPL35eOKlrJLbiJnsge2-TNa3VEx2TTKc&index=1

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Faulstich, Werner. Filmgeschichte. 2005.
  2. Manfred Hagen: Filme und Tonaufnahmen als Überrestquellen. Versuch einer thematisch-kritischen Bild- und Tonquellenedition zum 17. Juni 1953. In: GWU 6/1990, S. 352-369
  3. Manfred Hagen: Filme und Tonaufnahmen als Überrestquellen. Versuch einer thematisch-kritischen Bild- und Tonquellenedition zum 17. Juni 1953. In: GWU 6/1990, S. 352-369
  4. James Monaco: Film verstehen, Reinbek bei Hamburg 2001. Günter Moltmann /Karl Friedrich Reimers (Hg.): Zeitgeschichte im Film- und Tondokument. Göttingen 1970
  5. Irmgard Wilharm: Geschichte im Film. In: Geschichte lernen und lehren. Festschrift für Wolfgang Marienfeld zum 60. Geburtstag, hg. von Gerhard Schneider, Hannover 1986 (Theorie und Praxis Bd. 10),
  6. Detlef Endeward / Peter Stettner: Film als historische Quelle. Anmerkungen zu Joachim Wendorf / Michael Lina: Probleme einer themengebundenen Filmquellen-Edition
  7. 7,0 7,1 https://www.youtube.com/watch?v=H3LOPhRq3Es
  8. 8,0 8,1 Rudolf Aurich: Die Auseinandersetzung um Dokumentarfilm und Spielfilm als historische Quelle. Hausarbeit für das 1. Staatsexamen. Historisches Seminar der Universität Hannover 1987 S. 4-6.
  9. https://www.youtube.com/watch?v=SktJsFug-ME
  10. https://www.youtube.com/watch?v=4am1GbrF7h0&list=PLPL35eOKlrJLbiJnsge2-TNa3VEx2TTKc&index=1
  11. Melichar, Franz Georg. GO! : Geschichte Oberstufe : 5. Wien 2013