Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 20/latex

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\setcounter{section}{20}






\zwischenueberschrift{Kanonische Divisoren}




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {meromorphen Differentialform}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \omega }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf einer \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ definiert man den \definitionswort {zugehörigen Divisor}{} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( \omega \right) } }
{ =} { \sum_{P \in X} n_P P }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n_P }
{ = }{ \operatorname{ord}_{ P } \, (f) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \omega }
{ = }{ fdz }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine lokale Beschreibung der Form mit einer \definitionsverweis {meromorphen Funktion}{}{} $f$ ist.

}

Einen solchen Divisor nennt man auch einen \stichwort {kanonischen Divisor} {.}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten auf der \definitionsverweis {projektiven Geraden}{}{} ${\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }$ die Einbettung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathbb C} }
{ = }{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit der Variablen $z$ und der zugehörigen \definitionsverweis {meromorphen Differentialformen}{}{.} $dz$. Da $z$ auf ganz $U$ ein lokaler Parameter ist, ist der zugehörige \definitionsverweis {Divisor}{}{} auf $U$ trivial. Um im unendlich fernen Punkt $\infty$ für $dz$ die Ordnung zu bestimmen muss man mit dem lokalen Parameter
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ = }{ z^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} arbeiten. Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ dz }
{ =} { dw^{-1} }
{ =} { - w^{-2} dw }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und daher ist die Ordnung in $\infty$ gleich $-2$.


}




\inputbeispiel{}
{

Auf einem \definitionsverweis {komplexen Torus}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ X }
{ = }{ {\mathbb C} /\Gamma }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zu einem \definitionsverweis {Gitter}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Gamma }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es nach Korollar 15.14 die \definitionsverweis {holomorphe Differentialform}{}{} $dz$, die der $\Gamma$-invarianten Differentialform $dz$ auf ${\mathbb C}$ entspricht. Diese besitzt weder eine Polstelle noch eine Nullstelle, der zugehörige \definitionsverweis {Divisor}{}{} ist also trivial.


}


\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Meromorphe Differentialform/Divisor/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktuebergang {Für die \definitionsverweis {Divisoren}{}{} zu \definitionsverweis {meromorphen Differentialformen}{}{} gelten die folgenden Eigenschaften.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Divisoren zu meromorphen Differentialformen sind zueinander \definitionsverweis {linear äquivalent}{}{.} }{Für eine meromorphe Differentialform
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \omega }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \omega \right) } }
{ =} { \operatorname{div} { \left( f \right) } + \operatorname{div} { \left( \omega \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Für eine nichtkonstante meromorphe Funktion $f$ gilt für Punkte aus dem Träger des Hauptdivisors
\mathl{\operatorname{div} { \left( f \right) }}{} die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( df \right) }_P }
{ =} { \operatorname{div} { \left( f \right) }_P -1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für Punkte außerhalb des Trägers gilt die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( df \right) }_P }
{ \geq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 20.3. }


Nach Lemma 20.4  (1) sind sämtliche kanonischen Divisoren zueinander linear äquivalent und definieren daher eine eindeutige Klasse in der \definitionsverweis {Divisorenklassengruppe}{}{,} die die \stichwort {kanonische Klasse} {} heißt. Für eine kompakte zusammenhängende riemannsche Fläche $X$ folgt aus Lemma 20.4  (1) in Verbindung mit Satz 19.17, dass der Grad eines kanonischen Divisors auf $X$ wohldefiniert ist. Gemäß Beispiel 20.2 besitzt der kanonische Divisor auf der projektiven Geraden den Grad $-2$, gemäß Beispiel 20.3 besitzt der kanonische Divisor auf einem Torus den Grad $0$. In Satz 30.10 wird gezeigt, dass der Grad gleich $2g-2$, wenn $g$ das Geschlecht der riemannschen Fläche bezeichnet.






\zwischenueberschrift{Modulgarben}

Die folgenden Objekte formulieren wir allgemein für einen beringten Raum, man kann sich aber stets darunter eine riemannsche Fläche mit der Garbe der holomorphen Funktionen vorstellen.


\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Garbe}{}{} ${ \mathcal M }$ auf einem \definitionsverweis {beringten Raum}{}{}
\mathl{(X, {\mathcal O}_{ X })}{} heißt \definitionswortpraemath {{\mathcal O}_{ X }}{ Modul }{,} wenn es für jede \definitionsverweis {offene Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf
\mathl{\Gamma { \left( U, { \mathcal M } \right) }}{} eine $\Gamma { \left( U, {\mathcal O}_{ X } \right) }$-\definitionsverweis {Modulstruktur}{}{} gegeben ist, die mit den \definitionsverweis {Restriktionsabbildungen}{}{} zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} verträglich ist.

}

Die Verträglichkeitsbedingung bedeutet, dass zu offenen Mengen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} \Gamma { \left( V, {\mathcal O}_{ X } \right) } \times \Gamma { \left( V, { \mathcal M } \right) } & \stackrel{ }{\longrightarrow} & \Gamma { \left( V, { \mathcal M } \right) } & \\ \downarrow & & \downarrow & \\ \Gamma { \left( U, {\mathcal O}_{ X } \right) } \times \Gamma { \left( U, { \mathcal M } \right) } & \stackrel{ }{\longrightarrow} & \Gamma { \left( U, { \mathcal M } \right) } & \!\!\!\!\! \\ \end{matrix}} { }
kommutiert. Die Strukturgarbe ${\mathcal O}_{ X }$ ist insbesondere ein ${\mathcal O}_{ X }$-Modul. Ein ${\mathcal O}_{ X }$-Modul ist insbesondere eine Garbe von abelschen Gruppen. Nach Lemma 15.6  (3) ist die Garbe der holomorphen Differentialformen auf einer riemannschen Fläche $X$ ein ${\mathcal O}_{ X }$-Modul. Ebenso ist die Garbe der meromorphen Funktionen ein ${\mathcal O}_{ X }$-Modul.

Im Wesentlichen kann man sämtliche Definitionen und Konstruktionen aus der Modultheorie über einem kommutativen Ring auf Modulgarben übertragen.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{(X, {\mathcal O}_{ X } )}{} ein \definitionsverweis {beringter Raum}{}{} und ${ \mathcal M }$ ein ${\mathcal O}_{ X }$-\definitionsverweis {Modul}{}{.} Eine \definitionsverweis {Untergarbe}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal N } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass
\mathl{\Gamma { \left( U, { \mathcal N } \right) }}{} für jede offene Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein $\Gamma (U, {\mathcal O}_X )$-\definitionsverweis {Untermodul}{}{} von
\mathl{\Gamma { \left( U, { \mathcal M } \right) }}{} ist, heißt \definitionswortpraemath {{\mathcal O}_{ X }}{ Untermodul }{} von ${ \mathcal M }$.

}

Die Strukturgarbe ist ein ${\mathcal O}_{ X }$-Untermodul der Garbe der meromorphen Funktionen.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{(X, {\mathcal O}_{ X } )}{} ein \definitionsverweis {beringter Raum}{}{.} Ein ${\mathcal O}_{ X }$-\definitionsverweis {Untermodul}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal I } }
{ \subseteq }{ {\mathcal O}_{ X } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt \definitionswort {Idealgarbe}{.}

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{{ \left( X, {\mathcal O}_{ X } \right) }}{} ein \definitionsverweis {beringter Raum}{}{} und seien \mathkor {} {{ \mathcal M }} {und} {{ \mathcal N }} {} ${\mathcal O}_{ X }$-\definitionsverweis {Moduln}{}{} auf $X$. Ein \definitionsverweis {Garbenhomomorphismus}{}{} \maabb {\varphi} { { \mathcal M } } { { \mathcal N } } {} heißt \definitionswortpraemath {{\mathcal O}_{ X }}{ Modulhomomorphismus }{,} wenn für jede \definitionsverweis {offene Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abbildung \maabbdisp {} { \Gamma { \left( U, { \mathcal M } \right) } } { \Gamma { \left( U, { \mathcal N } \right) } } {} ein $\Gamma (U, {\mathcal O}_X )$-\definitionsverweis {Modulhomomorphismus}{}{} ist.

} Ein ${\mathcal O}_{ X }$-\definitionsverweis {Modulhomomorphismus}{}{} ist insbesondere ein Homomorphismus von Garben von abelschen Gruppen.




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{(X, {\mathcal O}_{ X })}{} ein \definitionsverweis {beringter Raum}{}{} und seien \mathkor {} {{ \mathcal M }} {und} {{ \mathcal N }} {} \definitionsverweis {Modulgarben}{}{} auf $X$. Dann nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Hom} { \left( { \mathcal M }, { \mathcal N } \right) } }
{ =} { { \left\{ \varphi: { \mathcal M } \rightarrow { \mathcal N } \mid \varphi \text{ Modulhomomorphismus} \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit der natürlichen $\Gamma { \left( X, {\mathcal O}_{ X } \right) }$-\definitionsverweis {Modulstruktur}{}{} den \zusatzklammer {globalen} {} {} \definitionswort {Homomorphismenmodul}{} zu \mathkor {} {{ \mathcal M }} {und} {{ \mathcal N }} {.}

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{(X, {\mathcal O}_{ X })}{} ein \definitionsverweis {beringter Raum}{}{} und seien \mathkor {} {{ \mathcal M }} {und} {{ \mathcal N }} {} \definitionsverweis {Modulgarben}{}{} auf $X$. Dann nennt man die Zuordnung
\mathdisp {U \longmapsto \operatorname{Hom} { \left( { \mathcal M } {{|}}_U , { \mathcal N }{{|}}_U \right) } = { \left\{ \varphi: { \mathcal M }{{|}}_U \rightarrow { \mathcal N }{{|}}_U \mid \varphi \text{ Modulhomomorphismus} \right\} }} { }
die \definitionswort {Homomorphismengarbe}{} zu \mathkor {} {{ \mathcal M }} {und} {{ \mathcal N }} {.} Sie wird mit
\mathl{{\mathcal Hom} { \left( { \mathcal M } , { \mathcal N } \right) }}{} bezeichnet.

}

Es ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathcal Hom} { \left( { \mathcal M }, { \mathcal N } \right) } { \left( U \right) } }
{ =} { \operatorname{Hom} { \left( { \mathcal M } {{|}}_U , { \mathcal N } {{|}}_U \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{(X, {\mathcal O}_{ X })}{} ein \definitionsverweis {beringter Raum}{}{} und sei ${ \mathcal M }$ eine \definitionsverweis {Modulgarbe}{}{} auf $X$. Dann nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \mathcal M }^* }
{ =} { {\mathcal Hom} { \left( { \mathcal M }, {\mathcal O}_{ X } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit der natürlichen ${\mathcal O}_{ X }$-\definitionsverweis {Modulstruktur}{}{} den \definitionswort {dualen Modul}{} zu ${ \mathcal M }$.

}






\zwischenueberschrift{Invertierbare Garben}

Wir besprechen ein garbentheoretisches Konzept, das eng mit Divisoren zusammenhängt.


\inputdefinition
{}
{

Ein ${\mathcal O}_{ X }$-\definitionsverweis {Modul}{}{} ${ \mathcal L }$ auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{}
\mathl{{ \left( X, {\mathcal O}_{ X } \right) }}{} heißt \definitionswort {invertierbar}{,} wenn es eine \definitionsverweis {offene Überdeckung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{X }
{ = }{ \bigcup_{i \in I} U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass die Einschränkungen
\mathl{{ \mathcal L } {{|}}_{U_i}}{} \definitionsverweis {isomorph}{}{} zu
\mathl{{\mathcal O}_{ X } {{|}}_{U_i}}{} sind.

}

Die Strukturgarbe ist invertierbar, man kann direkt die durch $X$ selbst gegebene Überdeckung nehmen. Eine \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{} ${ \mathcal L }$ heißt \stichwort {trivial} {,} wenn sie \definitionsverweis {isomorph}{}{} zur \definitionsverweis {Strukturgarbe}{}{} ${\mathcal O}_{ X }$ ist. Die von einer \definitionsverweis {holomorphen Funktion}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf einer zusammenhängenden riemannschen Fläche $X$ erzeugte Idealgarbe
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f {\mathcal O}_{ X } }
{ \subseteq} { {\mathcal O}_{ X } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist trivial. Lokal ist nach der Definition jede invertierbare Garbe trivial, es geht also hauptsächlich um die Frage, ob es global nichttriviale invertierbare Garben gibt. Zu einer invertierbaren Garbe ${ \mathcal L }$ nennt man die \definitionsverweis {duale Garbe}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \mathcal L }^* }
{ =} { {\mathcal Hom} { \left( { \mathcal L }, {\mathcal O}_{ X } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auch die \stichwort {inverse Garbe} {.}






\inputbemerkung
{}
{

Auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ ist die Garbe der \definitionsverweis {holomorphen Differentialformen}{}{} \definitionsverweis {invertierbar}{}{.} Dies beruht einfach darauf, dass nach Lemma 15.5 lokal auf einer offenen Kreisscheibe mit der Variablen $z$ die holomorphen Differentialformen die Form $f dz$ mit einer eindeutig bestimmten holomorphen Funktion $f$ besitzen. Daher gibt es lokal einen Isomorphismus \maabb {} { {\mathcal O}_{ U } } { \Omega_U } {.} Die Garbe der holomorphen Differentialformen ist aber im Allgemeinen nicht trivial, in der Tat reflektieren ihre globalen Eigenschaften wichtige Informationen über $X$ selbst. Auf einer \definitionsverweis {kompakten}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} riemannschen Fläche $X$ ist nach Satz 3.7 jede global definierte holomorphe Funktion konstant, es ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \dim_{ K } { \left( \Gamma { \left( X, {\mathcal O}_{ X } \right) } \right) } }
{ =} { 1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dagegen ist die Vektorraumdimension von
\mathl{\Gamma { \left( X, \Omega_X \right) }}{} eine wichtige Invariante von $X$, die \zusatzklammer {endlich ist und} {} {} das \stichwort {differentielle Geschlecht} {} von $X$ heißt. Nach Beispiel 20.2 besitzt der kanonische Divisor auf der projektiven Geraden den Grad $-2$, daher ist $\Omega_{ {\mathbb P}^{1}_{{\mathbb C} } }$ nicht isomorph zur Strukturgarbe.

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $X$ eine \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und $D$ ein \definitionsverweis {Divisor}{}{} auf $X$. Dann nennt man die durch\zusatzfussnote {Hier ist der Divisor zur Nullfunktion bzw. zu einer Funktion, die auf einer Zusammenhangskomponente gleich $0$ ist, in den Punkten der Komponente als $\infty$ zu interpretieren, so dass die Bedingung erfüllt ist} {.} {}
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ {\mathcal O}_{ X } (D) (U) }
{ \defeq} { { \left\{ f \mid f \text{ ist meromorph auf } U \text{ und } \operatorname{div} { \left( f \right) } + D \geq 0 \text{ auf } U \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die zu $D$ zugehörige \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{.}

}

Der Divisor $\operatorname{div} { \left( f \right) } + D$ ist dabei ein zu $D$ linear äquivalenter effektiver Divisor. Häufig betrachtet man auch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal L }_{D} }
{ = }{ {\mathcal O}_{ X }(-D) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als die zugehörige Garbe, beide Konventionen haben Vor- und Nachteile.




\inputbeispiel{}
{

Zum Nulldivisor auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ ist die zugehörige \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{} einfach die Strukturgarbe ${\mathcal O}_{ X }$. Dies beruht einfach darauf, dass die polstellenfreien meromorphen Funktionen genau die holomorphen Funktionen sind.


}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Divisor/Invertierbare Garbe/Negativ/Zuordnungseigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktuebergang {Dann besitzt die Zuordnung, die einem \definitionsverweis {Divisor}{}{} $D$ die zugehörige \definitionsverweis {invertierbare Garbe}{}{} ${\mathcal O}_{ X } (D)$ zuordnet, folgende Eigenschaften.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungsechs{Die Garbe ${\mathcal O}_{ X } (D)$ ist in der Tat invertierbar. }{Für Divisoren $D,E$ ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{D }
{ \leq }{E }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathcal O}_{ X } (D) }
{ \subseteq }{ {\mathcal O}_{ X } (E) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. }{Für Divisoren $D,E$ ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ D }
{ = }{ E }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathcal O}_{ X } (D) }
{ = }{ {\mathcal O}_{ X } (E) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {als Untergarben} {} {} ist. }{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathcal O}_{ X } (D+E) }
{ =} { {\mathcal O}_{ X } (D) \otimes {\mathcal O}_{ X } (E) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathcal O}_{ X } (-D) }
{ \cong} { {\mathcal O}_{ X } (D) ^* }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} }{Für jede invertierbare Untergarbe
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal L } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M }_X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es einen Divisor $D$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal L } }
{ = }{ {\mathcal O}_{ X } (D) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\aufzaehlungsechs{Aufgrund der lokalen Definition liegt eine Untergarbe von kommutativen Gruppen der Modulgarbe der meromorphen Funktionen vor. Zu einer holomorphen Funktion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h }
{ \in }{ \Gamma { \left( U, {\mathcal O}_{ X } \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ \in }{ {\mathcal O}_{ X } (D) (U) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gehört wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( hf \right) } }
{ =} { \operatorname{div} { \left( h \right) } + \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ \geq} { \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ \geq} { - D }
{ } { }
} {}{}{} auch $hf$ zu
\mathl{{\mathcal O}_{ X } (D) (U)}{.} Also liegt eine Modulgarbe vor. Zu dem Divisor $D$ gibt es zu jedem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {offene Umgebung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine meromorphe Funktion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf $U$, deren Hauptdivisor gleich $D {{|}}_U$ ist. Die Konstruktion der zugehörigen Garbe ist lokal, die Invertierbarkeit können wir also auf $U$ nachweisen. Es ist also
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ {\mathcal O}_{ X } (D) (U) }
{ =} { { \left\{ f \mid f \text{ ist meromorph auf } U \text{ und } \operatorname{div} { \left( f \right) } \geq - D \text{ auf } U \right\} } }
{ =} { { \left\{ f \mid f \text{ ist meromorph auf } U \text{ und } \operatorname{div} { \left( f \right) } \geq - \operatorname{div} { \left( g \right) } \text{ auf } U \right\} } }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.} Dabei besitzt die meromorphe Funktion
\mathl{fg}{} auf $U$ einen Divisor, der überall nichtnegativ ist und daher ist
\mathl{fg}{} auf $U$ nach Lemma 19.7 holomorph. Also ist \maabbeledisp {} { {\mathcal O}_{ U } } { {\mathcal O}_{ X } (D) } {1} { g^{-1} } {,} ein Isomorphismus. }{Die Hinrichtung ist trivial. Für die Rückrichtung wissen wir für jede offene Menge $U$ und jede meromorphe Funktion $f$ auf $U$, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ \geq} { -D }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auf $U$ genau dann gilt, wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ \geq} { -E }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt. Wenn sich $D$ und $E$ in einem Punkt $P$ unterscheiden, so kann man ein Kartengebiet um $P$ wählen, dass außer $P$ keinen weiteren Trägerpunkt von $D$ oder von $E$ enthält. Dann gibt es aber eine meromorphe Funktion, deren Ordnung an $P$ mit der von $-D$ übereinstimmt aber nicht mit der von $-E$. }{Dies folgt aus (2). }{Dies beruht darauf, dass das Tensorprodukt von invertierbaren Garben, die als Untergarben der Garbe der meromorphen Funktionen vorliegen, lokal durch das Produkt der Erzeuger gegeben ist. }{Wenn ${\mathcal O}_{ X } (D)$ lokal auf $U_i$ durch die meromorphe Funktion $g_i$ erzeugt wird, so wird die duale Garbe lokal durch $g_i^{-1}$ erzeugt. }{Siehe Aufgabe 20.17. }

}


Wir haben also einen Gruppenisomorphismus zwischen der Divisorengruppe und der Gruppe der invertierbaren Untergarben der Garbe der meromorphen Funktionen. Man kann ferner zeigen, dass überhaupt jede invertierbare Garbe auf einer riemannschen Fläche sich als Untergarbe der Garbe der meromorphen Funktionen realisieren lässt. Auch die lineare Äquivalenz von Divisoren, die ja die Grundlage zur Einführung der Divisorenklassengruppe ist, spiegelt sich auf der Seite der invertierbaren Untergarben wieder.





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Divisor/Invertierbare Garbe/Negativ/Lineare Äquivalenz/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktfolgerung {\definitionsverweis {Divisoren}{}{} $D,E$ sind genau dann \definitionsverweis {linear äquivalent}{}{,} wenn die zugehörigen \definitionsverweis {invertierbaren Garben}{}{} \mathkor {} {{\mathcal O}_{ X } (D)} {und} {{\mathcal O}_{ X } (E)} {} \definitionsverweis {isomorph}{}{} sind.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Divisoren seien zuerst linear äquivalent. Es sei also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E }
{ =} { D+ \operatorname{div} { \left( h \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer meromorphen Funktion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir behaupten, dass durch die Multiplikation mit $h^{-1}$, also \maabbdisp {h^{-1}-} { {\mathcal O}_{ X } (D) } { {\mathcal O}_{ X } (E) } {,} ein Isomorphismus von invertierbaren Garben gegeben ist. Die Abbildung ist auf jeder offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} durch \maabbeledisp {} { {\mathcal O}_{ X } (D) (U) = { \left\{ f \mid f \text{ ist meromorph auf } U \text{ und } \operatorname{div} { \left( f \right) } \geq - D \text{ auf } U \right\} } } {{\mathcal O}_{ X } (E) (U) = { \left\{ g \mid g \text{ ist meromorph auf } U \text{ und } \operatorname{div} { \left( g \right) } \geq - E \text{ auf } U \right\} } } {f} { fh^{-1} } {,} gegeben. Sie ist wohldefiniert, mit Restriktionen verträglich, erhält die Modulstruktur und ist ein Isomorphismus, wobei die Umkehrabbildung durch die Multiplikation mit $h$ gegeben ist.

Wenn die beiden Garben
\mathbed {{\mathcal O}_{ X } (D)} {und}
{{\mathcal O}_{ X } (E)} {}
{} {} {} {} isomorph sind, so kann man durch Tensorierung mit ${\mathcal O}_{ X } (-E)$ unter Verwendung von Lemma 20.16  (4,5) auf die Situation reduzieren, wo ${\mathcal O}_{ X } (D)$ isomorph zur Strukturgarbe ist. Es ist dann zu zeigen, dass $D$ ein Hauptdivisor ist. Der Isomorphismus ist durch eine Abbildung \maabbeledisp {} { {\mathcal O}_{ X } } { {\mathcal O}_{ X } (D) } {1} {f } {,} gegeben. Wir behaupten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ = }{ -D }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{}
} {}{}{.} Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ \in }{ {\mathcal O}_{ X } (D ) (X) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ \geq} { - D }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn in einem Punkt die Ordnung links echt größer als die Ordnung rechts wäre, so wäre die Abbildung in diesem Halm kein Isomorphismus.

}





\inputdefinition
{}
{

Zu einem \definitionsverweis {Divisor}{}{} $D$ auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ nennt man den \definitionsverweis {Grad}{}{} von $D$ auch den \definitionswort {Grad}{} von ${\mathcal O}_{ X }(D)$.

} Mit dieser Festlegung haben invertierbare Garben auf einer kompakten reimannschen Fläche mit nichttrivialen globalen Schnitten einen positiven Grad.