Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 26/latex

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\setcounter{section}{26}







\zwischenueberschrift{Stammfunktionen zu rationalen Funktionen}

Wir möchten zeigen, wie man zu einer rationalen Funktion
\mathl{P/Q}{} \zusatzklammer {gegeben durch zwei Polynome \mathlk{P,Q}{,} \mathlk{Q \neq 0}{}} {} {} eine Stammfunktion finden kann. Im Allgemeinen gehen bei der Bestimmung einer solchen Stammfunktion verschiedene Techniken ein, die wir im Laufe der Vorlesung kennengelernt haben: die Division mit Rest für Polynome, das Lösen inhomogener linearer Gleichungssysteme und Integrationsregeln.

Wenn das Nennerpolynom
\mathl{Q=1}{} ist, so handelt es sich einfach um ein Polynom $P$, das problemlos zu integrieren ist. Für die Funktion
\mathl{1/x}{} ist der natürliche Logarithmus eine Stammfunktion\zusatzfussnote {Die Wahl eines geeigneten Definitionsbereichs, um die Aussagen über Stammfunktionen auch in dieser Hinsicht präzise zu machen, überlassen wir dem Leser} {.} {.} Damit ist auch eine Funktion vom Typ
\mathdisp {{ \frac{ 1 }{ ax+b } }} { }
\zusatzklammer {mit \mathlk{a \neq 0}{}} {} {} integrierbar, eine Stammfunktion ist
\mathl{{ \frac{ 1 }{ a } } \ln (ax+b)}{.} Damit kann man überhaupt beliebige rationale Funktionen der Form
\mathdisp {{ \frac{ P }{ ax+b } }} { }
integrieren. Die Division mit Rest\zusatzfussnote {Man kann die Division mit Rest durch ein lineares Polynom \mathlk{ax+b}{} sukzessive fortsetzen und erhält ein Polynom in der \anfuehrung{neuen Variablen}{}
\mathl{u=ax+b}{.} Dies geht nicht mit einem Polynom von höherem Grad} {.} {} führt zu einer Darstellung
\mathdisp {P= H (ax+b) +c} { , }
mit einem weiteren Polynom $H$, und wobei das Restpolynom $c$ konstant ist, da sein Grad kleiner als der Grad des linearen Polynoms ist, durch das die Division durchgeführt wird. Aus dieser Gleichung erhält man die Darstellung
\mathdisp {{ \frac{ P }{ ax+b } } = H + { \frac{ c }{ ax+b } }} { , }
wobei wir für die beiden Summanden Stammfunktionen angeben können. Die Division mit Rest wird auch im allgemeinen Fall entscheidend sein. Davor betrachten wir aber noch den Fall eines quadratischen Nennerpolynoms mit Zähler $1$, also
\mathdisp {{ \frac{ 1 }{ ax^2+bx+c } }} { }
mit
\mathl{a,b,c \in \R,\, a \neq 0}{.} Durch Multiplikation mit $a$ kann man den Koeffizienten vor
\mathl{x^2}{} zu $1$ normieren. Durch quadratisches Ergänzen kann man
\mathdisp {x^2+bx+c = (x+d)^2+e} { }
schreiben. Mit der neuen Variablen
\mathl{u=x+d}{} \zusatzklammer {bzw. mit der Substitution \mathlk{u=x+d}{}} {} {} schreibt sich dies als
\mathl{u^2+e}{.} Mit einer weiteren Substitution unter Verwendung der Quadratwurzel von \mathkor {} {e} {bzw. von} {-e} {} gelangt man zu
\mathdisp {{ \frac{ 1 }{ 1+v^2 } } \text{ oder } { \frac{ 1 }{ 1-v^2 } }} { . }
Im ersten Fall gilt
\mathdisp {\int { \frac{ 1 }{ 1+v^2 } } dv = \arctan v} { }
und im zweiten Fall gilt
\mathdisp {\int { \frac{ 1 }{ 1-v^2 } } dv = { \frac{ 1 }{ 2 } } \ln { \frac{ 1+v }{ 1-v } }} { , }
wie früher gezeigt wurde. Für die inversen Funktionen zu Potenzen von quadratischen nullstellenfreien Polynomen werden die Stammfunktionen durch folgende Rekursionsformel bestimmt.




\inputfaktbeweis
{Stammfunktion/Negative Potenzen von quadratischen Polynomen/Rekursionsformel/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{x^2+bx+c}{} \zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{b,c }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} ein quadratisches \definitionsverweis {Polynom}{}{}}
\faktvoraussetzung {ohne reelle Nullstelle \zusatzklammer {d.h., dass
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ \triangle }
{ \defeq }{ { \frac{ b^2-4c }{ 4 } } }
{ < }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist} {} {.}}
\faktfolgerung {Dann ist\zusatzfussnote {Manchmal wird eine Stammfunktion zu einer Funktion mit einer neuen Variablen angegeben, um die Rollen von Integrationsvariablen und Variable für die Integrationsgrenzen auseinander zu halten. In einem unbestimmten Integral, wo keine Integrationsgrenzen aufgeführt werden, ist das nicht wichtig. Bei einem Integral der Form
\mathl{\int_0^z f(x) dx}{} ist $x$ die Integrationsvariable und $z$ die Grenzvariable. Der Ausdruck hängt aber nicht von $x$ ab, sondern lediglich von $z$. Deshalb ist
\mathl{\int_0^z f(x) dx = F(z)}{} \zusatzklammer {auf beiden Seiten steht eine von $z$ abhängige Funktion, und diese stimmen überein} {} {} richtig und
\mathl{\int_0^z f(x) dx = F(x)}{} falsch. Eine Formulierung wie
\mathl{F(x)}{} ist eine Stammfunktion von
\mathl{f(x)}{} ist aber korrekt.} {} {}
\mathdisp {{ \frac{ 1 }{ \sqrt{-\triangle} } } \arctan { \frac{ 1 }{ \sqrt{-\triangle} } } { \left( x + { \frac{ b }{ 2 } } \right) }} { }
eine Stammfunktion von
\mathdisp {{ \frac{ 1 }{ x^2+bx+c } }} { }
und für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt die Rekursionsformel
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \int_r^s { \frac{ 1 }{ { \left( x^2+bx+c \right) }^{n+1 } }} dx }
{ =} { { \frac{ 1 }{ n { \left( 4c-b^2 \right) } } } { \left( { \frac{ 2z+b }{ { \left( z^2+bz+c \right) }^n } } {{|}}_r^s + (4n-2) \int_r^s { \frac{ 1 }{ { \left( x^2+bx+c \right) }^n } } dx \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Ableiten ergibt
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ { \left( { \frac{ 1 }{ \sqrt{- \triangle} } } \arctan { \left( { \frac{ 1 }{ \sqrt{- \triangle} } } { \left( x + { \frac{ b }{ 2 } } \right) } \right) } \right) }' }
{ =} { { \frac{ 1 }{ \sqrt{- \triangle} } } \cdot { \frac{ 1 }{ \sqrt{- \triangle} } } \cdot { \frac{ 1 }{ 1 + { \frac{ 1 }{ - \triangle } } { \left( x + { \frac{ b }{ 2 } } \right) }^2 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ - \triangle + { \left( x + { \frac{ b }{ 2 } } \right) }^2 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ c - { \frac{ b^2 }{ 4 } } + x^2 +bx + { \frac{ b^2 }{ 4 } } } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ x^2 +bx + c } } }
} {} {}{.}}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Zum Beweis der Rekursionsformel setzen wir
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ q(x) }
{ \defeq }{ x^2+bx+c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und leiten ab.
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ { \left( (2x+b)q^{-n} \right) }' }
{ =} { 2q^{-n} -n (2x+b) q^{-n-1} (2x+b) }
{ =} { 2q^{-n} -n q^{-n-1} (2x+b)^2 }
{ =} { 2q^{-n} -n q^{-n-1} { \left( 4x^2+4xb+b^2 \right) } }
{ =} { 2q^{-n} -n q^{-n-1} { \left( 4q-4c+b^2 \right) } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { 2q^{-n} - 4n q^{-n} + n { \left( 4c-b^2 \right) } q^{-n-1} }
{ =} { (2-4n) q^{-n} + n { \left( 4c-b^2 \right) } q^{-n-1} }
{ } {}
{ } {}
} {}{.} Division durch
\mathl{n { \left( 4c-b^2 \right) }}{} und Umstellen ergibt
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{q^{-n-1} }
{ =} { { \frac{ 1 }{ n { \left( 4c-b^2 \right) } } } { \left( (2x+b) q^{-n} \right) }' + { \frac{ 4n-2 }{ n { \left( 4c-b^2 \right) } } } q^{-n} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies ist die Behauptung.}
{}

}







\inputbemerkung
{}
{

Mit Lemma 26.1 kann man auch \definitionsverweis {rationale Funktionen}{}{} der Form
\mathdisp {{ \frac{ rx+s }{ (x^2+bx+c)^n } }} { }

\zusatzklammer {mit $r,s \in \R,\, r \neq 0$,} {} {} integrieren, wo also das Zählerpolynom linear und das Nennerpolynom eine Potenz eines quadratischen Polynoms ist. Bei
\mathl{n=1}{} ist
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ { \left( { \frac{ r }{ 2 } } \ln \left( x^2+bx+c \right) \right) }' }
{ =} { { \frac{ r }{ 2 } } \cdot { \frac{ 2x+b }{ x^2+bx+c } } }
{ =} { { \frac{ rx + { \frac{ rb }{ 2 } } }{ x^2+bx+c } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} D.h., dass die Differenz zwischen dieser Ableitung und der zu integrierenden Funktion vom Typ
\mathdisp {{ \frac{ u }{ x^2+bx+c } }} { }
ist, was wir aufgrund von Lemma 26.1 integrieren können. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettealigndrucklinks
{\vergleichskettealigndrucklinks
{ { \left( { \frac{ -r }{ 2 (n-1) } } \cdot { \frac{ 1 }{ { \left( x^2+bx+c \right) }^{n-1} } } \right) }' }
{ =} { { \frac{ -r }{ 2 (n-1) } } \cdot (-n+1) \cdot (2x+b) \cdot { \frac{ 1 }{ { \left( x^2+bx+c \right) }^{n} } } }
{ =} { { \frac{ rx + { \frac{ rb }{ 2 } } }{ { \left( x^2+bx+c \right) }^{n} } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und wieder ist das Integral auf eine schon behandelte Situation zurückgeführt.

}

Wir möchten für beliebige \definitionsverweis {rationale Funktionen}{}{}
\mathl{f= \frac{P}{Q}}{} mit
\mathl{P, Q \in \R[X]}{} Stammfunktionen bestimmen. Dies geht grundsätzlich immer, vorausgesetzt, dass man eine Faktorzerlegung des Nennerpolynoms besitzt. Aufgrund der reellen Version des Fundamentalsatzes der Algebra gibt es eine Faktorzerlegung
\mathdisp {Q=(X-b_1) \cdots (X-b_r) \cdot q_1 \cdots q_s} { , }
wobei die $q_j$ quadratische Polynome ohne reelle Nullstellen sind. Das Bestimmen der Stammfunktionen zu rationalen Funktionen beruht auf der \stichwort {Partialbruchzerlegung} {} von rationalen Funktionen, die wir zuerst besprechen.






\zwischenueberschrift{Partialbruchzerlegung}

Die \stichwort {Partialbruchzerlegung} {} liefert eine wichtige Darstellungsform für eine rationale Funktion
\mathl{P/Q}{,} bei der die Nenner besonders einfach werden. Wir beginnen mit dem Fall
\mathl{K={\mathbb C}}{,} wo wir den Fundamentalsatz der Algebra zur Verfügung haben.

\inputfaktbeweis
{Komplexe Partialbruchzerlegung/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathbed {P,Q \in {\mathbb C}[X]} {}
{Q \neq 0} {}
{} {} {} {,} \definitionsverweis {Polynome}{}{} und es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{Q }
{ =} { (X-a_1)^{r_1} \cdots (X-a_s)^{r_s} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit verschiedenen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a_i }
{ \in }{{\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes Polynom
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{H }
{ \in }{ {\mathbb C}[X] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eindeutig bestimmte Koeffizienten
\mathbed {c_{ij} \in {\mathbb C}} {}
{1 \leq i \leq s} {}
{1 \leq j \leq r_i} {} {} {,} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{P}{Q} }
{ =} { H + \frac{c_{11} }{X-a_1} + \frac{c_{12} }{(X-a_1)^2} + \cdots + \frac{c_{1 r_1} }{(X-a_1)^{r_1} } + \cdots + \frac{c_{s1} }{X-a_s} + \frac{c_{s2} }{(X-a_s)^2} + \cdots + \frac{c_{s r_s} }{(X-a_s)^{r_s} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Wir verzichten auf den Beweis, obwohl uns die dazu benötigten Methoden zur Verfügung stehen. }


Wir wenden uns nun der reellen Situation zu.

\inputfaktbeweis
{Reelle Partialbruchzerlegung/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathbed {P,Q \in \R[X]} {}
{Q \neq 0} {}
{} {} {} {,} \definitionsverweis {Polynome}{}{} und es sei
\mathdisp {Q=(X-a_1)^{r_1} \cdots (X-a_s)^{r_s} Q_1^{t_1} \cdots Q_u^{t_u}} { }
mit verschiedenen
\mathl{a_i \in \R}{} und verschiedenen quadratischen Polynomen $Q_k$ ohne reelle Nullstellen.}
\faktfolgerung {Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes Polynom
\mathl{H \in \R[X]}{} und eindeutig bestimmte Koeffizienten
\mathbed {c_{ij} \in \R} {}
{1 \leq i \leq s} {}
{1 \leq j \leq r_i} {} {} {,} und eindeutig bestimmte \definitionsverweis {lineare Polynome}{}{}
\mathbed {L_{k \ell} = d_{k \ell}X+ e_{k \ell}} {}
{1 \leq k \leq u} {}
{1 \leq \ell \leq t_k} {} {} {,} mit
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \frac{P}{Q} }
{ =} {H + \frac{c_{11} }{X-a_1} + \frac{c_{12} }{(X-a_1)^2} + \cdots + \frac{c_{1 r_1} }{(X-a_1)^{r_1} } \bruchhilfealign + \cdots + \frac{c_{s1} }{X-a_s} + \frac{c_{s2} }{(X-a_s)^2} + \cdots + \frac{c_{s r_s} }{(X-a_s)^{r_s} } }
{ \,\,\,} {+ \frac{L_{11} }{Q_1} + \frac{L_{12} }{Q_1^2} + \cdots + \frac{L_{1 t_1} }{Q_1^{t_1} } \bruchhilfealign + \cdots + \frac{L_{u1} }{Q_u} + \frac{L_{u2} }{Q_u^2} + \cdots + \frac{L_{u t_u} }{Q_u^{t_u} } }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Auch hier verzichten wir auf den Beweis, der auf der komplexen Partialbruchzerlegung beruht. }


Neben dem Umweg über die komplexe Partialbruchzerlegung gibt es weitere Methoden, in Beispielen die reelle Partialbruchzerlegung zu bestimmen. Grundsätzlich bedeutet das Bestimmen der \zusatzklammer {reellen oder komplexen} {} {} Koeffizienten in der Partialbruchzerlegung, ein \zusatzklammer {inhomogenes} {} {} lineares Gleichungssystem zu lösen, wobei man sowohl durch \stichwort {Koeffizientenvergleich} {} als auch durch das Einsetzen von bestimmten Zahlen zu hinreichend vielen linearen Gleichungen kommt.




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die \definitionsverweis {rationale Funktion}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{1}{X^3-1} }
{ =} { \frac{1}{(X-1) { \left( X^2+X+1 \right) } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} wobei der Faktor rechts reell nicht weiter zerlegbar ist. Daher muss es eine eindeutige Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{1}{X^3-1} }
{ =} { \frac{a}{X-1} + \frac{bX+c}{X^2+X+1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} geben. Multiplikation mit dem Nennerpolynom führt auf
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ 1 }
{ =} { a { \left( X^2+X+1 \right) } + (bX+c)(X-1) }
{ =} { (a+b) X^2 + (a+c-b)X+ a-c }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.} Koeffizientenvergleich führt auf das \definitionsverweis {inhomogene lineare Gleichungssystem}{}{}
\mathdisp {a+b =0 \text{ und } a+c-b =0 \text{ und } a-c =1} { }
mit den eindeutigen Lösungen
\mathdisp {a= { \frac{ 1 }{ 3 } } ,\, b = - { \frac{ 1 }{ 3 } },\, c= - { \frac{ 2 }{ 3 } }} { . }
Die Partialbruchzerlegung ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ X^3-1 } } }
{ =} { { \frac{ { \frac{ 1 }{ 3 } } }{ X-1 } } + { \frac{ -{ \frac{ 1 }{ 3 } }X - { \frac{ 2 }{ 3 } } }{ X^2+X+1 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ 1 }{ X-1 } } - { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ X + 2 }{ X^2+X+1 } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die rationale Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{X^3-X+5}{X^4+X^2} }
{ =} { \frac{X^3-X+5}{X^2 { \left( X^2+1 \right) } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wo die Faktorzerlegung des Nennerpolynoms sofort ersichtlich ist. Der Ansatz
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{X^3-X+5}{X^2 { \left( X^2+1 \right) } } }
{ =} { \frac{a}{X} + \frac{b}{X^2} + \frac{cX+d}{X^2+1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} führt durch Multiplikation mit dem Nennerpolynom auf
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ X^3-X+5 }
{ =} { aX { \left( X^2+1 \right) } + b { \left( X^2+1 \right) } + (cX+d)X^2 }
{ =} { aX^3+aX+bX^2+b+cX^3+dX^2 }
{ =} { (a+c)X^3+(b+d)X^2+aX+b }
{ } { }
} {} {}{.} Koeffizientenvergleich führt auf das \definitionsverweis {inhomogene lineare Gleichungssystem}{}{}
\mathdisp {a+c =1 \text{ und } b+d =0 \text{ und } a =-1 \text{ und } b =5} { }
mit der Lösung
\mathdisp {b=5,\, a=-1,\, d=-5,\, c=2} { . }
Insgesamt ist die Partialbruchzerlegung also gleich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ X^3-X+5 }{ X^2(X^2+1) } } }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ X } } + { \frac{ 5 }{ X^2 } } + { \frac{ 2X-5 }{ X^2+1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}






\zwischenueberschrift{Integration rationaler Funktionen}




\inputverfahren{}
{

Es sei eine rationale Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f }
{ =} { { \frac{ P }{ Q } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegeben, für die eine Stammfunktion gefunden werden soll. Dabei seien \mathkor {} {P} {und} {Q} {} reelle Polynome. Man geht folgendermaßen vor. \aufzaehlungdrei{Bestimme die reelle Faktorzerlegung des Nennerpolynoms $Q$. }{Finde die Partialbruchzerlegung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ P }{ Q } } }
{ =} { H + \sum_{i = 1}^r { \left( \sum_{j = 1}^{s_i} \frac{c_{ij} }{(X-a_i)^j } \right) } + \sum_{k = 1}^u { \left( \sum_{ \ell = 1}^{t_k} \frac{ d_{k { \ell } }X +e_{k { \ell } } }{ Q_k^ { \ell } } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Bestimme für $H$, für jedes
\mathdisp {\frac{c_{ij} }{(X-a_i)^j }} { }
und für jedes
\mathdisp {\frac{ d_{k { \ell } }X +e_{k { \ell } } }{ Q_k^ { \ell } }} { }
eine Stammfunktion. }

}




\inputbeispiel{}
{

Wir möchten eine Stammfunktion zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(x) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ x^3-1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bestimmen. Nach Beispiel 26.5 ist die reelle Partialbruchzerlegung gleich
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ { \frac{ 1 }{ x^3-1 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ 1 }{ x-1 } } - { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ x + 2 }{ x^2+x+1 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ 1 }{ x-1 } } - { \frac{ 1 }{ 6 } } \cdot { \frac{ 2x + 4 }{ x^2+x+1 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ 1 }{ x-1 } } - { \frac{ 1 }{ 6 } } \cdot { \frac{ 2x + 1 }{ x^2+x+1 } } - { \frac{ 1 }{ 6 } } \cdot { \frac{ 3 }{ x^2+x+1 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 3 } } \cdot { \frac{ 1 }{ x-1 } } - { \frac{ 1 }{ 6 } } \cdot { \frac{ 2x + 1 }{ x^2+x+1 } } - { \frac{ 1 }{ 2 } } \cdot { \frac{ 1 }{ x^2+x+1 } } }
} {} {}{.} Als \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} ergibt sich daher
\mathdisp {{ \frac{ 1 }{ 3 } } \ln \betrag { x-1 } - { \frac{ 1 }{ 6 } } \cdot \ln \left( x^2+x+1 \right) - { \frac{ 1 }{ \sqrt{3} } } \cdot \arctan { \frac{ 2 }{ \sqrt{3} } } { \left( x+ { \frac{ 1 }{ 2 } } \right) }} { , }
wobei wir für den rechten Summanden Lemma 26.1 verwendet haben.


}




\inputbeispiel{}
{

Wir möchten eine Stammfunktion zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(x) }
{ =} { { \frac{ x^3-x+5 }{ x^4+x^2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bestimmen. Nach Beispiel 26.5 ist die reelle Partialbruchzerlegung gleich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ x^3-x+5 }{ x^2(x^2+1) } } }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ x } } + { \frac{ 5 }{ x^2 } } + { \frac{ 2x-5 }{ x^2+1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Als \definitionsverweis {Stammfunktion}{}{} ergibt sich daher
\mathdisp {- \ln \betrag { x } - 5 x^{-1} + \ln \left( x^2+1 \right) - 5 \arctan x} { . }


}






\zwischenueberschrift{Stammfunktionen zu rationalen Funktionen in der Exponentialfunktion}

Nachdem wir nun rationale Funktionen integrieren können, können wir auch für eine ganze Reihe von Funktionen eine Stammfunktion finden, die wir durch gewisse Standardsubstitution auf eine rationale Funktion zurückführen können. Wir führen dies exemplarisch für Funktionen durch, die sich als rationale Funktionen in der Exponentialfunktion schreiben lassen.





\inputfaktbeweis
{Stammfunktion/Rationale Funktion in Exponentialfunktion/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $f$ eine \definitionsverweis {rationale Funktion}{}{} in der \definitionsverweis {Exponentialfunktion}{}{,} d.h. es gebe Polynome
\mathbed {P,Q \in \R[X]} {}
{Q \neq 0} {}
{} {} {} {,} derart, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(t) }
{ =} { { \frac{ P { \left( e^t \right) } }{ Q { \left( e^t \right) } } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.}
\faktfolgerung {Dann kann man durch die Substitution
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ = }{ \ln s }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} das Integral
\mathl{\int_{ }^{ } f ( t) \, d t}{} auf das Integral einer rationalen Funktion zurückführen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Bei der Substitution
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ = }{ \ln s }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ dt }
{ =} { { \frac{ 1 }{ s } } ds }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} und für die Polynome \mathkor {} {P { \left( e^t \right) }} {und} {Q { \left( e^t \right) }} {} ergeben sich
\mathdisp {P { \left( e^t \right) } =P { \left( e^{ \ln s } \right) } =P(s) \text{ und } Q { \left( e^t \right) } = Q{ \left( e^{ \ln s } \right) } =Q(s)} { . }
Insgesamt ergibt sich also die rationale Funktion
\mathl{\frac{P(s)}{s Q(s)}}{.} In deren Stammfunktion muss man dann
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ = }{ e^t }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einsetzen.

}





\inputbeispiel{}
{

Wir wollen eine Stammfunktion für die Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(t) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ e^t+e^{3t} } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} finden. Das in Lemma 26.10 beschriebene Verfahren führt auf die rationale Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{1}{ { \left( s+s^3 \right) } s} }
{ =} {\frac{1}{s^2 { \left( s^2+1 \right) } } }
{ =} {\frac{1}{s^2} - \frac{1}{s^2+1} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} so dass die Partialbruchzerlegung direkt vorliegt. Die Stammfunktion von dieser rationalen Funktion ist
\mathdisp {- \frac{1}{s} - \arctan s} { . }
Die Stammfunktion von $f$ ist daher
\mathdisp {-\frac{1}{e^t} - \arctan e^t} { . }


}




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