Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil III/Vorlesung 68/latex
\setcounter{section}{68}
Wir beginnen jetzt mit der allgemeinen Integrationstheorie, die auf der Maßtheorie aufbaut. Wie schon im Fall von stetigen Funktionen
\maabbdisp {f} {[a,b]} {\R
} {}
geht es um den (Flächen-)Inhalt unterhalb des Graphen der Funktion. Jetzt wird allerdings der Definitionsbereich nicht mehr unbedingt ein Intervall sein, sondern ein beliebiger
\zusatzklammer {zumeist $\sigma$-endlicher} {} {}
Maßraum
\mathl{(M, {\mathcal A }, \mu)}{.} Eine Funktion
\maabbdisp {f} {M} {\R
} {}
definiert nach wie vor einen Graphen in
\mathl{M \times \R}{} und damit eine Teilmenge aus
\mathl{M \times \R}{,} die unterhalb des Graphen
\zusatzklammer {und innerhalb von \mathlk{M \times \R_{\geq 0}}{}} {} {}
liegt. Auf
\mathl{M \times \R}{} existiert unter gewissen schwachen Voraussetzungen das
\definitionsverweis {Produktmaß}{}{}
\mathl{\mu \otimes \lambda^1}{,} und mit diesem Maß wird das Integral erklärt. Die Funktionen, die man sinnvoll integrieren kann, gehen weit über die stetigen Funktionen hinaus. Sie müssen allerdings mit den gegebenen Maßräumen verträglich sein, was zum Begriff der messbaren Funktion bzw. der numerischen Funktion führt.
\zwischenueberschrift{Messbare numerische Funktionen}
Wir erinnern daran, dass wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \overline{ \R }
}
{ =} {\R \cup \{- \infty, \infty\}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
gesetzt haben. Diese Menge versehen wir mit einer
$\sigma$-\definitionsverweis {Algebra
}{}{}
\mathl{\overline{ {\mathcal B } }}{,} zu der eine Teilmenge
\mathl{T \subseteq \overline{ \R }}{} genau dann gehört, wenn
\mathl{T \cap \R}{} eine Borel-Menge in $\R$ ist. Man kann auf $\overline{ \R }$ auch eine Topologie definieren derart, dass das zugehörige System der Borel-Mengen gleich $\overline{ {\mathcal B } }$ ist. Die (halb)offenen Intervalle bilden wieder ein Erzeugendensysem für $\overline{ {\mathcal B } }$. Auch das Borel-Lebesgue-Maß lässt sich durch
\mathl{\lambda^1(T)=\lambda^1 (T \cap \R)}{} darauf ausdehnen, d.h. die beiden unendlichen Punkte kann man, wie jeden einzelnen Punkt, für das Borel-Lebesgue-Maß ignorieren.
Auch den Supremumsbegriff für Teilmengen und den Konvergenzbegriff für Folgen kann man auf $\overline{ \R }$ in naheliegender Weise ausdehnen. Eine nach oben unbeschränkte Menge besitzt $+ \infty$ als Supremum, und eine Folge reeller Zahlen konvergiert gegen $\pm \infty$, wenn sie \definitionsverweis {bestimmt gegen}{}{} $\pm \infty$ \definitionsverweis {divergiert}{}{.} Eine Funktion \maabb {f} {M} { \overline{ \R } } {} nennt man auch eine \stichwort {numerische Funktion} {.}
\inputdefinition
{}
{
Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{.}
Dann nennt man eine
\definitionsverweis {numerische Funktion}{}{}
\maabbdisp {} {M} { \overline{ \R }
} {}
\definitionswort {messbar}{,} wenn sie
\mathl{{\mathcal A }-\overline{ {\mathcal B } }}{-}\definitionsverweis {messbar}{}{}
ist.
}
\inputfaktbeweis
{Messbare numerische Funktion/Charakterisierung mit Urbilder von halbseitigen Intervallen/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei
\mathl{(M,{\mathcal A } )}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{}
und sei
\maabbdisp {f} {M} { \overline{ \R }
} {}
eine
\definitionsverweis {numerische Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungfuenf{$f$ ist
\definitionsverweis {messbar}{}{.}
}{Für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \in }{ \R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist
\mathl{{ \left\{ x \in M \mid f(x) \geq a \right\} }}{} \definitionsverweis {messbar}{}{.}
}{Für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \in }{ \R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist
\mathl{{ \left\{ x \in M \mid f(x) > a \right\} }}{} messbar.
}{Für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \in }{ \R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist
\mathl{{ \left\{ x \in M \mid f(x) \leq a \right\} }}{} messbar.
}{Für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \in }{ \R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist
\mathl{{ \left\{ x \in M \mid f(x) < a \right\} }}{} messbar.
}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
\teilbeweis {}{}{}
{Die Bedingungen (2), (3), (4), (5) sind jeweils notwendig, da halbseitig unbeschränkte Intervalle
\definitionsverweis {Borel-Mengen}{}{}
von $\overline{ \R }$ sind.}
{}
\teilbeweis {}{}{}
{Ist umgekehrt eine der Bedingungen (2), (3), (4) oder (5) erfüllt, so betrachtet man für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ < }{ b
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
die Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {[a,b[}
}
{ = }{ [a, \infty] \setminus [b, \infty]
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
\zusatzklammer {unter Bedingung (2) bzw. entsprechende Mengen unter den anderen Bedingungen} {} {.}
Nach Voraussetzung sind dann auch die
\definitionsverweis {Urbilder}{}{}
von diesen
\definitionsverweis {halboffenen Intervallen}{}{}
messbare Teilmengen in $M$. Da die halboffenen Intervalle nach
Lemma 62.10
ein
\definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{}
der
\definitionsverweis {Borel-Mengen}{}{}
von $\R$ bilden, folgt die Aussage aus
Lemma 61.16.}
{}
\inputfaktbeweis
{Messbare Funktionen/Rechenoperationen/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{} und seien
\maabbdisp {f,g} {M} {\R
} {}
\definitionsverweis {messbare Funktionen}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungvier{Die Funktion $-f$ ist ebenfalls messbar.
}{Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(x)
}
{ \neq }{0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x
}
{ \in }{ M
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Dann ist auch die Funktion
\mathl{1/ g}{} messbar.
}{Die Funktionen
\mathkor {} {f+g} {und} {f-g} {}
sind messbar.
}{Die Funktion
\mathl{f \cdot g}{} ist messbar. Wenn $g$ keine Nullstelle besitzt, so ist auch
\mathl{f/g}{} messbar.
}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Die Rechenoperationen
\maabbele {} {\R} {\R
} {t} {-t
} {,}
\maabbele {} {\R \setminus \{0\}} {\R \setminus \{0\}
} {t} {t^{-1}
} {,}
\maabbele {} {\R \times \R} {\R
} {(s,t)} {s+t
} {,}
und
\maabbele {} {\R \times \R} {\R
} {(s,t)} {s \cdot t
} {,}
sind nach
Lemma 34.6
und
Lemma 34.7
\definitionsverweis {stetig}{}{}
und daher nach
Lemma 62.11
\definitionsverweis {messbar}{}{.}
Ferner ist eine
\definitionsverweis {Hintereinanderschaltung}{}{}
von
\definitionsverweis {messbaren Abbildungen}{}{}
wieder messbar, und mit
\mathkor {} {f} {und} {g} {}
ist nach
Lemma 64.11
auch die Abbildung
\maabbeledisp {} {M } { \R \times \R
} {x} {(f(x),g(x))
} {,}
messbar. Daher ergeben sich die Behauptungen durch Betrachten der Hintereinanderschaltungen
\mathdisp {M \stackrel{f}{ \longrightarrow} \R \stackrel{-}{\longrightarrow} \R,\, M \stackrel{f}{ \longrightarrow} \R \setminus \{0\} \stackrel{^{-1 } }{\longrightarrow} \R \setminus \{0\} \text{ und } M \stackrel{f, g}{ \longrightarrow} \R \times \R \stackrel{+, \cdot }{\longrightarrow} \R} { , }
Die vorstehende Aussage könnte man auch für $\overline{ \R }$ formulieren, wobei man dann allerdings noch einige Rechenregeln festlegen müsste.
Mit den zusätzlichen Symbolen
\mathkor {} {+\infty} {und} {-\infty} {}
lassen sich insbesondere Grenzfunktionen von Funktionenfolgen einfach erfassen. Das \stichwort {Supremum einer Funktionenfamilie} {} ist punktweise durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ ({\operatorname{sup} \, ( f_i ,i \in I ) }) (x)
}
{ \defeq} { {\operatorname{sup} \, ( f_i(x) ,i \in I ) }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
definiert. Es kann den Wert $\infty$ annehmen, und zwar auch dann, wenn alle $f_i$ reellwertig sind.
\inputfaktbeweis
{Messbare Funktionen/Abzählbare Indexmenge/Supremum und Infimum/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei $I$ eine
\definitionsverweis {abzählbare Indexmenge}{}{} und
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{.} Es sei
\maabbdisp {f_i} {M} { \overline{ \R }
} {}
\zusatzklammer {\mathlk{i \in I}{}} {} {} eine
\definitionsverweis {Familie}{}{} von
\definitionsverweis {messbaren numerischen Funktionen}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann sind auch die Funktionen
\mathl{{\operatorname{sup} \, ( f_i ,i \in I ) }}{} und
\mathl{\inf { \left( f_i, \, i \in I \right) }}{} messbar.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \in }{ \R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ { \left\{ x \in M \mid {\operatorname{sup} \, ( f_i ,i \in I ) } (x) \geq a \right\} }
}
{ =} { \bigcap_{k\in \N_+} { \left( \bigcup_{i \in I} { \left\{ x \in M \mid f_i (x) \geq a - { \frac{ 1 }{ k } } \right\} } \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Zum Beweis dieser Gleichung sei $x$ links enthalten und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k
}
{ \in }{ \N_+
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
vorgegeben. Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\operatorname{sup} \, ( f_i(x) ,i \in I ) }
}
{ \geq }{ a
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
kann nicht
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f_i (x)
}
{ <} { a - { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
für alle $i$ gelten, da sonst das Supremum echt kleiner als $a$ wäre. Es gibt also ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ i
}
{ \in }{ I
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f_i(x)
}
{ \geq }{ a - { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{,}
und $x$ gehört auch rechts dazu. Wenn umgekehrt $x$ zur rechten Menge dazugehört, so gibt es für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k
}
{ \in }{ \N_+
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ i
}
{ \in }{ I
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f_i(x)
}
{ \geq }{ a - { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Daher ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\operatorname{sup} \, ( f_i(x) ,i \in I ) }
}
{ \geq }{ a - { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
für alle $k$ und somit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\operatorname{sup} \, ( f_i(x) ,i \in I ) }
}
{ \geq }{ a
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Die Menge rechts ist als abzählbarer Durchschnitt von abzählbaren Vereinigungen von nach Voraussetzung messbaren Mengen wieder messbar. Nach Lemma 68.2 folgt daraus die Messbarkeit der Supremumsabbildung. Die Messbarkeit der Infimumsabbildung beweist man ähnlich oder führt sie durch Betrachten der negativen Funktionen auf die Messbarkeit der Supremumsabbildung zurück.
\inputbeispiel{}
{
Wir betrachten die konstante Funktionenfolge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f_n
}
{ \defeq }{ - { \frac{ 1 }{ n } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
\zusatzklammer {
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ n
}
{ \in }{ \N_+
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}} {} {}
auf einer beliebigen Menge $M$. Deren Supremum ist die $0$-Funktion. Dabei ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left\{ x \in M \mid {\operatorname{sup} \, ( f_n ,n \in \N_+ ) } (x) \geq 0 \right\} }
}
{ =} {M
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
aber
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \bigcup_{n \in \N_+} { \left\{ x \in M \mid f_n (x) \geq 0 \right\} }
}
{ =} {\emptyset
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
d.h. ohne den Durchschnitt über
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k
}
{ \in }{ \N_+
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
mit dem Abweichungsterm
\mathl{- { \frac{ 1 }{ k } }}{} ist die Gleichung im Beweis zu
Lemma 68.4
nicht richtig.
}
\inputfaktbeweis
{Messbare numerische Funktion/Betragsfunktion messbar/Fakt}
{Korollar}
{}
{
\faktsituation {Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{} und sei
\maabbdisp {f} {M} { \overline{ \R }
} {}
eine
\definitionsverweis {messbare numerische Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist auch die Betragsfunktion
\mathl{\betrag { f }}{} messbar.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Dies folgt wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { f }
}
{ = }{ {\operatorname{sup} \, ( f,-f ) }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
aus
Lemma 68.3 (1)
und aus
Lemma 68.4.
\inputdefinition
{}
{
Zu einer
\definitionsverweis {Funktion}{}{}
\maabbdisp {f} {M} { \overline{ \R }
} {}
nennt man
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f_+
}
{ = }{ {\operatorname{sup} \, ( f ,0 ) }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
den \definitionswort {positiven Teil}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f_-
}
{ = }{- \inf { \left( f, \, 0 \right) }
}
{ = }{ {\operatorname{sup} \, ( -f ,0 ) }
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
den \definitionswort {negativen Teil}{} von $f$.
}
Dieses Konzept ist hilfreich, um Aussagen für beliebige Funktionen auf nichtnegative Funktionen zurückführen zu können. Man beachte, dass beide Teile nichtnegativ sind. Nach
Lemma 68.4
ist der positive als auch der negative Teil einer messbaren Funktionen wieder messbar. Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f
}
{ = }{ f_+ -f_-
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
\inputfaktbeweis
{Messbare numerische Funktionen/Punktweise konvergent/Grenzfunktion/Fakt}
{Korollar}
{}
{
\faktsituation {Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{} und sei
\maabbdisp {f_n} {M} { \overline{ \R }
} {}
eine
\definitionsverweis {Folge}{}{}
von
\definitionsverweis {messbaren numerischen Funktionen}{}{,}}
\faktvoraussetzung {die punktweise gegen eine
\definitionsverweis {Grenzfunktion}{}{}
$f$
\definitionsverweis {konvergiere}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist auch $f$ messbar.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Wir zeigen, dass die
\definitionsverweis {Urbilder}{}{}
von Mengen der Form
\mathl{]a, \infty]}{} unter der Grenzfunktion $f$
\definitionsverweis {messbare Mengen}{}{}
sind. Daraus folgt nach
Lemma 68.2
die Messbarkeit von $f$. Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \in }{ \R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
gilt die Gleichheit
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ { \left\{ x \in M \mid f(x) > a \right\} }
}
{ =} { \bigcup_{k \in \N_+} { \left( \bigcup_{n_0 \in \N} { \left( \bigcap_{n \geq n_0} { \left\{ x \in M \mid f_n(x) > a + { \frac{ 1 }{ k } } \right\} } \right) } \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
\fallunterscheidungzwei {Zum Beweis dieser Gleichheit sei zuerst
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(x)
}
{ > }{ a
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Dann gilt auch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(x)
}
{ > }{ a + { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
für ein hinreichend großes $k$. D.h. dass
\mathl{]a + { \frac{ 1 }{ k } } , \infty ]}{} eine offene Umgebung von
\mathl{f(x)}{} ist. Dann gehört $x$ auch zur inneren Vereinigung der rechten Seite, da diese die mengentheoretische Formulierung für den Sachverhalt ist, dass es ein $n_0$ derart gibt, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n
}
{ \geq }{ n_0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
die Folgenglieder
\mathl{f_n(x)}{} ebenfalls zu
\mathl{]a + { \frac{ 1 }{ k } } , \infty ]}{} gehören.}
{Wenn hingegen $x$ zur rechten Seite gehört, so bedeutet dies, dass es
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k, n_0
}
{ \in }{ \N_+
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
derart gibt, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n
}
{ \geq }{ n_0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
die Beziehung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f_n(x)
}
{ > }{ a + { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
besteht. Dann gilt für den Limes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(x)
}
{ \geq }{ a + { \frac{ 1 }{ k } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
und damit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(x)
}
{ > }{ a
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}}
Die rechte Seite der Gleichung zeigt, dass es sich um eine messbare Menge handelt, da abzählbare Durchschnitte und abzählbare Vereinigungen von messbaren Mengen wieder messbar sind.
\zwischenueberschrift{Einfache Funktionen}
Ein äußerst wichtiges Konzept für die Integrationstheorie ist es, dass sich beliebige messbare Funktionen durch besonders einfache Funktionen approximieren lassen, für die das Integral eine Summe ist. Auf diesem Konzept beruhte schon das Riemann-Integral, das wir im ersten Semesters entwickelt haben. Im Rahmen des Lebesgue-Integrals gibt es eine andere Art von Treppenfunktionen. Dabei wird nicht der Definitionsbereich in endlich viele einfache Stücke \zusatzklammer {Intervalle} {} {} unterteilt, sondern die Bildmenge soll besonders einfach sein.
\inputdefinition
{}
{
Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{.} Eine
\definitionsverweis {messbare numerische Funktion}{}{}
\maabbdisp {f} {M} { \overline{ \R }
} {}
heißt \definitionswort {einfach}{,} wenn sie nur endlich viele Werte besitzt.
}
\inputdefinition
{}
{
Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{.} Eine
\definitionsverweis {messbare numerische Funktion}{}{}
\maabbdisp {f} {M} {\overline{ \R }
} {}
heißt
\definitionswortpraemath {\sigma}{ einfach }{,}
wenn sie nur
\definitionsverweis {abzählbar}{}{}
viele Werte besitzt.
} Die Terminologie ist hierbei extrem uneinheitlich. Man findet für diese beiden Begriffe auch die Wörter Elementarfunktion und Treppenfunktion, wobei manchmal die Messbarkeit vorausgesetzt wird, manchmal nicht. Manchmal wird auch noch die Nichtnegativität vorausgesetzt.
\inputfaktbeweis
{Messbare Funktion/Monotone Approximation durch einfache Funktionen/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei
\mathl{(M, {\mathcal A })}{} ein
\definitionsverweis {Messraum}{}{} und sei
\maabbdisp {f} {M} {\overline{ \R }_{\geq 0}
} {}
eine
\definitionsverweis {messbare numerische}{}{}
\definitionsverweis {nichtnegative Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine
\definitionsverweis {wachsende Folge}{}{}
von
\definitionsverweis {nichtnegativen}{}{}
\definitionsverweis {einfachen Funktionen}{}{}
\maabbdisp {f_n} {M} {\R_{\geq 0}
} {,}
die punktweise gegen $f$
\definitionsverweis {konvergieren}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Die Idee ist, die Funktion $f$ im $n$-ten Schritt durch eine
\definitionsverweis {einfache Funktion}{}{}
$f_n$ zu approximieren, deren Werte
\definitionsverweis {rationale Zahlen}{}{}
der Form
\mathl{{ \frac{ k }{ 2^n } }}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0
}
{ \leq }{k
}
{ \leq }{ n 2^n
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
sind. Dies sind nur endlich viele Zahlen. Für jede nichtnegative reelle Zahl $a$ ist entweder
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a
}
{ \geq }{ n
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{,}
oder es gibt ein eindeutig bestimmtes $k$ zwischen $0$ und
\mathl{n 2^n -1}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \frac{ k }{ 2^n } }
}
{ \leq }{ a
}
{ < }{ { \frac{ k+1 }{ 2^n } }
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Daher ist die folgende einfache Funktion wohldefiniert.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f_n(x)
}
{ \defeq} { \begin{cases} { \frac{ k }{ 2^n } },\, \text{ falls } { \frac{ k }{ 2^n } } \leq f(x) < { \frac{ k+1 }{ 2^n } } \text{ mit } k \leq n 2^n -1 \, , \\ n \text{ sonst} \, . \end{cases}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
Sie ist messbar, da aufgrund der Messbarkeit von $f$ die Mengen
\mathl{{ \left\{ x \in M \mid { \frac{ k }{ 2^n } } \leq f(x) < { \frac{ k+1 }{ 2^n } } \right\} }}{} messbar sind. Die Folge dieser Funktionen wächst offenbar gegen $f$.
Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x
}
{ \in }{ M
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
gibt ab
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n
}
{ \geq }{ f(x)
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
die Folge
\mathl{f_n(x)}{} den Wert der Dualbruchentwicklung für
\mathl{f(x)}{} bis zur $n$-ten Ziffer nach dem Komma an.