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Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 1/kontrolle

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Wir besprechen einige typische Situationen, die zur algebraischen Zahlentheorie führen.



Primfaktorzerlegung in und sonstwo

In den ganzen Zahlen gilt die eindeutige Primfaktorzerlegung, d.h. jede ganze Zahl lässt sich als ein (bei einer negativen Zahl braucht man noch das Vorzeichen ) Produkt von (positiven) Primzahlen schreiben, wobei die Anzahl der auftretenden Primzahlen, die Primfaktoren, eindeutig bestimmt ist. Beispielsweise ist

Für eine Primzahl ist diese Faktorzerlegung einfach die Zahl selbst. In einem größeren Ring, beispielsweise einem Körper, ergeben sich neue Darstellungsmöglichkeiten. Es ist in

Das sind natürlich Uneindeutigkeiten, die sich einfach daraus ergeben, dass es Elemente gibt, die ein Inverses besitzen. Wenn man an denkt, gibt es dieses Phänomen schon in . Wir halten kurz die folgende Definition fest.


Ein Element in einem kommutativen Ring heißt Einheit, wenn es ein Element mit gibt.

In sind nur und Einheiten, der Einfluss auf die Teilbarkeitstheorie ist daher sehr überschaubar. Ein kommutativer Ring ist genau dann ein Körper, wenn in ihm jedes von verschiedene Element eine Einheit ist (der Nullring ist kein Körper, da in ihm sogar die eine Einheit ist). Deshalb gibt es in einem Körper keine aussagekräftige Teilbarkeitstheorie. Ein anderes Phänomen sind die Faktorzerlegungen

In diesem Sinne kann man beliebig weitermachen, es gibt dann für die Zahl beliebig lange zunehmend feinere Zerlegungen - aber keine Primfaktorzerlegung.

Betrachten wir genauer die Zerlegung

Diese hat nichts mit Einheiten zu tun, sondern allein mit der Existenz der Quadratwurzel (oder in den weiteren Fällen mit der Existenz der dritten oder vierten Wurzel) der . Um eine solche Faktorzerlegung hinzuschreiben, braucht man nicht die vollen reellen Zahlen, sondern eben nur diese Wurzeln. Um die erste Gleichung ausdrücken zu können, braucht man nur das neue Element mit der charakteristischen Eigenschaft, dass das Produkt mit sich selbst gleich ist. Doch allein diese Hinzunahme, also die Mengen bzw. liefert keine sinnvolle algebraische Struktur, da darin weder die Multiplikation noch die Addition definiert ist. Da verliert man also viel zu viel. Man möchte „nur“ die Quadratwurzel aus hinzutun, aber gleichzeitig sinnvolle algebraische Strukturen erhalten. Mit muss dann auch beispielsweise drin sein. Zahlen von dieser Form sind offenbar additiv abgeschlossen und sind aber auch multiplikativ abgeschlossen, es gilt ja

für beliebige . Diese Zahlen bilden also wieder einen kommutativen Ring, und zwar kann man ihn als Unterring der reellen Zahlen realisieren, weshalb die Assoziativität der Verknüpfungen direkt erfüllt ist. Wir haben also eine Ringerweiterung

wobei die ganzen Zahlen den Summen mit entsprechen, wobei die Addition in komponentenweise und die Multiplikation wie in bzw. explizit wie oben bzw. distributiv unter Verwendung der einzigen relevanten Regel

erklärt ist. Die Darstellung eines Elementes aus ist ferner eindeutig, d.h. ist nur bei

und

möglich. Anderfalls hätte man eine Gleichung

mit , woraus sich

im Widerspruch zur Irrationalität von Quadratwurzeln auf Primzahlen ergibt, die aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung in folgt, siehe Aufgabe 1.2. (der Spezialfall, die Irrationalität der Quadratwurzel aus , ist ein typisches Beispiel für einen Widerspruchsbeweis aus den Anfängervorlesungen, siehe Satz 4.6 (Mathematik für Anwender (Osnabrück 2023-2024))).

Aufgrund der definierenden Gleichung sieht man direkt, dass in nicht mehr prim ist, sondern nichttriviale Teiler, nämlich besitzt, wobei wir aber die exakten Definitionen noch nicht fixiert haben. Zunächst muss man sich klar machen, dass (und ) keine Einheit in wird. Dies kann man aber wegen

sofort ausschließen. Was aber keineswegs klar ist, ob es in weitere Faktorzerlegungen für gibt, ob prim ist, ob es neue Einheiten in gibt, wie sich die Existenz von auf die Faktorzerlegung von anderen ganzen Zahlen auswirkt. Um Zerlegungsphänome von der Bauart

mit einer Einheit auszuschließen bzw. zu erkennen, müssen wir zuerst wissen, ob in neue Einheiten dazukommen. Mit dem Argument von eben kann man direkt einsehen, dass ganze Zahlen in Nichteinheiten bleiben. Es gibt aber in der Tat eine Vielzahl von neuen Einheiten! Betrachten wir in die Gleichung

die ja besagt, dass die beiden Elemente und zueinander invers sind und damit Einheiten sind. Damit sind auch alle Zahlen der Form (mit ) Einheiten, und das sind alle Einheiten von , siehe die 25. Vorlesung. Die Existenz von Einheiten erschwert die Entscheidung, ob eine Faktorzerlegung auf Einheiten beruht oder auf eine Zerlegung in substantiell grundlegendere Bestandteile. Handelt es sich beispielsweise bei

um zwei wesentlich verschiedene Faktorzerlegungen der in ? Hier haben wir schon zum zweiten Mal die dritte binomische Formel ausgenutzt, um durch eine Multiplikation von zwei Zahlen aus wieder in zu landen. Wegen

kann man aber die weiter zerlegen. Der erste Faktor kommt auch in der Zerlegung

vor. In der verfeinerten Zerlegung

kommen somit beide obigen Zerlegungen vor, die sich daher als keine Primfaktorzerlegung erweisen. Das ist also wie bei

allerdings mit dem Unterschied, dass es in zunächst einmal keine systematische Methode gibt, Zahlen auf die Primeigenschaft zu überprüfen.

Eine wichtige Fragestellung der algebraischen Zahlentheorie ist, wie sich Teilereigenschaften und die Primfaktorzerlegungen von ändern, wenn man zusätzliche Elemente hinzunimmt. Typischerweise werden dabei die Primfaktorzerlegungen zerstört, es entstehen aber neue Faktorzerlegungen (nicht unbedingt Primfaktorzerlegungen), die selbst wieder zahlentheoretischen Sachverhalte ausdrücken und sichtbar machen.



Summe von Quadraten

Betrachten wir die Frage, welche natürlichen Zahlen die Summe von zwei Quadratzahlen sind. Anders formuliert, für welche hat die Gleichung

Lösungen mit ganzen Zahlen ? Es ist

Erkennt man hier schon eine Struktur? Es ist in der Zahlentheorie üblich, solche Fragen erst einmal für Primzahlen zu verstehen, und die Ergebnisse dann auf zusammengesetzte Zahlen zu übertragen. Von den Primzahlen sind keine Summe von zwei Quadraten, während und es sind. Es fällt auf, dass die erste Reihe alle den Rest bei Division durch haben, und die zweite Reihe (von abgesehen) den Rest . Hier zeigt sich, dass es sinnvoll ist, zu anderen, hier endlichen, Ringen überzugehen, um Fragen über natürliche oder ganze Zahlen zu beantworten. Die Restabbildung zur Division mit Rest durch ist ein Ringhomomorphismus

Dabei ist in die Addition und die Multiplikation modulo erklärt, also etwa . Die Abbildung respektiert also die Addition und die Multiplikation. Wenn nun die Gleichung

in eine Lösung besitzt, so liefert das sofort auch eine Lösung modulo , nämlich

bzw.

oder

Nun sind aber in die Quadrate einfach

und

und damit sind und Summen von zwei Quadraten in , aber nicht . Es bestätigt sich also bereits die obige Beobachtung, dass natürliche Zahlen (nicht nur Primzahlen), die den Rest modulo haben, nicht die Summe von zwei Quadraten sein können.

Für Primzahlen mit dem Rest modulo liefert die Betrachtung im Restklassenring natürlich nur, dass eine notwendige Bedingung erfüllt ist, woraus sich natürlich noch lange nicht auf eine Darstellung als Summe von zwei Quadraten schließen lässt. Die Zahl zeigt auch, dass eine Zahl, die modulo den Rest besitzt, nicht notwendig selbst die Summe von zwei Quadraten ist.

Eine wichtige Umformulierung der Frage erhält man, wenn man wie oben zu einer quadratischen Erweiterung übergeht, nämlich zum Ring der Gaußschen Zahlen

(einem Unterring der komplexen Zahlen). Dort können wir

schreiben, wodurch die Frage, ob eine Zahl Summe von zwei Quadraten ist, mit der Frage der multiplikativen Zerlegung von natürlichen Zahlen in diesem neuen Ring in Zusammenhang gebracht wird. Insbesondere ist eine Primzahl, die Summe von zwei Quadraten ist, im Ring der Gaußschen Zahlen nicht mehr prim (die hingeschriebenen Faktoren können keine Einheiten sein).

Die Frage nach den Summen von zwei Quadraten werden wir abschliesend in Satz 9.11 beantworten.



Pellsche Gleichung

Betrachten wir eine Zahlbereichserweiterung

mit einer ganzen Zahl , die beiden Fälle und haben wir schon etwas genauer in den Blick genommen (es sei quadratfrei, enthalte also keinen Primfaktor mehrfach). Auch der Frage, wie in diesen Ringen die Einheiten aussehen, sind wir schon begegnet. Betrachten wir allgemein die Bedingung, ob es zu ein Element mit

Wenn und nicht teilerfremd sind, so kann es keine Lösung geben, seien also und teilerfremd. Dann folgt aus

dass bis auf einen gemeinsamen Vorfaktor

und

gilt, und der Vorfaktor muss oder sein. Die Frage nach den Einheiten ist also im Wesentlichen die Frage, ob

Es geht also darum, welche ganzzahligen Lösungen bei gegebenem die Gleichung

besitzt. Man spricht von der Pellschen Gleichung, deren Lösungsverhalten wesentlich von positiv oder negativ abhängt.



Diophantische Gleichungen

Eine besondere Herausforderung innerhalb der Zahlentheorie sind diophantische Gleichungen.


Zu einem Polynom heißt

eine diophantische Gleichung. Unter einer Lösung einer diophantischen Gleichung versteht man ein ganzzahliges Zahlentupel , das in eingesetzt ergibt.

Die Pellsche Gleichung haben wir schon erwähnt, bei linearen diophantischen Gleichungen ist das Lösungsverhalten einfach zu verstehen, die Gleichung

ist die Frage nach Pythagoreischen Tripeln, was ebenfalls gut verstanden ist. Eine wesentliche Frage bei diophantischen Gleichungen ist, ob es überhaupt, eventuell abgesehen von trivialen Lösungen, ganzzahlige Lösungen gibt. Ein weiteres wichtiges Problem ist, ob es endlich viele oder unendlich viele ganzzahlige Lösungen gibt. Ein großes zahlentheoretisches Problem, das erst 1995 gelöst wurde, ist das Problem von Fermat, ob die Gleichung

mit nichttriviale ganzzahlige Lösungen besitzt, in denen alle Einträge nicht sind.



Die diophantische Gleichung

besitzt für kein eine ganzzahlige nichttriviale Lösung.

Der Beweis für diese Aussage geht bei Weitem über den Inhalt einer Vorlesung über elementare oder algebraische Zahlentheorie hinaus.


Der Beweis für diesen Satz verwendet die reichhaltige Theorie der elliptischen Kurven. Vor diesem Beweis wurden die besten Resultate zu diesem Problem mit Methoden der algebraischen Zahlentheorie erzielt, und zwar konnten sehr viele Exponenten erledigt werden. Die Grundidee geht folgendermaßen: Die Fermat-Gleichung erhält einen neuartigen Charakter, wenn man sie in dem Ring betrachten, der aus entsteht, wenn man eine -te Einheitswurzel hinzunimmt. Das ist eine Zahl, deren -te Potenz ist. Solche Einheitswurzeln gibt es innerhalb der komplexen Zahlen, beispielsweise ist eine primitive -te Einheitswurzel. Wichtig sind hier aber die algebraischen Eigenschaften. Jedenfalls kann man die etwas umgeschriebene Fermatgleichung

unter Verwendung einer primitiven Einheitswurzel als

schreiben. Somit hat man zwei ziemlich verschiedene Faktorzerlegungen einer Zahl. Wenn man jetzt noch was weiß, dass in diesem neuen Ring die eindeutige Primfaktorzerlegung gilt, so kann man (das sind dann immer noch mehrere Schritte) daraus einen Widerspruch ableiten. An dieser STelle gibt es eine schlechte und eine gute Nachricht: Diese Ringe besitzen häufig nicht die eindeutige Primfaktorzerlegung, das angedeutete Argument funktioniert aber auch noch dann, wenn man weiß, dass die sogenannte Klassengruppe des Ringes eine gewisse Eigenschaft erfüllt, die deutlich schwächer als die eindeutige Primfaktorzerlegung ist.

Für ist die imaginäre Einheit eine vierte primitive Einheitswurzel (wegen ), in diesem Fall gilt

und man kann die Situation im Ring der Gaußschen Zahlen analysieren.


Als Kuriosität erwähnen wir, dass die von Euler vermutete teilweise Verallgemeinerung des Fermatschen Problems, dass die Gleichungen

usw. keine ganzzahlige Lösung besitzen, also dass zwischen -ten Potenzen keine additive Beziehung bestehen kann, nicht gilt. Die einfachsten Gegenbeispiele sind

und