Zum Inhalt springen

Kurs:Einführung in die mathematische Logik (Osnabrück 2016)/Vorlesung 24/kontrolle

Aus Wikiversity
Aristoteles (384-322 v.u.Z) ist der Begründer der Modallogik. Das achte Kapitel seiner ersten Analytik leitet die modallogische Problematik ein: „Da das einfache Sein und das nothwendige Sein und das statthafte Sein verschieden sind (denn Vieles ist zwar, aber nicht aus Nothwendigkeit und Anderes ist weder aus Nothwendigkeit, noch ist es überhaupt, aber das Sein desselben ist statthaft), so erhellt, dass auch die aus diesen unterschiedenen Arten zu sein gebildeten Schlüsse von einander verschieden sein werden, und zwar auch dann, wenn die beiden Vordersätze in einem Schlüsse nicht gleichartig lauten, sondern der eine das nothwendige, der andere das einfache Sein oder das blos statthafte Sein ausdrückt.“




Modallogik

Die Modallogik beschäftigt sich mit der Logik der Notwendigkeit und Möglichkeit und allgemeiner mit Modalitäten von Aussagen. Sie baut auf der Aussagenlogik auf. Während diese die logische Abhängigkeit von mittels aussagenlogischer Junktoren definierten Ausdrücken in den Aussagenvariablen studiert, und für eine Aussagenvariable nur die beiden Wahrheitswerte wahr oder falsch kennt, erlaubt die Modallogik, auch modalisierte Aussagenvariablen zu untersuchen. Modalisierte Aussagen kommen häufig vor, typische Beispiele sind:

  1. gilt notwendigerweise.
  2. Es ist moralisch geboten, dass gilt.
  3. Ich möchte, dass gilt.
  4. Ich weiß, dass gilt.
  5. ist beweisbar.
  6. gilt überall (in allen Fällen, in allen Welten).

Die Negationen dieser Aussagen sind (es ist nicht der Fall, dass ...)

  1. gilt nicht notwendigerweise.
  2. Es ist moralisch nicht geboten, dass gilt.
  3. Ich möchte nicht, dass gilt (im Sinne von, es ist mir egal).
  4. Ich weiß nicht, ob gilt.
  5. ist nicht beweisbar.
  6. gilt nicht überall (nicht in allen Fällen, nicht in allen Welten).

Man kann aber auch die gleiche Modalität auf die Negation zu anwenden, das ergibt.

  1. gilt notwendigerweise.
  2. Es ist moralisch geboten, dass gilt (also ist moralisch verwerflich/verboten).
  3. Ich möchte, dass gilt.
  4. Ich weiß, dass gilt.
  5. ist beweisbar.
  6. gilt überall (in allen Fällen, in allen Welten), also gilt nirgendwo.

Diesen Aussagen können wiederum als Ganzes negiert werden.

  1. Es ist nicht der Fall, dass notwendigerweise gilt.
  2. Es ist nicht moralisch geboten, dass gilt.
  3. Ich möchte nicht, dass gilt.
  4. Ich weiß nicht, dass gilt.
  5. ist nicht beweisbar.
  6. gilt nicht überall (nicht in allen Fällen).

Davon sind die folgenden Aussagen Paraphrasierungen.

  1. gilt möglicherweise.
  2. ist (moralisch) erlaubt.
  3. Ich kann akzeptieren.
  4. Ich kann von meinem Wissen her nicht ausschließen, dass gilt ( ist denkbar).
  5. ist nicht ausschließbar.
  6. Es gibt Fälle bzw. Welten, wo gilt.

Wenn man die zu Beginn genannten Modalitäten mit (Notwendigkeit) bezeichnet, so haben wir nach die Varianten , , aufgelistet, und die letzte Variante konnten wir durch eine neue Modalität (Möglichkeit) ausdrücken, nämlich

Möglich bedeutet also, dass das Gegenteil nicht notwendig ist, erlaubt bedeutet, dass das Gegenteil nicht verpflichtend ist, u.s.w. Diese Äquivalenz wird etwas weniger verschachtelt, wenn man sie als

schreibt. Dass etwas nicht erlaubt ist bedeutet, dass das Gegenteil davon verpflichtend ist. In der formalen Modallogik untersucht man strukturelle Gesetzmäßigkeiten von Aussagen, die durch einen Operator modalisiert werden können. Philosophisch relevante Interpretationen sind die Notwendigkeitslogik, die Deontik (Moral, Recht), epistemische Logik (Wissen), Beweisbarkeitslogik. In der letzten Vorlesung haben wir in Bemerkung 23.7 für das einstellige Ableitungsprädikat einige strukturelle Eigenschaft formuliert. Wenn man dabei als „ ist beweisbar“ liest und als schreibt, wobei nicht weiter hinterfragt wird und als Aussagenvariable aufgefasst wird, so kann man diese Eigenschaften modallogisch untersuchen.



Die formale Sprache der Modallogik

Zu einer Menge von Aussagenvariablen besteht die modallogische Sprache aus diesen Aussagenvariablen, aus allen rekursiv-konstruierbaren aussagenlogischen Verknüpfungen und aus allen rekursiv-konstruierbaren Ausdrücken der Form .

Wie im aussagelogischen Kontext arbeiten wir mit , wobei wir auch die Symbole und in ihrer üblichen Bedeutung als Abkürzungen verwenden. Wir verzichten auch auf Klammern, um die Lesbarkeit der Ausdrücke zu erhöhen. Ein weiteres wichtiges sekundäres Symbol ist . Es wird als

eingeführt. Wir lesen als „ ist notwendig“ und als „ ist möglich“.


Eine unter aussagenlogischen Ableitungen abgeschlossene Teilmenge der modallogischen Sprache heißt (formale) Modallogik.



Das System K

Eine Modallogik heißt eine Modallogik, wenn das Axiomenschema

für beliebige Ausdrücke und die Ableitungsregel Nezessisierungsregel

aus folgt

für alle gilt.

Das Axiomenschema ist äquivalent zum Axiomenschema

siehe Aufgabe 24.2.


Man sagt, dass ein modallogischer Ausdruck aus dem - System ableitbar ist, wenn sich aus aussagenlogischen Tautologien und aus Instanzen des - Axioms mit Hilfe des Modus ponens oder der Nezessisierungsregel ergibt. Dafür schreibt man



Lemma  Lemma 24.5 ändern

In einer - Modallogik sind folgende Aussagen ableitbar.

  1. Aus

    folgt

  2. Aus

    folgt

(1). Nach der Nezessisierungsregel gilt

und nach dem - Axiom gilt

Durch Modus ponens ergibt sich

(2). Aus

folgt durch Kontraposition zunächst

und daraus nach Teil (1)

Erneutes kontraponieren ergibt

was

bedeutet.

(3). Aus der aussagenlogischen Tautologie

ergibt sich aus (1) direkt

(4). Aus der aussagenlogischen Tautologie

ergibt sich mit (1) zunächst

Aufgrund des -Axioms gilt

Der Kettenschluss liefert

was aussagenlogisch äquivalent zu

ist.

(5) ergibt sich aus der aussagenlogischen Tautologie

und Teil (1).


Die erste der eben bewiesenen Eigenschaften der -Modallogik bedeutet insbesondere, dass man in der Reichweite eines Notwendigkeitsoperators einen Ausdruck durch einen jeden aussagenlogisch äquivalenten Ausdruck ersetzen kann.



Einige modallogische Axiomenschemata

Wir besprechen einige modallogischen Axiomenschemata, die über das -System hinausgehen. Die inhaltliche Relevanz der Systeme ist sehr unterschiedlich.


Das modallogische Axiomenschema

nennt man Leerheitsaxiom.

Dies ergibt keine interessante Modallogik, da einfach jede Aussage der Form gilt, auch dann, wenn eine Kontradiktion ist, und jede Aussage der Form nicht gilt.


Das modallogische Axiomenschema

nennt man Möglichkeitsaxiom.

Dies bedeutet also , es muss also die Aussage oder ihre Negation möglich sein, oder beides. Man spricht auch vom Seriellitätsaxiom oder -Axiom. Die Bezeichnung kommt von deontisch. Was verpflichtend ist, sollte insbesondere erlaubt sein.


Das modallogische Axiomenschema

nennt man Phantasiearmutsaxiom.

Das Möglichkeitsaxiom bedeutet, dass es mindestens eine Vorstellungswelt gibt und das Phantasiearmutsaxiom bedeutet, dass es höchstens eine Vorstellungswelt gibt. Solche Charakterisierungen werden wir später im Rahmen der semantischen Interpretation mit gerichteten Graphen präzisieren.


Das modallogische Axiomenschema

nennt man Ideologieaxiom.

In einer Ideologie stellt man sich genau eine Welt vor, die im Allgemeinen mit der Realität nichts zu tun hat.



Für eine - Modallogik sind die folgenden Eigenschaften äquivalent.

  1. Es gilt das Phantasiearmutsaxiom.
  2. Es gilt die Umkehrung des - Axioms, also
  3. Es gilt das Axiomenschema

Von (1) nach (2). Aus den aussagenlogischen Tautologien

und

ergeben sich mit Lemma 24.5  (1) die Ableitungen

und

Das Phantasiearmutsaxiom liefert

und über den Kettenschluss

Daher gilt

was eben

bedeutet.

Von (2) nach (1). Aus der aussagenlogischen Tautologie

ergibt sich mit Lemma 24.5  (1) direkt

Die Umkehrung des -Axioms mit liefert

Eine einfache aussagenlogische Überlegung zeigt ferner

Der doppelte Kettenschluss liefert

Da diese Beziehung für jedes gilt, gilt es nach Lemma 24.5  (5) überhaupt für jede Aussage.

Aus (1) folgt (3). Das -Axiom liefert

und das Phantasiearmutsaxiom liefert

Dies zusammen ergibt

Wir schreiben dies als

Durch Kontraposition bedeutet dies

Von (3) nach (1). Wir betrachten den Spezialfall

Durch Kontraposition ist dies

und durch eine aussagenlogische Umstellung

Aus der aussagenlogischen Tautologie

folgt mit der Nezessisierungsregel

und somit

mit Modus ponens. Dies bedeutet