Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 2/latex

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\setcounter{section}{2}






\zwischenueberschrift{Lokale Beschreibung von holomorphen Funktionen}





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/C/Lokale Beschreibung/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine nichtkonstante \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine offene Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass die Einschränkung von $f$ auf $V$ biholomorph äquivalent zu einer Potenzabbildung ist.}
\faktzusatz {Das bedeutet, dass es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und \definitionsverweis {biholomorphe Abbildungen}{}{} \maabbdisp {\theta} {V} {V' } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V' }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Kreisscheibe um $0$ und eine \definitionsverweis {Verschiebung}{}{} \maabbdisp {\varphi} { {\mathbb C} } { {\mathbb C} } {} derart gibt, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi \circ f \circ \theta^{-1} }
{ =} { w^k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auf $V'$ gilt \zusatzklammer {wobei $w$ die Variable auf $V'$ bezeichnet} {} {.}}
\faktzusatz {}

}
{

Wir wählen für $V$ eine Kreisscheibenumgebung von $P$, auf der $f$ durch eine \definitionsverweis {Potenzreihe}{}{} dargestellt wird. Die Potenzreihe sei
\mathl{c_0 + \sum_{n = k}^\infty c_n(z-P)^n}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_1 , \ldots , c_{k-1} }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_k }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Durch eine Verschiebung im Ausgangsbereich und im Bildbereich können wir
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_0 }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} annehmen. Die Potenzreihe kann man also als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{n = k}^\infty c_n z^n }
{ =} { z^k { \left( \sum_{m = 0}^\infty c_{m+k} z^m \right) } }
{ =} { z^k g(z) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(0) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} schreiben. Nach Satz 1.13 gibt es eine holomorphe Funktion $h$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g }
{ = }{ h^k }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und damit ist auch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ = }{ (zh)^k }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Abbildung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \theta(z) }
{ = }{ zh(z) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt die Ableitung
\mathl{h(z)+ z h'(z)}{} und hat in $0$ den Wert
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h(0) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Daher ist $\theta$ nach Korollar 1.11 in einer geeigneten offenen Umgebung $V$ von $0$ biholomorph zu einer offenen Kreisscheibe $V'$. Mit der Variablen $w$ auf $V'$ ist dann
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f ( \theta^{-1}(w)) }
{ =} { { \left( \theta^{-1}(w) h( \theta^{-1}(w) ) \right) }^k }
{ =} { { \left( \theta { \left( \theta^{-1}(w) \right) } \right) }^k }
{ =} { w^k }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Man kann also sagen, dass nach einem biholomorphen Koordinatenwechsel lokal jede holomorphe Abbildung $\neq 0$ eine Potenzierung ist. Diese lokale Beschreibung der Funktion nennen wir ihre \stichwort {lokale Normalform} {,} und das $k$ nennen wir den \stichwort {lokalen Exponenten} {} der Funktion im Punkt $P$. Man spricht, je nach Kontext, auch vom \stichwort {Verzweigungsindex} {} oder von der \stichwort {Ordnung} {.} Wenn die Ableitung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f'(P) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, so kann man den Satz über die lokale Umkehrabbildung anwenden und in einem solchen Punkt ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ = }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} dies ist der Standardfall. Nur für die Punkte einer diskreten Teilmenge kann
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \geq }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sein, siehe Aufgabe 2.5.





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Offen/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine nichtkonstante \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} auf einer \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {offenen Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f$ \definitionsverweis {offen}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Der Zusammenhang stellt in Verbindung mit Satz 1.3 sicher, dass die Funktion nirgendwo konstant ist. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Teilmenge und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Aufgrund von Satz 2.1 gibt es eine offene Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ W }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} auf der die Abbildung biholomorph äquivalent zu einer Potenzabbildung ist. Das Bild einer Kreisscheibe
\mathl{U { \left( 0,r \right) }}{} unter $z \mapsto z^k$ ist aber
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left\{ z^k \mid \betrag { z } <r \right\} } }
{ =} { { \left\{ w \mid \betrag { w } < r^k \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und somit selbst eine offene Kreisscheibe. Daher ist $\varphi(W)$ offen in ${\mathbb C}$. Die Vereinigung solcher offener Mengen zeigt, dass das Bild von $V$ offen ist.

}





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Bijektion/Umkehrfunktion/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U,V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{} und sei \maabb {f} {U} {V } {} eine \definitionsverweis {bijektive}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist auch die \definitionsverweis {Umkehrfunktion}{}{} \maabb {f^{-1}} {V} {U } {} holomorph.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Aufgrund der Bijektivität ist die Funktion $f$ nirgendwo konstant, wir können also Satz 2.1 anwenden. Da die Funktionen
\mathl{z \mapsto z^k}{} bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \geq }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} in keiner offenen Umgebung des Nullpunktes injektiv sind, muss stets
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ = }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sein. Damit ist nach Fakt *****
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f'(P) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} in jedem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und somit ist nach Korollar 1.11 die Umkehrfunktion ebenfalls holomorph.

}







\zwischenueberschrift{Riemannsche Flächen}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {CartaGeometriaDiferencial.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { CartaGeometriaDiferencial.png } {} {Marianov} {Commons} {gemeinfrei} {}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {topologischer}{}{} \definitionsverweis {Hausdorff-Raum}{}{} $M$ zusammen mit einer \definitionsverweis {offenen Überdeckung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ M }
{ = }{ \bigcup_{i \in I} U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und \definitionsverweis {Homöomorphismen}{}{} \maabbdisp {\alpha_i} {U_i} {V_i } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V_i }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass die \definitionsverweis {Übergangsabbildungen}{}{} \maabbdisp {\alpha_j \circ (\alpha_i)^{-1}} { V_i \cap \alpha_i(U_i \cap U_j) } { V_j \cap \alpha_j(U_i \cap U_j) } {} \definitionsverweis {Diffeomorphismen}{}{} sind, heißt \definitionswort {komplexe Mannigfaltigkeit}{} der Dimension $n$. Die Menge der \definitionswort {Karten}{}
\mathbed {(U_i,\alpha_i)} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} nennt man auch den \definitionswort {Atlas}{} der Mannigfaltigkeit.

}

Die Abbildungen $\alpha_i$ nennt man die \stichwort {Karten} {} der Mannigfaltigkeit und $U_i$ heißt auch das \stichwort {Kartengebiet} {} und $V_i$ das \stichwort {Kartenbild} {.} Die passende Vorstellung ist, dass die Mannigfaltigkeit die \zusatzklammer {komplizierte, gekrümmte} {} {} \anfuehrung{Wirklichkeit}{} ist, die man ausschnittsweise mit der Hilfe von flachen Karten erfassen kann. Einen Homöomorphismus \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen nennt man eine \zusatzklammer {zu dem gegebenen Atlas} {} {} \stichwort {kompatible Karte} {,} wenn für jedes Kartengebiet $U_i$ \maabbdisp {\alpha \circ \alpha_i^{-1}} { V_i \cap \alpha_i(U_i \cap U) } {V } {} komplex-differenzierbar ist. Die Hinzunahme von kompatiblen Karten ändert die Mannigfaltigkeit nur unwesentlich, allerdings brauchen wir den Holomorphiebegriff für komplexe Mannigfaltigkeiten, um dies präzise zu machen.

Lokal sieht also eine komplexe Mannigfaltigkeit wie eine offene Teilmenge im ${\mathbb C}^n$ aus. Eine komplexe Mannigfaltigkeit ist insbesondere eine \definitionsverweis {reelle Mannigfaltigkeit}{}{} der reellen Dimension $2n$. Hiervon gilt nicht die Umkehrung, da entscheidend bei einer komplexen Mannigfaltigkeit ist, dass die Übergangsabbildungen komplex-differenzierbar ist. Dies ist eine deutlich stärkere Forderung, als dass die Übergangsabbildungen reell-differenzierbar sind.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionswort {riemannsche Fläche}{} ist eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} der \zusatzklammer {komplexen} {} {} Dimension $1$.

}

Eine riemannsche Fläche hat die komplexe Dimension $1$ und die reelle Dimension $2$, deshalb spricht man von Flächen. Es handelt sich somit um zweidimensionale Gebilde, bei denen zusätzlich eine komplexe Struktur vorliegt und fixiert ist. Jede offene Teilmenge von ${\mathbb C}$, und insbesondere ${\mathbb C}$ selbst und ein offener Ball
\mathl{U { \left( P,r \right) }}{} ist eine riemannsche Fläche. Es sei schon jetzt erwähnt, dass \mathkor {} {{\mathbb C} \cong \R^2} {und} {U { \left( 0,1 \right) }} {} als topologische Räume und als reelle Mannigfaltigkeiten homöomorph bzw. diffeomorph sind, aber nicht als riemannsche Flächen isomorph \zusatzklammer {das nennt man dann biholomorph} {} {} sind. Die komplexe Struktur ist also eine neue entscheidende Struktur. Andererseits ist jeder offene Ball
\mathl{U { \left( P,r \right) }}{} zur Standardkreisscheibe $U { \left( 0,1 \right) }$ biholomorph, da man das eine durch verschieben und strecken ineinander überführen kann.

Wenn eine Karte mit dem Kartenbild
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gegeben ist und $z$ die Variable auf ${\mathbb C}$ ist, so nennt man $z$ auch einen \stichwort {lokalen Parameter} {} für $X$, insbesondere dann, wenn man sich auf einen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bezieht, für den $z$ den Wert $0$ besitzt.

Die komplexe Struktur verkompliziert einerseits die topologische bzw. reelle Situation, indem topologisch äquivalente Sachen verschiedene komplexe Strukturen haben können, andererseits vereinfacht sie aber auch die Situation, da man beispielsweise die Übergangsabbildungen und die relevanten Funktionen mit nur einer komplexen Variablen beschreiben kann und da die komplexe Differenzierbarkeit bereits die Analytizität, also die lokale Entwickelbarkeit in einer Potenzreihe, bedeutet. In der Welt der riemannschen Flächen gibt es eine viele engere Beziehung zwischen dem lokalen und dem globalen Verhalten von Funktionen.




\inputbeispiel{}
{






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Riemannova koule.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Riemannova koule.svg } {Leonid 2} {} {CC-by-sa 3.0} {} {}

Auf der reell zweidimensionalen Sphäre
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{S^2 }
{ \subseteq }{ \R^3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} erhält man über die \definitionsverweis {stereographischen Projektionen}{}{} \zusatzklammer {\mathkor {} {N} {und} {S} {} steht für Nordpol und Südpol} {} {} \maabbdisp {\alpha} {S^2 \setminus \{N\}} { {\mathbb C} \cong \R^2 } {} und \maabbdisp {\beta} {S^2 \setminus \{S\}} { {\mathbb C} \cong \R^2 } {} die Übergangsabbildung \maabbeledisp {} { {\mathbb C} \setminus \{0\} } { {\mathbb C} \setminus \{0\} } {z} {z^{-1} } {,} die \definitionsverweis {komplex differenzierbar}{}{} ist und reell durch
\mathl{(x,y) \mapsto \left( { \frac{ x }{ x^2+y^2 } } , \, { \frac{ -y }{ x^2+y^2 } } \right)}{} gegeben ist \zusatzklammer {bei den in Beispiel 75.1 (Analysis (Osnabrück 2014-2016)) beschriebenen Projektionen muss man einmal komplex konjugieren, damit alles passt} {} {.} Dadurch ist auf der Kugeloberfläche die Struktur einer eindimensionalen \definitionsverweis {komplexen Mannigfaltigkeit}{}{} gegeben. Diese heißt die \stichwort {komplex-projektive Gerade} {} ${\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }$ oder auch die \stichwort {riemannsche Zahlenkugel} {.} Die Überdeckung mit den beiden zu ${\mathbb C}$ biholomorphen offenen Mengen nennt man auch die \stichwort {affine Standardüberdeckung} {,} siehe auch Satz 5.6. Wenn man eine dieser offenen Mengen fixiert hat, so nennt man den einzigen fehlenden Punkt auch den \stichwort {unendlich fernen Punkt} {.} In der anderen offenen Menge ist dieser der Nullpunkt.


}

Oft fixiert man eine komplexe Ebene ${\mathbb C}$ und bezeichnet dann den einzigen Punkt, der bei der Einbettung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathbb C} }
{ \subseteq }{ {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} hinzukommt, als unendlich fernen Punkt $\infty$.

Eine wichtige Quelle für komplexe Mannigfaltigkeiten eröffnet sich durch den Satz über implizite Abbildungen.


\inputfakt{Satz über implizite Abbildungen/C/Faser/Komplexe Mannigfaltigkeit/Fakt}{Satz}{} {

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ G }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{} und sei \maabbdisp {\varphi} {G} { {\mathbb C}^{ m } } {} eine \definitionsverweis {stetig differenzierbare Abbildung}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Z }
{ = }{ \varphi^{-1}( Q) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die \definitionsverweis {Faser}{}{} über einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ \in }{ {\mathbb C}^{ m } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Das \definitionsverweis {totale Differential}{}{}
\mathl{\left(D\varphi\right)_{P }}{} sei \definitionsverweis {surjektiv}{}{} für jeden Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ Z }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $Z$ eine \definitionsverweis {komplexe Mannigfaltigkeit}{}{} der \definitionsverweis {Dimension}{}{}
\mathl{n - { m }}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}

Dabei ergibt sich eine riemannsche Fläche, wenn die Differenz der Dimensionen gleich $1$ ist. Wir erwähnen speziell die folgende Situation.




\inputfaktbeweis
{Polynom ohne mehrfache Nullstelle/C/Quadratwurzel/Riemannsche Fläche/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ \in }{ {\mathbb C} [Z] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Polynom ohne mehrfache Nullstelle.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ = }{ { \left\{ (z,w) \mid w^2 = f(z) \right\} } }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^2 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es ist $V$ die Nullstellenmenge der polynomialen Abbildung \maabbeledisp {\varphi} { {\mathbb C}^2 } { {\mathbb C} } {(z,w)} { f(z)-w^2 } {.} Die \definitionsverweis {Jacobi-Matrix}{}{} von $\varphi$ ist
\mathl{\left( f'(z) , \, 2w \right)}{.} Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (z,w) }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f'(z) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und damit ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Jacobi-Matrix ist also auf ganz $V$ \definitionsverweis {regulär}{}{} und damit zeigt der Satz über implizite Abbildungen, dass $V$ eine komplexe Mannigfaltigkeit ist.

}


Durch die Projektion auf die erste Komponente liegt eine fixierte Abbildung \maabbele {} {V} { {\mathbb C} } {(z,w)} {z } {,} vor. Diese ist surjektiv und besitzt über den Nullstellen von $f$ ein Urbild und sonst überall zwei Urbilder. Man spricht von der \stichwort {Wurzelfläche} {} zu $f$ und sagt, dass diese \anfuehrung{ausgebreitet}{} über ${\mathbb C}$ vorliegt. Solche mit einer festen Projektion auf ${\mathbb C}$ versehenen riemannschen Flächen nennt man auch \stichwort {konkrete riemannsche Flächen} {,} während man dann die durch einen Atlas gegebenen Flächen \stichwort {abstrakte riemannsche Flächen} {} nennt. Diesen Unterschied sollte man aber nicht überbewerten. Wir werden uns in Lemma 14.13 mit der Frage beschäftigen, inwiefern man eine solche Wurzelfläche zu einer riemannschen Fläche über die projektive Gerade ${\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }$ fortsetzen kann.