Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil II/Vorlesung 58/latex

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\setcounter{section}{58}






\zwischenueberschrift{Der Satz von Green}

Wir betrachten eine \definitionsverweis {kompakte Teilmenge}{}{}
\mathl{T \subseteq \R^2}{,} deren Rand $R$ sich stückweise durch reguläre Kurven parametrisieren lässt. D.h. es gibt \definitionsverweis {abgeschlossene Intervalle}{}{}
\mathbed {I_j} {}
{j=1 , \ldots , k} {}
{} {} {} {,} und \definitionsverweis {geschlossene}{}{,} überschneidungsfreie \zusatzklammer {also auf dem halboffenen Intervall injektive} {} {,} stückweise \definitionsverweis {stetig differenzierbare}{}{,} \definitionsverweis {reguläre}{}{} Kurven \maabbdisp {\gamma_j} {I_j} {\R^2 } {} derart, dass ihre Bilder
\mathl{R_j = \gamma_j (I_j)}{} untereinander disjunkt sind und ihre Vereinigung gleich $R$ ist. Dabei werden die Kurven so durchlaufen werden, dass $T$ stets \anfuehrung{links}{} liegt. Eine solche Teilmenge nennen wir hier eine \stichwort {regulär berandete, ebene Teilmenge} {.}

Man beachte, dass die einzelnen Intervalle $I_j$ selbst in endlich viele Intervalle zerlegt sind, auf denen jeweils eine stetig differenzierbare reguläre Kurve definiert ist. Dies ist beispielsweise bei einem Rechteck der Fall, dessen Rand durch einen geschlossenen Weg parametrisiert wird, der durch $4$ lineare Teilstücke gegeben wird.

Bei einem einzigen Intervall $I$ zerlegt die Kurve $\gamma$ die Ebene in einen inneren Teil \zusatzklammer {nämlich $T$} {} {} und einen äußeren Teil. Die Eigenschaft, dass $T$ bei der Randparametrisierung links liegt, bedeutet, dass der Rand gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen wird. Eine mathematisch einwandfreie Definition von diesen Begriffen ist nicht trivial. Wenn zwei \zusatzklammer {oder mehrere} {} {} geschlossene Wege gegeben sind, so können diese nebeneinander oder ineinander liegen. Im zweiten Fall \zusatzklammer {beispielsweise bei zwei konzentrischen Kreisen} {} {} ist die äußere Umrandung gegen den Uhrzeigersinn zu durchlaufen und die innere Umrandung mit dem Uhrzeigersinn.

Es sei eine solche regulär berandete, ebene Teilmenge $T$ und ein stetig differenzierbares Vektorfeld $F$ gegeben, das auf einer offenen Umgebung von $T$ definiert sei. Dann gibt es eine Beziehung zwischen dem Integral des Vektorfeldes längs der parametrisierten Randkurven und dem Integral über $T$ zur Funktion
\mathl{{ \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } }}{.} Diesen erstaunlichen Zusammenhang kann man auch zur Berechnung von Flächeninhalten einsetzen. Es gibt auch höherdimensionale Verallgemeinerungen wie den Satz von Stokes.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Green's-theorem-simple-region.svg} }
\end{center}
\bildtext {Eine typische Situation, in der der Satz von Green anwendbar ist.} }

\bildlizenz { Green's-theorem-simple-region.svg } {} {Cronholm144} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}





\inputfaktbeweis
{Regulär berandetes ebenes Gebiet/Satz von Green/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{T \subseteq \R^2}{} eine \definitionsverweis {regulär berandete, ebene Teilmenge}{}{} mit dem Rand
\mathl{R= \partial T}{} und es sei \maabbdisp {F} {U} {\R^2 } {} ein auf einer offenen Menge
\mathl{U \supseteq T}{} definiertes \definitionsverweis {stetig differenzierbares Vektorfeld}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{ \partial T } F }
{ =} { \int_{ T } { \left( { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } (x,y) - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } (x,y) \right) } d \lambda^2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{,} d.h. das \definitionsverweis {Wegintegral}{}{} zum Vektorfeld $F$ über den Rand von $T$ stimmt mit dem zweidimensionalen Integral rechts über $T$ überein.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir geben eine Beweisskizze. Da sowohl Wegintegrale als auch Integrale über ebenen Bereichen additiv im Vektorfeld bzw. in der Funktion sind und da partielles Ableiten ebenfalls additiv ist, kann man sich auf Vektorfelder der Form
\mathl{F=(F_1,0)}{} bzw.
\mathl{(0,F_2)}{} beschränken. Wir unterteilen den $\R^2$ mit einem Gitter derart, dass für die einzelnen Gitterrechtecke $Q$ gilt, dass $Q$ ganz in $T$ liegt oder aber
\mathl{Q \cap T}{} aus drei geraden Seiten und einer Berandung besteht, die man als den Graph einer stetig differenzierbaren Funktion in der gegenüberliegenden Seite realisieren kann. Das Integral zur Funktion über $T$ ist additiv bezüglich einer solchen Zerlegung. Der in
\mathl{Q \cap T}{} durchlaufene Rand stimmt natürlich nur in einer Seite mit einem Stück des Randes von $T$ überein. Wenn man aber die Wegintegrale über alle diese Teilstücke aufsummiert, so wird jede gerade Seite von
\mathl{Q \cap T}{,} die nicht zum Rand von $T$ gehört, doppelt durchlaufen, und zwar einmal in die eine Richtung und einmal in die entgegengesetzte Richtung. Daher heben sich diese Teilwegintegrale weg und in der Summe bleibt das Wegintegral über den Rand von $T$ übrig. Wir gehen also davon aus, dass $T$ die Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{T }
{ =} { { \left\{ (x,y) \in \R^2 \mid a \leq x \leq b , \, c \leq y \leq h(x) \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer stetig differenzierbaren Funktion \maabbdisp {h} {[a,b]} {\R } {} mit
\mathl{h(x) \geq c}{} besitzt. Eine Parametrisierung des Randes wird dann durch die Wege
\mathl{\gamma_1(t) = (a,c) +t(1,0)}{} mit
\mathl{t \in [0, b-a]}{,}
\mathl{\gamma_2(t)=(b,c) + t (0,1)}{} mit
\mathl{t \in [0, h(b)-c ]}{} \zusatzklammer {wir parametrisieren also so, dass die Zeit immer bei $0$ anfängt} {} {,}
\mathl{\gamma_3(t) = (b,0) + (-t, h(b-t) )}{} mit
\mathl{t \in [0, b-a ]}{} und schließlich
\mathl{\gamma_4 (t)=(a,h(a)) + t (0,-1)}{} mit
\mathl{t \in [0, h(a)-c ]}{.} Dabei ist für
\mathl{F=(F_1,0)}{}
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{\int_\gamma F }
{ =} { \int_{\gamma_1} F + \int_{\gamma_2} F +\int_{\gamma_3} F +\int_{\gamma_4} F }
{ =} { \int_0^{b-a} F_1(a+t,c) dt + 0 +\int_0^{b-a} F_1(b-t, h (b-t) ) (-1) dt +0 }
{ =} { \int_a^{b} F_1(x,c) dx + \int_b^{a} F_1(x, h (x) ) dx }
{ =} { \int_a^{b} F_1(x,c) - F_1(x, h (x) ) dx }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} {- \int_a^b \int_c^{h(x) } { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } dy dx }
{ =} { \int_{T} - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } d \lambda^2 }
{ } {}
{ } {}
} {}{.} Es sei nun
\mathl{F=(0, F_2)}{} auf $T$ wie zuvor. Für die Abschnitte, auf denen $h$ streng wachsend oder streng fallend ist, kann man durch eine feinere Gitterunterteilung den Graphen auch abhängig von $y$ realisieren. Dabei entsteht eine Situation, die analog zu der schon behandelten Situation ist \zusatzklammer {wobei sich die Rollen von $x$ und $y$ und die Komponenten des Vektorfeldes vertauschen} {} {.} Auf einem Abschnitt, auf dem $h$ konstant ist \zusatzklammer {sagen wir gleich $d$} {} {,} ergibt sich die Behauptung unter Verwendung des Satzes von Fubini aus
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_\gamma F }
{ =} { \int_{\gamma_1} F + \int_{\gamma_2} F +\int_{\gamma_3} F +\int_{\gamma_4} F }
{ =} { 0+ \int_0^{d-c} F_2(b,c+t) dt +0 + \int_0^{d-c} F_2(a,d- t) (-1) dt }
{ =} { \int_c^d F_2(b,y) dy + \int_d^c F_2(a,y) dy }
{ =} { \int_c^d F_2(b,y)- F_2(a,y) dy }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { \int_c^d \int_a^{b } { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } dx dy }
{ =} { \int_a^b \int_c^{d } { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } dy dx }
{ =} { \int_{T} { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } d \lambda^2 }
{ } {}
} {}{.}

}





\inputbeispiel{}
{

Es sei
\mathl{T \subseteq \R^2}{} die Teilmenge, die durch die $x$-Achse, die Gleichung
\mathl{x=1}{} und den Parabelbogen begrenzt wird, und es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{F(x,y) }
{ = }{(e^x,xy) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Vektorfeld}{}{.} Wir wollen die beiden Integrale im Satz von Green unabhängig voneinander berechnen. Den Rand von $T$ kann man durch drei Wege
\mathl{\gamma_1, \gamma_2, \gamma_3}{} regulär parametrisieren, wobei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\gamma_1(t) }
{ =} { (t,0) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\gamma_2(t) }
{ =} { (1,t) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\gamma_3(t) }
{ =} { \left( 1-t , \, (1-t)^2 \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} \zusatzklammer {jeweils mit \mathlk{t \in [0,1]}{}} {} {} ist. Für das \definitionsverweis {Wegintegral}{}{} gilt somit
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{\partial T} F }
{ =} { \int_{\gamma_1} F + \int_{\gamma_2} F + \int_{\gamma_3} F }
{ =} { \int_0^1 F_1(t,0) dt + \int_0^1 F_2(1,t) dt + \int_0^1 F_1(1-t,1-2t+t^2) (-1) +F_2(1-t,1-2t+t^2)(2t-2) dt }
{ =} { \int_0^1 e^t dt + \int_0^1 t dt + \int_0^1 -e^{1-t} +(1-t) (1-2t+t^2)(2t-2) dt }
{ =} { e-1 + { \frac{ 1 }{ 2 } } + { \left( e^{1-t} \right) }{{|}}_0^1 -2 \int_0^1 (1-t)^4 dt }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } + { \frac{ 2 }{ 5 } } { \left( (1-t)^5 \right) } {{|}}_0^1 }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } }- { \frac{ 2 }{ 5 } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 10 } } }
{ } {}
} {}{.} Zur Berechnung des Doppelintegrals ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } }
{ =} { y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Somit ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \int_T { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } d \lambda^2 }
{ =} { \int_T y d \lambda^2 }
{ =} { \int_0^1 \int_0^{x^2} y dydx }
{ =} { \int_0^1 { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } y^2 \right) } {{|}}_0^{x^2} dx }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } \int_0^1 x^4 dx }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } { \left( { \frac{ 1 }{ 5 } } x^5 \right) }{{|}}_0^1 }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 10 } } }
{ } {}
{ } {}
} {}{.}


}






\inputbemerkung
{}
{

Für ein \definitionsverweis {stetig differenzierbares}{}{} \definitionsverweis {Gradientenfeld}{}{} $F$ ist \zusatzklammer {nach Satz 45.11} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } (x,y) - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } (x,y) }
{ =} {0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} so dass das Flächenintegral im Satz von Green gleich $0$ ist. Daher muss das Wegintegral ebenfalls $0$ sein, was schon in Korollar 54.5 gezeigt wurde \zusatzklammer {und auch in höheren Dimensionen gilt} {} {.}

}





\inputfaktbeweis
{Regulär berandetes ebenes Gebiet/Satz von Green/Vektorfeld/Flächenversion/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{T \subseteq \R^2}{} eine \definitionsverweis {regulär berandete, ebene Teilmenge}{}{} mit dem Rand
\mathl{R= \partial T}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \lambda^2(T) }
{ =} { \int_{ \partial T } (0, x) }
{ =} { - \int_{ \partial T } (y,0) }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{,} d.h. der Flächeninhalt von $T$ lässt sich über geeignete Wegintegrale längs des Randes berechnen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies ergibt sich aus Satz 58.1 für das Vektorfeld
\mathl{F(x,y)= (0,x)}{} bzw.
\mathl{G(x,y)=(-y,0)}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Regulär berandetes ebenes Gebiet/Satz von Green/Versionen für Schwerpunkt/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{T \subseteq \R^2}{} eine \definitionsverweis {regulär berandete, ebene Teilmenge}{}{} mit dem Rand
\mathl{R= \partial T}{} und dem \definitionsverweis {Flächeninhalt}{}{}
\mathl{m >0}{.}}
\faktfolgerung {Dann kann man den \definitionsverweis {Schwerpunkt}{}{} $S$ von $T$ durch \definitionsverweis {Integration}{}{} eines geeigneten \definitionsverweis {Vektorfeldes}{}{} bestimmen, und zwar ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_S }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ m } } \int_R (xy,0) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2m } } \int_R (0,x^2) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ y_S }
{ =} { { \frac{ 1 }{ m } } \int_R (0,xy) }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ 2m } } \int_R (y^2,0) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir beweisen die Aussage für die $x$-Koordinate des Schwerpunktes unter Verwendung von Satz 58.1. Für das Vektorfeld
\mathl{F(x,y)=(xy,0)}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } }
{ =} { -x }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_S }
{ =} { { \frac{ 1 }{ m } } \int_T x d \lambda^2 }
{ =} { -{ \frac{ 1 }{ m } } \int_T { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } d \lambda^2 }
{ =} { -{ \frac{ 1 }{ m } } \int_R (xy,0) }
{ } { }
} {}{}{.} Für das Vektorfeld
\mathl{G(x,y)=(0,x^2)}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ \partial G_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial G_1 }{ \partial y } } }
{ =} { 2 x }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_S }
{ =} { { \frac{ 1 }{ m } } \int_T x d \lambda^2 }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2m } } \int_T { \frac{ \partial G_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial G_1 }{ \partial y } } \lambda^2 }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2m } } \int_R (0,x^2) }
{ } { }
} {}{}{.}

}





\inputbeispiel{}
{

Es sei $T$ der \definitionsverweis {Subgraph}{}{} der \definitionsverweis {Sinusfunktion}{}{} zwischen \mathkor {} {0} {und} {\pi} {.} Wir wollen den \definitionsverweis {geometrischen Schwerpunkt}{}{} von $T$ mit Hilfe von Korollar 58.5 berechnen. Der Flächeninhalt von $T$ ist bekanntlich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{m }
{ =} { \int_0^\pi \sin t }
{ =} { - \cos t{{|}}_0^\pi }
{ =} {2 }
{ } { }
} {}{}{.} Der Rand von $T$ wird durch die beiden Wege
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1(t) }
{ = }{(t,0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_2(t) }
{ = }{(\pi- t, \sin \left( \pi-t \right) ) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {jeweils für \mathlk{t \in [0, \pi]}{}} {} {} parametrisiert. Daher ist die $x$-Koordinate des Schwerpunkts mit Hilfe des Vektorfeldes
\mathl{F(x,y)=(xy,0)}{} gleich
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{x_S }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ 2 } } \int_{\partial T} F }
{ =} { -{ \frac{ 1 }{ 2 } } \int_{ \gamma_2} F }
{ =} { -{ \frac{ 1 }{ 2 } } \int_{0}^\pi (\pi-t) \sin \left( \pi-t \right) (-1) dt }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } \int_{0}^\pi u \sin u du }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } { \left( - u \cos u + \sin u \right) } {{|}}_0^\pi }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 } } \pi }
{ } {}
{ } {}
} {}{,} was auch aus Symmetriegründen klar ist. Die $y$-Koordinate des Schwerpunktes berechnet sich mit Hilfe des Vektorfeldes
\mathl{G(x,y)= (y^2,0)}{} zu
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{y_S }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ 4 } } \int_{\partial T} G }
{ =} { -{ \frac{ 1 }{ 4 } } \int_{ \gamma_2} G }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 4 } } \int_{0}^\pi \sin^{ 2 } (\pi-t) dt }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 4 } } \int_{0}^\pi \sin^{ 2 } u du }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { { \frac{ 1 }{ 4 } } \cdot { \frac{ 1 }{ 2 } } \pi }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 8 } } \pi }
{ } {}
{ } {}
} {}{.}


}






\zwischenueberschrift{Der Satz von Gauss in der Ebene}




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {offenen Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und einer \definitionsverweis {zweimal differenzierbaren Funktion}{}{} \maabbdisp {u} {V} {\R } {} nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \triangle u }
{ =} { { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x_1 } } + { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x_2 } } + \cdots + { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x_n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die \definitionswort {Laplace-Ableitung}{} von $u$.

}

Die Zuordnung
\mathl{u \mapsto \triangle u}{} nennt man auch den \stichwort {Laplace-Operator} {.}




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {zweimal differenzierbare Funktion}{}{} \maabbdisp {u} {V} {\R } {} auf einer \definitionsverweis {offenen Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt \definitionswort {harmonisch}{,} wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \triangle u }
{ =} { { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x_1 } } + { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x_2 } } + \cdots + { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x_n } } }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist.

} Eine harmonische Funktion ist also eine \zusatzklammer {zweifach differenzierbare} {} {} Funktion $u$, die die \stichwort {Laplace-Gleichung} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \triangle u }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllt. Zu einer komplex-differenzierbaren Funktion \maabbdisp {g} {{\mathbb C}} {{\mathbb C} } {} ist sowohl der Real- als auch der Imaginärteil eine harmonische Funktion.

Wir möchten aus dem Satz von Green den sogenannten \stichwort {Satz von Gauss für die Ebene} {} ableiten. Dafür beschränken wir uns auf eine offene Menge
\mathl{V \subseteq \R^2}{} in der Ebene. Zu einer zweimal differenzierbaren Funktion \maabbdisp {u} {V} {\R } {} gehört das \definitionsverweis {Gradientenfeld}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Grad} \, u }
{ = }{ \left( { \frac{ \partial u }{ \partial x } } , \, { \frac{ \partial u }{ \partial y } } \right) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir betrachten das Vektorfeld
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ F(x,y) }
{ =} { \left( - { \frac{ \partial u }{ \partial y } } , \, { \frac{ \partial u }{ \partial x } } \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} das in jedem Punkt senkrecht auf dem Gradienten steht. Aufgrund von Lemma 54.2 ist
\mathl{F(x,y)}{} stets \definitionsverweis {tangential}{}{} an die Höhenlinie durch den Punkt
\mathl{(x,y)}{.} Zwischen diesem Vektorfeld und dem Laplace-Operator besteht der folgende Zusammenhang.




\inputfaktbeweis
{Satz von Gauss/Ebene/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{T }
{ \subseteq }{\R^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {regulär berandete, ebene Teilmenge}{}{} mit dem Rand $\partial T$ und es sei \maabbdisp {u} {V} {\R^2 } {} eine auf einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \supseteq }{T }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte \definitionsverweis {zweimal stetig differenzierbare Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{ \partial T } { \left( - { \frac{ \partial u }{ \partial y } } , { \frac{ \partial u }{ \partial x } } \right) } }
{ =} { \int_{ T } \triangle u d \lambda^2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir wenden Satz 58.1 auf das \definitionsverweis {Vektorfeld}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{F(x,y) }
{ =} { \left( - { \frac{ \partial u }{ \partial y } } , \, { \frac{ \partial u }{ \partial x } } \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} an. Der Integrand im Doppelintegral ist dann
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ \partial F_2 }{ \partial x } } - { \frac{ \partial F_1 }{ \partial y } } }
{ =} { { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 x } } + { \frac{ \partial^2 u }{ \partial^2 y } } }
{ =} { \triangle u }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Bei einer harmonischen Funktion sind also insbesondere die Wegintegrale über geschlossenen Wegen zu dem Vektorfeld $F$ gleich $0$. Bei einer nicht konstanten harmonischen Funktion sind die Höhenlinien übrigens nicht geschlossen.




\inputbeispiel{}
{

Die Funktion \maabbeledisp {u} {\R^2} {\R } {(x,y)} {x^2-y^2 } {} ist \definitionsverweis {harmonisch}{}{.} Daher ist für eine \definitionsverweis {regulär berandete, ebene Teilmenge}{}{} $T$
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_T \triangle u d \lambda^2 }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und daher ist nach Satz 58.9 auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_{\partial T} { \left( - { \frac{ \partial u }{ \partial y } } , { \frac{ \partial u }{ \partial x } } \right) } }
{ =} {\int_{\partial T} { \left( 2y , 2x \right) } }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für
\mathl{T= B \left( 0,1 \right)}{} ist beispielsweise mit der \definitionsverweis {trigonometrischen Parametrisierung}{}{} $\gamma$
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\int_{\gamma} { \left( 2y , 2x \right) } }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{.} Dies ergibt sich auch direkt aus
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{\gamma} { \left( y , x \right) } }
{ =} { \int_0^{2 \pi} - \sin t \cdot \sin t + \cos t \cdot \cos t dt }
{ =} { \int_0^{2 \pi} 1- 2 \sin^{ 2 } t dt }
{ =} { { \left( t - t + \sin t \cos t \right) } {{|}}_0^{2 \pi} }
{ =} { 0 }
} {} {}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Die Funktion \maabbeledisp {u} {\R^2} {\R } {(x,y)} {x^2+y^2 } {} ist nicht \definitionsverweis {harmonisch}{}{,} ihre \definitionsverweis {Laplace-Ableitung}{}{} $\triangle u$ ist konstant gleich $4$. Für die Einheitskreisscheibe
\mathl{T= B \left( 0,1 \right)}{} ist somit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_T \triangle u d \lambda^2 }
{ =} {\int_T 4 d \lambda^2 }
{ =} {4 \pi }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher ist nach Satz 58.9 auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_{\partial T} { \left( - { \frac{ \partial u }{ \partial y } } , { \frac{ \partial u }{ \partial x } } \right) } }
{ =} {\int_{\gamma} { \left( - 2y , 2x \right) } }
{ =} {4 \pi }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $\gamma$ die \definitionsverweis {trigonometrische Parametrisierung}{}{} des Einheitskreises bezeichnet. Dies ergibt sich auch direkt aus
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \int_{\gamma} { \left( -2y , 2x \right) } }
{ =} {2 \int_{\gamma} { \left( -y , x \right) } }
{ =} {2 \int_0^{2 \pi} \sin t \cdot \sin t + \cos t \cdot \cos t dt }
{ =} {2 \int_0^{2 \pi} 1 dt }
{ =} { 4 \pi }
} {} {}{.}


}


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