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Projekt:Praxen der Gerechtigkeit/Neutralität

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Politischer Kontext : Die Neutralität von Walzer und Höffes Gerechtigkeitskonzeption und der „Asylkompromiss“

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(Christopher Nils Adolph, Freiburg)

BEGRÜNDUNG VON KONZENTRATIONSPUNKT UND PRAKTISCHEN BEISPIEL

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Insbesondere für das Prinzip der Neutralität hat der Diskursethiker präzise dargelegt, dass zwischen kommunitarischen und liberalen Vorstellungen eine Uneinigkeit herrscht. Als Teil der »substanziellen Sittlichkeit« - und ebenso ein »Ethos« der Demokratie (vgl. F: 142), fungiert dieses Prinzip zwar als leitender Gesichtspunkt der Einrichtung einer gerechten, demokratischen Ordnung der Gesellschaft und wird von Forst in sieben verschieden Bedeutungen expliziert (vgl. F: 78ff.). Nirgends finden wir Neutralität aber besser illustriert als durch Anwendung auf Situationen in denen die »schärfsten« Kritiker von Demokratien immanent sind, die fremden Lebensformen. Insofern also die Gerechtigkeitskonzeption nach der Verwirklichung der Neutralität untersucht werden soll, gilt es einen Schritt weg von der Kritik der Kontexte der Gerechtigkeit[1], und einen Schritt hin zu einer Validitätsprobe der beiden zur Disposition stehenden Gerechtigkeitskonzeptionen im Umgang mit fremden Lebensformen zu machen, also danach zu schauen, welche nicht- neutralen Implikationen die Gerechtigkeitskonzeptionen besitzen.

Zur Applikation der beiden disponiblen Gerechtigkeitskonzeptionen eignet sich besonders gut die 1993 als »Asylkompromiss« (Wortlaut vgl. FAZ v. 8.12.1992) verabschiedete Verfassungsänderung des §16. Objektiver Gegenstand der Verfassungsänderung sind die stets aktuellen Bedingungen von Flucht, Vertreibung und Migration.[2] Ermöglicht wird deren Diskussion durch die breiten Textbasen zur Thematik sowohl bei Forst, Höffe als auch bei Walzer. Daneben werden natürlich auch Dokumentationen des 1993 in Deutschland novellierten Grundgesetzes Artikel 16a, dem sogenannten »Asylkompromiss«, Verwendung finden.

Die folgende Darstellung soll also, auf der Suche nach Vermittlung von Walzers und Höffes Gerechtigkeitskonzeptionen, in erster Linie aus Perspektive der Gerechtigkeitskonzeptionen die Grundgesetzänderung kommentieren und deuten. Damit wird zum einen die Asylgesetzgebung als eine keineswegs neutrale, sondern von bestimmten Rationalitäten geleitete Problemlösung beschrieben. Zum anderen wird im Zuge der Anwendung auf ein praktisches Beispiel auch aufgezeigt werden können, dass Höffes und Walzers Konzeptionen von bestimmten Interessen, Werten und Ideen getragen sind. In zweiter Linie wird sich daher in dieser Anwendung auch die lösungsorientierte Kompetenz der Konzeptionen unter Beweiszwang gestellt sehen.

Eine weitere Begründung für die Auswahl eines praktischen Beispiels und der Anwendung zweier Gerechtigkeitskonzeptionen innerhalb des politischen Kontexts besteht darin, dass die Flucht- und Migrationsproblematik wie andere praktische Probleme auch, regelmäßig an die Grenzen des politischen Kontexts nach Forst stößt. Bedingt sind diese Grenzüberschreitungen dadurch, dass Phänomene, die von außerhalb des Rechtsgebietes einer politischen Gemeinschaft stammen, an die Rechtsordnung derselben bestimmte Bedingungen stellen (vgl. F: 402). Diese Grenzen werden von der moralischen Allgemeinheit aller Menschen gezogen, (vgl. F: 402) demgemäß Forst auch Probleme wie die Rechte zukünftiger Generationen (auch: Generationengerechtigkeit[3] oder Sustainability[4]) sowie die Fragen von humanitären Interventionen[5] auf den moralischen Kontext hin transzendiert (vgl. F: 433) und die Forderung erhebt, dass jedem Mensch qua Mensch ein „Minimum an Rechtsschutz“ (ebd.) zu zugestehen.

Dieses „Minimum an Rechtsschutz“ geriet 1993 in die Debatte des deutschen Bundestages. Sie schloss mit dem Gesetz vom 28.06.1993 (vgl. BGBl. 1993 I, S. 1002.) mit einer Änderung des Grundgesetzes und mit dem Gesetz vom 30.06.19935 (BGBl. 1993 I, S. 1062.) mit einer Abstimmung über die Änderung der inhaltliche Konkretion des Grundgesetzes ab (alt: Ausländergesetz 1990 -> neu: Aufenthaltsgesetz 1993).[6] Der Wortlaut des Grundrechts von Interesse, Artikels 16 Abs. 2, ist: „Politisch verfolgte genießen Asylrecht.“ Die Erläuterungen dieses Artikel 16 finden sich in dem 1993 neu gestaltete Aufenthaltsgesetz, das im Vergleich mit dem vormaligen freizügigeren Ausländergesetz, den umfassend Schutz von Flüchtlingen durch Asylgewährung, insbesondere durch drei Neuregelungen einschränkt: insbesondere wird nur noch jenen Flüchtlingen das Recht auf Asyl anerkannt, die aus einem unsicheren Herkunftsstaat stammen (1), die nicht über einen sicheren Drittstaat einreisten (2) und bei ihrer Einreise per Flugzeug die Schnellverfahren im Transitbereich des Flughafens passieren konnten (3).

Die Debatte war zeitlich in einer Phase steigender Asylanträge, allgemein vermehrten Zuwanderung durch Aus- und Übersiedler[7], einer zunehmend fremdenfeindlichen Stimmung (vgl. Wollenschläger 2003: 47) und verstärkter, öffentlichkeitswirksamer rechtsextremer Gewalttaten lokalisiert (Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen im August 1992, der Brandanschlag von Mölln im November 1992, der Mordanschlag von Solingen 26. Mai 1993). Aber das Erschießen, Erstechen, Verbrennen, aus dem Zug Werfen, zu Tode Trampeln von anders Aussehenden hat bis auf den heutigen Tag eine Kontinuität erlangt, wie die Amadeu Antonio Stiftung dokumentiert. Zwischen dem 7.10.1990 bis zum 28.03.2005 benennt die Stiftung auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung 135 Todesopfer von rechtsextremistisch motivierter Gewalt mit Namen.[8]

Die Anwendung von Höffes und Walzers Konzeptionen auf die Asylrechtsänderung schließt selbstverständlich die Diskussion von militärischen Interventionen und Entwicklungshilfe im Ausland aus, obgleich beide Autoren präzise Diskussionen dieser Art „Flüchtlingshilfe“ vorstellen. Beispielsweise beschreibt Höffe in seinem Werk: „Demokratie im Zeitalter der Globalisierung“ ein Phänomenbündel, das er auch in seinem anderen großen Werk: „Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger“ wieder aufnimmt (vgl. 5H: 163)[9]. Dieses Phänomenbündel nennt er globale Gemeinschaft von Not und Leid:

„Es gibt eine eklatante Missachtung von Menschenrechten, ferner Bürgerkriege, die Vielerorts (Spät-) Folgen der Kolonialisierung und Entkolonialisierung, aber auch die eruptive Antwort auf Korruption und Misswirtschaft sind. Es gibt Hunger, Armut und sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle und politische Unterentwicklung, außerdem große Naturkatastrophen. Teils aus politischen und religiösen, teils aus wirtschaftlichen Ursachen erleben wir Flüchtlings- und Wanderbewegungen großen Stils.“ (8H: 20)

Der Beschreibung des Phänomenbündels unterliegen Urteile über die speziellen Ursachen von Migration. Konsequent zu diesen Ursachen folgert Höffe Gegenwirken im Rahmen von militärischen Interventionen und Entwicklungshilfeprogrammen. Deren Aktivitätsradius spielt sich jedoch extern des eigenen Staatsgebietes ab und sicherlich gilt auch hier, wie für jedes andere Anwendungsbeispiel, dass die mit Militärinterventionen verknüpften komplexen Fragen für jeden Einzelfall neu zu beantworten sind.[10] Stattdessen wird die folgende Darstellung sich, wie oben bereits angedeutet, dem Spannungsverhältnis widmen, wie es zwischen den rationalen Begründungen Höffes, den narrativen Ausführungen Walzers und dem Aufenthaltsgesetz besteht, der 1993 novellierten Erläuterung zum § 16 Abs. 2 des GG: „Politisch verfolgte genießen Asylrecht.“[11]

Die entstandene Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Höff’scher und Walzer’scher Gerechtigkeitskonzeption und dem detailliert dokumentierten Einzelfall einer Grundgesetzänderung scheint selten so groß, wie angesichts der Höffe’schen Prinzipien, die sich in einer festgesetzten Politik widerspiegeln sollen. Angesichts dieser Kluft, kann man paradoxerweise behaupten, dass mit steigender Gewissheit über die grundlegenden Fragen der politischen Philosophie – der Gerechtigkeit, der Werte und der Natur des guten Lebens – die Ungewissheit wächst, mit der wir diese in praktische und institutionalisierte Verfahren umsetzen sollen.[12] Nicht nur wegen diesem Paradox, ist es schon immer das Hauptanliegen praktischer philosophischer Bemühungen gewesen, die eingebüßte, objektive Bestimmtheit im Handeln zurück zu erlangen und zwar nicht nur auf einer ersten Ebene, durch die Bestimmung ob jenes Urteil wahr oder falsch ist, sondern auch auf einer zweiten Ebene, durch Aussagen über die Gründe, welche es dafür gibt, zu sagen, dass ein Urteil wahr oder falsch ist.[13]

Die Höffe’schen Philosophie befindet sich genau auf jener zweiten Ebene, die Gründe für Urteile sucht weil, „der Struktur nach […] die reale Argumentation [aber] nichts anderes als eine Wiederholung der die offene Frage beantwortenden Legitimationsstrategie“ (13H: 535)[14] ist. Inhaltliche Konkretionen werden dementsprechend in den Schriften Höffes sehr sparsam eingesetzt. Angesichts dieser gewaltigen Abstraktion, können nicht nur Politiker, sondern alle Praktiker mit ungeheurer Macht vom Hasenpanier durchstimmt werden (vgl. Fink 1987: 111). Nichts steht dieser Stimmung so nahe, wie Heideggers Beschreibung der Nichtung, die eine das Ganze abweisende Verweisung auf das entgleitende Seiende im Ganzen ist (vgl. Heidegger 1998: 37). Auf das Politische gewendet bedeutet das, so hat Rorty gezeigt, der sich hier mit Lyotard einig wissen kann, dass Höffes Begründungs- und Argumentationsanspruch „zu monopolistischen Ansprüchen und entsprechend zum Ausschluss oder zur Unterdrückung von anderen Meinungen und Personen“ führt (Van Reijen 1995: 466). Als Konzentrationspunkt in den Fokus der Betrachtung muss daher in den folgenden Betrachtungen ein Spannungsverhältnis rücken, dass zwischen Höffes transzendentaler Begründung von rechtskonstituierender Gerechtigkeit und den institutionalisierten Verfahren angesiedelt ist, wie sie im Asylkompromiss ihren Kumulationspunkt haben (vgl. Van Reijen 1995: 468). Konsequenterweise muss also der systematischen Höffe’schen Argumentation, Abstraktion und Legitimation, ein größerer Anteil des hermeneutischen Narrativs beigemischt werden um situative Adäquanz zu erlangen.

Bevor sich die Diskussion nun dem eigentlichen Vermittlungsgegenstand zuwendet, gilt es noch auf einen letzten Abstrich aufmerksam zu machen: Nicht in die Betrachtung integriert werden kann die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themenfeld (vgl. Petersen 1972; Treibel 1990)[15]. Gerade hier offenbaren sich die vielfältigen Kausalitäten der Flucht und die Komplexität der Typologien von Flüchtlingen. Der Verzicht auf solcherart Differenzierungen, gewährleistet die Konzentration der folgenden Diskussion und schafft irreduzible Unschärfen.

DIE MITGLIEDSCHAFT VON MIGRANTEN BEI WALZER

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Den Flüchtlingen mangelt es, wie Walzer hellsichtig feststellt, an einem nicht exportierbaren Gut, „an der Zugehörigkeit, der Mitgliedschaft per se.“ (SG: 88) Die Mitgliedschaft bezeichnet in der Walzerschen Konzeption komplexer Gerechtigkeit nicht nur ein zentrales Gut, wie manche Interpreten meinen, sondern sie ist „der Kern, das Herzstück von gemeinschaftlicher Eigenständigkeit“ (SG: 106) und erfordert von den bestehenden Mitgliedern Entscheidungen über Zulassung oder Ausschluss. Die Antwort auf die, aus dem Mitgliedschaftsproblem resultierenden Fragen „Wen sollen wir aufnehmen? Sollen wir offenen Zugang für jeden haben? Können wir unter den Bewerbern auswählen? Was sind die angemessenen Kriterien für die Vergabe der Mitgliedschaft?" (SG: 66), sollen nach dem Prinzip der politischen Gerechtigkeit beantwortet werden. Dieses Prinzip lautet:

Die Selbstbestimmungsprozesse, vermittels denen ein demokratischer Staat sein Binnenleben gestaltet und organisiert, müssen alle Männer und Frauen, die auf seinem Territorium wohnhaft sind, mit ihrer Arbeit zum Fortkommen der lokalen Wirtschaft beitragen und der gleichen Lokalgesetzgebung unterstehen, gleichermaßen einbegreifen.“ (SG: 104)

Da Walzer dieses gemeinsame Prinzips durch die Aufnahme von Flüchtlingen nicht geschmälert findet, steht in einem ersten Schritt auch dem absoluten Zwang, diejenigen aufzunehmen, die in ihrem eigenen Land getötet, verfolgt oder brutal unterdrückt werden, nichts entgegen (vgl. SG: 88f.). In einem zweiten Schritt aber grenzt Walzers diese allumfassende Aufnahmeverpflichtung ein. Er macht in weiteren Argumentationsschritten auf verschiedene Grenzen oder Dilemmata des Asylanspruchs aufmerksam (vgl. SG: 90f.).

Eine dieser Begrenzungen der Aufnahmepflicht, welche die Mitglieder bei ihren Beratungen über Aufnahme oder Abweisung mit in Betracht ziehen müssen, besteht in einem nie abschließend festlegbaren, qualitativen Kriterium. Entweder wird die Entscheidung für die Aufnahme von Flüchtlingen mit „einem Gefühl der Verwandtheit und Gegenseitigkeit“ (SG: 90) begründet, oder aber im Umkehrschluss gegen die Aufnahme votiert, aufgrund Fehlens desselben Gefühls. Diese Grenze der Asylpflicht vermag der Autor von Sphären der Gerechtigkeit freilich nicht für alle Gemeinschaften gleichermaßen und für alle Zeiten festzulegen, weil sie sich sphärenrelativ jeweils neu konstituieren.

In demokratisch legitimierten Selbstbestimmungsprozessen der Bundesrepublik hat man sich 1993 darauf verständigt, den Grad von Verwandtschaft und Gegenseitigkeit mit in die Begründung von Aufnahme oder Ablehnungsbescheide einzubeziehen. Allerdings werden diese beiden Kriterien nicht auf den individuellen Flüchtling angewendet, weswegen für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland auch jene Konsequenz gilt, die Walzers Vorstellungen konterkarieren: „We have to learn to live with the otherness of others whose ways of beeing may be deeply threatening to our own.” (Benhabib 2006: 60) Anwendung finden diese von Walzer herausgestellten Prinzipien dennoch: das Prinzip der Verwandtschaft als klar definiertes Kriterium kann als Teil der so genannten Drittstaatenregelung gelten, das Prinzip der Gegenseitigkeiten bewährt sich in Rückübernahmeabkommen[16].

Mit Rückübernahmeabkommen wird die vertraglich geregelte Erleichterung der Rückübernahme von Personen durch ihr Herkunftsland bezeichnet, die mit rechtswidrigem Aufenthalt in einem Staat leben. Die Drittstaatenregelung indes besagt, dass Asylbewerber, die über ein für sie sicheres Drittland, wo sie bereits ein Asylgesuch gestellt haben oder wo sie ein Asylgesuch hätten stellen können,¬ nach Deutschland einzureisen versuchen, in Deutschland generell kein Asyl erhalten können. Dadurch beruht die Anerkennung des Rechts auf Asyl zwar auf ideologischer Affinität, wie Walzer sagt (vgl. SG: 90). Als affin kann qua Rückübernahmeabkommen und Drittstaatenregelung das Verhältnis zwischen staatlich strukturierten Großorganisationen bezeichnet werden - indes sich der Spieß für den individuellen Flüchtling umgedreht hat. Der Spielraum aller Beteiligten für die produktive, Kunst und „der Spielraum für politische Entscheidungen und damit Zurückweisung bzw. Aufnahme“ wird dadurch nicht „relativ groß“ (SG: 90) sondern im Gegenteil sehr klein, wenn nicht gar verschwindend gering. Die beiden Prinzipien werden in der Asylgesetzgebung von 1993 also nur als politisch- bürokratisches Konstrukt verwendet, während sie bei Walzer als individuelles Verhältnis zwischen Staatsbürger und Flüchtling gedacht sind. Dieses Verhältnis stellt hohe Ansprüche an die Staatsbürger zu denen Benhabib (2006) anmerkt: “Only polities with strong democracies are capable of such universalist rearticulation through which they refashion the meaning of their own peoplehood.” (Benhabib 2006: 69)

Eine weitere Begrenzung der Hilfe für Flüchtlinge ergibt sich nach Walzer dadurch, dass „die Risiken und Kosten, die diese Hilfe verursacht, für die helfende Partei relativ gering sind.“ (SG: 68) Diese Kosten und Risiken einer Hilfsstellung, lassen sich auch durch die Bedeutung des sozialen Guts »Territorium« weiter ausdifferenzieren. Das Territorium hat zwei verschiedene Bedeutungskomponenten, von denen die eine zum oben genannten Prinzip der wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet (vgl. SG: 83). Mit der einen, nicht zur Hilfe verpflichtende Bedeutungskomponente ist die Bedeutung von Territorium als institutioneller Lebensraum gemeint (es sichert eine dauerhafte Ordnung). Die andere, verpflichtende Bedeutungskomponente von Territorium, ist seine Bedeutung als materialer Lebensraum (es sichert die materialen Voraussetzungen des Überlebens). Dass Hilfeleistungen im territorialen Rahmen des Möglichen liegen müssen, begrenzt die Hilfsleistungen und macht sie auch in gewissem Umfang notwendig. Im Gegensatz zu dem oben ausgearbeiteten internen Prinzip politischer Gerechtigkeit gilt es Walzer als „ein externes Prinzip für die Vergabe von Mitgliedschaft.“ (SG: 68) Ob Not eine Hilfeleistung erfordert, kann nicht allein aus dem externen Prinzips gefällt werden, sie muss an das interne Prinzip rückgebunden werden, an die Entscheidungsprozesse der politischen Gemeinschaft (vgl. SG: 68).

Ganz im Sinne dieses externen Prinzips zitiert Walzer seinen utilitaristischen Kollegen Sidgwick: Einem Territorium das durch große, ungenutzte Flächen gekennzeichnet sei, könne man kein absolutes Recht zugestanden werden, fremde Elemente abzuweisen.[17] Ebenso kann sich Walzers Argumentation an Hobbes anlehnen, der annimmt, dass die Aufnahme von Hilfsbedürftigen in ein Territorium nicht zwangsläufig die Konsequenz von wohltätigen Handlungen zu zeitigen habe, weil selbst Not leidende Menschen in entsprechendem Territorium fähig sind, durch eigene Mühen für sich Unterhalt zu generieren (vgl. Hobbes 1996: 294). Was die Staatenlosen, Vertriebenen, Exilanten und Flüchtlinge

„in der Regel wünschen, ist nicht beständig mit Aufenthaltserlaubnis in einem Hotel zu wohnen, sondern sich in einem neuen Zuhause einzurichten, in einer dichten moralischen Kultur, in der sie ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln können.“ (KG: 24)

In der »Asylkompromiss« genannten Gesetzgebung von 1993 sieht der Gesetzgeber ein Asylbewerberleistungsgesetz vor, (BGBl. I, Seite 1074), das am 1. November 1993 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz regelt die deutliche Absenkung der Unterhaltsleistungen für Asylsuchende, geduldete und sonstige ausreisepflichtige Ausländer und führt, nebst der grundsätzlich gewährten Sach- anstelle Geldleistungen,[18] auch endgeltpflichtige Arbeits-gelegenheiten, für 2.- DM/Stunde Aufwandsentschädigung ein, die von den Flüchtlingen angenommen werden müssen, aber nicht eingefordert werden können.[19] Es kann keinesfalls die Rede davon sein, dass die Leistungseinschränkungen für Asylbewerber durch das externe Kriterium des Territoriums motiviert ist. Vielmehr stand eine politische Entscheidung im Vordergrund, bei der die Risiken und Kosten, die diese Hilfe verursacht, gering gehalten wurden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und eine Reihe Abgeordneter stellt diese Entscheidung in einem Antrag vom 17.04.1996 an den Bundestag dar, als die „rein statistische Betrachtung des Rückgangs oder Anstiegs der Asylbewerberzahlen“.[20]

Damit ist ein Fall eingetreten, den auch Walzer voraussieht: die Entscheidung über Hilfegewährung, die vom externen Prinzip eingefordert, ist rückgebunden an die Entscheidungsfindung nach dem interne Prinzip politischer Gerechtigkeit. Diese Entscheidungsfindung der politischen Gemeinschaft lässt sich in Analogie zu der Entscheidungsfindung einzelner Person beschreiben. Genau wie jede einzelne Person ihr Selbstverständnis aus einer Reflexion auf (1) die ihre Vielfalt von Rollen, (2) Vielfalt von Identitäten und (3) ihre Ideale, Grundsätze und Werte gewinnt (vgl. TT: 111f.), läuft nach Walzer ebenso die Entscheidungsfindung einer politischen Gemeinschaft immer vor dem Hintergrundverständnis von sich selbst ab (SG: 70). Dieses gemeinsame Selbstverständnis einer Gemeinschaft entsteht aus den (1) gemeinsamen Antworten auf ökonomische und ökologische Verhältnisse, (2) auf den Spezialcharakter und »Spezialschicksal« und (3) das Wesen der politischen Gemeinschaft (vgl. SG: 70). Die politische Gemeinschaft ist sowohl ein Ort zum Nachdenken über die Bedeutung ihrer selbst, als auch ein

„Gemeinschaftsunternehmen, ein öffentlicher Ort, an dem wir alle miteinander über das Gemeinwohl diskutieren, an dem wir über gemeinsame Ziele entscheiden und uns über die Vertretbarkeit von Risiken streiten.“ (SG: 425)

Diese Analogie kann auch als ein komplexes Verweisungsverhältnis von Person und Gemeinschaft beschrieben werden. Für ein solches ist besonders kennzeichnend, dass Walzer die politische Erziehung und Sozialisationsinstanz der Gemeinschaftsmitglieder größtenteils in den kleinsten politischen Einheiten situiert (vgl. TT: 78). Hier sieht er die entscheidende Qualifikation für die Ausübung von politischer Macht grundgelegt: eine spezielle Beziehung zu einer bestimmten Gruppe von Menschen.“ (SG: 407) Diese Beziehung bezeichnet er in Anlehnung an Rousseau als »Gemeinsinn aller Bürger«[21] dessen Einklang mit dem »Staatsbewusstsein«[22], die demokratische Form der Machtausübung sicherstellt (vgl. SG: 408). Umgekehrt gesehen erfahren die verschiedenen Gruppen von Männern und Frauen den ihnen gebührenden Respekt in einem solchen „demokratischen Umgang mit der Macht, weil „alle Mitglieder aller Gruppen an der politischen Macht partizipieren.“ (SG: 403f.) Denn wer sich einer lokalen Autorität unterwirft, der muss auch Mitspracherecht und letztlich sogar ein gleiches Mitspracherecht haben (vgl. SG: 105). Es erscheint in dieser Konzeption ganz natürlich, dass nur die Einheimischen beraten über Zugehörigkeit und Mitgliedschaft „according to their cultural self-understanding and in accordance with desires to preserve cultural majorities. Human rights assume secondary importance in influencing the will of democracies.” (Benhabib 2006: 69)

Aus der Beschreibung dieses Verhältnisses von Bürger mit Macht und dem Zustandekommen von politischen Entscheidungen, müsste sich Rückblickend im Idealfall abzeichnen, dass die Repräsentanten des deutschen Volkes, bei der Verabschiedung des Asylkompromisses ganz im Sinne und der Absicht des Volkes handelten. Konkret bestünde dann der Gemeinsinn aller Männer und Frauen darin, die Risiken und Kosten, bzw. die Asylbewerberzahlen unter ein bestimmtes, vorher bereits erreichtes Niveau zu drücken. Tatsächlich schmolz in den Jahren 1991 bis 2000 sowohl in Ost- wie Westdeutschand die Gruppe derer, die Zuzug verschiedener Einwanderergruppen nach Deutschland unumschränkt zustimmen. Umgekehrt steigt die Anzahl derer, die den Zuzug von Asylsuchenden begrenzen wollen, im gleichen Zeitraum kontinuierlich an.[23]

Quer zu diesen statistischen Daten, steht ein qualitatives Datum, wie es der oben zitierte Antrag an den Bundestag vom 17.04.1996 auf die folgenden Formulierungen zuspitzt:

„Gegenwärtig ist aber nicht mehr gewährleistet, dass politisch Verfolgte Asyl finden. Ein Grundkonsens deutscher Asylpolitik ist hierdurch gebrochen. Zudem spiegelt sich im lückenhaften Schutz von Asylsuchenden und Flüchtlingen die mangelhafte Umsetzung der Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention in innerstaatliches Recht wider.“ (Deutscher Bundestag: Drucksache 13/4379 Hervorh. v. mir CNA).

Mit dem hier angezeigten Bruch mit Verpflichtungen, die aus den Genfer Flüchtlingskonvention von 1954 resultieren und einem Grundkonsens deutscher Asylpolitik nach 1945, ist nicht nur Verlust von Kontinuität, sondern der Verlust einer Einheit von »Gemeinsinn aller Bürger« und »Staatsbewusstsein« verloren.[24] Für Walzer gilt, dass er diesen Zusammenhang durch Analogien zu der Art und Weise untersucht, wie Nachbarschaften, Vereine und Familien das Problem der Aufnahme von Mitgliedern handhaben.“[25]

Die Analogie zu Nachbarschaften, bei denen Zuzug keinerlei Restriktionen unterliegt, erbringt unseren Zusammenhang wenig (vgl. SG: 72f.). In Analogie zu Familien, stellt Walzer heraus, gelten für demokratische Staaten gewisse Verpflichtungen ihr Refugium für »Verwandte« zu öffnen (vgl. SG: 78f.), denn „politische Gerechtigkeit lässt dauerhaftes Ausländertum nicht zu“ (SG: 104). In Analogie zu Vereinen jedoch, kann der Autor von Sphären der Gerechtigkeit zwei Fragen formulieren, denen sich bezüglich eines jeden Mitgliedschaftsantrags neu stellen muss: „Welche Art von Gemeinschaft wollen die Bürger schaffen? Mit welchen anderen Männern und Frauen wollen sie ihre sozialen Güter teilen und austauschen?“ (SG: 78) Für die Lösung solcherlei Fragen gibt uns Walzer zwei Handreichungen: Über Frauen oder Männer, die radikal fremd sind, ist in genau derselben Art nachzudenken, wie wir es auch über uns selber tun. Daneben empfiehlt er die Reflektion auf die drei Arten des Universalismus (vgl. SG: 67).

APPLIKATION DER TRANSZENDENTALEN TAUSCHGERECHTIGKEIT

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Höffe schlägt im Zusammenhang mit dem von ihm so genannten Phänomenbündel Gemeinschaft von Not und Leid und im nationalstaatlichem Rahmen, die Anwendung von vier Grundsätze vor: »Recht«, »öffentliche Gewalten«, »Menschenrechte« und »Demokratie« (vgl. 5H: 163) Diesen vier Grundsätzen spricht er den Rang von Präjudizien zu, das heißt „für eine Rechtsordnung haben sie den Rang von moralischen Vorentscheidungen.“ (13H: 543). Wegen ihres Belangs beschränkt sich der folgende Abschnitt auf die Explikation des Prinzips »Recht« (A) und des Prinzips »Menschenrecht« (B), in ihrem Bezug auf den Asylkompromiss. Weil die Menschen jedoch nicht um des Rechts und der Menschenrechte willen da sind, sondern einen Eigenwert haben, werden deshalb exemplarisch die beiden Prinzipien ergänzt durch Höffes moralischen Forderung nach Solidarität (C) und Hilfsbereitschaft (D).

(A) Recht

Die Rechtfertigung der allseits gültigen Rechtsregeln hat eine zur Rechtfertigung des Menschenrechts analoge Argumentationsstruktur („Anthropologie plus Ethik“). Zur Erinnerung sei die folgende Zusammenfassung: Aus der partial-anthropologischen Grundthese, der leiblichen Integrität als Bedingung der Möglichkeit von Handlungsfähigkeit, lässt sich ein minimales, transzendentales Interesse aller Menschen ableiten: „Keine Gewalt ausüben, woraus die Integrität von Leib und Leben folgt.“ (6H: 35) Dieses Interesse wird ergänzt durch den moralischen Standpunkt der Tauschgerechtigkeit, „die Elementarform einer, freiwilligen Tauschakten innewohnenden Gerechtigkeit des »gleich für gleich«, das quid pro quo wechselseitigen Tauschs von Gleichwertigem, den Äquivalententausch.“ (Kettner 1997: 250)[26] Die Gedankenfigur, die aus der Kombination des transzendentalen Interesses und der Gegenseitigkeit des Tauschs folgt, nennt Höffe den transzendentalen Tausch.

Dem Prinzip des Rechts ist zu allererst die Bedeutung implizit, dass ausnahmslos alle, d. h. sowohl die einheimischen wie auch die Flüchtlinge, gleich welchen Ursprungs und gleich welcher Identität, egalitär gleich, das Recht generieren. Egalitarismus ist hier zunächst in jenem spezifischen Höffe’schen Sinne zu verstehen, in dem sich alle Menschen als Mitglieder jener Gruppe begreifen, die in einem Äquivalententausch gegenseitig Freiheitsverzichte tauschen, um ihre individuelle Handlungsmöglichkeit zu erhalten.

„Aber wenn man von den Betroffenen nur eine Mitgliedschaft zur Kenntnis nimmt (und alle anderen vernachlässigt)“, könnte man mit Sen (2007) einwerfen, dann „macht man mit einem Schlag die weitreichende Bedeutung unserer vielfältigen Zugehörigkeiten und Engagements zunichte.“ (Sen 2007: 185) Tatsächlich ließe sich dieses Zitat als Kritik an Höffe anwenden, in analoger Argumentation etwa der forcierten Kritiken aus den Reihen der Kommunitarsten gegen die Rawls’sche Naturzustandsvorstellung. Sens Zitat soll hier aber nicht als Kritik an Höffe ausgebaut werden. Denn Letzterer stellt zwar eine einzige Mitgliedschaft primordial vor alle anderen möglichen, nimmt aber viele Mitgliedschaften zur Kenntnis, ohne sie auszuschließen. Sens Zitat zeigt vielmehr auf, dass Flüchtlinge als die idealen Tauschsubjekte für den Äquivalententausch von Freiheitsverzichten gelten können. Denn wie sonst niemand besitzen Flüchtlinge exklusive, auf das blanke Leben zugespitzte Mitgliedschaften. Im Herkunftsland nämlich müssen sie die allermeisten ihrer Freiheiten zurücklassen und können meist nur das blanke Leben retten. Mit dem »Leben« ist nur genau die notwendige Bedingung eines formalen und voraussetzungslosen Prinzips bezeichnet, die Erhaltung von Handlungsfähigkeit durch den gegenseitigen, negativen Tausch von Verzichten auf Lädierung des Lebens eines jeden Anderen (vgl. 6H: 38). Das ist genau jener Tausch, der Asylsuchenden im Herkunftsland abhanden gekommen ist und der ihre Handlungsfähigkeit bedingt. Wem es also gelingt das Zielland seiner Flucht zu erreichen, der kann er tatsächlich nicht viel mehr, als sein blankes Leben einzutauschen und damit seine Handlungsfähigkeit und die Handlungsfähigkeit der anderen zu erhalten. Damit ist der Flüchtling als ideales Subjekt des rechtsgenerierenden, transzendentalen Tausches bestimmt.

Während nun die Mitglieder des negativ- transzendentalen Tausches egalitär Recht generieren, bleibt auch in der Auslegung und Anwendung das Recht ebenso egalitär auf alle Individuen bezogen. Denn „Alle sind vor dem (positiven) Gesetz gleich, ohne Ansehen der Person und unabhängig von der Einflussnahme von Interessengruppen.“ (5H: 52) So generieren die Staatsbürger sowohl das Recht, wie sie es auch auslegen oder anders gesagt, Bürger sind sowohl Autoren des Rechts, als auch Rechtssubjekte. Damit verknüpft kann Egalität auch als eine staatsbürgerliche Tugendforderung verstanden werden. Als Kennzeichen dieser Tugend führt Höffe in Anlehnung an antike Texte, eine Ur-Tugend an. Sie besteht darin, „kontextgerecht, aus sich selbst heraus, freiwillig, zumindest vom ungehinderten Ausleben der Triebe und Wünsche Abstand zu nehmen.“ (8H: 191) Diese Tugend ist interdependent mit der Schaffung, Belebung und Reformation von Institutionen und Gesetzen verwoben, wie alle „Bürgertugenden durch entgegenkommende Gesetze und Institutionen befördert werden, die ihrerseits durch Bürgertugenden teils entlastet, teils in ihrer Qualität verbessert werden.“ (8H: 192)

Der Versuch die rechtsgenerierende und die rechtsauslegende Bedeutung von Egalitarismus auf das Asylbewerberleistungsgesetz zu beziehen wirft Fragen auf.

1. Wenn nämlich Flüchtlinge am Tausch von Freiheitsverzichten durch den äquivalenten Verzicht auf Freiheit teilnehmen, warum sollten sie dann Leistungen erhalten, die im Vergleich zum Bundessozialhilfegesetz um ca. 20% abgesenkt sind, also unterhalb des Existenzminimums liegen und sich nur noch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche beziehen?[27] Daran anschließend lässt sich danach fragen, welches Äquivalent dem negativen Tausch der Fremden auf Konsumfreiheit entspricht?[28]

2. Wenn die Generierung und Ausübung des Rechts wirklich alle Menschen egalitär einschließt, wie kann dann begründet werden, dass erwerbstätige arbeitsfähige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, bei einem Angebot seitens der Behörden die Verpflichtung zur Wahrnehmung einer mit 2DM/ Stunde (vgl. Classen 1999)[29] bezahlten Arbeitsgelegenheit obliegt, der aber kein Recht auf Arbeit entspricht?[30] Daran anschließend lässt sich danach fragen, wieso Flüchtlinge im Besonderen eine reguläre Arbeit erst dann annehmen dürfen, wenn sich im Zeitraum von 4 Wochen kein deutscher Staatsangehöriger gefunden hat, der die Tätigkeit äquivalent ausüben kann?[31]

In der Heuristik, der Kontexttheorie nach Forst, lassen sich für die hier aufgeworfenen Fragen zweierlei Beantwortungsstrategien ausmachen. Währe nämlich die durch Flüchtlinge konstituierte Anforderung an ein politisches Gemeinwesen, ähnlich wie bei Forst so gedacht, dass die Interessen der politischen Allgemeinheit an Grenzen stoßen, die die moralische Allgemeinheit aller Menschen zieht (vgl. F: 402), dann hieße das für Höffe, dass seine staatsbürgerliche Tugendforderungen an ihre Grenzen stoßen, wo sie mit Flüchtlingen konfrontiert sind, deren originäres politisches Gemeinwesen, exterritorial des aufnehmenden politischen Gemeinwesens lokalisiert sind. Die Bestätigung oder Falsifizierung dieser These gebietet sich mit Höffes Gedanken zu den Menschenrechten auseinander zu setzen. Dabei gilt es besonders darauf zu achten, in welchem Verhältnis die Anforderungen der Menschenrechte zum zwangsbewehrten Recht liegen. Gehen sie über die Grenzen eines im Staatswesen institutionalisierten Rechts hinaus, liegen sie quer zu ihnen oder sind sie identisch? Im Folgenden wird daher untersucht werden, welche Implikationen ins Recht Höffe den Menschenrechten zugesteht, d.h. in wieweit er die Rechtsordnung auf die Menschenrechte hin transzendiert.

Die zweite Beantwortungsstrategie bezieht sich auf die bei Forst, zum moralischen Kontext hin transzendiert Tugend des Individuums. Die folgenden Ausführungen werden also ferner also darauf fokussieren, ob Höffe in der Lage ist ein Ethos zu beschreiben, welches die Menschenrechte ergänzt.

(B) Menschenrecht

Bezüglich der Gemeinschaft von Not und Leid erhebt Höffe auf Weltebene eine sehr deutliche Forderung: die Rechtfertigung des Rechts ist auf die globale Ebene eines Weltrechts auszudehnen (vgl. 5H: 163; vgl. Kapitel 4.3). Denn die Rechtfertigung des Rechts nach dem Muster des Tauschs (vgl. 13H: 533) kann tout court als Menschenrecht bezeichnet werden, weil es bzw. der Tausch für jeden Menschen zu jeder Zeit seines Lebens aktuell ist (vgl. 7H: 78; Absch. 2.1.2). Die Menschenrechte sind nicht nur wegen ihrer Kulturinvarianz, sondern aus einem zweiten Grund anderen vorzuziehen: sie sind in ihrer Legitimität von historischen Bedingungen (z. B. Kapitalismus und Absolutismus) unabhängig (Vgl. 6H: 29f.). Sofern aber kein Weltrechtsstaat existiert und keine irgendwie geartete Institution abzusehen ist, die auf globaler Ebene für die Durchsetzung der Menschenrechte Sorge übernehmen könnte, muss im allgemeinen nach den Implementationen der Menschenrechte in das gemeine Recht gefragt werden und im besonderen, nach den Forderungen mit denen die Menschenrechte das Aufendhaltsgesetz ansprechen.

Die besonderen Rechtsregeln sieht Höffe in allgemeinen Verbindlichkeiten begründet, „namentlich den Menschenrechten als Bedingungen gegenseitiger Anerkennung.“ (5H: 108) Anerkennung ist hier als eine moralische Forderung an alle Menschen und alle Staaten zu verstehen (vgl. 6H: 35). Sie muss wechselseitig und gleichberechtigt sein (vgl. 6H: 36f.). Daraus kann als allgemeine Regel abgeleitet werden, dass niemand die anderen unterdrücken oder ausbeuten, noch für sich selbst Privilegien beanspruchen darf (vgl. 5H: 144). Mit der so gearteten Anerkennungsforderung bestätigt Höffe zwar die Allgemeinverbindlichkeit der Menschenrechte, d.h. die Verpflichtung in die gewöhnlichen Rechtsregeln, Grundsätze von der Art der Menschenrechte einzuarbeiten (5H: 80). Die Reichweite der Einschreibung ins Recht aber, beschreibt er damit nicht. Sollen die gewöhnlichen Rechtsregeln von den Menschenrechten bloß die negativen Freiheitsrechte einbeziehen, also die Unabhängigkeit von Fremdbestimmung? Oder sollen aufgrund der Menschenrechte in die gewöhnlichen Rechtsregeln auch die positiven Freiheitsrechte und sogar Sozial- und Kulturrechte impliziert werden?

Zunächst ist mit Höffe davon auszugehen, dass ein Minimum der Menschenrechte in jeder Staatsverfassung zu finden sein sollte. Denn Menschenrechte haben vor- und überpositive, moralische Bedeutung (vgl. 6H: 34). „Das Minimum heisst: keine Gewalt ausüben, woraus die Integrität von Leib und Leben folgt.“ (6H: 35) Die Gewährung eines Minimums an negativer Freiheit genügt Höffe jedoch nicht. Weil er nämlich reale Freiheit an die ihr entsprechenden Mittel gebunden sieht (vgl. 5H: 53). Diese Mittel bestehen qua Normativitätskriterium des (positiven) Rechts und dessen Anspruchscharakter, in der konkreten Auslegung des Menschenrechts durch Gerichte (vgl. 4H: 406). Mit Höffe stellt sich also die „Frage, wie sie positivierten Menschenrechte und überhaupt wie Rechtbestimmungen in konkreten Fällen auszulegen sind“ (4H: 474). Diese Auslegung zielt in einem niemals abschließbaren Prozess darauf ab, die faktischen Gestalten immer wieder herauszufinden (vgl. 4H: 474f.).[32] Höffes Konzeption impliziert damit zwar als Kriterium die allgemeinverbindlichen Menschenrechte, die auch Fremden eine konkrete Stimme in den politischen Beratungen verleihen. Aber nicht zuletzt Habermas (1989) hat ein demokratietheoretische Defizit des Höffe’schen Ansatz moniert, der dem Faktum nicht gerecht wird, dass „peoplehood is dynamic and not a static reality. A demos can alter its own understanding of citizenship, which in turn will alter the ethnos, understood as a shared community of fate.” (Benhabib 2006: 69)

(C) Tugendforderungen

Wie nicht nur die oben gestellten Fragen bezüglich des Asylkompromiss aufzeigen, sondern auch Höffes Forderung der Auslegung von Menschenrechten durch Gerichte, sind universale Prinzipien gekennzeichnet durch ihre Unterbestimmtheit (vgl. 8H: 120). Eine solche Unbestimmtheit kennt Aristoteles in analoger Art und Weise als struktureller Mangel des Gesetzes, aufgrund seiner allgemeinen Fassung (vgl. Aristoteles NE: 1137b26). Zum Ausgleich dieses Mangels verweist der Stagirite auf die Tugend der Billigkeit, als Korrektur des Gesetzes und auf die der Freundschaft inhärente Liebe. Sie ist nicht nur eine Korrektur des Gesetzes, sondern sie kann die Gerechtigkeit von einer höheren Vollkommenheit her abstrakt in sich aufheben (vgl. Aristoteles: NE 1137b20ff.),[33] weil sie auf das Letzte, das Mögliche, den Untersatz im Bereich des Handelns geht (Aristoteles: NE 1134b2).

Auch der Tübinger Philosophieprofessor Höffe ergänzt das Gesetz wie Aristoteles, durch die Forderungen nach einer moralischen Haltung (vgl. 8H: 192). Zusätzlich zum Recht ist bei Höffe „eine verdienstliche Mehrleistung, eine Hilfsbereitschaft im Sinn globaler Solidarität und globaler Menschenliebe, angesagt.“ (8H: 399) Diese beiden Tugenden, Solidarität und Menschenliebe, die von der Tugend der globalen Wohltätigkeit ergänzt werden, sind jenseits der Höffe’schen theoriegenerierenden, pragmatischen Skepsis angesiedelt (vgl. 8H: 27). Sie sind in der Lage, den bestenfalls entgrenzten oder gar grenzenlosen Anforderungen die sich durch die Gemeinschaft von Not und Leid stellen, angemessene, d.h. grenzüberschreitende, utopische Energien entgegensetzten. Schon der junge Hegel in seiner Jenaer Zeit erkennt, dass Muster der Anerkennung, die bis ins Affektive hineinreichen und für die sich am ehesten die Kategorie der »Solidarität« anbietet, noch einmal für einen übergreifenden Rahmen sorgen, in dem Individuen zu einer sittlichen Gemeinschaft zusammenfinden (vgl. Honneth 1998: 44). Bezeichnend für diesen »Solidaritätsbegriff« ist seine über die bloß kognitive Anerkennung hinausgehende Form der reziproken Beziehung zwischen Subjekten, die sich auch heute noch durch eine große Anschlussfreunde auszeichnet, die nicht nur auf die Sozialwissenschaften beschränkt bleibt (vgl. Honneth 1992: 44f.). Allerdings, und damit offenbart sich ein Defizit, nicht nur der Höffe’schen Tugendethik: Tugenden können nicht pflichtgemäß eingefordert werden. Sie bleiben daher rein freiwillig (vgl. 8H: 76). Zwar merkt Höffe an, dass die globale Solidarität, globale Menschenliebe und globale Wohltätigkeit den gleichen normativen Kern wie die Tauschgerechtigkeit auch besitzen: die Wechselseitigkeit. Sie können aber im Gegensatz zur Tauschgerechtigkeit nicht durch das sie verwirklichende, bezwingende Gesetz erzwungen werden, weil ihre reziproken Verwirklichung zwischen Subjekten über die bloß kognitive Anerkennung hinaus geht (vgl. Honnet 1992). Die globalen Tugenden bestehen in und durch emotionale Verbundenheit (vgl. 8H: 89f.), was jenseits des Rechts die Öffnung der Individuen zum guten Leben hin verbürgt (vgl. 8H: 76f). Wird in diesem Zusammenhang mit Höffe das gute Leben als »Spielraum« verstanden, den alle Menschen in unterschiedlicher Art und Weise deuten (8H: 121) und unterschiedlich ausfüllen (vgl. 8H: 76), dann verweist Höffe, wie die folgenden Ausführungen zeigen sollen, dieses Gute Leben in systematische Schranken und beschränkt damit das vorhandene Potential der Solidarität, Wohltätigkeit und Menschenliebe zur Befreundung mit dem guten Leben der anderen.[34]

Solidarität als Tugend systematisch beschränken bedeutet hier zunächst, dass Höffe mit Max Scheler für die »soziale Wesenstufe der Masse« jegliche Solidarität leugnet (vgl. Scheler 1960: 560)[35]. Einer jeden modernen Gesellschaft auf der sozialen Wesenstufe der Masse, die Solidarität auch unter Fremden üben will, bleibt prinzipiell also nichts anderes übrig, als dies innerhalb von Institutionen, Regeln und Sanktionen zu tun. Damit bedeutet Höffe die moderne Gesellschaft als eine, in der organische, wie mechanische Solidarität, durch institutionelle Arrangements ersetzt sind.[36] Diese institutionellen Arrangements können aber nicht der Solidarität äquivalent sein und führen auch nicht zu deren völliger Auflösung. Denn jenseits der institutionalisierten Solidarität, besteht Solidarität als emotionalen Verbindungen innerhalb von »Schicksalsgemeinschaften« (vgl. 8H: 92) weiterhin. Denn Hilfsleistungen sind in der globalen Dimension, insofern sie außerhalb institutionalisierter staatlicher Reglements und Arrangements gedacht wird, notwendig auf jene unbestimmten emotiven Verbindlichkeiten angewiesen. Die entsprechende Form der extrainstitutionellen Solidarität innerhalb der globalen Dimension ist in Höffes Konzeption die kosmopolitische Solidarität (vgl. 10H: 180). Sie kann universell gegen jeden Menschen geübt werden, der an der Minimalbedingung, dem gegenseitigen Tausch von Freiheitsverzichten, partizipiert. Somit ist kosmopolitische Solidarität systematisch eingeschränkt, auf jene »im selben Boot« sitzenden Freien (vgl. 10H: 200) und unter Piraten, die nicht am negativen Tausch teilnehmen, auch nicht denkbar. Interessanterweise liegen aber angesichts des Phänomenbündels Gemeinschaft von Not und Leid Bedingungen vor, welche „die übliche Vorsorgefähigkeit des Menschen übersteigen“ (8H: 414). Damit besteht ein notwendiger Konnex zwischen den im Höffe’schen Sinne freien Personen und der gesamten Menschheit, diesmal aber inklusive der Piraten, die mit der gesamten „Menschheit im selben Boot“ (8H: 414) sitzen.

Es mutet also im Rahmen der Höffe’schen Solidaritätskonzeptionen mehr als kontraintuitiv an, wenn Personen, deren Solidarität im Rahmen des einzelstaatlichen Institutionengefüges normiert ist, paradoxerweise im Rahmen der Weltgemeinschaft, sich wieder gegen Vereinzelung und Vermassung stemmen, also gleichermaßen selbstverantwortlich wie (mit-) verpflichtet handeln sollen. Ebenso inkohärent erscheint eine institutionalisierte Solidarität, die sich gerade dadurch auszeichnet auf die emotional motivierten Verbindlichkeiten Verzicht zu leisten und dabei zum Schutz vor Pleonexie ein neues Ethos fördert, „eine »subjektive« Haltung, ein Ethos, wechselseitiger Rücksichtnahme und Kontrolle“ (8H: 93). In diesen paradoxen Zusammenhängen könnten Höffes Überlegungen so erscheinen, als ob die emotionale Verbindung in globaler Dimension, solidarische Mitverantwortung einfordert und damit die Legitimation von institutionell gewährter, (solidarischer) Hilfsleistungen aufweicht.[37]

(C) Nothilfe

Unabhängig von institutionellen Rahmen diskutiert Höffe die Nothilfe. Denn selbst wenn in einem Notfall keine über die Emotionalität begründbare Solidarität existiert, muss unter bestimmten Bedingungen Nothilfe gewährt werden. Geschuldet ist Nothilfe jedoch nur dann, wenn dem Helfer eine Verantwort erwächst, die in seiner Mitschuld an der Misere begründet liegt (vgl. 8H: 78). Ist dieses Kriterium geschuldeter Gerechtigkeit nicht erfüllt, handeln Helfende nach einem verdienstlichen Mehr, welches Mitleid oder die Menschenliebe heißt (vgl. 8H: 82) und dementsprechend wieder der individuellen Tugend oder dem individuellen Unvermögen zuzurechnen ist.

Für die Gewährung der Nothilfe unterscheidet Höffe in Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger sechs verschiedene, in Demokratie im Zeitalter der Globalisierung vier Rationalitätsbedingungen, die hier unkommentiert aufgezählt werden. Demnach ist Hilfe davon abhängig zu machen, wie groß die Not ist und wie nah im Verwandtschaftsgrad einem die Hilfsbedürftigen stehen (1). Entscheidend für den Einsatz von Hilfsmitteln spricht auch die pragmatische Überlegung, ob der Größe ihres Wirksamkeitskreis und der Stärke ihres Wirksamkeitsgrads (2) und die Möglichkeit eine sehr effektive Hilfe zur Selbsthilfe zu gewährleisten (3). Schließlich ist Hilfe zum Zweck ihren Missbrauch vorzubeugen, an Bedingungen wie Reformen oder Rückzahlungen zu knüpfen (4).

Sie sechs Bedingungen an die Höffe in Wirtschaftsbürger, Staatsbürger, Weltbürger die Gewährung von Hilfe knüpft:

„ 1. Der Anlaß der Hilfe, 2. die Antwort darauf und 3. der Träger der Hilfe müssen rechtens sein, ferner 4. die Art und Weise der Hilfe; […] Weiterhin kommt es 5. auf die bei reiflicher Überlegung zu erwartende Erfolgsbilanz an. Und weil der Nothelfer sich in Gefahr begibt, muss er sich 6. der Zustimmung seiner Bürgerschaft bzw. ihrer Vertretung, des Parlamentes, und zusätzlich der Zustimmung der zum Einsatz kommenden Personen versichern.“ (5H: 210)

Schon das Wenige aus Höffes Konzeption entnommene, lässt mannigfache Schlüsse auf die 1993 gesatzte Grundrechtnovelle, den Asylkompromisses zu. Wie im Anschluss an die Diskussion des Rechts bereits festgestellt wurde, finden sich trotz des egalitären Tugendanspruchs des Rechts tief greifende Asymmetrien zwischen Flüchtlingen und Inländern im Asylkompromiss festgelegt. Die menschenrechtliche Fundierung des gemeinen Rechts macht diese Asymmetrie umso bedenklicher, als darin kein Grund gefunden werden kann, ein Mensch dem anderen vorzuziehen. Sie würden sich als hervorragendes Instrument der Kritik einer solchen Aufenthaltsgesetzgebung erweisen, hätte das Grundgesetz nicht schon längst eine Formulierung aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 aufgenommen, wenn es sich zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als der Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt“ bekennt (vgl. Art 1, Abs.2 GG). In der Praxis bleibt es aber trotz Diskriminierungsverboten bei der von Höffe unmittelbar formulierten Forderung, dass deutsche Gerichte dazu übergehen sollten, jede Menschenrechtsnorm einzeln auf ihre unmittelbare Anwendbarkeit hin zu überprüfen.[38] Aus diesem Grund und weil die Anerkennungsquote nach der 1993er Novellierung von Art. 16a GG entsprechend gering ausfiel[39], zeigt sich, dass in der Folge politisch Verfolgten häufig Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt wurde. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Staat nicht allein auf die zur traditionell- rechtsstaatlichen Legitimation zusätzliche Kontrolle durch das »Forum des Weltgewissens« angewiesen ist. Die Anwesendheit dieses Forums aber, genau wie die Forderungen der zahlreichen Menschenrechtsformulierungen, weckt das Bewusstsein der betroffenen Individuen.[40]

Jene Individuen als Solidarpartner der Flüchtlinge sind allerdings im Asylkompromiss nicht vorgesehen. Auch bei Höffe entspricht der Tugend der Solidarität nichts, außerdem ist ihr Status mehr als ambivalent. Solidarleistungen gilt es zunächst im Rahmen staatlicher Institutionen zu verteilen. In diesem Rahmen sind sie zuverlässig einzufordern und zwar für jedes Individuum und nicht nur für jene, die emotionale Verbindungen haben. Diese staatliche Nothilfe ist an bestimmte Bedingungen geknüpft und kann gleich dem rechtlichen Status der Duldung[41] von Flüchtlingen, bei Nichterfüllung dieser Bedingungen jederzeit rückgängig gemacht werden. Mit diesem besonderen Rechtsstatus von Flüchtlingen schließt sich der Kreis zu der Frage nach deren abgesenkten Hilfsleistung und Zwangsverpflichtung zu Arbeitsleitungen. Obgleich Flüchtlinge nämlich qua Mensch-sein am gegenseitigen Tausch von Freiheitsverzichten teilnehmen, dürfen sie nicht als gleichberechtigter Teil des Gemeinwesens begriffen werden. Auch wenn den Fremden heute ein menschenrechtlicher Status zukommt, „der die Schärfe des Gegensatzes zwischen Staatsangehörigen und Straatsfremden mildern sollte.“[42] Ihre Sonderbehandlung im Vergleich mit Staatsangehörigen beruft sich auf die im Asylbewerber-leistungsgesetz festgelegte Einschränkung der Konsumfreiheit, die »Zwangsarbeit«, auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und auf Sonderregelungen beim Flughafen-Asylverfahren nach § 18a AsylVfG.[43]

Referenzen

[Bearbeiten]
  1. Neben den in Kapitel 2 angeführten Arbeiten, finden sich weiterführende Ansätze auch in: Haucke 2002; Bourdieu 2001; Derrida 1992; Lévinas 2002 etc..
  2. “The total population of concern to UNHCR increased from 19.5 million persons at the beginning of 2005 to 20.8 million by the end of 2005 (+6%). […]The report 2007 shows that, at a total of 32.9 million, there has been a significant increase in the global population of persons of concern to UNHCR in 2006 as compared with 2005. Include: Refugees, asylum-seekers, returnees (refugees who have returned during 2005), internally displaced persons (IDPs), returned IDPs (IDPs who have returned to their place of habitual residence during 2005), stateless persons, and others of concern not falling under any of the categories above. (Division of Operational Services (DOS), Field Information and Coordination Support Section (FICSS), at UNHCR Headquarters in Geneva. (2007): 2006 Global Trends: Refugees, Asylum-seekers, Returnees, Internally Displaced and Stateless Persons. http://www.unhcr.org/statistics/STATISTICS/4676a71d4.pdf am 28.6.07 um 22:38 Uhr.)
  3. Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (2003)2: Handbuch Generationengerechtigkeit. Dies. (Hrsg.). München: Ökom Verlag.
  4. Der Begriff stand in intergenarationeller, globaler und integrativer Perspektive im Mittelpunkt der Diskussionen bei Erdgipfel der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro, bei dem 178 Staaten sich auf ein gemeinsames Aktionsprogramm, die „Agenda 21“ einigten. Vgl. Tremmel, J. (2003): Genertionengerechtigkeit – Versuch einer Definition. S. 27- 80. In: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (2003)2: Handbuch Generationengerechtigkeit. Dies. (Hrsg.). München: Ökom Verlag. S. 61.
  5. Das United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs schreibt auf seiner Webseite die gegenwärtigen Notfälle aus: „Sudan. The 2007 Work Plan of the United Nations and its humanitarian partners targets to assist 5.5 million people, with a projected cost of $1.26 billion for humanitarian activities and $560 million for recovery and development. […] Somalia. 1.8 million people, including 400,000 internally displaced persons (IDPs) are still in need of urgent humanitarian assistance. Only 2% of the 2007 CAP has been funded.“ Vgl. http://ochaonline.un.org/ am 24.4.2007 um 22:10.
  6. Vgl. Wollenschläger, M. (2003): Deutsche Ausländer- und Asylpolitik in Bewegung. S. 40-56. In: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.): 50 Jahre. Behörde im Wandel. Nürnberg. Selbstverlag. S.47.
  7. „Im Jahre 1992 waren 438.000 Asylanträge beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge registriert worden – weitaus mehr als in der gesamten Europäischen Union im Jahr 2002.“ Berglund, S. (2003): Humanitäre Asylpolitik in Deutschland. S. 57 – 67. In: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.): 50 Jahre. Behörde im Wandel. Nürnberg. Selbstverlag. S. 61.
  8. http://www.bpb.de/themen/WKSLL0,0,Todesopfer_rechtsextremer_Gewalt.html am 9.6.07 um 17:38. Die Chronologie kann auch eingesehen werden unter: http://www.opfer-rechter-gewalt.de/www/service/down/chronologie.pdf am 9.6.07 um 17:51.
  9. Vgl. Walzer (2007); Walzer, M. (2003): Erklärte Kriege – Kriegserklärungen. In: Kallscheuer, O. (Hrsg.) Goldmann, C. (Übers.). Hamburg : Europäische Verlags-Anstalt.
  10. Es bleibt auf die steigende Aktualität dieses Themas hinzuweisen, da sich die Bundeswehr bereits in folgenden Ländern militärisch engagiert: Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Georgien, Mittelmeer, Afganistan/ Usbekistan, Horn von Afrika, Sudan, Äthiopien/ Eritrea, Demokratische Republik Kongo. Vgl. auch Joffe, J. (2006): Dabei sein ist nicht alles. Afganistan, Kongo, Libanon, Sudan: Muss denn die Bundeswehr überall hingeschickt werden? In: DIE ZEIT Nr.38 am 14.9.06 S.1.
  11. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1989 ist eine Verfolgung dann eine politische, „wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (grundlegend Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 10.07.1989).“ vgl. http://www.bamf.de/nn_566324/DE/Asyl/Asylrecht/Rechtsgrundlagen/rechtsgrundlagen-node.html__nnn=true.
  12. Vgl. Sandel, M. (1993): Die verfahrensrechtliche Republik und das ungebundene Selbst. S.18- 35. In: Honneth, A. (Hrsg.): Kommunitarismus. Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften. Frankfurt am Main, New York: Campus Verlag. S.18.
  13. Van Reijen, W. (1995): Die Beweislast der politischen Philosophie. S. 466- 489. In: Van den Brink, B., Van Reijen, W. (Hrsg.): Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. S.466.
  14. Höffe, O. (1989) Replik. Präjudizien des Diskurses: eine Erwiderung. In: Politische Vierteljahresschrift XXX. Jahrgang 1989. Opladen: Westdeutscher Verlag. Replik auf auf Habermas (1989): Ottfried Höffes politische Fundamentalphilosophie. In: PVS 30/2 (1989), 320- 327. Im Folgenden mit „13H“ abgekürzt.
  15. Petersen, W. (1972): Eine allgemeine Typologie der Wanderung. S.95- 114. In: Szell, G. (Hrsg.): Regionale Mobilität. Elf Aufsätze. München: Nymphenburger Verlagshandlung. Treibel, A. (2003)3: Migration in modernen Gesellschaften. Soziale Folgen von Einwanderung, Gastarbeit und Flucht. Weinheim, München: Juventa Verlag.
  16. Vgl. Homepage des Bundesministeriums des Innern: Rückkehr von Flüchtlingen; http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_161642/Internet/Content/Common/Anlagen/Themen/Auslaender__Fluechtlinge__Asyl/PolitischeZiele/Rueckkehr__von__Fluechtlingen__Id__25475__de,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Rueckkehr_von_Fluechtlingen_Id_25475_de.pdf am 10.6.07um 16:29.
  17. Vgl. Sidgwick, H. (2005[1891]): Elements of Politics. [London: Macmillan and Co.] New York: Cosimo Inc. S. 295;
  18. Auch gegen die Sachleistungen, die §3 des Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht hat Walzer schwerwiegende Einwendungen zu machen: „In einer Welt, in der unterschiedliche, je besondere Kulturen existieren, in der die Vorstellung davon, was gut und richtig ist, differieren und miteinander konkurrieren, in der die Ressourcen knapp und die Bedürfnisse schwer bestimmbar und expansiv sind, kann es keine allseits anwendbare einzige Universalformel geben, keinen universell gebilligten Weg, der von Konzepten wie z.B. dem des »gerechten Anteils« zu einer umfassenden Liste der Güter führt, auf die diese Konzepte anwendbar wäre.“ (SG: 128f.)
  19. Vgl.§5 des Asylbewerberleistungsgesetz; „Nicht erwerbstätige arbeitsfähige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet. Lehnen sie die Wahrnehmung einer solchen Tätigkeit unbegründet ab, so haben sie keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.“ Im Jahr 2002 wurden unter diesen Bedingungen etwa 6,5 Millionen Arbeitsstunden gestaltet. Vgl. Überblick über das Sozialrecht 2004. Kap. 20. Sozialgesetzbuch – Asylbewerberleistungsgesetz. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (Hrsg.) Nürnberg: Bw Verlag. http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Publikationen/Uebersicht-ueber-das-Sozialrecht/2004/sozialgesetzbuch-20-asylbewerberleistungsgesetz,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf am 13.6.07 um 17:17 Uhr. Vgl. Classen, G. (1999)2: Menschenwürde mit Rabatt. Leitfaden und Dokumentation zum Asylbewerberleistungsgesetz. Karlsruhe: Loeper Literaturverlag. http://www.proasyl.de/lit/classen2/classen2-1.htm;
  20. Deutscher Bundestag: Drucksache 13/4379 vom 17.04.1996. Antrag: Menschenrechtlich orientierte Asyl- und Flüchtlingspolitik http://www.free.de/WiLa/Stoerfall/dr4379.htm am 11.6.07 um 17:20.
  21. Vgl. Rousseaus volonté de tous
  22. Vgl.: volonté générale
  23. Vgl. Datenreport 2002. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. (2002) In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) In Zusammenarbeit mit WZB und ZUMA. Schriftenreihe Bd. 376. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S.561.
  24. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, von diesem gebrochenen Selbstverständnis der politischen Gemeinschaft aus, die daraus folgenden Formen der Anerkennung zu untersuchen.
  25. Vgl. Reese-Schäfer, W. (1996): Kommunitarismus auf dem Prüfstand. Sozialpolitik zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Vortrag gehalten beim Tübinger Forum. http://www.tuebinger-forum.de/kommunit/komm_t1.htm am 9.2.2007 um 18:18 Uhr.
  26. Kettner, M. (1997): Ottfried Höffes transzendental- kontraktualistische Begründung der Menschenrechte. S. 243- 283. In: Kersting, W. (Hrsg.): Gerechtigkeit als Tausch? Auseinandersetzung mit der politischen Philosophie Otfried Höffes. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. S. 250.
  27. Vgl. Überblick über das Sozialrecht 2004.
  28. Vgl. Wer Sachleistungen (das ist der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege sowie an Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts) anstelle Geld erhält, verzichtet auf seine Konsumfreiheit. §3 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
  29. Vgl. § 5 AsylbLG – Arbeitsgelegenheiten; Classen, G. (1999)2: Menschenwürde mit Rabatt. Leitfaden und Dokumentation zum Asylbewerberleistungsgesetz. Karlsruhe: Loeper Literaturverlag. http://www.proasyl.de/lit/classen2/classen2-1.htm
  30. Im Jahr 2002 allein, wurden unter diesen asymmetrischen Bedingungen etwa 6,5 Millionen Arbeitsstunden abgeleistet (vgl. Überblick über das Sozialrecht 2004).
  31. Vgl. Überblick über das Sozialrecht 2004.
  32. Wie bereits erörtert, sieht Walzer nicht die gleiche einende Bedeutung des rationalen Rechts. In Betonung der Differenz von verschiedenen Handlungssphären bestehe die hauptsächliche Funktion des Rechts, so wurde Walzers These dort vorgestellt, in der Abgrenzung von Sphären gegeneinander. Es ist für „Gute Zäune“ (SG: 449) verantwortlich, so dass möglichst wenig Schmerz entsteht. Gleichwohl können diese Abgrenzungen nicht anhand eines einzigen verallgemeinerten, transzendental begründeten Prinzips vorgenommen werden, weil damit den divergenten Bedeutungen nicht angemessen Respekt gezollt würde. Weitere Kritiker der Menschenrechte: Feyerabend, Paul, K. (1989): Irrwege der Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Lyotar, J.-F. (1983): Le différent. Paris : Minuit. Dt. Lyotar, J.-F. (1989): Der Widerstreit. München : Wilhelm Fink Verlag. Rorty, R. (1989): Contingency, Irony, and Solidarity. Oxford: Oxford University Press; Deutsch: Kontingenz, Ironie und Solidarität. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
  33. Vgl. Han, B.-C. (1996): Liebe, Gerechtigkeit und Gesetz. Ein interkultureller Streifzug. S. 161-171. In: Ethik und Politik aus interkultureller Sicht. Mall, R.A. und Schneider, N. (Hrsg.) Amsterdam, Atlanta: Editions Rodopi B.V.. S.161.
  34. Die folgende Diskussion der globalen Tugenden ist ausschließlich auf die Solidarität verengt. Ein Aspekt der Menschenliebe wird im Absatz (D), Nothilfe, wieder aufgegriffen, die Tugend der Wohltätigkeit wird nicht weiter angeführt.
  35. Vgl. Scheler, M. (1960[1926]): Die Wissensformen und die Gesellschaft. In: Scheler, M. (Hrsg.): Gesammelte Werke Bd. 8. Bonn: Bouvier. S. 560. In: 8H: 93.
  36. Die politische Soziologie unterscheidet zwei Formen: 1) die mechanische Solidarität, die auf vorgegebenen gemeinsamen Merkmalen einer Gruppe beruht (z.B. Geschlechtszugehörigkeit), und 2) die organische Solidarität, deren Basis das Angewiesensein aufeinander (z.B. auf Spezialisten in hocharbeitsteiligen Gesellschaften) ist.“ (Politiklexikon 2006: 270)
  37. Es bleibt nachzuweisen ob seine Überlegungen zur Solidarität könnten auf strukturelle Identitäten verweisen, wie sie Nida-Rümelin im Rahmen seiner Überlegungen zur Europabürgerschaft formuliert hat, als: „non-identical, multi-level, cooperative and institutional.“ Nida-Rümelin, J. (2007): A Structural – Non-Identical, Multi-Level, Cooperative, Institutional – Approach to European Citizenship. Im Rahmen der Lectures Lung Yintai Foundation - Taiwan, März 2007. http://www.nida-ruemelin.de/forsch.html am 15.7.07 um 17:11.
  38. Vgl. Simma, B., Khan, D.-E., Zöckler, M., Geiger, R. (1997): The Role of German Courts in the Enforcement of International Human Rights. In: Conforti, B., Francioni, F. (Hrsg.): Enforcing International Human Rights in Domestic Courts, Den Haag: Brill. Zitiert In: Schneider, J. (2004): Die Justiziabilität wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte. S.42.
  39. 1993 wurden noch 16396 Asylberechtigte vom statistischen Bundesamt gezählt, die 2003 bis auf 1534 Asylberechtigte absank. Das entspricht einer Halbierung der Anerkennungsziffer von 3,2 im Jahr 1993 auf 1,6 im Jahr 2003. (2005)2: Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.). Schriftenreihe Band 405. Bonn. S.51; Vgl. auch: Bundesministerium des Innern. (Hrsg.): Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung. Migrationsbericht 2005. http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Broschueren/2006/Migrationsbericht__2005,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Migrationsbericht_2005.pdf
  40. Eibe, R. (2004): Der internationale Menschenrechtsschutz. Eine Einführung. S. 11- 41. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S.12.
  41. Nach § 55 AuslG wurde der Aufenthaltstitel der Duldung eingeführt. Ausländer mit einer Duldung sind vollziehbar ausreisepflichtig, d.h. ihre Abschiebung ist lediglich vorübergehend befristet ausgesetzt (vgl. §§ 55 bis 56a Ausländergesetz). Die Duldung verschafft dem Ausländer kein der Aufenthaltsgenehmigung vergleichbares Aufenthaltsrecht, sie legalisiert lediglich für den Zeitraum, in dem die Abschiebung aus dem Bundesgebiet nicht möglich ist, den weiteren Aufenthalt des ausreisepflichtigen Ausländers. Ausländer mit einer Duldung bleiben trotz Duldung vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Duldungsgründe sind z.B. drohende Folter, Todesstrafe, menschenunwürdige Behandlung, drohende Gefahr für Leib und Leben, Abschiebestopp und sonstige Abschiebehindernisse wie Krankheit (vgl. Überblick über das Sozialrecht 2004. Kap. 20. Sozialgesetzbuch – Asylbewerberleistungsgesetz).
  42. Frankenberg, G. (1993): Zur Alchimie von Recht und Freiheit. Die Fremden als juridische Konstruktion. S. 41- 67. In: Balke, F., habermas, R., Nanz, P., Sillem, P. (Hrsg.): Schwierige Fremdheit. Über Integration und Ausgrenzung in Einwanderungsländern. S.47.
  43. „Eine […] maßgebliche Neuerung stellt § 18 a AsylVfG dar, wonach ein besonderes Asylverfahren für Personen durchzuführen ist, die auf dem Luftweg in die BRD einreisen wollen. Das Verfahren findet in diesen Fällen vor der formalen Einreise statt, während der Antragsteller auf dem Flughafengelände untergebracht ist.“ (Wollenschläger 2003: 50) Während dem Flughafenverfahren müssen Flüchtlinge auf dem Flughafengelände, einem exterritorialen Gelände, in gefängnisähnlichen Räumen eingesperrt bleiben und reisen somit rechtlich nicht ein. Das Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Eilverfahrens muss innerhalb von 19 Tagen abgeschlossen sein. Im Herzstück des Asylverfahrens ist der Asylsuchende ohne Rechtbeistand, als »Zeuge in eigener Sache« zumeist das einzige Beweismittel. Die Voraussetzungen des Verfahrens sind einer objektiven Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich. Das zuständige Verwaltungsgericht entscheidet ausschließlich nach Aktenlage und ohne persönliche Anhörung des Asylsuchenden (vgl. Marx, R. (2004): Probleme des Asyl- und Flüchtlingsrechts in der Verwaltungspraxis der Tatsachenfeststellung aus der Sicht des Anwalts. S.68-84 In: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.): 50 Jahre. Behörde im Wandel. Nürnberg. Selbstverlag. S.74, 76f.).