Lineare Gleichung/Von einer zu mehreren Variablen/Einführung/Textabschnitt
Die „Mutter aller linearen Gleichungssysteme“ ist eine einzige lineare Gleichung in einer Variablen der Form
mit gegebenen Elementen aus einem Körper und gesuchtem . Schon hier zeigen sich drei Möglichkeiten, wie die Lösung aussehen kann. Bei kann man die Gleichung mit dem Inversen von in , also mit , multiplizieren und erhält als eindeutige Lösung
Rechnerisch kann man also die Lösung erhalten, wenn man inverse Elemente bestimmen und mit ihnen multiplizieren kann. Bei hängt das Lösungsverhalten von ab. Bei ist jedes eine Lösung, bei gibt es keine Lösung. Wir untersuchen nun die entsprechende Situation, wenn es mehr als eine Variable gibt.
Es sei ein Körper und . Dann nennt man
eine (homogene) lineare Gleichung in den Variablen zu den Koeffizienten , . Ein Tupel[1] heißt Lösung der linearen Gleichung, wenn ist.
Wenn ein weiteres Element ist, so heißt
eine inhomogene lineare Gleichung und ein Tupel heißt Lösung der inhomogenen linearen Gleichung, wenn ist.
Statt von Koeffizienten spricht man auch von Parametern der Gleichung. Da die Lösungen im Produktraum liegen, sollte man sich von Anfang an um eine geometrische Deutung der Situation bemühen. Bei liegen die Lösungspunkte in der Ebene, bei im Raum. Einfache Beispiele wie das folgende zeigen aber auch, dass es künstlich wäre, die Anzahl der Variablen auf zu beschränken, um eine geometrische Vorstellbarkeit zu sichern.
Lucy Sonnenschein befindet sich an einem Obststand und möchte für Euro Obst kaufen. Dabei kosten (jeweils pro hundert Gramm) die Kirschen Euro, die Heidelbeeren Euro, die Himbeeren Euro und die Trauben Euro. Ein Einkauf wird durch ein Tupel repräsentiert, wobei sich die einzelnen Zahlen auf die gekaufte Menge (in hundert Gramm) der Obstsorten bezieht. Der Einkaufspreis ist somit
und die Bedingung, genau Euro auszugeben, führt auf die Gleichung
bzw. in Brüchen
Es gibt hier sehr viele Lösungen. Sie kann beispielsweise nur Kirschen kaufen, dann wären das Einheiten von den Kirschen und von den anderen Sorten. Als Tupel geschrieben ist diese Lösung . Oder sie könnte für jede Sorte gleich viel, nämlich Euro, ausgeben wollen, das würde das Lösungstupel ergeben. Oder sie möchte von jeder Sorte gleich viel kaufen. Dann wäre und es ergibt sich die Bedingung
also
und das Lösungstupel . Die entscheidende Beobachtung an der Situation ist, dass man sich (zumindest, wenn man auch negative Zahlen zulässt) frei vorgeben darf und dass dadurch der Wert über
bestimmt ist.
Es sei ein Körper und
eine lineare Gleichung über in den Variablen . Es sei .
Dann steht die Lösungsmenge der Gleichung in einer natürlichen Bijektion zum , und zwar über die Abbildungen
und
Wenn fixiert ist, so gibt es genau eine Möglichkeit für , die lineare Gleichung zu erfüllen, nämlich
Eine entsprechende Aussage gilt an jeder Stelle mit
,
die übrigen Einträge legen dann fest. Die Lösungsmenge notiert man als
Die Variablen treten in dieser Darstellung als freie Variablen auf, deren Werte frei vorgegeben werden dürfen, während dadurch der Wert für (abhängige Variable) eindeutig festgelegt wird.
- ↑ Der ist der -fache Produktraum von mit sich selbst. Lösungstupel werden wir häufig einfach auch mit bezeichnen.