Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Restklassenräume/Textabschnitt/latex

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\zwischenueberschrift{Restklassenräume}





\inputfaktbeweis
{Vektorraum/Untervektorraum/Verschiebung/Äquivalenzrelation/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die durch
\mathdisp {v \sim w, \text{ falls } v-w \in U} { , }
definierte \definitionsverweis {Relation}{}{} eine \definitionsverweis {Äquivalenzrelation}{}{} auf $V$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir gehen die Bedingungen einer \definitionsverweis {Äquivalenzrelation}{}{} durch. Die Reflexivität folgt aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v-v }
{ = }{ 0 }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die Symmetrie folgt aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w-v }
{ = }{-(v-w) }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die Transitivität ergibt sich so: Aus
\mathl{u-v \in U}{} und
\mathl{v-w \in U}{} folgt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{u-w }
{ = }{(u-v) + (v-w) }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}


Wir können auf diese Äquivalenzrelation die allgemeinen Ergebnisse aus der zweiten Volesung des ersten Teils anwenden und erhalten eine surjektive Quotientenabbildung \zusatzklammer {oder Identifizierungsabbildung oder kanonische Projektion} {} {} \maabbeledisp {q} {V} { V/ \sim } {v} {q(v) = [v] } {.} Statt $V/ \sim$ werden wir $V/U$ schreiben. Das Besondere an dieser Situation ist, dass diese Quotientenmenge selbst ein Vektorraum ist, und dass die kanonische Abbildung linear ist.





\inputfaktbeweis
{Vektorraum/Untervektorraum/Restklassenraum/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Es sei $V/U$ die Menge der \definitionsverweis {Äquivalenzklassen}{}{} \zusatzklammer {die Quotientenmenge} {} {} zu der durch $U$ \definitionsverweis {definierten Äquivalenzrelation}{}{} auf $V$ und es sei \maabbeledisp {q} {V} {V/U } {v} {[v] } {,} die \definitionsverweis {kanonische Projektion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine eindeutig bestimmte $K$-Vektor\-raumstruktur auf $V/U$ derart, dass $q$ eine $K$-\definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Da die kanonische Projektion zu einer linearen Abbildung werden soll, muss die Addition durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ [v] + [w] }
{ =} {[v+w] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und die Skalarmultiplikation durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lambda [v] }
{ =} {[\lambda v] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegeben sein. Insbesondere kann es also nur eine Vektorraumstruktur mit der gewünschten Eigenschaft geben, und wir müssen zeigen, dass durch diese Vorschriften wohldefinierte Operationen auf $V/U$ definiert sind, die unabhängig von der Wahl der Repräsentanten sind. D.h. wir haben für \mathkon { [v]=[v'] } { und } { [w]=[w'] }{ } zu zeigen, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ [v+w] }
{ = }{[v' +w'] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Nach Voraussetzung können wir \mathkon { v'= v+u } { und } { w' = w+u' }{ } mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ u,u' }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} schreiben. Damit ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ v' + w' }
{ =} { v+w+u+u' }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und dies ist wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ u+u' }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} äquivalent zu $v+w$. Zur Skalarmultiplikation sei wieder
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v' }
{ = }{ v+u }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ u }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lambda v' }
{ =} { \lambda( v+u) }
{ =} { \lambda v + \lambda u }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} und das ist äquivalent zu $\lambda v$. Aus der Wohldefiniertheit der Verknüpfung auf $V/U$ und der Surjektivität der Abbildung folgt, dass eine Vektorraumstruktur vorliegt und dass die Abbildung linear ist.

}





\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} $V$ ein $K$-\definitionsverweis {Vektorraum }{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{.} Dann nennt man die Menge $V/U$ der \definitionsverweis {Äquivalenzklassen}{}{} mit der in Lemma RKR.1 bewiesenen Vektorraumstruktur den \definitionswort {Restklassenraum}{} \zusatzklammer {oder \definitionswort {Quotientenraum}{}} {} {} von $V$ modulo $U$.

}





\inputfaktbeweis
{Vektorräume/Lineare Abbildung/Homomorphiesatz/Surjektiv und Kern/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es seien \mathkor {} {V, Q} {und} {W} {} \definitionsverweis {Vektorräume}{}{} über $K$. Es sei \maabb {\varphi} {V} { W } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} und \maabb {\psi} {V} {Q } {} eine \definitionsverweis {surjektive}{}{} lineare Abbildung.}
\faktvoraussetzung {Es sei vorausgesetzt, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{kern} \psi }
{ \subseteq} { \operatorname{kern} \varphi }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist.}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung \maabbdisp {\tilde{\varphi}} { Q } { W } {} derart, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi }
{ = }{ \tilde{\varphi} \circ \psi }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist.}
\faktzusatz {Mit anderen Worten: das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix}V & \stackrel{ \varphi }{\longrightarrow} & W & \\ \!\!\! \!\! \psi \downarrow & \nearrow & \\ Q & & & & \!\!\!\!\! \!\!\! \\ \end{matrix}} { }
ist kommutativ.}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Für jedes Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ u }
{ \in }{ Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es mindestens ein \mathkor {} {v \in V} {mit} {\psi (v)=u} {.} Wegen der Kommutativität muss
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} (u) }
{ = }{\varphi(v) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gelten. Das bedeutet, dass es maximal ein $\tilde{\varphi}$ geben kann. Wir haben zu zeigen, dass durch diese Bedingung eine wohldefinierte Abbildung gegeben ist. Es seien also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v,v' }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zwei Urbilder von $u$. Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ v'-v }
{ \in} { \operatorname{kern} \psi }
{ \subseteq} {\operatorname{kern} \varphi }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und daher ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi(v) }
{ = }{ \varphi(v') }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Abbildung ist also wohldefiniert.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ u,u' }
{ \in }{ Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v,v' }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} Urbilder davon. Dann ist $v+v'$ ein Urbild von $u+u'$ und daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} (u+u') }
{ =} { \varphi(v+v') }
{ =} { \varphi(v) + \varphi (v') }
{ =} { \tilde{\varphi} (u) + \tilde{\varphi} (u') }
{ } {}
} {}{}{.} D.h. $\tilde{\varphi}$ ist mit der Addition verträglich.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ u }
{ \in }{ Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit einem Urbild
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v }
{ \in }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist $\lambda v$ ein Urbild von $\lambda u$ und daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} (\lambda u) }
{ =} { \varphi( \lambda v) }
{ =} { \lambda \varphi(v) }
{ =} { \lambda \tilde{\varphi} ( u) }
{ } { }
} {}{}{,} also ist $\tilde{\varphi}$ auch mit der Skalarmultiplikation verträglich.}
{}

}


Die im vorstehenden Satz konstruierte Abbildung $\tilde{\varphi}$ heißt
\definitionswortenp{induzierte lineare Abbildung}{} und entsprechend heißt der Satz auch
\stichwort{der Satz über die induzierte Abbildung}{.}





\inputfaktbeweis
{Vektorräume/Lineare Abbildung/Surjektiv und Restklassenraum/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {W } {} eine \definitionsverweis {surjektive}{}{} \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} zwischen zwei $K$-\definitionsverweis {Vektorräumen}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine kanonische \definitionsverweis {lineare Isomorphie}{}{} \maabbdisp {\tilde{\varphi}} {V/ \operatorname{kern} \varphi } {W } {.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir wenden Satz RKR.4 auf
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{Q }
{ = }{V / \operatorname{kern} \varphi }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und die \definitionsverweis {kanonische Projektion}{}{} \maabb {q} {V} {V/\operatorname{kern} \varphi } {} an. Dies induziert eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} \maabbdisp {\tilde{\varphi}} { V/\operatorname{kern} \varphi } { W } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi }
{ = }{ \tilde{\varphi} \circ q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die surjektiv ist. Sei \mathkor {} {[x] \in V/\operatorname{kern} \varphi} {und} {[x] \in \operatorname{kern} \tilde{\varphi}} {.} Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tilde{\varphi} ([x]) }
{ =} { \varphi(x) }
{ =} { 0 }
{ } {}
{ } {}
} {}{}{,} also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ \operatorname{kern} \varphi }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Damit ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{[x] }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} in
\mathl{V/\operatorname{kern} \varphi}{,} d.h. der Kern von $\tilde{\varphi}$ ist trivial und nach Lemma 12.7 ist $\tilde{\varphi}$ auch injektiv.

}





\inputfaktbeweis
{Vektorräume/Lineare Abbildung/Faktorisierung/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei \maabbdisp {\varphi} {V} {W } {} eine \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} zwischen zwei $K$-\definitionsverweis {Vektorräumen}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine kanonische Faktorisierung
\mathdisp {V \stackrel{q}{\longrightarrow} V/ \operatorname{kern} \varphi \stackrel{\theta}{\longrightarrow} \operatorname{bild} \varphi \stackrel{\iota} {\hookrightarrow} W} { , }
wobei $q$ die \definitionsverweis {kanonische Projektion}{}{,} $\theta$ ein \definitionsverweis {Vektorraum-Isomorphismus}{}{} und $i$ die kanonische Inklusion des \definitionsverweis {Bildraumes}{}{} in $W$ ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Korollar RKR.5, angewendet aud die surjektive Abbildung \maabbdisp {} {V} { \operatorname{bild} \varphi } {.}

}


Diese Aussage wird häufig kurz und prägnant so formuliert:

\einrueckung{
\betonung{Bild $=$ Urbild modulo Kern}{.}}

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