Kurs:Zahlentheorie (Osnabrück 2016-2017)/Vorlesung 12
- Die Abschätzungen von Tschebyschow
Wir wollen in diesem Abschnitt die Abschätzungen von Tschebyschow beweisen, die die Anzahl der Primzahlen unterhalb einer gewissen Zahl sowohl nach oben als auch nach unten abschätzen. Es geht um Abschätzungen der Form
mit geeigneten Konstanten und . Diese stellen eine Vorstufe zum Primzahlsatz von Hadamard und de la Vallée Pousin dar. Ihr Beweis benötigt einige Vorbereitungen.
Die erste Tschebyschow-Funktion ist durch
gegeben.
Die Tschebyschow-Funktion genügt der Abschätzung
Der Binomialkoeffizient
wird von allen Primzahlen mit geteilt, da diese den Zähler, aber nicht den Nenner teilen. Aus der allgemeinen Binomischen Formel ergibt sich die Abschätzung
Diese zwei Beobachtungen ergeben zusammen die Abschätzung
Wir wenden auf diese Abschätzung den natürlichen Logarithmus an und erhalten
Geschicktes Aufsummieren ergibt dann
Insbesondere erhält man für Zahlen mit die Abschätzung
In der folgenden Aussage, die Legendres Identität heißt, bezeichnen wir den -Exponenten mit .
Für eine Primzahl und eine natürliche Zahl ist
Hierzu muss man einfach zählen, wie viele der Zahlen zwischen und Vielfache von , wie viele Vielfache von etc. sind. Das ergibt genau die Summe rechts.
Wir kommen nun zu den Abschätzungen von Tschebyschow.
Wir betrachten zuerst die Abschätzung nach oben. Für gilt und somit . Ferner gilt die Abschätzung und somit
Aus diesen zwei Vorüberlegungen und aus Lemma 12.2 folgt dann die Abschätzung
Die Abschätzung ist also mit erfüllt.
Wir betrachten nun die Abschätzung nach unten. Nach Legendres Identität ist
Die Summe läuft hierbei bis zum maximalen mit , also bis . Da die einzelnen Summanden der letzten Summe nur oder sein können, folgt,
Durch Betrachten aller Primzahlen ergibt sich daraus die Abschätzung
Andererseits ist
Wir wenden den Logarithmus auf die zusammengesetzte Abschätzung an und erhalten
Für ist und damit . Wir verwenden dies in der folgenden Aufspaltung und erhalten
Dies ergibt die Abschätzung
Der Bruch rechts ist beschränkt (und konvergiert gegen ). Man erhält also eine positive Konstante mit für hinreichend groß. Für zwischen und hat man
und dies ist wiederum für eine geeignete positive Schranke (und für hinreichend groß). Dann gibt es aber auch eine positive Schranke mit für alle . Aus
folgt nun wie behauptet.
Es ist
Nach der Abschätzung von Tschebyschow nach oben gilt
Da der Logarithmus gegen unendlich strebt, geht der Kehrwert gegen , was die Behauptung impliziert.
Die Aussage dieses Korollars bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig aus dem Intervall gewählte natürliche Zahl prim ist, bei hinreichend groß beliebig klein ist.
Es gibt eine reelle Zahl derart, dass es für jede natürliche Zahl zwischen und stets eine Primzahl gibt.
In Lemma 12.2 und im Beweis zur Abschätzung von Tschebyschow nach unten haben wir gesehen, dass es reelle positive Konstanten und gibt mit
Mit gilt dann
Daher liegt zwischen und mindestens eine Primzahl.
In diesem Satz kann man sogar erreichen. Dies war von Joseph Bertrand vermutet worden und wurde von Tschebyschow bewiesen. Man spricht vom Bertrandschen Postulat.
Für jede positive natürliche Zahl gibt es eine Primzahl zwischen und .
Dies werden wir hier nicht beweisen. Die Aussage ist aber prinzipiell mit den in diesem Abschnitt verwendeten Methoden beweisbar.
Ein offenes Problem ist hingegen die Vermutung von Legendre, die besagt, dass es zwischen zwei aufeinanderfolgenden Quadratzahlen, also zwischen und stets eine Primzahl gibt.
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