Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2019-2020)/Teil II/Geführte Bewegung
Es sei eine differenzierbare Funktion, wir stellen uns ihren Graphen als ein Profil vor, auf dem sich ein Massekörper (ein Teilchen) unter der konstanten Schwerkraft bewegt (ohne Reibungsverlust), man spricht von einer geführten Bewegung. Die Schwerkraft wirkt nach unten, für die Beschleunigung in Richtung der -Achse ist aber nur die zum Graphen tangentiale Komponente des Kraftvektors verantwortlich. Der Kraftvektor ist also für jeden Punkt zu zerlegen in einen zur Tangente parallelen Anteil und einen dazu senkrechten Anteil (letzterer beschreibt die Kraft, die entgegengesetzt aufgewendet werden muss, damit die Bewegung in der vorgegebenen Bahn bleibt, sie ist für das Folgende unerheblich). Dieses Kräftedreieck ist ähnlich zum Steigungsdreieck der Funktion in . Im Steigungsdreieck ist die Länge der horizontalen Komponente gleich , die Länge der vertikalen Komponente gleich und die Hypotenuse hat die Länge (mit dem Steigungswinkel ist ). Im Kräftedreieck ist die Länge der Hypotenuse gleich , und wegen der Ähnlichkeit (Stichwort Strahlensatz) ergibt sich für die Stärke der tangentialen Kraft die Beziehung
Vektoriell handelt es sich um die Kraft
(berechne dessen Norm). Diese durch das Kraftfeld auf ein Teilchen auf der vorgegebenen Bahn (dem Graphen) wirkende tangentiale Beschleunigung muss mit der tangentialen Beschleunigung der Teilchenbewegung übereinstimmen. Diese wird durch die folgende Aussage beschrieben.
Es sei ein Intervall und eine zweimal differenzierbare Kurve in einem euklidischen Vektorraum mit für alle .
Dann ist die tangentiale Beschleunigung gleich
Wegen ist dieser Vektor Teil einer Orthogonalbasis von , sei zusammen mit eine Orthogonalbasis. Es gibt eine eindeutige Darstellung
und ist die tangentiale Komponente. Aus
folgt die Behauptung.
Für die Norm der tangentialen Beschleunigung gilt auch die Beschreibung
siehe Aufgabe 38.18.
Es sei ein reelles Intervall und eine zweimal differenzierbare Funktion.
Dann genügt eine Funktion
die die horizontale Komponente einer Bewegung eines Masseteilchens auf dem Graphen von beschreibt, die durch die konstante vertikale Schwerkraft hervorgerufen wird, der Differentialgleichung
Die auf das Teilchen wirkende tangentiale Kraft ist gleich
Die durch die Kraft bewirkte Bewegung (eines Teilchens) auf dem Graphen setzen wir als
an, wobei das Entscheidende in der ersten Komponente geschieht. Wir müssen die zum Graphen tangentiale Kraft, die die tangentiale Beschleunigung bewirkt, mit der tangentialen Beschleunigung der gesuchten Bewegungskurve gleichsetzen. Es ist
und
Daher ist nach Lemma Anhang 1.1 die tangentiale Beschleunigung gleich
und dies ist mit der tangentialen Kraftkomponente gleichzusetzen, also mit
In der ersten Komponente führt dies auf
Also ist
und damit
Die Formel aus Lemma Anhang 1.2, die die geführte Bewegung auf einem Funktionsgraphen im Gravitationsfeld beschreibt, kann man auch aus dem Energieerhaltungssatz ableiten. Die Energie des bewegten Teilchens setzt sich aus der Lageenergie und der Bewegungsenergie zusammen. Die Lageenergie ist dabei gleich , wobei die Masse des Teilchens ist (die Lageenergie wird also gleich bei der Höhe gesetzt) und die Bewegungsenergie ist , wobei die Gesamtbewegung auf dem Graphen beschreibt. Somit ist die Gesamtenergie gleich das -fache von
Da diese Energie unabhängig von ist, muss die Ableitung davon gleich sein, also
Wir ignorieren die konstanten Lösungen und erhalten
was auf
führt, also
Es sei . Dann wird die geführte Bewegung auf dem geraden Graphen (die schiefe Ebene, die eigentlich eine schiefe Gerade ist) gemäß Lemma Anhang 1.2 durch die Differentialgleichung
beschrieben, die Lösungen haben also die Form
mit beliebigen .
Sei . Dann wird die geführte Bewegung auf der Parabel gemäß Lemma Anhang 1.2 durch die Differentialgleichung
beschrieben.
Wir betrachten ein Pendel. Das Pendel habe die Länge und sei im Punkt fest aufgehängt. Die Bahn des Pendels, also der Ort, wo der Endpunkt des Pendels schwingt, ist der Kreis mit diesem Mittelpunkt und dem Radius . Diese Bahn ist der Graph der Funktion
und es handelt sich um eine geführte Bewegung im Sinne von Lemma Anhang 1.2. Hier ist es einfacher, die Bewegungsgleichung nicht als anzusetzen, sondern als eine Bedingung für den (Ausschlags-) Winkel der Bewegung, also als , wobei der Winkel zwischen dem vertikalen Lot und dem Auslenkungsfaden gemessen wird. Es besteht der Zusammenhang
Der Winkel ist auch die Länge des Bogens, vom Tiefpunkt aus gemessen. Mit der Gravitationskraft ergibt sich die Differentialgleichung
Dies erhält man auch aus Lemma Anhang 1.2. Es ist
und
Die allgemeine Bewegungsgleichung
wird in diesem Fall zu
Mit
ist die linke Seite gleich
und unter Verwendung von
und
ist die rechte Seite gleich
Der Term kommt beidseitig vor, also ist
und Division durch ergibt