Benutzer:TheresaKult
Theresa Kultschytzky
[Bearbeiten]Studium
[Bearbeiten]Wikipedia:Babel | ||
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- Bachelor of Arts, 2. Semester
- Europäische Kulturgeschichte
- DaF/DaZ und Interkulturelle Kommunikation
- Seminar
- Bildung und Ansprüche an die kulturelle Identität Im Zeitalter der Globalisierung
- Dozentin
- Eva Sondershaus, M.A.
IPK im WS 2011/12
[Bearbeiten]Name | Studiengang | vhb | Wiki | Thema | Forschungsland | Homepage | Video | abgeschlossen |
Kursleiterin Eva Sondershaus, M.A. | Eva Sondershaus | |||||||
Theresa Kultschytzky | BA EKG und DaF/DaZ | Theresa | ||||||
Tam nguyen | BA Daf | Nguyen | ||||||
Saros Sawasdee | BA Daf | Saros | ||||||
Jian Song | Ba Daf | Jian | ||||||
Anne Stoffels | BA DaF/DaZ | Anne | ||||||
Mariana Rozhniv | BA Daf | Mariana | ||||||
Sabine Goldschmid | LA Gym E/F/DaF/DaZ | Sabine | ||||||
Shorena | Magister DaF/DaZ | turiassh | Georgien | |||||
Eleonora Lisa Schulze Battmann | BA Germanistik | Eleonora | ||||||
Josefine Giesler | Lehramt GS | Josefine | ||||||
Svenja Uth | BA DaF | Svenja | ||||||
Julia Melnikova | Ma DaF | Julia | ||||||
Yulia Lyubimova | MA DaF und Interkulturelles Lernen | Lyubimova | ||||||
Judith Roßmeißl | BA DaF und Germanistik | Judith | ||||||
Nelli Wist | LA GS DaF | Nelli | ||||||
Dorothee Keck | LA GS DaZ | Dorothee | ||||||
Amelie Schmitz | BA DaF/DaZ | Amelie | ||||||
Inna Glagla | LA HA Daf | Inna |
Thema: Kulturvergleich zwischen deutschen und costa-ricanischen Studenten in Bezug auf das Phänomen Nationalstolz
[Bearbeiten]Einleitung
[Bearbeiten]Herkunft des "Tag der Deutschen Einheit" und des "Día de la Independencia"
[Bearbeiten]Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober geht auf die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland im Jahr 1990 nach dem Mauerfall 1989 zurück. Die BRD, eingegliedert in das westliche kapitalistische Machtkonstrukt, und die DDR, die unter starkem Einfluss der kommunistischen Sowjetunion stand, wurden an diesem Tag offiziell wieder zu einem vereinigten Deutschland zusammengefügt, das unter der Leitung der bereits bestehenden demokratischen westlichen Regierung geführt werden sollte. Dadurch, dass die gesellschaftlichen Strukturen in beiden Teilen Deutschlands stark voneinander abwichen, gestaltete sich die Wiedervereinigung anfangs problematisch. Auch die Wirtschaftskrise in der DDR musste nun von der BRD mitgetragen werden.[1] Doch trotz der Schwierigkeiten, die sich bis heute im gesamtdeutschen Konzept bemerkbar machen, erinnert der Tag der Deutschen Einheit an eine friedliche Wiedervereinigung zweier unterschiedlicher Kulturgefüge.
Der 3. Oktober ist ein gesetzlicher Feiertag in Deutschland, das heißt, Geschäfte, Büros und Ämter sowie Schulen und sonstige öffentliche Einrichtungen haben geschlossen. Die Börse allerdings ist an diesem Tag geöffnet.
Der "Día de la Independencia", Nationalfeiertag in mehreren lateinamerikanischen Staaten (wie z. B. in Mexiko, Paraguay und eben auch in Costa Rica) wird am 15. September in Erinnerung an die Befreiung von der spanischen Kolonialmacht 1821 gefeiert. Diese Befreiung geschah allerdings nicht durch einen Unabhängigkeitskrieg, sondern ergab sich automatisch durch die Unterzeichnung einer Unabhängigkeitserklärung in Guatemala, in der die Spanier ihr gesamtes amerikanisches Imperium für unabhängig erklärten. Für die Bevölkerung Costa Ricas kam das Ende der Kolonialzeit daher eher überraschend. [2] Nach dieser langen Periode der Unterdrückung erlebte das Land nach Anlaufschwierigkeiten über Jahre hinweg einen Aufschwung in sämtlichen Lebensbereichen. 1949 konnte sogar die staatliche Armee abgeschafft werden, obwohl Costa Rica von militärischen Diktaturen in den Nachbarländern umgeben war. [3]
Heute ist der 15. September ("quince de septiembre") ein staatlicher Feiertag, an dem aber, anders als in Deutschland, nicht alle Geschäfte schließen. Es ist allerdings unterrichtsfrei, und die meisten Unternehmen legen an diesem Tag die Arbeit nieder.
Das Begehen des jeweiligen Feiertags in beiden Ländern
[Bearbeiten]In Deutschland ist der Tag der Deutschen Einheit ein gesetzlicher Feiertag (s.o.), an dem die offizielle Feier immer in dem Bundesland bzw. seiner Landeshauptstadt stattfindet, das im jeweiligen Jahr dem Bundesrat vorsitzt. Es wird ein Bürgerfest mit der sogenannten "Ländermeile" veranstaltet, auf der die Länder und ihre Regierungen sich vorstellen können. Da diese Feierlichkeiten nur in einer Stadt begangen werden, ist der Zulauf recht gering, wenn man ihn in Bezug zu der Einwohnerzahl Deutschlands setzt. In Bremen beispielsweise, in der sich 2010 die Feierlichkeiten zur Zwanzigjahrfeier ereigneten, nahmen rund 350 000 Besucher teil. [4] Zusätzlich finden jedes Jahr Veranstaltungen wie Open Air-Konzerte am Brandenburger Tor und in der Straße des 17. Juni in Berlin statt, die dazu aufrufen, sich an das positive Ereignis zu erinnern und zu feiern. [5]
Besonders thematisiert wird der Mauerfall am Tag der Deutschen Einheit in den Medien. Fernsehsender strahlen historische Dokumentationen, politische Talkshows oder Filme zum Thema DDR, Mauerfall und Wiedervereinigung aus, während die Printmedien oftmals eine Bilanz der Zeit nach dem Mauerfall oder brisante neue Erkenntnisse zur Wiedervereinigung liefern. Innerhalb der Familie bzw. im privaten Bereich gibt es allerdings keinerlei Festivitäten.
In Costa Rica gestalten sich die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag durchaus unterschiedlich. Die Schulen des Landes sind anders als in Deutschland nicht geschlossen, aber es findet kein regulärer Unterricht statt. Stattdessen sind sie das Zentrum der Festivitäten: Die Schulen sind die Hauptträger der Feste und spielen eine maßgebliche Rolle in den Paraden, die in allen Städten und Gemeinden des Landes gefeiert werden. Die Schulen gestalten die bunt geschmückten Wagen, die durch die Straßen fahren, bestimmen das Programm zur Unterhaltung mit und fordern die Schüler auf, den Umzug musikalisch zu untermalen. Die Cheerleader der Schulen führen die Paraden an, jüngere Kinder tragen Fahnen, und so gut wie jeder wird in die Festlichkeiten eingebunden. Die Vorbereitungen dafür beginnen teilweise bereits mehrere Monate vorher. In costa-ricanischen Familien ist es üblich, die Feierlichkeiten an diesem Tag gemeinsam zu besuchen; auch die Eltern wirken bei den Veranstaltungen der Schule mit.
Die Tatsache, dass am 15. September die Unabhängigkeit des Landes gefeiert wird, ist sehr präsent. Die zahlreichen öffentlichen und staatlich unterstützten Paraden, Feste und Kundgebungen werden in den Medien übertragen, die mit Fahnen geschmückten Häuser werden gezeigt, und Lobgesänge auf das Land sind Teil des Programms. Dadurch, dass die gesamte Gesellschaft in die Feierlichkeiten involviert ist, entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das sich an diesem Tag durch eine allgemein fröhliche, offene und entspannte Atmosphäre ausdrückt. [6]
Hypothese
[Bearbeiten]Stellt man beide Feiertage und ihren historischen Hintergrund gegenüber, lassen sich kaum Gemeinsamkeiten feststellen. Im Zentrum des deutschen Feiertages steht die Vereinigung zweier von Grund auf unterschiedlicher Landesteile, während sich in Costa Rica das ganze Land von einer externen Macht trennt bzw. getrennt wird. Zudem ist der Día de la Independencia bereits 1821 entstanden und unmittelbar zum Nationalfeiertag erklärt worden. Der Tag der Deutschen Einheit aber weist mit seiner Manifestierung 1990 noch eine sehr junge Geschichte auf.
Doch trotz aller Unterschiede setzt sich die Bevölkerung beider Länder an diesem Tag aktiv mit ihrer Nation auseinander und der Einzelne beschäftigt sich mit der eigenen Haltung gegenüber seiner Nation. Das Phänomen Nationalstolz wird, bewusst oder unbewusst, öffentlich in den Medien oder daheim im Kreis der Familie thematisiert. Das Empfinden des eigenen Nationalstolzes wird meiner Meinung nach in beiden Kulturen durch das Feiern oder das bewusste Thematisieren des Nationalfeiertages beeinflusst. Aus diesen Überlegungen lässt sich folgende Hypothese ableiten:
„Der Nationalfeiertag wirkt sich bei costa-ricanischen und deutschen Studenten auf den Nationalstolz aus.“
[Bearbeiten]Definitionen
[Bearbeiten]Nationalstolz
[Bearbeiten]Nationalstolz oder auch Patriotismus bezeichnet die Begeisterung eines Menschen gegenüber der Zugehörigkeit zu seinem Vaterland bzw. zu der Nation, dem Volk oder dem Territorium, dem er sich zugehörig fühlt. Empfindet man dieses Gefühl, ist man stolz auf die Traditionen seines Landes und heißt das politische System sowie dessen Wechselwirkungen mit der Gesellschaft gut. [7] Zudem konstituiert sich Nationalstolz durch "die positive Bewertung von nationalen Symbolen (z.B. Nationalhymne, Nationalflagge)" und über nationale Persönlichkeiten wie Sportler oder politische Helden bzw. deren Verehrung oder kultische Anerkennung. [8] Die durchweg positive emotionale Haltung gegenüber der eigenen Nation impliziert nicht gleichzeitig die Ablehnung anderer (wie der Begriff Nationalismus).
Dass ich das Kulturphänomen "Nationalstolz" gewählt habe, geht auf meinen Auslandsaufenthalt 2009 in Costa Rica zurück, in dem ich mit den verschiedenen Ausprägungen von Nationalstolz in Deutschland und Costa Rica konfrontiert wurde. Die "Ticos", das heißt die costa-ricanische Bevölkerung, sind dafür bekannt, in geographischer, politischer, wirtschaflicher, kultureller und bildungsbezogener Hinsicht stolz auf ihr Land zu sein. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Costa Rica im lateinamerikanischem Kontext eines der am weitesten entwickelten Länder ist. In Deutschland ist das Phänomen Nationalstolz aufgrund der Ereignisse im 3. Reich sehr negativ konnotiert. Seinen Patriotismus als Deutscher aktiv auszudrücken, wurde auch nach 1945 noch lange als Zeichen für Sympathie der rechten Gesinnung gegenüber gewertet. Die Generation der heutigen Studenten, die in ihrer Schullaufbahn die gesamte NS-Vergangenheit Deutschlands aufgearbeitet hat, steht jetzt, spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft 2006, dem deutschen Nationalstolz positiver gegenüber. Aus diesem Grund interessiert mich besonders die Sicht junger Deutscher auf dieses negativ konnotierte Phänomen. Diese Sicht im Vergleich mit den durchweg positiven Assoziationen der costa-ricanischen Studenten halte ich für ein spannendes Forschungsfeld, das sicher einige neue Erkenntnisse an den Tag legen wird.
Kollektive Identität
[Bearbeiten]Die kollektive Identität beschäftigt sich mit der Frage "Wer sind wir?", im Gegensatz zu der individuellen Identität, die danach fragt, wer man selbst ist. Die Antwort auf die Frage, wer wir sind, lässt sich an Handlungen festmachen, die ein Kollektiv durchführt, um bestimmte Werte, Traditionen und weitere Kulturkategorien auszudrücken. Wer wir sind, wird durch den kollektiven Selbstbestimmungsprozess konstruiert. Die kollektive Identität im Allgemeinen ist in den jeweiligen Identitätskategorien variabel: Ein Individuum ordnet sich zum Beispiel je nach seiner momentanen Priorität als Mitglied einer Religion, einer Berufsgruppe, einer Nationalität oder nach seinen persönlichen Vorlieben ein. Diese Priorität ändert sich je nach Lebensalter oder Lebensmittelpunkt. Die Zusammengehörigkeit der Mitglieder innerhalb ihres Kollektivs drückt sich in "gemeinsamen Erfahrungen, Praktiken, Sprachen, Vorstellungen des Guten etc." [9] aus, jedoch muss berücksichtigt werden, dass die Gemeinsamkeiten durchaus nicht allgemeingültig sind, sondern innerhalb der Gruppe variieren. Das Bewusstsein über die eigene kollektive Identität verlangt aber auch danach, sich mit der Bedeutung dieser Zugehörigkeit auseinanderzusetzen.
In Bezug auf mein Projekt rückt die Identitätskategorie "Nationalität" in den Vordergrund. Die Probanden, die ich hierfür gewinnen konnte, bezeichnen sich in dem Kontext meiner Interviews als Deutsche bzw. Costa-Ricaner, obwohl sie sich insgesamt mehreren Kollektiven zugehörig fühlen (z.B. Studenten, Fußballfans). Dieser eine Aspekt ihrer kollektiven Identität soll hier näher beleuchtet werden, da ich durch meinen Aufenthalt in Costa Rica 2009 die doch gravierenden Unterschiede zwischen Angehörigen beider Nationen erleben konnte. Gerade die verschiedenen Mentalitäten, die durch die Sozialisation in Familie und Gesellschaft ausgeprägt werden, bedingen die stark differierenden Ausprägungen von Nationalstolz. Die relativ jungen Probanden, die an meinen Interviews teilnahmen, befinden sich im Stadium der Loslösung vom Elternhaus, wobei sie ihre anerzogenen Werte eventuell hinterfragen oder aufgrund neuer Lebensumstände umformen. Dadurch, dass die kollektive Identität des selbstständigen Studenten zu der kollektiven Identität der Nationalität hinzukommt, entstehen neue Perspektiven auf kulturelle Phänomene wie beispielsweise auf den Nationalstolz. Das Ritual des Nationalfeiertages habe ich gewählt, da es von einer homogenen Gruppe dazu genutzt wird, sich als kollektive Identität in Bezug auf ihre Nation zu konstituieren. Durch das Miteinbeziehen dieses Rituals lässt sich das Phänomen besser greifen, da die Ausprägung des Nationalstolzes an einem konkreten Ereignis betrachtet werden kann.
Auswertung der Leitfrageninterviews
[Bearbeiten]Während meiner Forschungsarbeit hatte ich die Möglichkeit, drei Interviews zu führen, um meine These zu bestätigen oder zu widerlegen. Bei meinen Gesprächspartnern handelt es sich um Studenten, die ich zu dem Nationalfeiertag ihres Landes sowie zu ihrem persönlichen Nationalstolz befragte.
Proband A: weiblich, 19 Jahre alt, Staatsangehörigkeit: costa-ricanisch, derzeitiger Wohnort: Berlin Proband A Interview
Proband B: weiblich, 19 Jahre alt, Staatsangehörigkeit: costa-ricanisch, derzeitiger Wohnort: San José (CR) Proband B Interview
Proband C: männlich, 19 Jahre alt, Staatsangehörigkeit: deutsch, derzeitiger Wohnort: München Proband C Interview
Die Probanden standen den verschiedenen Fragen sehr aufgeschlossen gegenüber.
Im Folgenden werde ich zunächst die Interviews der costa-ricanischen Probanden auswerten und im zweiten Teil jedes Unterpunktes die Antworten des deutschen interpretieren. Der endgültige Vergleich und die Bestätigung oder Widerlegung meiner These wird dann im Fazit folgen.
Hierbei ist zu beachten, dass die geringe Zahl von drei Studenten nicht die generelle Meinung ihres Kollektivs repräsentiert, durchaus aber die Grundtendenzen liefert. Die Meinungen der Befragten stehen stellvertretend für eine Ausprägung der Kollektive "Student mit deutscher Nationalität" und "Student mit costa-ricanischer Nationalität".
Wie begehen die Probanden ihren Nationalfeiertag und wie haben sie ihn aus ihrer Kindheit in Erinnerung?
[Bearbeiten]In Costa Rica wird der Nationalfeiertag, wie oben beschrieben, aktiv gefeiert und der Stolz auf das eigene Land wird ausgiebig zelebriert.
Probandin A erzählte, dass sie, obwohl sie den letzten Feiertag ihres Landes in Deutschland verbrachte, an die Feierlichkeiten in der Heimat denken musste. Besonders prägend hatte sie den Festakt in der Schule mit dem landestypischen Essen und traditionellen Tänzen und Gesängen in Erinnerung. Die Feier innerhalb der Familie trat fast gänzlich in den Hintergrund. Das Zurückdenken an alte Traditionen in Costa Rica war allerdings die einzige Form des Feierns, die sie hier in Deutschland ausführte. Probandin B bestätigte ebenfalls, dass die Erinnerungen an die Feierlichkeiten im schulischen Rahmen immer sehr bedeutend waren. Sie erinnerte sich vor allem an die Zeremonie am Morgen und die Paraden, die danach in den Straßen stattfanden („Cuando era niña, se organizaba un gran desfile de independencia en la escuela”), bei der die Eltern ihre Kinder begleiteten und unterstützten. Am Nationalfeiertag des vergangenen Jahres nahm Probandin B zum ersten Mal an den Feierlichkeiten der Universität in San José teil. Sie hob die umfangreiche Dekoration des Gebäudes und die verschiedenen Aktivitäten wie Vorträge, die zum Thema Unabhängigkeit angeboten wurden, hervor und empfand den Tag auch nach ihrer schulischen Laufbahn weiterhin als sehr positiv.
Beide Probandinnen aus Costa Rica assoziieren ausschließlich positive Erfahrungen mit diesem Tag, was auf ein gutes Verhältnis zu dem „Inhalt“ des Feiertages schließen lässt. Die Feier zur Unabhängigkeit des Landes erfüllt die Probandinnen mit Freude („Era muy divertido“); die gemeinschaftliche Organisation und Ausführung des Festlichkeiten ist ein kultureller Höhepunkt des Jahres.
In Deutschland wird der Nationalfeiertag auf eine etwas andere Art und Weise begangen (siehe oben). Proband C konnte sich zunächst kaum daran erinnern, was er am Tag der Deutschen Einheit des vergangenen Jahres gemacht hatte. Er kam jedoch zu dem Schluss, ihn im Urlaub verbracht zu haben, ohne ein einziges Mal an das Ereignis zu denken. Auch aus seiner Kindheit konnte er keine Erinnerungen an den Nationalfeiertag nennen. Er gab an, im Grundschulalter mit Sicherheit noch kein Bewusstsein über die Existenz dieses Feiertages gehabt zu haben. Er freute sich also nur, dass an diesem Tag der Unterricht ausfiel. Bei meinen Fragen bezüglich dieses Themengebietes konnte der Proband nur wenig Auskunft geben.
Daraus lässt sich schließen, dass der Nationalfeiertag in Deutschland nicht eine annähernd so große Rolle spielt wie in Costa Rica. Es gibt weder Feierlichkeiten in der Schule noch im familiären Umfeld. Da an diesem Tag an ein historisches und vor allem politisches Ereignis erinnert wird, ist es gerade Kindern nicht bewusst. Dadurch, dass in Costa Rica in erster Linie der Nationalstolz des Landes gefeiert und zum Ausdruck gebracht wird, haben Kinder viel leichter die Möglichkeit, das Geschehen zu fassen und zu verstehen.
Wie stehen die Probanden zur Geschichte, die hinter ihrem Nationalfeiertag steht? Wie wirkt sie sich auf den Nationalstolz aus und wie äußert sich dieser?
[Bearbeiten]Die Art und Weise, auf die Costa Rica seine Unabhängigkeit erlangte, ist heute das, was sein Volk mit Stolz erfüllt. Dadurch, dass kein blutiger Krieg, sondern eine einfache Unterschrift Costa Rica zu einem eigenständigen Land machte, kann jeder auch noch so pazifistische Costa-Ricaner mit gutem Gewissen stolz auf sein Land und die Geschichte seiner Unabhängigkeit sein. Die Einwohner des Landes rühmen sich damit, ein friedliebendes Volk zu sein, da es ja mittlerweile nicht einmal mehr eine Armee besitzt. Zudem ist es eines der sichersten Länder in Lateinamerika. [10]
Diese Einstellung bzw. dieses Phänomen ist genau das, was Probandin A unterstützt. Ihr ist es wichtig, dass Costa Rica seine Unabhängigkeit gewaltfrei erlangte („Costa Rica, a diferencia de otras naciones, no pelea por su independencia.“).[11] Zudem betont sie die bedeutende Rolle, die ihr Land in dem Prozess und vor allem in dem Verbund aller betroffenen Staaten spielte. Doch trotzdem gibt es ihrer Meinung nach andere historische Begebenheiten, die stärker zu ihrem Nationalstolz beitragen („Hay otras historias para crear orgullo nacional, como la batalla de Santa Rosa“).[12] Sie sagt zudem, dass sie während der Feierlichkeiten am Día de la Independencia nicht mehr Stolz als an anderen Tagen verspürt, und dass eher die Musik, die gespielt wird, zu ihrer Freude und zu dem vorhandenen Gemeinschaftsgefühl beiträgt. Hier ist zu beachten, dass das der Proband ist, der für das Studium sein Land zumindest temporär verließ.
Der Nationalstolz der Probandin B wiederum stützt sich genau auf die Tatsache, dass Costa Rica mit einer Unterschrift selbstständig entschied, sich ohne fremde Hilfe weiterzuentwickeln und zu wachsen. Sie sagt außerdem aus, dass ihr am Nationalfeiertag die Zugehörigkeit zu ihrem Land und der Bezug zu seiner Geschichte durch die umfangreichen Feierlichkeiten besonders bewusst gemacht wird („...con todas las celebraciones y actividades para celebrar este día estoy más consciente de mi país y de su historia.”). Dies hat zur Folge, dass ihr Nationalstolz an diesem Tag stärker ausgeprägt ist als an anderen Tagen.
Obwohl hier Unterschiede zwischen den Antworten der costa-ricanischen Probandinnen auftreten, wird deutlich, dass die Einstellung gegenüber des historischen Verlaufs der Unabhängigkeitserklärung insgesamt sehr positiv gesehen wird. Für beide ist der gewaltfreie Prozess von Bedeutung; bei Probandin B ist das sogar ein Faktor, der ihren Nationalstolz konstituiert. Dadurch, dass sie am Nationalfeiertag besonders stolz auf ihr Land ist, zeigt sie eine etwas intensivere Verbundenheit zu Costa Rica als Probandin A. Allerdings äußern die Probandinnen ihren Nationalstolz kaum bewusst: Sie nehmen bzw. nahmen an den Veranstaltungen aktiv teil, aber da es ja obligatorisch war, gilt diese Tatsache nicht als Ausdruck von Patriotismus. Probandin B beschreibt, dass sie sich stärker darüber bewusst ist, stolz auf ihr Land zu sein. Dies ist aber eine innere Haltung und kein aktives Verhalten.
Der deutsche Proband C betonte hinsichtlich der Geschichte vor allem, dass er stolz darauf sei, dass "sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der wirtschaftlich und politisch wichtigsten Staaten der Welt entwickelt hat". Die Wiedervereinigung, also den Kern der Geschichte des Nationalfeiertages, hält er für einen wichtigen Schritt, der zu diesen Fortschritten beiträgt. Er gab allerdings sehr bestimmt an, dass auch die Geschichte vor 1990 beachtet werden müsse, da sie ausschlaggebend für unseren heute vorhandenen oder eben nicht vorhandenen Nationalstolz sei ("Geschichte scheiße, daraus folgt: wenig Nationalstolz"). Die Geschichte eines Landes betrifft alle seine Einwohner und ist Teil der Basis für die Identifikation mit ihm. Auf die Frage nach dem Ausdruck seines Nationalstolzes am Nationalfeiertag antwortete er zunächst, dass das in Deutschland ohnehin ein brisantes Thema sei. Er ist der Meinung, hier wenig Menschen zu finden, die an diesem Tag ihren Nationalstolz stärker spüren oder ihn aktiv ausdrücken und teilt sich selber in die Kategorie der Menschen ein, die diesen Tag so wie jeden anderen empfinden. Seine Begründung dafür ist offensichtlich: "Wir sind da halt geschichtlich einfach vorbelastet, auch wenn unsere Generation selbst nichts mehr aktiv damit zu tun hat."
Proband C macht mit seinen Aussagen sehr deutlich, dass die NS-Vergangenheit des Landes immer noch auch bei einer jungen, aufgeklärten Generation für Hemmungen sorgt, den Stolz auf das eigene Land auszudrücken. Obwohl sich der Nationalstolz des Probanden nicht auf den Nationalfeiertag oder seine Entstehungsgeschichte bezieht, hat er dennoch einen solchen, den er aber in unserer Gesellschaft kaum ausdrücken kann. Die ausschließlich negativen Assoziationen, die das Zeigen von Nationalstolz in Deutschland auch heute noch hervorruft, veranlassen die Mehrheit der Deutschen dazu, ihren Nationalstolz nicht offen zu thematisieren.
Hier wird nun zum ersten Mal der eklatant Unterschied zwischen meinen beiden Forschungsländern deutlich. In Costa Rica ist das Zeigen von Nationalstolz etwas Selbstverständliches; die Tradition, ihn am Nationalfeiertag noch stärker auszudrücken, wird in den Familien weitergegeben. In Deutschland wird Kindern auch weiterhin die negative Konnotation von einem Deutschen, der seinen Nationalstolz zeigt, mitgegeben; der Nationalfeiertag wird im privaten Umfeld kaum thematisiert.
Was halten die Probanden von Paraden oder Kundgebungen am Nationalfeiertag? Welcher Aspekt der Feierlichkeiten ist ihnen besonders wichtig?
[Bearbeiten]Als ich die Probanden in Bezug auf die öffentlichen Veranstaltungen befragte, wurde aus den Antworten der Probandinnen A und B sehr schnell deutlich, dass Massenansammlungen, Paraden oder Kundgebungen für sie selbstverständlich traditionelle Teile des Festtagszeremoniells sind ("Desde que era niña el día de la independencia se ha celebrado con grandes eventos y desfiles en todo el país."). Sie reagierten sogar mit leichtem Unverständnis auf meine Frage, da für sie diese Art der Feierlichkeiten schon immer dazugehört und es für sie keinen Grund gibt, diese Art anzuzweifeln ("Es parte de la celebración...haha qué pregunta"). Dadurch, dass die Probandinnen A und B mit diesem Zeremoniell aufwuchsen, befassten sie sich noch nie bewusst näher mit der Bedeutung, die Paraden mit beflaggten Wagen und einem patriotisch singenden Volk in einem anderen Kontext haben könnten.
Die beiden Probandinnen aus Costa Rica ließen bei der Beantwortung meiner Fragen zusätzlich erkennen, dass der Nationalfeiertag ihrer Meinung nach dazu dienen sollte, der Bevölkerung die Werte wie das Recht auf Selbstverwaltung, Freiheit und Unabhängigkeit zu vermitteln bzw. sie wieder ins Bewusstsein zu rufen. Dies sollte alles in einem fröhlichen, aber verpflichtenden Rahmen geschehen. Proband A gab sogar an, der Unabhängigkeitstag ist "definitivamente el día más celebrado".[13]
Für die befragten Costa-Ricanerinnen ist der Nationalfeiertag und die Art und Weise, ihn zu feiern ein öffentliches Großereignis, das sie in dieser Form seit ihrer frühesten Kindheit kennen. Das ganze Spektakel ist für sie also sehr selbstverständlich und vor allem ein Anlass zur Freude. Mit den Paraden, an denen die Probanden auch lange Zeit teilnahmen, verbinden sie ausschließlich Positives.
Proband C aus Deutschland assoziiert definitiv etwas Negatives mit Massenansammlungen, obwohl er militärische Paraden als normal bewerten würde. Er führt weiter aus, dass er Menschenmassen immer in Verbindung mit Bildern in der NS-Zeit in Verbindung bringt und dass solche Ansammlungen durchaus beängstigend auf ihn wirken können. Er sieht das Problem darin, dass sich meist viele Menschen zusammentun, die ihre Missstände öffentlich machen und gegen sie protestieren. Wenn es in diesen Gruppen dann "ein paar Leute aus der falschen Ecke" gibt, kann es durch die Eigendynamik der Gruppe dazukommen, dass es "ausartet". Ihm ist bewusst, dass er solche Ansammlungen in Deutschland anders als in anderen Ländern betrachtet und weist wieder auf seine historische Belastung und seine antipatriotische Erziehung hin. Ihm ist besonders wichtig, dass sich die Menschen in Deutschland über die Geschichte, die in den letzten 100 Jahren das Land geprägt hat, Bescheid wissen. Er sieht aber keine Notwendigkeit darin, am Nationalfeiertag, der die Wiedervereinigung thematisiert, einen Rückgriff auf die Geschichte während des Zweiten Weltkriegs zu tätigen. Er wirft außerdem den Gedanken auf, dass in Deutschland auch andere Feiertage kaum mit einer solchen Intensität, wie man sie aus anderen Ländern kennt, gefeiert werden. Trotzdem würde er dem Nationalfeiertag schon einen "hohen Stellenwert" einräumen.
Auch hier werden die Unterschiede sehr deutlich, die zwischen der Wahrnehmung der Costa-Ricanerinnen von Paraden und der des Deutschen bestehen. Die negative Bewertung aller Menschenansammlungen ist nur bei Proband C zu spüren, Probandin A und B sehen sie als selbstverständlich an. Dies ist wieder eindeutig auf die deutsche Geschichte vor 1945 zurückzuführen, die das Bewusstsein der Deutschen im Laufe der Zeit für die Gefahr solcher Ansammlungen sensibilisiert hat.
Wann und wie äußert sich der Nationalstolz der Probanden?
[Bearbeiten]Probandin A gab im Interview an, besonders dann Nationalstolz zu empfinden, wenn ihr die Schönheit des Landes, aus dem sie kommt, wieder bewusst wird ("Me hace orgullosa haber crecido en un lugar de tanta belleza.").[14] Costa Rica ist reich an vielen verschiedenen Naturphänomenen wie dem Vulkan Irazú, wunderschönen Landschaften (Karibik- und Pazifikküste, der Regenwald) und kulturellen Bauwerken und gilt aus diesen Gründen als beliebtes Reiseland mit enormer Vielfalt. Diese Schönheit und Natürlichkeit ihres Landes ist Basis des Stolzes, den Probandin A entwickelte. Sie gibt zusätzlich an, jetzt, da sie nicht mehr in ihrem Heimatland wohne, sich noch mehr mit ihm zu identifizieren und dass ihr es zunehmend wichtiger werde, diese Zugehörigkeit auch zu zeigen ("Siento mayor necesidad de indentificarme como costarricense ahora que no vivo en Costa Rica, es parte de mi identidad y me parece importante demostrarlo."). Wenn sie Freunden Dinge oder Bilder aus Costa Rica zeigt, verspürt sie deutlich ihren Nationalstolz.
Probandin B stellte schon eher den Bezug zwischen ihrem Nationalstolz und Feierlichkeiten in ihrem Land her. Sie sprach hierbei aber nicht nur von staatlichen Angelegenheiten, sondern bezog sich vor allem auf herausragende Costa-Ricaner, die entweder in der Wissenschaft, der Kunst oder im Sport Erfolge erzielten ("...cuando el país se destaca en algún ámbito como por ejemplo en la ciencia, las artes o los deportes."). Die Verbundenheit über die Nationalität zu den Menschen, die etwas Ungewöhnliches leisten, erfüllt sie besonders mit Stolz. Ihr Wunsch ist es, ihren Nationalstolz dadurch auszudrücken, dass sie aktiv zu den Erfolgen oder zu dem guten Image ihres Landes beiträgt, beispielsweise durch die positive Repräsentation Costa Ricas im Ausland ("Creo que...lo mas importante es tratar de hacer mejor a tu pais personalmente, con tus acciones.").[15]
Die Probandinnen A und B beziehen ihren Nationalstolz weniger auf den Nationalfeiertag, wie an ihren Antworten erkennbar ist, sondern fühlen ihn vor allem in der Interaktion oder im Wettbewerb mit anderen. Sie haben auch eher das Bedürfnis, ihn sekundär durch Handlungen auszudrücken, d.h. aktive Beflaggung des Wohnorts ist für die Studenten keine Option. Ihr Nationalstolz konstituiert sich also vorrangig über den Vergleich mit anderen Nationen.
Proband C aus Deutschland gab an, stolz darauf zu sein, in "einem großartigen Land zum Leben" zu wohnen, wozu seine Eltern und er in Zukunft beitragen. Er fühlt sich besonders stolz, wenn im Fernsehen Deutschland im Zusammenhang mit "hohem Lebensstandard, steigender Wirtschaft trotz Krise, einer Demokratie, einem stabilen politischen System..." genannt wird. Er fügt hinzu, dass Nationalstolz an sich "nichts Schlimmes" ist, solange man ihn nicht über andere Nationen stellt. Eine weitere Überlegung, die er anstellt, ist, dass er und viele Personen in seinem Umfeld bei sportlichen Ereignissen Nationalstolz empfinden. Obwohl man vielleicht unsportlich ist und selber keinen Sport treibt, gelingt es, laut Proband C, auch diesen Menschen, sich mit deutschen Sportlern oder einer deutschen Mannschaft zu identifizieren. Er bewertet dieses Phänomen sehr positiv, da "der Begriff Deutschland in dem Fall ein kollektives Handeln hervorruft". Für ihn ist das in Deutschland "wohl die einzige Möglichkeit", gemeinsam seinen Nationalstolz zu zelebrieren.
Auch bei Proband C fällt auf, dass er seinen Nationalstolz immer besonders dann empfindet, wenn seine Nation in den Wettstreit mit anderen tritt. Dies ergaben, wie oben beschrieben, auch die Antworten der beiden costa-ricanischen Probandinnen. Gerade im sportlichen Bereich identifiziert man sich mit seiner Nation, entwickelt Stolz auf den Sportler und lässt sich von der Euphorie der Massen mitreißen. In diesem Kontext ist das Zeigen von Nationalstolz meistens erwünscht und man läuft auch in Deutschland weniger Gefahr, als rechtsradikal eingestuft zu werden.
Das Bewusstsein darüber, einer Nation zugehörig zu sein, entsteht durch die Abgrenzung von anderen Nationen. Der Stolz, den man für sein Land entwickelt, konstituiert sich also nicht nur über die Eigenschaften oder die Geschichte des Landes, sondern auch über den Vergleich mit anderen Ländern. In Deutschland und Costa Rica manifestiert sich dieser Vergleich eben besonders in sportlichen Großereignissen, wie zum Beispiel der Fußballweltmeisterschaft.
Abschließender Vergleich und Fazit
[Bearbeiten]Die Antworten, die mir meine Probanden in den jeweiligen Interviews zur Verfügung stellten, waren insgesamt sehr aussagekräftig und boten mir die Möglichkeit, die Meinungen der Studenten in den Forschungsländern Costa Rica und Deutschland zu vergleichen.
Während der Arbeit an meinem Projekt konnte ich die unterschiedlichen Grundeinstellungen herausarbeiten, die die Studenten beider Länder haben. Besonders große Differenzen stellte ich vor allem in der Art und Wiese des Begehens des Nationalfeiertages fest. Während in Costa Rica die Austragung der Feierlichkeiten Teil des kulturellen Lebens ist, wird er in Deutschland kaum wahrgenommen und gerade bei Studenten in keiner Weise gefeiert. Insgesamt ist der Nationalfeiertag ein wichtiger Bestandteil in der costa-ricanischen Kultur, der dazu beiträgt, den Nationalstolz zu konstituieren und ihn auszudrücken, gerade auch über das Bewusstsein über seine Entstehungsgeschichte. Dies wird traditionell über Generationen hinweg weitergegeben. Die Feierlichkeiten finden als ein gesellschaftliches Großereignis im ganzen Land statt und beziehen so den Großteil der Staatsbürger mit ein.
In Deutschland hingegen wird das Zeigen von Nationalstolz vor allem am Nationalfeiertag rückblickend auf die NS-Zeit immer noch als äußerst negativ empfunden. Deshalb sind die Feierlichkeiten in Deutschland eher klein gehalten und spielen sich vor allem auf politischer Ebene ab. Da der einzelne Bürger abgesehen von medialer Thematisierung kaum mit dem Feiertag konfrontiert wird, ist der Tag der Deutschen Einheit kein konstituierender Faktor für den Nationalstolz der Deutschen.
Ebenso verhält es sich generell mit dem Phänomen des Nationalstolzes. Das in Costa Rica bewusst geförderte Konstrukt, das besonders mit den Feierlichkeiten und Paraden am Nationalfeiertag ausgedrückt wird, wird von der Bevölkerung des Landes als sehr positiv und identitätsstiftend gesehen. In Deutschland widerum ist das bewusste Ausdrücken seines Nationalstolzes seit dem Dritten Reich noch immer negativ besetzt, da es vermeintlich eine Sympathisierung mit der rechten Gesinnung impliziert. Die einzige Möglichkeit, auch in Deutschland unbeschwert seinen Nationalstolz zu zeigen, ergibt sich vor allem bei sportlichen Ereignissen, in denen der Deutsche die Sportler seines Landes aktiv unterstützt.
Die Studenten beider Nationen wiesen bei ihren Antworten aber auch eine Gemeinsamkeit auf: Sie gaben an, den Stolz auf ihr Land besonders dann zu verspüren und ihn auch zeigen zu wollen, wenn ihre Nation in den Wettstreit oder den Vergleich mit anderen tritt. Beide Parteien entwickeln also unbewusst das Bedürfnis, ihr Land besonders gut zu repräsentieren und es gegebenenfalls verbal zu verteidigen.
Nach der Forschungsphase und dem anschließenden Vergleich hat sich herausgestellt, dass meine anfangs erarbeitete These widerlegt wurde. Obwohl meine Annahme zutrifft, dass durch das Begehen des Nationalfeiertages in Costa Rica der Nationalstolz an diesem Tag bei der Bevölkerung sehr präsent ist und durch die Feierlichkeiten durchaus noch intensiviert wird, konnten derlei Phänomene in Deutschland nicht festgestellt werden. Der Nationalstolz der deutschen Studenten konstituiert sich vor allem über herausragende Eigenschaften oder Persönlichkeiten des Landes, nicht über seinen Nationalfeiertag und schon gar nicht über seine Geschichte. Zudem fehlt in Deutschland das anerzogene Bedürfnis, seinen Nationalstolz öffentlich auszudrücken. Diese Hemmungen resultieren aus den Ereignissen der NS-Zeit sowie die tiefe Bestürzung darüber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Da ich zu Beginn meiner Forschung davon ausging, dass sich der Umgang der jüngeren deutschen Generation nach etwa 60 Jahren der Aufarbeitung mit ihrem Nationalstolz wieder mehr Selbstbewusstsein erlangt hatte, hatte ich meine These positiv formuliert. Diese Tendenzen konnte ich allerdins nur in sehr geringem Umfang im sportlichen Bereich entdecken; sie sind aber nicht ausschlaggebend für das Grundverständnis der deutschen Studenten. Da sich meine Annahme durch die Interviews mit den Probanden also nicht bestätigen lässt, ist meine These "Der Nationalfeiertag wirkt sich bei costa-ricanischen und deutschen Studenten auf den Nationalstolz aus" hiermit widerlegt.
Es wäre allerdings durchaus interessant, zu verfolgen, ob sich das Selbstbewusstsein in Bezug auf den Nationalstolz der deutschen Studenten in Zukunft, vielleicht so in 10 bis 20 Jahren, weiterentwickelt und ob es irgendwann eine ähnliche Atmosphäre wie in Costa Rica am Nationalfeiertag in Deutschland geben kann oder darf. Meiner Meinung nach ist allerdings ein wichtiger Faktor, der diesen Prozess behindert, die wenig euphorische Mentalität der Deutschen, die wir in den letzten Jahren an den Tag gelegt haben. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sich die bewusste Thematisierung von Nationalstolz im öffentlichen Kontext weiter zum Positiven wandeln wird.
Mein besonderer Dank für die Erstellung meines Projekts gilt Frau Sondershaus für die Hilfe beim Finden einer geeigneten These sowie meinen drei Probanden, die sich trotz ihres Studiums die Zeit für ein Interview mit mir nahmen.
Einzelnachweise
[Bearbeiten]- ↑ Sütterlin, Sabine: Der Tag der Deutschen Einheit im Wandel der Zeit, Diss., Universität Kiel, 1992, S. 229.
- ↑ Biesanz, Mavis H.: The Ticos – Culture and social change in Costa Rica, Colorado, 1999, S. 20.
- ↑ Biesanz, Mavis H.: The Ticos – Culture and social change in Costa Rica, Colorado, 1999, S. 1.
- ↑ http://www.rathaus-bremen.de/detail.php?gsid=bremen54.c.9158.de zuletzt aufgerufen am 11.01.2012.
- ↑ http://www.tag-der-deutschen-einheit-2008.de/ zuletzt aufgerufen am 11.01.2012.
- ↑ http://tabeaincostarica.blogspot.com/2011/09/dia-de-independencia.html zuletzt aufgerufen am 11.01.2012.
- ↑ http://www.socioweb.org/lexikon/index.html, zuletzt aufgerufen am 22.12.2011.
- ↑ Mummendey, Hans Dieter: Eine Skala zum deutschen Nationalstolz, Bielefeld, 1992, S.2.
- ↑ Rosa, Hartmut: Identität. In: Straub, Jürgen, Arne Weidemann, Doris Weidemann: Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz, Stuttgart, 2007, S. 51.
- ↑ http://www.costaricamagazin.de/costa-rica-sicherstes-land-lateinamerikas/
- ↑ Costa Rica hat, im Gegensatz zu anderen Nationen, keine Gewalt eingesetzt.
- ↑ dt.:es gibt andere historische Ereignisse, die Nationalstolz schaffen, wie die Schlacht von Santa Rosa. Anmerkung: Sieg in 18 Minuten der Costa-Ricaner über William Walker aus Nicaragua.
- ↑ dt.: der Tag (in Costa Rica), der am meisten gefeiert wird
- ↑ dt.: Es macht mich stolz, an einem so wunderschönen Ort aufgewachsen zu sein.
- ↑ dt.: Ich glaube,...dass das Wichtigste ist, sein Land selber besser zu machen, mit seinen Handlungen.