Lineares Gleichungssystem/Parameter/Vektorbündel/Textabschnitt

Aus Wikiversity

Wir betrachten die reelle lineare Gleichung

Die Lösungsmenge

ist ein zweidimensionaler reeller Untervektorraum des . Das Lösen einer solchen linearen Gleichung bedeutet u.A. eine Basis für anzugeben, im vorliegenden Fall ist beispielsweise

Die Lösungsmethoden sind hierbei weitgehend (siehe unten für Einschränkungen zu dieser Behauptung) unabhängig von den konkreten Koeffizienten der linearen Gleichung. Wenn man statt konkreter Zahlen die Koeffizienten in irgendeiner funktionalen Weise von Parametern abhängen lässt, so kann man sich fragen, inwiefern der Lösungsraum mit diesen Parametern variiert. Betrachten wir beispielsweise die von einem Parameter abhängige lineare Gleichung

Zu jedem hängt der Lösungsraum von ab, er ist nach wie vor ein zweidimensionaler Untervektorraum , der Lösungsraum ist eine mit wandernde Ebene im Raum. Man kann sich fragen, für welche der Vektor eine Lösung ist, also zu gehört. Oder, ob es verschiedene Parameter gibt, für die die Lösungsräume übereinstimmen, also als Untervektorräume des gilt. Oder, ob es stets eine Basis des Lösungsraumes der Form wie oben gibt. Oder, ob es stets einen Lösungsvektor der Form gibt. Wir erinnern daran, dass der Lösungsalgorithmus für lineare Gleichungssysteme (also die Gaußelimination) dann verzweigt, wenn gewisse Koeffizienten sind bzw. im Verlauf des Algorithmus werden. Die Gleichung

besitzt den Lösungsraum und enthält keinen Vektor der Form . Da Nullstellen des quadratischen Polynoms sind, wird in der obigen parametrisierten Gleichung für diese Parameterwerte die Gleichung zu und daher besitzt für diese beiden Werte der Lösungsraum keinen Vektor der Form . Für alle anderen Parameterwerte besitzt der Lösungsraum den Vektor . Ein gewisser Aspekt des Lösungsraumes hängt also selbst wieder funktional von dem Parameter ab.

Es ist naheliegend, die Abhängigkeit einer linearen Gleichung oder eines linearen Gleichungssystems von Parametern in zwei Schritten zu untersuchen. Im ersten Schritt setzt man die Koeffizienten der Gleichungen selbst als Variablen (universelle Parameter) an und studiert, wie die Lösungsräume mit diesen Parametern variieren. Insbesondere möchte man qualitative Sprünge im Verhalten der Lösungsräume verstehen. In einem zweiten Schritt stellt man zusätzliche mehr oder weniger restriktive Bedingungen an die universellen Parameter oder man lässt diese funktional von anderen Parametern abhängen.


Beispiel  

Wir betrachten die allgemeine reelle lineare Gleichung

in den Variablen und den Parametern , die als unbestimmte Koeffizienten der linearen Gleichung dienen. Wir möchten den Lösungsraum

in Abhängigkeit von den Parametern verstehen. Ein Extremfall liegt bei vor, dann ist die Gleichung für beliebige erfüllt und der Lösungsraum ist der volle zweidimensionale . Bei ist der Lösungsraum eindimensional, und ein Basisvektor für diese Lösungsgerade ist durch gegeben. Insbesondere kann man den Lösungsraum über dem Parameterraum pauschal beschreiben, es ist

Eine kompaktere Interpretation dieses Sachverhaltes ergibt sich, wenn man den Gesamtlösungsraum der Gleichung als

ansetzt. Man beachte, dass kein linearer Untervektorraum des ist. Der Lösungsraum zu einem speziellen Parameterwert ergibt sich daraus, wenn man mit den affinen Ebenen schneidet. Unter der Gesamtabbildung

ist die Faser zu . Im Gesamtlösungsraum ist die Variation der Lösungsgeraden in Abhängigkeit vom Parameter und die Degenerierung zu einer Lösungsebene über dem Nullpunkt sichtbar. Das Verhalten außerhalb des Parameternullpunktes wird durch die eingeschränkte Abbildung

beschrieben. Jede Faser dieser eingeschränkten Projektion ist der eindimensionale Lösungsraum. Ferner gibt es eine bijektive Abbildung

die für jeden Parameter linear ist. Links steht ein direktes Produkt aus dem Basisraum und der Faser , die unabhängig vom Basispunkt ist, und rechts steht eine Familie von variierenden Geraden im , doch die angegebene Bijektion zeigt, dass man das eine in das andere übersetzen kann.



Beispiel  

Wir betrachten die allgemeine reelle lineare Gleichung

in den Variablen und den Parametern , die als unbestimmte Koeffizienten der lineare Gleichung dienen. Wir möchten den Lösungsraum

in Abhängigkeit von den Parametern verstehen. Ein Extremfall liegt bei vor, dann ist der Lösungsraum der volle . Bei ist der Lösungsraum zweidimensional. Wir schließen den Nullpunkt als Parameter aus und betrachten den Gesamtlösungsraum der Gleichung

zusammen mit der Projektion auf . Die Faser unter zu einem speziellen Parameterwert ist der Lösungsraum zu der durch dieses Parametertupel definierten Gleichung.

Kann man in diesem Beispiel eine Basis für den jeweiligen Lösungsraum angeben, die in einer übersichtlichen, rechnerischen, algebraischen Weise von den Parametern abhängt? Da wir den Nullpunkt rausgeworfen haben, gilt

man kann also den Basisraum als eine Vereinigung von drei offenen Mengen schreiben. Wenn man das Verhalten über einer solchen offenen Menge betrachtet, sagen wir über die durch gegebene, so kann man darüber eine Basis angeben, nämlich durch

Dabei sichert , dass die beiden Vektoren linear unabhängig sind. Die beiden Lösungsvektoren sind sogar überall wohldefinierte Lösungen, verlieren aber bei ihre lineare Unabhängikeit und bilden also nicht überall eine Basis. Aber jedenfalls ist

eine rechnerisch einfache Bijektion zwischen dem Produktraum der Basis und dem einerseits und dem Lösungsraum oberhalb von .

Wir fragen uns, ob es möglich ist, global, also auf ganz , eine mit dem Basisraum variiende Basis des Lösungsraums anzugeben. Gefragt ist also nach der Existenz von zwei Funktionen und mit Werten im und der Eigenschaft, dass sie stets eine Basis des Lösungsraumes bilden (und insbesondere zum Lösungsraum gehören). Ohne jede weitere Bedingung an und ist dies möglich, da man ja durch eine Fallunterscheidung solche Funktionen definieren kann. Aber schon wenn man fordert, dass die beiden Funktionen stetig sein sollen, ist dies nicht mehr möglich. Wegen der Stetigkeit sind die Funktionen und bereits auf der offenen Teilmenge

festgelegt, da man jeden Punkt aus durch eine Folge aus der offenen Menge approximieren kann. Mit der oben angegebenen Basis oberhalb dieser Menge kann man jedenfalls

und

mit stetigen reellwertigen Funktionen auf der offenen Menge schreiben. Wir können nicht erwarten, dass diese Funktionen auf dem ganzen definiert sind, weshalb im stetigen Fall die Argumentation komplizierter werden würde. Das Resultat wird sich aus Fakt ergeben, siehe Bemerkung. Daher beschränken wir uns auf den Fall, dass diese Funktionen rationale Funktionen sind, in deren Nenner eine Potenz von vorkommen kann (das sind die rationalen Funktionen auf ). Betrachten wir

mit Polynomen und , wobei der Faktor rausgekürzt sei. Da insgesamt auf ganz definiert ist, kann (ebenso ) höchstens sein (sonst hätte einen Pol). Die erste Zeile führt (bei ) auf eine polynomiale Gleichung der Form

mit Polynomen . In diesem Fall ist (Stichwort Koszul-Auflösung)

mit Polynomen . Entsprechend ergibt sich für eine Darstellung mit bzw. . Wir betrachten die Abbildung

Unter dieser Abbildung werden die Polynomtupel bzw. (die wir als Abbildungen auffassen) auf bzw. abgebildet. Da diese nach Voraussetzung in jedem Punkt eine Basis der zugehörigen Faser von bilden, sind und in jedem Punkt linear unahängig. Das Tupel wird unter in jedem Punkt auf (in der Faser) abgebildet. Daher bilden die und in jedem Punkt eine Basis von , da in keinem Punkt als Linearkombination von und geschrieben werden kann. Die Determinante der Matrix

ist aber eine Linearkombination der Variablen im Polynomring. Daher ist dies keine Einheit im Polynomring. Im reellen Fall kann man daraus noch nicht schließen, dass die Determinante eine reelle Nullstelle in hat (wenn die Determinante beispielsweise die Form besitzt). Wenn man aber statt mit mit arbeitet, so ändert sich an der algebraischen Argumentation nichts und man kann folgern, dass die Determinante in

Nullstellen besitzt und daher nicht überall eine Basis vorliegen kann.



Beispiel  

Wir betrachten das allgemeine reelle lineare Gleichungssystem

und

in den Variablen und den Parametern , die als unbestimmte Koeffizienten des linearen Gleichungssystems dienen. Wenn die Parameter hinreichend allgemein sind, genauer, wenn zwischen den beiden Gleichungen keine lineare Relation besteht, so ist der Lösungsraum

jeweils eine Gerade im . Die Parameter definieren also unter dieser Bedingung eine Familie von variierenden Geraden im . Der relevante (für die Geradenfamilie) Parameterraum ist

es liegt insgesamt der totale Lösungsraum

mit der Projektion auf vor.

Kann man diese Gerade bzw. ein Basiselement dafür in Abhängigkeit der Parameter global angeben? Wenn man die beiden zu erfüllenden Gleichungen als Orthogonalitätsrelationen betrachtet, so geht es um einen nichtrivialen Vektor, der auf beiden Bedingungsvektoren und senkrecht steht. Diese Eigenschaft erfüllt bekanntlich das Kreuzprodukt der beiden Vektoren, also (siehe Fakt für die relevanten Eigenschaften des Kreuzproduktes).

Insgesamt liegt also eine Bijektion

vor.