Benutzer:Stoffean
Anne Stoffels
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Seminar: Bildung und Ansprüche an die kulturelle Identität im Zeitalter der Globalisierung WS 2011/2012
Dozentin: Eva Sondershaus, M.A.
Studium: Universität Augsburg, Bachelor mit Hauptfach Deutsch als Fremd-/Zweitsprache und Nebenfach Germanistik
IPK im WS 2011/12
[Bearbeiten]1. Thema
[Bearbeiten]Südafrika: Bildungschancen für Schwarze und Weiße nach der Apartheid.
2. Hypothese
[Bearbeiten]Auch nach dem Ende der Apartheid existieren in Südafrika ungleiche Bildungschancen für Schwarze und Weiße.
3. Einleitung
[Bearbeiten]Die Politik der Apartheid hat jahrezehntelang das Leben der Südafrikaner bestimmt. Besonders betroffen von dieser Poltik war auch das Bildungssystem. Die nicht-weiße Bevölkerung wurde gegenüber der weißen extrem benachteiligt; dies prägt Südafrika, z.B. bezüglich der Arbeitslosigkeit unter diesen Bevölkerungsgruppen, bis heute. Im Folgenden soll erörtert werden, ob heute gleiche Bildungschancen für Schwarze und Weiße in Südafrika bestehen. Ich möchte herausfinden, ob, und wenn ja, in wie fern das System der Apartheid Folgen für die Gegenwart des südafrikanischen Schulsystems aufweist. Ein Augenmerk möchte ich dabei auch auf die ethnische Identität der Schüler lenken.
In meiner Betrachtung konzentriere ich mich auf das Bildungssystem der Schule und lasse die Universitäten außer Acht, da dies den Rahmen der Untersuchung sprengen würde.
Zunächst erkläre ich einige Begriffe, die in diesem Kontext von Bedeutung und wichtig für das Verständnis sind.
4. Begriffserklärung
[Bearbeiten]4.1 Ethnie
Eine Ethnie ist "eine Gruppe von Menschen, die durch verschiedene gemeinsame Eigenschaften (Sprache, Kultur, Tradition, Religion, Gebräuche etc.) verbunden ist bzw. sich verbunden fühlt." [1]
4.2 Ethnische/Kulturelle Identität
Unter ethnischer Identität versteht man das "Zugehörigkeitsgefühl eines Individuums oder einer sozialen Gruppe zu einem bestimmten kulturellen Kollektiv." "Kategoriale Bausteine individueller Identität" beziehen "sich stets auf Kollektive". Die kulturelle Unterscheidung gegenüber anderen Individuen oder Gruppen ist dabei identitätsstiftend. Dabei spielen verschiedene Aspekte, wie z.B. Sitten und Gebräuche, Wertvorstellungen, Religion, Hautfarbe oder Sprache eine Rolle.
4.3 Apartheid
Um die nachfolgenden Betrachtungen nachvollziehen zu können, ist es wichtig, den Begriff der Apartheid zu verstehen.
Apartheid bedeutet übersetzt „Trennung“ und stammt aus der Sprache Afrikaans, welche die Sprache der niederländischen Buren war, die Anfang des 17. Jahrhunderts in Südafrika einwanderten. Mit „Trennung“ war die Rassentrennung von Schwarzen, Farbigen, Indern/Asiaten und Weißen gemeint. Der Begriff „Trennung“ ist in dem Kontext aber unzutreffend, da die Apartheid ein striktes politisches System von Rassentrennung darstellte, in dem die Weißen die nicht- weiße Bevölkerung unterdrückten. Menschen mit schwarzer Hautfarbe, Farbige und Asiaten, welche mit 41 Millionen Einwohnern die große Mehrheit im Land darstellten, wurden von 4 Millionen Weißen diskriminiert. Die Apartheid dauerte offiziell von 1948 bis 1994. [2]
Der Begriff der Apartheid ist mit dem des Ethnozentrismus verbunden. Der Ethnozentrismus bezeichnet eine „politische Einstellung, die die Werte (z.B. Religion) und die Besonderheiten (z.B. Hautfarbe) der eigenen Volksgruppe (Ethnie) über die anderer Völker stellt bzw. zur Bewertungsgrundlage nimmt.“ [3] Dabei spielt immer die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, und damit auch die Abgrenzung gegenüber einer anderen Gruppe, eine wichtige Rolle. Die Eigengruppe (Ingroup) wird dabei akzeptiert und positiv bewertet, wohingegen die Fremdgruppe (Outgroup) abgelehnt wird (so genanntes „Ingroup – Outgroup – Verhältnis“).
Es ist relativ schwierig, die Begriffe Ethnozentrismus und Rassismus abzugrenzen. Beide Begriffe sind „in jedem Fall spannungsgeladen“, der Ethnozentrismus wird auch als „Mutter des Rassismus“ bezeichnet. Dies bedeutet, dass Ausgrenzungen „leicht rassistisches oder fremdenfeindliches Verhalten generieren“ können. [4] Werden die rassistischen Denkweisen einer Gruppe politisch realisiert und auch gesetzlich festgeschrieben, kann es zur Apartheid, der Politik der Rassentrennung, führen: "Das Wesentlichste, worin sich die Apartheid vom exzessiven Rassismus in anderen Ländern unterscheidet, ist, dass das ganze System auf Gesetzen basierte, die den Rassenhass zur Verfassung gemacht haben". [5]
Man könnte also sagen, dass die Apartheid gesetzlich festgeschriebener Ethnozentrismus bzw. Rassismus ist.
5. Die Situation während der Apartheid - Grundlegendes
[Bearbeiten]Offiziell verwendete man den Begriff der Apartheid erst ab 1948. Doch die ersten Gesetze einer Rassentrennung existierten schon um 1910. So waren Nicht-Weiße dort schon von führenden Positionen in der Wirtschaft ausgeschlossen und ihr politisches Teilhaberecht ging im Laufe der Zeit immer mehr abhanden. 1948 schließlich, gewann die National Party (Partei der Weißen) die Wahlen und unter der Führung von Daniel Francois Malan wurde das politische System der Rassentrennung weiter ausgebaut. Die Apartheid wurde nun erstmals als solche gesetzlich festgeschrieben. Man wollte die Gesetzeslücken der Vorgänger schließen und wurde radikaler. Zunächst unterteilte man die südafrikanische Bevölkerung in 4 ethnisch verschiedene Klassen: Schwarze, Farbige, Asiaten/Inder und Weiße. [6]
Die Einteilung in die verschiedenen Rassen war von nun an prägend für das Leben der Südafrikaner. Es existierten getrennte Schulen, getrennte Krankenhäuser, Strände, Toiletten und Busse; auf Parkbänken sah man Schilder mit “Whites only“. Die National Party gab den Nicht-Weißen kein Stimmrecht bei Wahlen, Ehen und sexueller Kontakt zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen waren verboten. Zudem wurde mit dem Group Areas Act von 1950 auch eine geographische „Trennung“ der Bevölkerung vorgenommen, bei der Schwarze, Farbige und Asiaten in so genannte Homelands außerhalb der Stadt umgesiedelt wurden. In diesen hausten sie unter schlechtesten Bedingungen. Außerhalb dieser Reservate mussten diese ethnischen Gruppen einen Pass tragen auf dem ihre Rassenzugehörigkeit eingetragen war. Nur diejenigen Nicht-Weißen, die eine Arbeitserlaubnis hatten, wurden in den weißen, städtischen Gebieten akzeptiert. Man wollte die Rechte und Privilegien der Weißen schützen und gleichzeitig schwarze Arbeitskräfte billig zur Verfügung haben.
6. Die Situation während der Apartheid - Das Bildungssystem
[Bearbeiten]6.1 Ideologie
Das Bildungssystem hat so stark wie keine andere soziale Einrichtung unter der Apartheidspolitik gelitten. Es existierte ein Bildungssystem, dass es zum Ziel hatte, die nicht-weiße Bevölkerung „dumm“ zu halten, um so zu garantieren, dass sie auf dem Arbeitsmarkt keine Konkurrenz für die Weißen darstellte. 1953 wurde das so genannte Bantu Education Act - Gesetz verabschiedet, dass die Bildungsmöglichkeiten für Schwarze, Farbige und Asiaten stark einschränkte. Die Regierung legte die Anzahl der Schulen, ihre Standorte und wer sie zu besuchen hatte fest. [7] Man errichtete drei verschiedene Schultypen für die unterschiedlichen ethnischen Gruppen: 1. die Model – C – Schulen für Weiße, 2. die HOR - Schulen (House of Representatives war für diese zuständig) für farbige Kinder und die DET - Schulen (Department of Education and Training war für diese verantwortlich) für schwarze Schüler.[8]
Es herrschten enorme Unterschiede zwischen diesen Schulen bezüglich des Kapitals, der Ausstattung, der Lehrkräfte und damit letztendlich auch der Qualität. Besonders schlecht stand es dabei um die DET – Schulen. Der spätere Premierminister Hendrik Vorwoerd erklärte ohne Scham, dass der Bantu Education Act den Schwarzen den Weg in das richtige Bildungssystem versperren sollte. Schwarze sollten nur rudimentäre Bildung erhalten und innerhalb des Niedriglohnsektors beschäftigt werden. Die Regierung beschloss damals auch, in welchen Fächern schwarzen Kindern Unterricht erteilt werden sollte. Laut Vorwoerd sollte man „die Menschen nach ihren Möglichkeiten im Leben ausbilden“ und unterrichten:
„The Bantu must be so educated that they do not want to become imitators of the Whites, but that they will want to remain essentially Bantu.“ [9]
Weiße Kinder sollten vor einer „Vermischung mit den niedersten Kulturen (d.h. den afrikanischen)“ [10] geschützt werden; den afrikanischen Kindern wurde in den Schulen Gehorsam und Disziplin gegenüber der weißen Obrigkeit gelehrt. Vorwoerd erklärte, dass er die Bildung so reformieren wolle,
„that natives will be taught from childhood to realize that equality with Europeans is not for them. There is no place for him (the black child) in European society above the level of certain forms of labour (…)“. [11]
Die Rassentrennung wurde von den meisten weißen Südafrikanern unterstützt, da sie durch sie ihre Kultur, Sprache, Ämter und ihre Ländereien geschützt sahen. Die Hautfarbe stand für sie über den Kulturen und sie ignorierten, dass sie selbst verschiedenen Kulturen angehörten.
6.2 Finanzierung
Laut der National Party waren die Verantwortung und die Möglichkeiten einer Person in ihrer ethnischen Identität festgeschrieben. Auf Grund dieser Auffassung waren die finanziellen Mittel größtenteils den weißen Schülern zugeschrieben: „Ende der sechziger Jahre wurde für die Schulbildung eines weißen Schülers 16 Mal mehr ausgegeben als für die Schulbildung eines schwarzen Schülers“.[12] Die Schulausbildung Nicht- Weißer wurde hauptsächlich durch eine Pro-Kopf-Steuer finanziert, die die schwarze Bevölkerung selbst zu zahlen hatte. Da das Einkommen dieser aber sehr niedrig war, beziehungsweise manche gar kein Einkommen hatten, waren die Steuereinnahmen sehr gering. Dies übertrug sich wiederum auf die Investitionen, die in das Bildungssystem fließen konnten. Die Ausgaben für die Bildung weißer Kinder übernahm der nationale Haushalt. Dies blieb natürlich nicht ohne Folgen – es herrschte ein enormer Qualitätsunterschied zwischen des Bildungssystems für weiße und schwarze Kinder. Vielen Schulen, die kirchlich unterstützt wurden, wurde die finanzielle Unterstützung gestrichen, wenn sie nicht den Bantu – Bildungsplan umsetzten. Die meisten der Schulen mussten daraufhin schließen. Diese ermöglichten afrikanischen Kindern vor und während der Apartheid eine Schulbildung. [13]
6.3 Lehrkräfte
Bezüglich der Infrastruktur und der Qualifizierung der Lehrer waren die afrikanischen Kinder deutlich benachteiligt. So besaßen an weißen Schulen 96% der Lehrer ein Lehrerzertifikat, wohingegen nur 15% der Lehrer an schwarzen Schulen ein solches nachweisen konnten. Zusätzlich variierte das Lehrer- Schüler- Verhältnis sehr stark. An weißen Schulen war ein Lehrer für 18 Kinder zuständig, an asiatischen Schulen 1 Lehrer für 24 Kinder, an farbigen Schulen betrug das Verhältnis 1:27 und an schwarzen Schulen trug ein Lehrer für 39 Schüler die Verantwortung. Sowohl die Lehrerqualifikation, als auch dieses ungleiche Verhältnis senkten die Qualität der nicht-weißen, besonders die der schwarzen Schulen. [14]
6.4 Proteste
Die Schwarzen protestierten gegen das staatliche Bildungssystem und setzten sich für ein einheitliches System ein. In den 70ger Jahren nahmen die massiven ethnischen Spannungen und damit auch die Demonstrationen, immer weiter zu. Am 16. Juni 1976 erreichten die Ausschreitungen mit dem Soweto – Aufstand ihren Höhepunkt. Kurz zuvor kündigte der damalige Premierminister Hendrik Verwoerd an, dass der Unterricht von nun an in einigen Fächern auf Afrikaans abgehalten werde. Für die nicht-weiße Bevölkerung war Afrikaans die Sprache ihrer Unterdrücker (die Buren brachten sie in das Land), zudem wurde sie von vielen nicht verstanden. Ihre Chancen auf einen erfolgreichen Schulabschluss wurden damit gemindert. Die Proteste der Schwarzen im Johannesburger Township Soweto endeten mit einem gewalttätigen Vorgehen der Polizei. Knapp 600 Menschen wurden bei den Ausschreitungen erschossen, weitere wurden inhaftiert.
Der Soweto- Aufstand wird als „Anfangspunkt einer neuen Bewegung und eines neuen Bewusstseins der schwarzen Bevölkerung verstanden.“ [15] Die Protestierenden wollten Südafrika „unregierbar“ machen. Der Widerstand gegen die Apartheid entwickelte sich nun zum öffentlichen Bürgerkrieg. Der ANC (African National Congress), der schon seit der Ende der 1940er Protestaktionen gegen die Entwicklung des Apartheidstaates organisierte, boykottierte im Rahmen der Liberation before Education – Kampagne den Besuch schwarzer Schulen. Mit dieser Maßnahme schnitten sie sich allerdings ins eigene Fleisch und die Bildungsunterschiede zwischen Schwarz und Weiß vergrößerten sich. Daraufhin wurde 1986 vom National Education Crisis Committee der Entschluss gefasst, dass alle Schüler wieder zurück an die Schulen gehen sollen. Auf Grund dieses Boykottes fehlt heute vielen jungen Schwarzen eine schulische Qualifikation. Sie finden meist keine Arbeit und werden auch als Lost generation bezeichnet. [16]
6.5 Erstes Umdenken
Die Unruhen nahmen immer weiter zu, es schlossen sich auch immer mehr schwarze Arbeiter an die Proteste an. Die Regierung war zunehmend dem wirtschaftlichen Druck anderer Länder ausgesetzt und mit fortschreitender Zeit fanden heimliche Verhandlungen zwischen der National Party und den Widerstandsführern statt, die dazu führten, dass mehr für die Bildung Nicht-Weißer ausgegeben wurde. Die Rassentrennung blieb jedoch erhalten. Offizielle Änderungen erfolgten erst mit dem Präsidentenwechsel von Pieter Willem Botha zu Frederik Willem de Klerk. [17]
7. Von der Apartheid zur Demokratie
[Bearbeiten]Frederik Willem de Klerk, der 1989 zum Präsidenten Südafrikas gewählt wurde, leitete die „entscheidende politische Wende“ [18] des Landes ein. Er setzte sich dafür ein, dass die Apartheid – Gesetze nach und nach abgeschafft wurden und kämpfte für ein demokratisches Südafrika. 1994 wurde dann Nelson Mandela, der schon viele Jahre gegen die Apartheid gekämpft hatte, bei den ersten freien und demokratischen Wahlen zum neuen Präsidenten Südafrikas gewählt. Damit war er als Mitglied der ANC der erste schwarze Präsident des Landes. Mandela leitete den Kampf für ein einheitliches und gerechtes Südafrika weiter.
8. Die Verhältnisse nach dem Ende der Apartheid - Grundlegendes
[Bearbeiten]8.1 Ausgrenzung
Die Apartheid wurde offiziell abgeschafft, doch nach wie vor prägen Kontraste dieses Land. Die wirtschaftliche und räumliche Ausgrenzung ist immer noch präsent: Die schwarzen Gebiete sind auch heute noch die ärmsten, die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch. Zudem gehört ein Großteil des Landes immer noch den Weißen. Die meisten Schwarzen leben weiter in Ghettos außerhalb der Stadt oder in ländlichen Gegenden. Die Reformen für eine gerechtere Verteilung gehen nur langsam voran. Eine räumliche Integration ist bisher nicht gelungen. Zugangsmöglichkeiten zu Wasser, Elektrizität, Arbeit und Bildung sind für den schwarzen Teil der Bevölkerung weitaus schlechter. [19]
8.2 Einkommen
Das Einkommen ist, wie damals zur Zeit der Apartheid, überwiegend ungleich verteilt. Südafrika folgt mit der Ungleichheit des Einkommens Brasilien und steht damit weltweit an zweiter Stelle. Auch nach der Apartheid, im Zeitraum von 1995 bis 2000 ging das Einkommen der Schwarzen um 19 % zurück, das der Weißen hingegen stieg um 15 %. 85 % der Steuereinkommen stammen von Weißen. Das Durchschnittseinkommen der schwarzen Bevölkerung ist zwölf Mal so niedrig wie das der Weißen! 40 % der Schwarzen leben unter der Armutsgrenze, insgesamt sind es 50 % der Südafrikaner, die in Armut leben. Auch die Arbeitslosenquote weist kohärent ähnliche Ergebnisse auf: Sie erreicht einen Durchschnittswert von 25 %, wobei nur 9% der Weißen, aber knapp 48 % der Schwarzen arbeitslos sind. [20] Dies erklärt den geringen Verdienst bzw. die Armut der schwarzen Bevölkerung.
9. Die Verhältnisse nach dem Ende der Apartheid - Das Bildungssystem
[Bearbeiten]Im April 1994 wurden die staatlichen Schulen für alle Kinder Südafrikas, egal welcher Ethnie sie angehörten, geöffnet. Die Regierung führte „ein einheitliches, nicht Rassen-orientiertes Erziehungssystem und die allgemeine Schulpflicht“ ein. [21]
9.1 Grundsätze der Verfassung
Die Regierung legte viele neue Grundsätze für das zukünftige Bildungssystem in Südafrika fest. Hier seien die ,für den betrachteten Kontext, wichtigsten vorgestellt.
1. Jeder Bürger Südafrikas hat das Recht auf Bildung. Der Staat ist dafür verantwortlich, dass diese jedem Einzelnen verfügbar ist, er verpflichtet sich dazu, dass alle Kinder in einer Schule untergebracht werden.
2. Die Eltern können ihre Kinder an jeder Schule anmelden, die Schulen gewähren jedoch den Kindern aus dem räumlichen Einzugsgebiet Prioritäten. Wenn alle Kinder aus dem Einzugsgebiet versorgt sind, werden auch die anderen Kinder nach einer Rangfolge in die Schulen aufgenommen. Mit „einheimischen Kindern“ sind diejenigen gemeint, deren Eltern in dieser Region wohnen oder arbeiten.
3. Kinder, deren Eltern die Schulgebühren nicht bezahlen können, dürfen nicht aus den Schulen ausgeschlossen werden. Wenn beide Eltern jährlich zusammen den zehnfachen Betrag der Schulgebühr verdienen, müssen sie die Schulgebühren zahlen, verdienen sie weniger, sind sie von diesen befreit. [22]
Laut der Verfassung existiert also seit dem Ende der Apartheid ein Bildungssystem, das Schwarze und Weiße gleichstellt. Im Folgenden soll untersucht werden, ob sich dieser Wandel von einem getrennten, hin zu einem „offenen“ Bildungswesen wirklich vollzogen hat.
Laut Mnguni bringt die „Demokratisierung“ nämlich auch neue Herausforderungen mit sich, wie die Tatsachen, dass
- die Schulleiter das Recht haben, Auswahlkriterien festzulegen;
- keine Schule dazu verpflichtet ist, die Lehrpläne zu ändern;
- das „Öffnen“ der Schulen nicht zwangsläufig bedeutet, dass schwarze Lehrer eingestellt werden und viele schwarze Kinder,ehemalige weiße Schulen besuchen und
- die Finanzierung der schwarzen Schüler in der Verantwortung der schwarzen Eltern/Schüler liegt. [23]
Im Folgenden sollen die derzeitigen Zustände an den Schulen beschrieben werden, um herauszufinden, ob ein einheitliches Bildungssystem von der Regierung geschaffen werden konnte.
9.2 Verhältnisse an ehemaligen Model - C - Schulen
Die ehemaligen, aus der Zeit der Apartheid stammenden, Model – C – Schulen waren damals staatliche Schulen, die ausschließlich von weißen Schülern besucht werden durften.
9.2.1 Der finanzielle Aspekt
Der Staat unterstützt alle Schulen finanziell, jedoch fordern die südafrikanischen Schulen alle auch Schulgebühren. Die Lehrer selbst sind es, die die Höhe der Schulgebühren festlegen. Weiße Lehrer erheben meist sehr hohe Schulgebühren, da ihre Schule auch eine „weiße“ bleiben soll. Offiziell dürfen heute Kinder aller Hautfarben die ehemaligen Model – C – Schulen besuchen. Doch die weißen Familien zeichnen sich durch stabile finanzielle Verhältnisse aus und ermöglichen es somit den Schulen, höhere Gebühren zu verlangen. Begründet wird der hohe Beitrag mit einer sehr guten Einrichtung und hochqualifizierten Lehren. Die große Mehrheit der Weißen schickt ihre Kinder an Model – C – Schule. 88 % der weißen Schüler besuchen eine solche Schule.
Durch diese Situation wird die Ungleichheit der Schulen aber weiter gefördert. Die Schulgebühren der Model – C – Schulen sind deutlich höher als die anderer Schulen. Theoretisch können sich Schüler aus einkommensschwachen Familien von den Schulgebühren befreien lassen, doch viele Eltern wissen nicht von der Möglichkeit und dieser Prozess dauert meist sehr lange oder wird gar nicht vollzogen. Aus eigener Kraft kann sich der Großteil der farbigen und schwarzen Schüler Südafrikas den Besuch einer ehemaligen Model – C – Schule nicht leisten.
Die ehemaligen weißen Schulen haben den Zugang für Schüler anderer Ethnien also ein wenig geöffnet; Voraussetzung ist aber, dass diese finanziell gut aufgestellten Familien entstammen. Diese, aus wohlhabenden Familien stammenden Kinder, wurden aus ihrer „alten“ Umgebung (Townships, Dörfer aus dem Land) herausgenommen und besuchen nun auch Schulen in den Städten. Doch diese machen nur einen sehr geringen Teil an diesen Schulen aus, im Schnitt sind es nur 0,6%.
An vielen weißen Schulen, wie hier im Beispiel an einer ehemaligen weißen Schule in einer ehemaligen weißen Stadt namens Richard’s Bay, sieht das Verhältnis wie folgt aus:
- 90% weiße Schüler
- 8% indische/asiatische Schüler
- 1,5 % farbige Schüler
- 0,5 % afrikanische Schüler
- 100% weiße Lehrer [24]
9.2.2 Kinder aus dem Einzugsgebiet erhalten Priorität
Außerdem wird laut der Verfassung Kindern aus dem Einzugsgebiet Priorität gewährt. Da der Großteil der schwarzen Bevölkerung aber immer noch außerhalb, abgegrenzt von den ehemaligen „weißen“ Gebieten lebt, müssen sie, selbst wenn sie die finanziellen Mittel aufbringen, hinten anstehen. Schüler aus einkommensschwachen Verhältnissen und/ oder Schüler, die in Randgebieten wohnen, (mehrheitlich Schwarze, Farbige) erhalten somit mit höherer Wahrscheinlichkeit eine schlechtere Ausbildung. [25]
9.2.3 Ethnische Identiät afrikanischer Kinder in Gefahr
Schwarze Kinder sind an diesen Schulen meist deutlich in der Minderheit und fühlen sich in solchen Schulen oft fremd und isoliert. Dadurch, dass nur weiße Lehrkräfte unterrichten, kann auch das Gefühl einer ethnozentristischen Haltung im Sinne von „Our way ist the best way“ aufkommen. [26] Es wird das Bild vermittelt, dass nur die Weißen in der Lage sind, guten Unterricht zu gestalten. Die Bevorzugung weißer Schüler wird so aufrechterhalten.
Afrikanische Schüler berichten oft, dass nach ihnen nicht so geschaut wird, wie nach ihren weißen Mitschülern. Sie fühlen sich ungerecht behandelt:
„If we don’t understand the English text, it is our problem. They say, that White students understand the text and they do their homework. We have no lessons in Zulu or any other African language.” [27]
Dies ist nicht als demokratisch zu bewerten. Schüler bestätigen auch immer wieder Rassismus an ihrer Schule:
„The headmaster, he is a proper racist and cannot cope with blacks. (…) He just pretends to the parents of black kids“. [28]
Das Selbstwertgefühl der Schüler leidet oft extrem, sie sind kaum in der Lage unter solchen Voraussetzungen ein Gefühl von Stolz auf ihre Kultur zu entwickeln.
Wird ein Schüler nicht anerkannt oder sogar missachtet, kann er keine Selbstwertschätzung aufbauen, denn "Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstwertschätzung (....) hängen wesentlich von Anerkennungsverhältnissen ab, in denen sich ein Subjekt wiederfindet."
Demzufolge treten auch Schwierigkeiten bei der Entwicklung seiner Identität auf, da: "Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstschätzung konstitutiv für Identität sind". Sie werden gefährdet durch spezifische Formen der Missachtung."
In diesem Kontext erhält vor allem der Begriff der Selbstwertschätzung Bedeutung. Diese kann sich nicht entwickeln, wenn Personen "durch Abwertung ihrere Lebensweisen und Überzeugungen" missachtet, beleidigt oder entwürdigt werden.
Selbstwertschätzung baut sich also durch Anerkennung auf. Wird ein Schüler also von seinem Lehrer nicht geachtet und nicht anerkannt, ist es für ihn kaum möglich, eine kulturelle Identität, die wesentlich auf Dingen wie Selbstwertschätzung, Selbstvertrauen und Selbstachtung basiert, zu entwickeln ("jede individuelle Identität" ist "auch eine kulturelle Identität"). Laut Hartmut Rosa hängt "wie und als was sich jemand selbst verstehen will, (...) in ganz entscheidendem Maße davon ab, was die anderen Mitglieder seiner (familiären und kulturellen) Bezugsgemeinschaften in ihm sehen. Anerkennung und Identität erweisen sich also als unmittelbar korrelative Begriffe."
Auf diese Art und Weise kann bei den afrikanischen Schülern auch kein Zugehörigkeitsgefühl entstehen. Sie müssen stets um ihre Respektierung kämpfen.
Es scheint, als ginge es oft nicht darum, den Schülern ein ehrliches Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln zu wollen; es geht vielmehr darum „die Außenwelt zu überzeugen, dass Südafrika nun eine gemischtrassige Bildung hat“. [29]
Die ehemaligen, aus der Zeit der Apartheid stammenden, Model – C – Schulen genießen also weiterhin die Vorteile, die damals durch das getrennte System entstanden. Sie weisen auch heute noch eine bessere Ausstattung und Infrastruktur auf und haben die bestqualifizierten Lehrer. Zudem stellen viele von ihnen nach wie vor Orte dar, an denen Rassismus an der Tagesordnung steht.
9.3 Verhältnisse an ehemaligen DET - Schulen
9.3.1 Ausstattung
Die meisten afrikanischen Kinder besuchen auch heute noch die „schwarzen Schulen“ (DET – Schulen). Diese wiesen damals im Vergleich mit den Model – C – Schulen eine schlechtere Infrastruktur und Ausstattung auf. Auch heute findet man diesen Zustand noch vor. Zwei Drittel der staatlichen Schulen besitzen keine Bücherei oder einen Computer und mehr als die Hälfte der Schüler hat keine Bücher vorliegen oder muss mit einem Nachbarn zusammen arbeiten.[30] Im Jahr „2002 hatten von 27.148 Schulen 10.859 keinen Zugang zu Elektrizität, und 2496 Schulen hatten keine sanitären Einrichtungen.“ [31] Ein weiteres Problem ist der Vandalismus, von dem diese Schulen immer wieder betroffen sind.
9.3.2 Finanzielle Aspekte
Nach der Apartheid wurden viele neue Schulen in den Townships eröffnet. Doch laut einem Bericht der Human Rights Commission erhalten Kinder aus armen Familienverhältnissen auch heute noch keine gute Schulausbildung. Die einkommensschwachen Eltern können nur eine geringe Schulgebühr bezahlen und oft übersteigen 100 Rand (ca.10 Euro) im Monat schon das Budget. Trotzdem sind die Schulgebühren heute höher als zur Zeit der Apartheid. In den Schulen der Dörfer ist die Situation nicht anders. Die Kinder, die sich die Schulgebühren nicht leisten können, werden nach Hause geschickt. Damals, zur Zeit der Apartheid, wurde dies so von der Landesregierung vorgegeben. Heute können die Lehrer selbst bestimmen, wen sie heimschicken. Die Lehrer können seit dem Ende der Apartheit laut Mnguni “tun und lassen (…), was sie wollen.“ [32] Jede Schule kann also verschieden hohe Schulgebühren erheben:
„Schools (are) having to become small businesses when in most areas, which are lamentably poor, the managerial capacity and the community resource simply do not exist. Schools are becoming more fundraising rather than educational, institutions.” [33] Bildung ist „zu einem der teuersten privaten Güter in Südafrika“ geworden. [34]
So bekommen afrikanische Kinder teilweise noch nicht mal eine Möglichkeit auf Bildung in ihren eigenen Townships gewährt.
9.3.3 Versprechen einer freien und obligatorischen Bildung
Obwohl in der Verfassung festgelegt wurde, dass allen afrikanischen Kindern Zugang zur Bildung gewährt werden muss, scheint dies in der Praxis nicht realisiert zu worden sein. Der ANC hat nach seiner Wahl 1994 versprochen eine freie und obligatorische Bildung einzuführen. Dieses Versprechen ist bis heute nicht eingetroffen. Die Regierung hat die Lehrkräfte, die auch immer wieder durch Streiks und „Wegbleiben“ vom Unterricht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nicht unter Kontrolle. Das Problem, dass wieder nicht alle selbstverständlich die Möglichkeit auf Bildung haben, bringt neue Probleme, wie z.B. die Gewalt mit sich. So geraten sogar afrikanische Kinder mit anderen afrikanischen Kindern, die sich z.B. den Schulbesuch einer städtischen Schule leisten können, in Konflikt.
9.3.4 Lehrkräfte
An den schwarzen Schulen herrscht oft Lehrermangel. Die Klassen sind oft mit bis zu 50 Kindern überfüllt. Lehrkräfte sind mangelhaft ausgebildet, sie durchlebten selbst das Schulsystem der Apartheid und sehr viele können keine Lehrerqualifikation nachweisen. Lehrermangel und überfüllte Klassen senken das Ausbildungsniveau der Schulen. Hinzu kommt, dass Lehrer oft gleichzeitig auch noch als Reinigungskräfte eingesetzt werden, da es einfach nicht genügend Personal gibt. [35]
Die niedrige Qualität dieser Schulen schlägt sich auch auf die Ergebnisse nieder. Vor allem in ländlichen und armen Gegenden liegen die Ergebnisse schwarzer Schüler deutlich unter dem südafrikanischen Durchschnitt. Gut ausgestattete Schulen erzielen in Südafrika bessere Ergebnisse als schlecht ausgestattet.
9.3.5 Gewalt
Zu Hause sind die Kinder oft schwierigen Verhältnissen ausgesetzt. Die Eltern haben oft keine Arbeit, sind an Aids erkrankt und Drogen, Alkohol, Vergewaltigungen und Kriminalität stehen an der Tagesordnung. Häufig können sie ihren Kindern noch nicht mal ein Brot mit in die Schule geben. Außerdem haben viele Eltern Angst, ihre Kinder, vor allem die Mädchen, überhaupt auf den Schulweg zu schicken, da sie oft Opfer von Belästigungen und Überfällen werden.
„Crime remains rampant and violence is an ever-growing threat in our homes, on our streets, in our schools, workplaces, communities“. [36]
Auch in den Schulen sehen sich die Kinder mit der Gewalt konfrontiert. Sie sehen, wie ihre Lehrer erstochen oder erschossen werden oder wie Schüler sich gegenseitig umbringen. Diese Gewalterfahrungen betreffen vor allem die sozial benachteiligten Stadtteile, sowie die Townships in denen Schwarze und Farbige leben. Bedrohung, Angst und Gewalt werden von vielen afrikanischen Schülern als „normal“ erlebt und sie gehören zum Alltag.
Die Gewalt kommt oft von außen, von Jugendgangs, die frustriert und perspektivlos sind. Sie sehen keine Zukunftschancen in diesem Land und die Regierung hat es verpasst, ein Bildungssystem zu schaffen, dass alle Jugendliche einbezieht. Unter diesen Umständen ist es sehr schwer, sich auf die tatsächliche Bildung konzentrieren zu können. Lehrer sind oft mehr als Sozialarbeiter und medizinische Versorger tätig. [37]
9.3.6 Sprachen
Einen weiteren Konflikt birgt die Sprachenvielfalt des Landes. In Südafrika legte die neue Verfassung fest, dass alle 11 Amtssprachen (Afrikaans, Englisch, Süd-Ndebele, isiXhosa, isiZulu, Nord-Sotho, Sesotho, Setswana, Siswati, Tshivenda, Xitsonga) gleichberechtig zu behandeln sind. Doch im Schulalltag ist dies nicht der Fall. Man stellte fest, dass es in ärmeren ländlichen Regionen und in den Townships oft nicht genügend Lehrkräfte gibt, die die Sprache der Region (z.B. Zulu oder Xhosa) beherrschen, der Unterricht findet auf Englisch statt, was die Kinder aber zu Hause in ihren Familien nicht sprechen: „Der Emerging Voices Report der Nelson – Mandela Stiftung fand heraus, dass 42 % aller Schüler Probleme haben, ihre Lehrer zu verstehen, und dementsprechend dem Unterricht nicht folgen können.“ [38]
An den ehemaligen Model – C – Schulen wird ohnehin in Englisch und Afrikaans unterrichtet. Die ehemaligen Kolonialsprachen Afrikaans und vor allem Englisch bilden die Unterrichtssprachen. Das bedeutet, dass viele afrikanische Kinder nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden: „Die Machtlosen haben gelernt, die Sprache der Mächtigen nachzuplappern.“ Und Jim Cummins gibt zu bedenken: „To reject a child’s language in the school is to reject the child.“ [39]
Die Sprache bildet einen Teil der ethnischen Identität und dieser Teil wird den afrikanischen Kindern genommen. Alle Kinder, die diese Sprachen nicht wie ihre Muttersprache beherrschen, müssen sehen, wie sie „mitkommen“. Ein Schülerzitat, welches ich schon beim Vorstellen der Model – C- Schulen vorgestellt habe, bestätigt dies.
Laut Mnguni betrachten die Südafrikaner Sprache und Kultur oft als zwei voneinander losgelöste Dinge. Doch gerade die „Sprache ist das wichtigste Mittel, um Kultur anzusammeln, zu teilen und von Generation zu Generation weiterzugeben.“
Der kanadische Sozialphilosoph Charles Taylor betont ebenfalls den hohen Stellenwert der Sprache und sagt, "dass die Sprache das zentrale Element der kulturellen Identität bilde."
Wenn entschieden wird, welche Sprache auf Behörden oder in Schulen gesprochen wird, geht es dabei immer auch im eine Ablehnung oder Anerkennung kultureller Identitäten. Laut ihm kann sich eine kulturelle Identität nur entfalten und entwickeln, "wenn die mit ihr verknüpfte Sprache in den relevanten Bereichen des Alltags" gesprochen werden kann. Ist dies nicht der Fall (z.B. in der Schule), kann es "zur Verkümmerung dieser Identität" kommen, da sich Identitäten nur "expressiv, d.h. im praktischen Lebensvollzug, entwickeln und bewahren könnenn."
Auch Mnguni betont, dass es wichtig sei, sich bewusst zu machen, „dass wir es hier nicht bloß mit grammatischen Strukturen zu tun haben, sondern mit einer bestimmten Art und Weise, die Welt zu erleben und sie aufzufassen." [40]
Das Bildungssystem ist für die Unterdrückung der afrikanischen Sprachen verantwortlich. Noch immer werden sie als „schwarze“ Sprachen bezeichnet, die den weißen unterlegen sind. Ein Schüler berichtet:
„Mein weißer Lehrer fragte mich, warum ich kein gutes Englisch sprechen würde, wo doch dies die einzige Sprache sei, , die euch Schwarze gebildet und intelligent klingen lässt‘“. [41]
Rassismus ist in Südafrikas Schulen präsent. Das Problem der Sprache schlägt sich auch auf die Ergebnisse der Prüfungen nieder. Weiße bestehen sie problemlos, wohingegen schwarze Mitschüler oft zu großen Teilen durchfallen.
Das afrikanische Kind wird von seiner Sprache, seinem Ursprung und seiner Kultur entfremdet, wohingegen das weiße Kind in jedem Fach in seiner Muttersprache unterrichtet wird und damit seine Kultur aufrechterhalten kann. Die Schwarzen haben praktisch keine andere Wahl, als die Gegebenheiten dieser ethnischen Intoleranz hinzunehmen.
9.3.7 Keine Veränderung
Es sind immer noch die weißen Schulen, die mit ihrer Tradition von Disziplin und harter Arbeit die besten Ergebnisse erzielen. Die schwarzen Schulen sind dahingegen laut dem Congress of South Africa Trade Unions nicht mehr als ein Abladeplatz für die Kinder. Viele Schulen stellen kahle, gefährliche Orte dar, in denen Gewalt und Missbrauch weit verbreitet sind.[42] Laut Mnguni haben sich die Schulen in den Townships „in Bezug auf Schülerzahl, Lehrpläne, Politik oder Möglichkeiten (oder dem Mangel derselben) nicht verändert.“ [43]
10. Ausgaben für das Bildungssystem
[Bearbeiten]Seit 1994 hat das Land enorme Beträge in den Bildungssektor gesteckt, mit dem Ziel, die ungleichen Bildungschancen zu beheben und die Schulen mit geringen finanziellen Mitteln („schwarze Schulen“) auf einen vergleichbaren Stand mit gut ausgestatteten zu bringen. 2006 wurden im Rahmen der „Pro – Poor- Politik 49 % der Bildungsausgaben für 40 Prozent der ärmsten Menschen ausgegeben.“ Auch für das Jahr 2011 werden insgesamt 189,5 Milliarden Rand in die Bildung investiert – 145,5 Milliarden Rand gehen dabei in die Grundausbildung. Diese Summe entspricht fast 20% des Haushalts. Der nationale Haushaltsbericht verkündet aber: „Zwischen Ausgaben und Leistungen besteht nicht immer eine Korrelation.“ Es konnte keine Gleichheit der Chancen für Schwarze und Weiße erzielt werden. Obwohl der ANC Regierung besonders viel Kapital in die Townships (zu Hause der Schwarzen) und ländliche Gegenden steckte, ist die Qualität dort keinesfalls mit der anderen Schulen zu vergleichen. Nur einer von 10 schwarzen Schülern qualifiziert sich für die Universität. Bei den Weißen sind es im Kontrast dazu mehr als die Hälfte der Kinder.[44]
11. Interviews
[Bearbeiten]Proband 1: Geschlecht: männlich, Hautfarbe: weiß, Heimatort: Bloemfontein, Momentaniger Wohnort: Bloemfontein, Schule: Grey College Bloemfontein Proband 1 Interview
Proband 2: Geschlecht: männlich, Hautfarbe: schwarz, Heimatort: Limpopo, Momentaniger Wohnort: Bloemfontein, Schule: Grey College Bloemfontein Proband 2 Interview
Proband 3: Geschlecht: männlich, Hautfarbe: weiß, Heimatort: Bloemfontein, Momentaniger Wohnort: Bloemfontein, Schule: Grey College Bloemfontein Proband 3 Interview
Proband 4: Geschlecht: männlich, Hautfarbe: schwarz, Heimatort: Empangeni, Momentaniger Wohnort: Bloemfontein, Schule: Empangeni High School Proband 4 Interview
12. Fazit
[Bearbeiten]Hat Südafrika es nach der Apartheid geschafft ein gleiches, gerechtes Bildungssystem für afrikanische und weiße Kinder zu erschaffen?
Nach meinen Recherchen muss ich meine Hypothese, dass auch nach dem Ende der Apartheid ungleiche Bildungschancen für Schwarze und Weiße existieren, bestätigen.
Ein großes Problem stellt die Armut unter diesen Bevölkerungsgruppen dar (siehe Ausführungen zum Einkommen). Schwarze Familien sind oft schlichtweg einfach zu arm, um ihre Kinder auf eine qualitativ gute Schule zu schicken. Kritisch muss man hierbei auch die Regierung betrachten. Sie haben das Bildungssystem, vor allem die Lehrkräfte nicht unter Kontrolle.
An manchen Schulen schicken Lehrer die Schüler, die sich die Schulgebühren nicht leisten können, sogar nach Hause. Dies geschieht häufig auf den Schulen auf dem Land und in den Townships. Die Kinder dort erhalten also teilweise überhaupt keine Ausbildung, geschweige denn eine gute. Der Gesetzeslage, die besagt, jedem Schüler, sei er auch noch so arm, eine Schulausbildung zu ermöglichen, entspricht dies nicht.
Offiziell haben die ehemaligen Model – C – Schüler den Zugang für afrikanische Kinder geöffnet. Allerdings besuchen meist, was auch bei meinen Interviews bestätigt wurde, nur schwarze Kinder aus finanziell gut gestellten Familien diese Schulen. Sie können sich meist die sehr hohen Schulgebühren der ehemaligen Model – C – Schulen leisten.
Die räumliche Verteilung spielt ebenfalls eine Rolle. Sie ist nämlich nahezu unverändert (Afrikaner auf dem Land und in den Townships, Weiße in der Stadt). Da Kinder aus dem Einzugsgebiet Priorität gewährt wird, bleibt es vielerorts so, dass afrikanische Kinder weiterhin, selbst wenn sie relativ wohlhabend sind, die qualitativ schlechteren und die weißen die qualitativ höheren Schulen besuchen. Wohlhabendere afrikanische Familien müssen also ihre Umgebung verlassen und in die Stadt ziehen, wenn sie ihren Kindern eine gute Schulbildung ermöglichen wollen. Bei meinen Interviews wurde ersichtlich, dass die Schüler (alle besuchten eine ehemalige Model – C – Schule) auch in der Stadt lebten.
Betrachtet man das Bildungssystem hinsichtlich der Respektierung der einzelnen ethnischen Identitäten näher, so muss man feststellen, dass es hier ebenfalls Mängel aufweist. Der Unterricht findet auf Afrikaans oder Englisch statt, was bedeutet, dass kein afrikanischer Schüler in seiner Muttersprache unterrichtet wird. Meine zwei schwarzen Interviewpartner sagten allerdings, dass sie keine Verständnisprobleme hatten. Sie erhielten beide Unterricht in Englisch, ihre Muttersprachen sind Sesotho und isiZulu.
Vermutlich hatten sie aber zu Beginn ihrer Schulzeit Verständnisprobleme. Studien belegen, dass viele afrikanische Kinder Probleme haben, ihren Lehrer zu verstehen.
Leider sind viele von ihnen heute immer noch von rassistischen Äußerungen betroffen; Schülerzitate aus Mngunis Untersuchungen bestätigen dies. Erfreulicherweise fühlten sich meine beiden afrikanischen Interviewpartner an ihren Schulen wohl. Einer von ihnen sagte jedoch, dass seine Identität die meiste Zeit respektiert wird, bzw. die Leute versucht hätten, sie zu akzeptieren. Es hätte gelegentlich auch Fälle gegeben, in denen seine ethnische Identität nicht respektiert wurde. Der andere Junge hatte keine Form von Diskriminierung erlebt. Man kann dieses Problem nicht verallgemeinern und sagen, dass an allen südafrikanischen Schulen Rassismus vorkommet, doch es scheint so, als sei dieser noch in einigen (vielen) präsent.
Das Lehrerkollegium besteht an den ehemaligen Model – C – Schulen fast ausschließlich aus Weißen. Auch die Schüler im Interview erzählten, dass es nur einen farbigen (Inder) Lehrer gäbe (Grey College), der Schüler aus Empangeni spricht auch von einem Übergewicht weißer Lehrkräfte. Afrikanischen Kindern fehlt so oft ein Vorbild ihrer eigenen Ethnizität.
Ein Schüler erwähnte bei der Frage nach dem Verhältnis schwarzer und weißer Lehrer interessanterweise zusätzlich, dass aber Reinigungskräfte, Gärtner, Hausmeister und Zulieferer alle schwarze seien. Dies ist symbolisch für die Verteilung von schwarz und weiß, arm und reich in Südafrika, die ich bei meinem 6-monatigen Aufenthalt dort ebenfalls so feststellen konnte. Weiße besitzen meist gute Jobs, Schwarze arbeiten für einen sehr geringen Lohn. Man darf nicht unterschätzen, welches Gefühl dabei vermittelt werden kann. Es kann ein Gefühl von existierendem Ethnozentrismus entstehen laut dem Motto: „Wir Weißen wissen, wie man guten Unterricht macht, wir sind für diese wichtige Aufgabe verantwortlich. Die Afrikaner können das nicht. Sie sollen andere (niedere) Aufgaben übernehmen.“ Afrikanischen Kindern fehlen in diesen Schulen afrikanische Vorbilder.
Auf die Frage, ob in Südafrika heute gleiche Bildungschancen herrschen, gaben meine Interviewpartner verschiedene Antworten. Einer (schwarzer Junge) sagte, dass es nicht mehr so sehr um „schwarz“ und „weiß“ geht, sondern mehr darum, ob man reich genug ist, sich eine (gute) schulische Ausbildung zu leisten. Denkt man diese Ausführung weiter, muss man allerdings sagen, dass es keine Gleichheit gibt, da Schwarze hauptsächlich arm sind und Weiße hauptsächlich reich. Die Regierung schafft es eben nicht, Schwarze so zu unterstützen, dass auch diese eine hochwertige Ausbildung erhalten.
Mein zweiter Partner (weißer Schüler) sagte, dass definitiv keine gleichen Chancen existieren. Er sieht die Armut unter diesen Gruppen als größtes Problem an, gefolgt von der Regierung, die „Nicht-Weiße“ vernachlässigt und es nicht schafft, auch diesen eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Er merkt an, dass die Lehrer in schwarzen Schulen oft unterbezahlt und schlecht qualifiziert sind und dass Schüler sich oft keine Schulmaterialien wie Bücher etc. leisten können.
Der dritte Interviewpartner meinte, dass alle Schüler, wenn sie an einer Schule sind, die gleichen Chancen haben. Die Resultate und das Level der Schule würden von den jeweiligen Lehrern und Schülern abhängen. Das kann man, vorausgesetzt, die ethnische Identität ist respektiert, so bestätigen. Studien belegen, dass Schwarze an ehemaligen weißen Schulen genauso gute Ergebnisse erzielen, wie weiße Schüler. Problematisch ist aber eben, dass afrikanische Kinder, wie bereits mehrfach angeführt, eben oft einfach nicht die Möglichkeit haben, auf eine gute Schule (gute Ausstattung, ausgebildete Lehrkräfte etc.) zu gehen. Dies schlägt sich natürlich auf die Ergebnisse nieder, an ehemaligen schwarzen Schulen schneiden die Schüler im Schnitt deutlich schlechter ab, als Schüler an ehemaligen weißen.
Der (afrikanische) Schüler aus Empangeni sagte nur, dass es definitiv gleiche Chancen gibt. An seiner Schule gibt es ca. 50% weiße und 50% nicht-weiße Schüler. Ich muss allerdings hinzufügen, dass ich mich anschließend mit ihm weiter unterhielt und er das Armutsproblem, die schlechte Qualität an vielen schwarzen Schulen, die räumliche Verteilung und auch das Sprachproblem bestätigte. Ich kann nicht sagen, warum er zuvor sagte, dass gleiche Chancen existieren (eventuell weil er es erfreulicherweise so erleben durfte).
Ein riesen Fortschritt ist auf jeden Fall, dass die Schulen sich prinzipiell geöffnet haben.
So haben afrikanische Kinder das erste Mal überhaupt die Chance an qualitativ bessere Schulen zu kommen. In einigen Schulen, wie bei dem Befragten aus Empangeni findet man tatsächlich eine wirklich gemischtrassige Schule mit einem Verhältnis von ca. 50 % - 50% vor. Diese Schule ist auch eine ehemalige Model – C – Schule. Er fühlte sich wohl dort und wurde respektiert – ein positives Beispiel!
Dennoch ist die Apartheid, die geschichtlich gesehen noch gar nicht lange beendet ist, in ihren Folgen bis heute präsent. Die südafrikanische Regierung hat es nicht geschafft, alle afrikanischen Kinder erfolgreich in ein qualitativ gutes Bildungssystem zu integrieren. Somit herrschen nach wie vor leider keine gleichen Bildungschancen. Die Regierung betreibt einen hohen finanziellen Aufwand, doch bisher ist es ihr nicht gelungen, die Ungleichheit, die Trennung zwischen weiß und schwarz, reich und arm aufzuheben.
Auch Bildungsinnenministerin Angie Motshekga gesteht, dass es noch bis zu 20 Jahre dauern kann, bis „das Erbe der Apartheid im Bildungssektor überwunden werden kann.“. Sie sagt, dass der Rückstand des Bildungssystems so gravierend sei, „dass selbst die Staatsausgaben nicht dafür ausreichen würden, Chancenungleichheiten aufzuheben.“
Es liegt ein weiter Weg vor Südafrika…
Literaturverzeichnis
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