Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil II/Vorlesung 57
- Die Transformationsformel für Integrale
Wir kommen zur Transformationsformel für Integrale, wofür wir noch eine Bezeichnung einführen.
Es sei eine offene Teilmenge in einem endlichdimensionalen reellen Vektorraum und sei
eine total differenzierbare Abbildung. Dann nennt man die Determinante
die Jacobi-Determinante (oder Fundamental-Determinante) von in .
Wir betrachten die Jacobi-Determinante als eine auf definierte reellwertige Funktion . Bei einer stetig partiell differenzierbaren Abbildung ist sie stetig, da dann die Einträge in der Jacobi-Matrix stetige Funktionen sind. Bei einer linearen Abbildung
stimmt das totale Differential in jedem Punkt mit selbst überein, und daher ist die Jacobi-Determinante konstant. In Satz 55.9 haben wir gesehen, dass die Determinante der linearen Abbildung das Verhältnis zwischen dem Volumen von Bild und Urbild festlegt. Eine wesentliche Verallgemeinerung von dieser Beziehung wird durch die beiden folgenden Aussagen gegeben.
Es seien und offene Mengen im und es sei
ein -Diffeomorphismus mit der Jacobi-Determinante für . Es sei eine (in ) kompakte Teilmenge und es sei
eine stetige Funktion.
Dann ist ebenfalls kompakt und es gilt
Beweis
Häufig startet man auch mit einer kompakten Teilmenge und setzt
(dann gilt ).
Es kann auch auf eine stetige Funktion definiert sein, dann muss man setzen. Da ein Diffeomorphismus vorausgesetzt wird, ist die Aussage dieses Satzes grundsätzlich symmetrisch.
Es seien und offene Mengen im und es sei
ein -Diffeomorphismus mit der Jacobi-Determinante
für . Es sei eine (in ) kompakte Teilmenge.
Dann gilt
Dies folgt aus Satz 57.2, angewendet auf die konstante Funktion .
- Beispiele zur Transformationsformel
Wir betrachten das komplexe Quadrieren
In reellen Koordinaten ist dies die differenzierbare Abbildung
Diese Abbildung ist wegen nicht injektiv. Allerdings ist die Einschränkung auf die positive Halbebene injektiv, und das Bild davon ist (also die Ebene ohne die negative reelle Achse). Die Jacobi-Matrix von ist
mit der Jacobi-Determinante
Wir möchten den Flächeninhalt des Bildes des Einheitsquadrates unter dieser Abbildung berechnen (die eine Seite des Einheitsquadrates gehört nicht zu , dieser Rand ist aber eine Nullmenge nach Lemma 55.7 und daher für den Flächeninhalt und die Integration unerheblich). Aufgrund von Korollar 57.3 ist dann
Es sei
die Polarkoordinatenauswertung und es seien und offene Mengen, auf denen einen Diffeomorphismus induziert. Es sei eine (in ) kompakte Teilmenge und
eine stetige Funktion.
Dann ist
Dies gilt auch dann, wenn außerhalb von Nullmengen ein Diffeomorphismus vorliegt. Insbesondere gilt bei stetigem die Formel
Es ist
Durch eine einfache Substitution ist die Aussage äquivalent zu
Nennen wir dieses Integral . Nach einer Variante des Satzes von Fubini für uneigentliche Integrale ist
Durch Einführung von Polarkoordinaten und ist dieses Integral nach Korollar 57.5 und nach Fubini gleich
Damit ist auch .
Für die Zylinderkoordinatenauswertung
eine kompakte Teilmenge und eine stetige Funktion
gilt die Beziehung
Dies kann man auch als
schreiben, wobei bezeichnet.
Dies folgt aus Satz 57.2, da die Jacobi-Determinante der Zylinderkoordinatenauswertung gleich ist.
Für die Kugelkoordinatenauswertung
eine kompakte Teilmenge und eine stetige Funktion
gilt die Beziehung
Dies kann man auch als
schreiben, wobei bezeichnet.
Nach Beispiel 51.7 ist die Jacobi-Determinante von im Punkt gleich , sodass die Aussage aus Satz 57.2 folgt.
Es soll eine Straße in der Ebene der Breite asphaltiert werden. Dabei wird die Straße durch den Verlauf des Mittelstreifen vorgegeben, der durch die Kurve
bestimmt ist. Dabei sei zweimal stetig differenzierbar und bogenparametrisiert, d.h. es sei , was bedeutet, dass die Mittelstreifenkurve mit normierter Geschwindigkeit durchlaufen wird. Die Breite ist dabei senkrecht zum Mittelstreifen zu messen. Die zu asphaltierende Trasse wird dann durch die Abbildung
parametrisiert. Wir nehmen an, dass diese Parametrisierung injektiv ist, was erfüllt ist, wenn die Mittelstreifenabbildung injektiv ist und die Straße nicht zu breit werden soll.
Die Jacobi-Matrix der Parametrisierung ist
Die Determinante davon ist
Daher ist die Asphaltfläche nach der Transformationsformel gleich
Wenn wir weiter annehmen, dass
ist (was bedeutet, dass die Straßenbreite nicht allzu groß ist), so ist dieses Integral nach Korollar 56.6 geich
Dies bedeutet, dass die Asphaltfläche gleich der Mittelstreifenlänge mal der Straßenbreite ist.
- Volumentreue Abbildungen
In Vorlesung 31 haben wir über Isometrien gesprochen, also lineare Abbildungen zwischen euklidischen Vektorräumen, die das Skalarprodukt und insbesondere die Norm respektieren. Aufgrund von Aufgabe 57.7 ist die Determinante einer Isometrie auf dem gleich oder , so dass sich gemäß Korollar 57.3 das Volumen von beliebigen kompakten Teilmengen unter der Abbildung nicht ändert, d.h. es ist stets .
Es seien und offene Mengen im und es sei
ein -Diffeomorphismus. Man sagt, dass volumentreu ist, wenn
für alle ist.
Im ebenen Fall spricht man natürlich von flächentreu. Für einen volumentreuen Diffeomorphismus ist nach Korollar 57.3.
Es sei ein beliebiges Polynom in der einen Variablen . Dann ist die Abbildung
ein flächentreuer Diffeomorphismus. Die Jacobi-Matrix von ist ja
sodass die Jacobi-Determinante konstant gleich ist. Wenn man die Rollen von und vertauscht und die Hintereinanderschaltung von solchen Abbildungen betrachtet, so erhält man flächentreue Abbildungen, denen man es nicht auf den ersten Blick ansieht. Beispielsweise ist zu und die Hintereinanderschaltung
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