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Kurs:Vorkurs Mathematik (Osnabrück 2013)/Vorlesung 2

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Primzahlen
Das Sieb des Eratosthenes liefert eine einfache Methode, eine Liste von Primzahlen unterhalb einer bestimmten Größe zu erstellen. Man streicht einfach die echten Vielfachen der kleinen (kleiner als oder gleich ) schon etablierten Primzahlen durch, die verbleibenden Zahlen sind prim.

Eine natürliche Zahl heißt eine Primzahl, wenn die einzigen natürlichen Teiler von ihr und sind.

Eine Primzahl ist also eine natürliche Zahl, die genau zwei Teiler hat, nämlich und , und die müssen verschieden sein. ist also keine Primzahl.

Die ersten Primzahlen sind .


Jede natürliche Zahl , , besitzt eine Zerlegung in Primfaktoren.

D.h. es gibt eine Darstellung

mit Primzahlen .

Wir beweisen die Existenz durch Induktion über .  Für liegt eine Primzahl vor Bei ist entweder eine Primzahl, und diese bildet die Primfaktorzerlegung, oder aber ist keine Primzahl. In diesem Fall gibt es eine nichttriviale Zerlegung mit kleineren Zahlen . Für diese Zahlen gibt es nach Induktionsvoraussetzung jeweils eine Zerlegung in Primfaktoren, und diese setzen sich zu einer Primfaktorzerlegung für zusammen 


Für beispielsweise findet man den Primfaktor und kann daher schreiben. Von der kleineren Zahl ist die Zerlegung nach Induktionsvoraussetzung schon bekannt und man erhält

Wenn man mit dem Primfaktor startet, so ergibt sich , insgesamt kommen also die gleichen Primfaktoren vor. Weiter unten werden wir zeigen, dass die Primfaktorzerlegung bis auf Reihenfolge eindeutig ist, was keineswegs selbstverständlich ist und einige Vorbereitungen bedarf.



Es gibt unendlich viele Primzahlen.

AngenommenDies ist ein Widerspruch, da ein nicht gleichzeitig ein Teiler und kein Teiler von sein kann. Also muss die Annahme (nämlich die Endlichkeit der Primzahlmenge) falsch gewesen sein. die Menge aller Primzahlen sei endlich, sagen wir sei eine vollständige Auflistung aller Primzahlen. Man betrachtet die natürliche Zahl

Da bei Division von durch immer der Rest übrigbleibt ist diese Zahl durch keine der Primzahlen teilbar. Andererseits besitzt nach Satz 2.2 eine Primfaktorzerlegung. Insbesondere gibt es eine Primzahl , die teilt (dabei könnte sein). Doch damit muss gleich einem der aus der Liste sein, und diese sind keine Teiler von .




Teilerfremdheit

Zwei natürliche Zahlen heißen teilerfremd, wenn sie keinen gemeinsamen Teiler besitzen.

Beispielsweise sind und teilerfremd, und sind nicht teilerfremd, da ein gemeinsamer Teiler ist. Die ist zu jeder natürlichen Zahl (auch zu und ) teilerfremd. Für eine Primzahl und eine natürliche Zahl gilt folgende Alternative: Entweder teilt die Zahl , oder aber und sind teilerfremd. Ein gemeinsamer Teiler muss ja ein Teiler von sein, und da kommen nur und in Frage.


Die Wasserspedition „Alles im Eimer“ verfügt über einen - und einen -Liter-Eimer, die allerdings keine Markierungen haben. Sie erhält den Auftrag, insgesamt genau einen Liter Wasser von der Nordsee in die Ostsee zu transportieren. Kann sie diesen Auftrag erfüllen?


Die Aufgabe ist lösbar: Man macht fünfmal den -Liter-Eimer in der Nordsee voll und transportiert dies in die Ostsee. Danach (oder gleichzeitig) macht man siebenmal den -Liter-Eimer in der Ostsee voll und transportiert dies in die Nordsee. Unterm Strich hat man dann Liter transportiert. Die dieser Überlegung zugrunde liegende Aussage heißt Lemma von Bezout.


Es seien zwei teilerfremde natürliche Zahlen.

Dann gibt es ganze Zahlen mit .

Wir beweisen die Aussage durch Induktion über das Maximum von und , wobei wir ohne Einschränkung wählen können. Wenn das Maximum ist, so sind beide Zahlen und somit nicht teilerfremd. Wenn das Maximum ist, so ist und somit ergeben und eine Darstellung der . Es seien nun teilerfremd, und die Aussage sei für alle Zahlenpaare, deren Maxima kleiner als sind, schon bewiesen. Dann ist , da bei die beiden Zahlen nicht teilerfremd sind. Ebenso können wir ausschließen. Wir betrachten das Zahlenpaar und wollen darauf die Induktionsvoraussetzung anwenden. Das Maximum dieses neuen Paares ist jedenfalls kleiner als . Allerdings müssen wir, damit die Induktionsvoraussetzung wirklich angewendet werden kann, wissen, dass auch und teilerfemd sind. Dazu führen wir einen Widerspruchsbeweis.  Nehmen wir also an, dass und nicht teilerfremd sind. Dann gibt es eine natürliche Zahl , die sowohl als auch teilt. Dies bedeutet wiederum, dass es natürliche Zahlen mit und gibt. Doch dann ist

ebenfalls ein Vielfaches von , im Widerspruch zur Teilerfremdheit von und .  Die Induktionsvoraussetzung ist also auf und anwendbar und somit gibt es ganze Zahlen mit

Dann ist aber auch

und wir haben eine Darstellung der mit und gefunden.




Der Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie

Wir möchten nun zur Primfaktorzerlegung, deren Existenz wir bereits gezeigt haben, beweisen, dass sie eindeutig ist. Natürlich kann man

schreiben, mit eindeutig ist also eindeutig bis auf Reihenfolge gemeint. Um dies zu zeigen brauchen wir zunächst das sogenannte Lemma von Euklid, das eine wichtige Eigenschaft einer Primzahl beschreibt.


Es sei eine Primzahl und teile ein Produkt von natürlichen Zahlen .

Dann teilt einen der Faktoren.

Wir setzen voraus, dass kein Vielfaches von ist (andernfalls sind wir fertig). Dann müssen wir zeigen, dass ein Vielfaches von ist. Unter der gegebenen Voraussetzung sind und teilerfremd. Nach dem Lemma von Bezout gibt es ganze Zahlen mit

Da ein Vielfaches von ist, gibt es ein mit

Daher ist

Also ist ein Vielfaches von .


Aus dem Lemma von Euklid folgt sofort die etwas stärkere Aussage: Wenn eine Primzahl ein beliebiges Produkt teilt, dann teilt mindestens einen Faktor. Man wendet das Lemma einfach auf an (formal ist das eine Induktion über die Anzahl der Faktoren). Dies wird im Beweis des folgenden Hauptsatzes der elementaren Zahlentheorie verwendet.


Jede natürliche Zahl , , besitzt eine eindeutige Zerlegung in Primfaktoren.

D.h. es gibt eine Darstellung

mit Primzahlen , und dabei sind die Primfaktoren bis auf ihre Reihenfolge eindeutig bestimmt.

Die Existenz der Primfaktorzerlegung wurde bereits in Satz 2.2 gezeigt. Die Eindeutigkeit wird durch Induktion über gezeigt. Für liegt eine Primzahl vor. Sei nun und seien zwei Zerlegungen in Primfaktoren gegeben, sagen wir

Wir müssen zeigen, dass nach Umordnung die Primfaktorzerlegungen übereinstimmen. Die Gleichheit bedeutet insbesondere, dass die Primzahl das Produkt rechts teilt. Nach Satz 2.6 muss dann einen der Faktoren rechts teilen. Nach Umordnung können wir annehmen, dass von geteilt wird. Da selbst eine Primzahl ist, folgt, dass sein muss. Daraus ergibt sich durch Kürzen, dass

ist. Nennen wir diese Zahl . Da ist, können wir die Induktionsvoraussetzung auf anwenden und erhalten, dass links und rechts die gleichen Primzahlen stehen. 




Primzahlprobleme

Die treibende Kraft der Mathematik ist es, Probleme zu lösen. Schwierige Probleme gibt es in allen Bereichen der Mathematik, besonders prägnant sind sie in der Zahlentheorie, da es dort eine Vielzahl von elementar formulierten ungelösten Problemen gibt. Man spricht von offenen Problemen, oder, wenn man eine bestimmte Erwartung hat, von einer Vermutung. Als Beispiel besprechen wir das Problem der Primzahlzwillinge, zu dem es vor einigen Jahren (2013) einen wichtigen Fortschritt gab.


Ein Primzahlzwilling ist ein Paar bestehend aus und , wobei diese beiden Zahlen Primzahlen sind.

Die ersten Beispiele für Primzahlzwillinge sind

Übrigens ist der einzige Doppel-Primzahlzwilling , siehe Aufgabe 1.12.


Gibt es unendlich viele Primzahlzwillinge?

Eine Lösung dieses Problems wäre ein mathematischer Satz, der entweder besagt, dass es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt, oder dass es nur endlich viele Primzahlzwillinge gibt. D.h. das eine oder das andere müsste bewiesen werden. Bei schwierigen Problemen erwartet man nicht, dass jemand plötzlich einen Beweis hinschreibt, sondern dass eine neue und weit verzweigte Theorie entwickelt wird, mit der man letztlich einen Beweis geben kann.

Die Frage, ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt, besitzt verschiedene schwächere Varianten. Man kann sich zum Beispiel fragen, ob es unendlich oft vorkommt, dass es in einem Zehnerintervall zwei Primzahlen gibt, oder dass es in einem Hunderterintervall zwei Primzahlen gibt, und so weiter. Die ersten Primzahlen vermitteln dabei ein Bild, dass Primzahlen ziemlich häufig sind. Sie werden aber zunehmend seltener, sodass es für hohe Hunderterintervalle, sagen wir für die Zahlen von

ziemlich unwahrscheinlich ist, eine Primzahl zu enthalten, geschweige denn zwei Primzahlen. Bis vor kurzem war es nicht bekannt, ob es überhaupt eine Zahl mit der Eigenschaft gibt, dass es unendlich viele Intervalle der Länge gibt, die zwei Primzahlen enthalten ( wäre die positive Lösung des Primzahlzwillingsproblems). Im Jahr 2013 bewies Zhang Yitang, dass man

nehmen kann, dass es also unendlich viele Intervalle der Form
gibt, in denen zwei Primzahlen liegen. Dieses Resultat ist ein Durchbruch in der Primzahlzwillingforschung, da es erstmals zeigt, dass sich Primzahlen unendlich oft „ziemlich nahe“ kommen. Zwischenzeitlich wurde die Schranke von auf gesenkt, siehe [1].


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