Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 26/latex

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\setcounter{section}{26}






\zwischenueberschrift{Einheitswurzeln}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann heißen die Nullstellen des \definitionsverweis {Polynoms}{}{}
\mathdisp {X^n-1} { }
in $K$ die $n$-ten \definitionswort {Einheitswurzeln}{} in $K$.

}

Die $1$ ist für jedes $n$ eine $n$-te Einheitswurzel, und die $-1$ ist für jedes gerade $n$ eine $n$-te Einheitswurzel. Es gibt maximal $n$ $n$-te Einheitswurzeln, da das Polynom
\mathl{X^n-1}{} maximal $n$ Nullstellen besitzt. Die Einheitswurzeln bilden also insbesondere eine endliche Untergruppe \zusatzklammer {mit $x^n=1$ und $y^n=1$ ist auch $(xy)^n=1$, usw.} {} {} der Einheitengruppe des Körpers. Nach Satz 19.7 ist diese Gruppe zyklisch mit einer Ordnung, die $n$ teilt.




\inputdefinition
{}
{

Eine $n$-te \definitionsverweis {Einheitswurzel}{}{} heißt \definitionswort {primitiv}{,} wenn sie die \definitionsverweis {Ordnung}{}{} $n$ besitzt.

}

Man beachte, dass ein Erzeuger der Gruppe der Einheitswurzeln nur dann primitiv heißt, wenn es $n$ verschiedene Einheitswurzeln gibt. Wenn $\zeta$ eine primitive $n$-te Einheitswurzel ist, so sind genau die
\mathbed {\zeta^i} {mit}
{i <n} {}
{} {} {} {} und $i$ teilerfremd zu $n$ die primitiven Einheitswurzeln. Insbesondere gibt es, wenn es überhaupt primitive Einheitswurzeln gibt, genau ${\varphi (n)}$ primitive Einheitswurzeln, wobei ${\varphi (n)}$ die \definitionsverweis {eulersche $\varphi$-Funktion}{}{} bezeichnet. Die komplexen Einheitswurzeln lassen sich einfach beschreiben.





\inputfaktbeweis
{Kreisteilungsgleichung über C/Explizite Beschreibung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Die Nullstellen des Polynoms
\mathl{X^n-1}{} über ${\mathbb C}$ sind
\mathbeddisp {e^{2 \pi { \mathrm i} k / n} = \cos { \frac{ 2 \pi k }{ n } } + { \mathrm i} \sin { \frac{ 2 \pi k }{ n } }} {}
{k=0,1 , \ldots , n-1} {}
{} {} {} {.}}
\faktzusatz {In
\mathl{{\mathbb C}[X]}{} gilt die Faktorisierung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X^n-1 }
{ =} { (X-1)(X- e^{2 \pi { \mathrm i} / n}) { \cdots }(X- e^{2 \pi { \mathrm i} (n-1) /n}) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}

}
{

Der Beweis verwendet einige Grundtatsachen über die \definitionsverweis {komplexe Exponentialfunktion}{}{.} Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( e^{ 2 \pi { \mathrm i} k /n} \right) }^n }
{ =} { e^{ 2 \pi { \mathrm i} k } }
{ =} { { \left( e^{ 2 \pi { \mathrm i} } \right) }^k }
{ =} {1^k }
{ =} {1 }
} {}{}{.} Die angegebenen komplexen Zahlen sind also wirklich Nullstellen des Polynoms
\mathl{X^n-1}{.} Diese Nullstellen sind alle untereinander verschieden, da aus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ e^{2 \pi { \mathrm i} k/n} }
{ =} { e^{2 \pi { \mathrm i} \ell/n} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \leq }{ k }
{ \leq }{ \ell }
{ \leq }{n-1 }
{ }{ }
} {}{}{} sofort durch betrachten des Quotienten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ e^{2 \pi { \mathrm i} ( \ell -k )/n} }
{ = }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} folgt, und daraus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \ell - k }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es gibt also $n$ explizit angegebene Nullstellen und daher müssen dies alle Nullstellen des Polynoms sein. Die explizite Beschreibung in Koordinaten folgt aus der eulerschen Formel.

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {3rd_roots_of_unity.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { 3rd roots of unity.svg } {} {Marek Schmidt und Nandhp} {Commons} {PD} {}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {8th-root-of-unity.jpg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { 8th-root-of-unity.jpg } {} {Marek Schmidt} {Commons} {PD} {}






\zwischenueberschrift{Kreisteilungskörper}




\inputdefinition
{}
{

Der $n$-te \definitionswort {Kreisteilungskörper}{} ist der \definitionsverweis {Zerfällungskörper}{}{} des Polynoms
\mathdisp {X^n-1} { }
über $\Q$.

}

Offenbar ist $1$ eine Nullstelle von
\mathl{X^n-1}{.} Daher kann man
\mathl{X^n-1}{} durch
\mathl{X-1}{} teilen und erhält, wie man schnell nachrechen kann,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{X^n-1 }
{ =} {(X-1) (X^{n-1} +X^{n-2} + \cdots + X+1) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wegen $1 \in \Q$ ist daher der $n$-te Kreisteilungskörper auch der Zerfällungskörper von
\mathdisp {X^{n-1} +X^{n-2} + \cdots + X+1} { . }
Es gibt auch Kreisteilungskörper über anderen Körpern, da es ja stets Zerfällungskörper gibt. Wir beschränken uns aber auf die Kreisteilungskörper über $\Q$, die wir auch mit
\mathl{K_n}{} bezeichnen. Da
\mathl{X^n-1}{} in der oben explizit beschriebenen Weise über ${\mathbb C}$ in Linearfaktoren zerfällt, kann man $K_n$ als Unterkörper von ${\mathbb C}$ realisieren, und zwar ist $K_n$ der von allen $n$-ten Einheitswurzeln erzeugte Unterkörper von ${\mathbb C}$. Dieser wird sogar schon von einer einzigen primitiven Einheitswurzel erzeugt, wofür wir den folgenden Begriff einführen.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Körpererweiterung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K }
{ \subseteq }{ L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} heißt \definitionswort {einfach}{,} wenn es ein Element
\mathl{x \in L}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{L }
{ =} {K (x) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt.

}





\inputfaktbeweis
{Kreisteilungskörper/Q/Erzeugt durch explizite Nullstellen/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Dann wird der $n$-te \definitionsverweis {Kreisteilungskörper}{}{} über $\Q$}
\faktfolgerung {von
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} /n}}{} erzeugt.}
\faktzusatz {Der $n$-te Kreisteilungskörper ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{K_n }
{ =} {\Q { \left( e^{2 \pi { \mathrm i} /n} \right) } }
{ =} { \Q[e^{2 \pi { \mathrm i} /n}] }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Insbesondere ist jeder Kreisteilungskörper eine \definitionsverweis {einfache Körpererweiterung}{}{} von $\Q$}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei $K_n$ der $n$-te Kreisteilungskörper über $\Q$. Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \left( e^{2 \pi { \mathrm i} /n} \right) }^n }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mathl{\Q[ e^{2 \pi { \mathrm i} /n}] \subseteq K_n}{.} Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{{ \left( e^{2 \pi { \mathrm i} /n} \right) }^k }
{ = }{e^{2 \pi { \mathrm i} k/n} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gehören auch alle anderen Einheitswurzeln zu
\mathl{\Q[ e^{2 \pi { \mathrm i} /n}]}{,} also ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Q[ e^{2 \pi { \mathrm i} /n}] }
{ = }{ K_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}


Statt $e^{ \frac{2 \pi { \mathrm i} } { n } }$ kann man auch jede andere $n$-te primitive Einheitswurzel als Erzeuger nehmen.




\inputbeispiel{}
{

Wir bestimmen einige Kreisteilungskörper für kleine $n$. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} oder $2$ ist der Kreisteilungskörper gleich $\Q$. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{3 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X^3-1 }
{ =} { (X-1) { \left( X^2+X+1 \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und der zweite Faktor zerfällt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X^2+X+1 }
{ =} { { \left( X + { \frac{ 1 }{ 2 } } - { \mathrm i} { \frac{ \sqrt{3} }{ 2 } } \right) } { \left( X + { \frac{ 1 }{ 2 } } + { \mathrm i} { \frac{ \sqrt{3} }{ 2 } } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher ist der dritte Kreisteilungskörper der von
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sqrt{-3} }
{ = }{ \sqrt{3} { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{}
} {}{}{} erzeugte Körper, es ist also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K_3 }
{ = }{ \Q[ \sqrt{-3}] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {quadratische Körpererweiterung}{}{} der rationalen Zahlen.

Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{4 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist natürlich
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ X^4-1 }
{ =} { { \left( X^2-1 \right) } { \left( X^2+1 \right) } }
{ =} { (X-1)(X+1) { \left( X^2+1 \right) } }
{ =} { (X-1)(X+1) (X- { \mathrm i} )(X+ { \mathrm i} ) }
{ } {}
} {} {}{.} Der vierte Kreisteilungskörper ist somit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Q[ { \mathrm i} ] }
{ \cong }{ \Q[X]/(X^2+1) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} also ebenfalls eine quadratische Körpererweiterung von $\Q$.


}





\inputfaktbeweis
{Kreisteilungskörper/Q/Prim/Kreisteilungspolynom/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $p$ eine \definitionsverweis {Primzahl}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist der $p$-te \definitionsverweis {Kreisteilungskörper}{}{} gleich
\mathdisp {\Q[X]/ { \left( X^{ p-1 } + X^{ p - 2} + \cdots + X^1 + 1 \right) }} { . }
}
\faktzusatz {Insbesondere besitzt der $p$-te Kreisteilungskörper den \definitionsverweis {Grad}{}{}
\mathl{p-1}{} über $\Q$.}
\faktzusatz {}

}
{

Der $p$-te \definitionsverweis {Kreisteilungskörper}{}{} wird nach Lemma 26.6 von
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} / p}}{} erzeugt, er ist also isomorph zu
\mathl{\Q[X]/(P)}{,} wobei $P$ das \definitionsverweis {Minimalpolynom}{}{} von
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} / p}}{} bezeichnet. Als Einheitswurzel ist
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} / p}}{} eine Nullstelle von
\mathl{X^p-1}{} und wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{e^{2 \pi { \mathrm i} / p} }
{ \neq }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} / p}}{} eine Nullstelle von
\mathl{X^{ p-1 } + X^{ p - 2} + \cdots + X^1 + 1}{.} Das Polynom
\mathl{X^{ p-1 } + X^{ p - 2} + \cdots + X^1 + 1}{} ist irreduzibel nach Aufgabe 22.12 und daher handelt es sich nach Lemma 21.13  (2) um das Minimalpolynom von
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} / p}}{.}

}


Weiter unten werden wir für jedes $n$ die Minimalpolynome der primitiven $n$-ten Einheitswurzeln bestimmen.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Kreis5Teilung.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Kreis5Teilung.svg } {} {Exxu} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}




\inputbeispiel{}
{

Der fünfte Kreisteilungskörper wird von der komplexen Zahl
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} /5}}{} erzeugt. Er hat aufgrund von Lemma 26.8 die Gestalt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ K_5 }
{ \cong} { \Q[X]/{ \left( X^4+X^3+X^2+X+1 \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die Variable $X$ als
\mathl{e^{2 \pi { \mathrm i} /5}}{} \zusatzklammer {oder eine andere \definitionsverweis {primitive Einheitswurzel}{}{}} {} {} zu interpretieren ist. Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ = }{e^{2 \pi { \mathrm i} /5} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und setze
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v }
{ = }{ x-x^2-x^3+x^4 }
{ = }{ - { \left( 2x^3+2x^2+1 \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Aus Symmetriegründen muss dies eine reelle Zahl sein. Es ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{v^2 }
{ =} { 4x^6+4x^4+1+8x^5+4x^3+4x^2 }
{ =} { 4x+4x^4+1+8+4x^3+4x^2 }
{ =} { 5+4 { \left( x^4+x^3+x^2+x+1 \right) } }
{ =} {5 }
} {} {}{.} Es ist also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ = }{\sqrt{5} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {die positive Wurzel} {} {} und somit haben wir eine Folge von quadratischen Körpererweiterungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Q }
{ \subset} {\Q[\sqrt{5}] }
{ \subset} {K_5 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies zeigt aufgrund von Satz 25.3, dass die fünften Einheitswurzeln konstruierbare Zahlen sind.


}






\zwischenueberschrift{Kreisteilungspolynome}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und seien
\mathl{z_1 , \ldots , z_{\varphi (n)}}{} die \definitionsverweis {primitiven}{}{} komplexen Einheitswurzeln. Dann heißt das Polynom
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Phi_{n} }
{ =} { \prod_{i = 1}^{\varphi (n)} (X- z_i) }
{ \in} { {\mathbb C}[X] }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das $n$-te \definitionswort {Kreisteilungspolynom}{.}

}

Nach Konstruktion hat das $n$-te Kreisteilungspolynom den Grad ${\varphi (n)}$.




\inputfaktbeweis
{Kreisteilungspolynom/Produkt ist X^n-1/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gilt in
\mathl{{\mathbb C}[X]}{} die Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X^n-1 }
{ =} { \prod_{ d {{|}} n} \Phi_{d} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Jede der $n$ verschiedenen $n$-ten Einheitswurzeln besitzt eine \definitionsverweis {Ordnung}{}{} $d$, die ein Teiler von $n$ ist. Eine $n$-te Einheitswurzel der Ordnung $d$ ist eine \definitionsverweis {primitive}{}{} $d$-te Einheitswurzel. Die Aussage folgt daher aus
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{X^n-1 }
{ =} { \prod_{z \text{ ist } n\text{-te Einheitswurzel} } (X-z) }
{ =} { \prod_{d {{|}} n } { \left( \prod_{z \text{ ist primitive } d\text{-te Einheitswurzel} } (X-z) \right) } }
{ =} { \prod_{d {{|}} n } \Phi_{d} }
{ } {}
} {} {}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Kreisteilungspolynom/Koeffizienten in Z/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Die Koeffizienten der \definitionsverweis {Kreisteilungspolynome}{}{}}
\faktfolgerung {liegen in $\Z$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Induktion über $n$. Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Phi_{1} }
{ = }{ X-1 }
{ \in }{ \Z[X] }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Für beliebiges $n$ betrachten wir die in Lemma 26.11 bewiesene Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X^n-1 }
{ =} { \prod_{ d{{|}}n} \Phi_{d} }
{ =} { { \left( \prod_{ d{{|}}n, \, d \neq n} \Phi_{d} \right) } \cdot \Phi_{n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Der linke Faktor ist ein normiertes Polynom und er besitzt nach der Induktionsvoraussetzung Koeffizienten in $\Z$. Daraus folgt mit Aufgabe 26.5, dass auch $\Phi_{n}$ Koeffizienten in $\Z$ besitzt.

}


Grundlegend ist die folgende Aussage.




\inputfaktbeweis
{Kreisteilungspolynom/Irreduzibel/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {}
\faktfolgerung {Die \definitionsverweis {Kreisteilungspolynome}{}{} $\Phi_{n}$ sind \definitionsverweis {irreduzibel}{}{} über $\Q$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

 Nehmen wir an, dass $\Phi_{n}$ nicht irreduzibel über $\Q$ ist. Dann gibt es nach Lemma 20.13 eine Zerlegung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\Phi_{n} }
{ = }{FG }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit normierten Polynomen
\mathl{F,G \in \Z[X]}{} von kleinerem Grad. Wir fixieren eine \definitionsverweis {primitive}{}{} $n$-te Einheitswurzel $\zeta$. Dann ist nach Definition der Kreisteilungspolynome
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Phi_{n}(\zeta) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und daher ist \zusatzklammer {ohne Einschränkung} {} {}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{F(\zeta) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir können annehmen, dass $F$ irreduzibel und normiert ist, also das Minimalpolynom von $\zeta$ ist.\teilbeweis {}{Wir werden zeigen, dass jede primitive $n$-te Einheitswurzel ebenfalls eine Nullstelle von $F$ ist. Dann folgt aus Gradgründen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\operatorname{grad} \, (F) }
{ = }{ {\varphi (n)} }
{ = }{ \operatorname{grad} \, (\Phi_{n}) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} im Widerspruch zur Reduzibilität.\leerzeichen{}}{}
{Jede primitive Einheitswurzel kann man als
\mathl{\zeta^k}{} mit einer zu $n$ teilerfremden Zahl $k$ schreiben. Es genügt dabei, den Fall
\mathl{\zeta^p}{} mit einer zu $n$ teilerfremden Primzahl $p$ zu betrachten, da sich jedes $\zeta^k$ sukzessive als $p$-Potenz von $\zeta$ erhalten lässt \zusatzklammer {wobei man $\zeta$ sukzessive durch $\zeta^p$ ersetzt und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ F { \left( \zeta^p \right) } }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} verwendet} {} {.}  Nehmen wir also an, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ F { \left( \zeta^p \right) } }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Dann muss
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ G { \left( \zeta^p \right) } }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sein. Daher ist $\zeta$ eine Nullstelle des Polynoms
\mathl{G(X^p)}{} und daher gilt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{FH }
{ = }{G { \left( X^p \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mathl{H \in \Q[X]}{,} da ja $F$ das Minimalpolynom von $\zeta$ ist. Wegen Aufgabe 26.5 gehören die Koeffizienten von $H$ zu $\Z$. Wir betrachten nun die Polynome
\mathl{\Phi_{n}, F,G,H}{} modulo $p$, also als Polynome in
\mathl{\Z/(p)[X]}{,} wobei wir dafür
\mathl{\overline { \Phi_{n} }, \overline{F}}{} usw. schreiben. Aufgrund des Frobeniushomomorphismus in Charakteristik $p$ und wegen des kleinen Fermat'schen Satzes gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \overline{G}(X^p) }
{ =} { { \left( \overline{G}(X) \right) }^p }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\overline{F} \overline{H} }
{ =} {\overline{G}(X^p) }
{ =} {(\overline{G}(X))^p }
{ } {}
{ } {}
} {}{}{.} Es sei nun
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Z/(p) }
{ \subseteq }{ L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der Zerfällungskörper von
\mathl{X^n-1}{} über
\mathl{\Z/(p)}{,} so dass über $L$ insbesondere auch
\mathl{\overline{ \Phi_{n} }}{} und damit auch $\overline{F}$ in Linearfaktoren zerfällt. Es sei
\mathl{u \in L}{} eine Nullstelle von $\overline{F}$. Dann ist $u$ wegen der obigen Teilbarkeitsbeziehung auch eine Nullstelle von $\overline{G}$. Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ \Phi_{n} } }
{ = }{ \overline{F} \overline{G} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist dann $u$ eine mehrfache Nullstelle von $\overline{ \Phi_{n} }$. Damit besitzt auch
\mathl{X^n-1}{} eine mehrfache Nullstelle in $L$. Nach dem formalen Ableitungskriterium ist aber
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{(X^n-1)' }
{ = }{ (n \mod p) X^{n-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und dieser Koeffizient ist wegen der vorausgesetzten Teilerfremdheit nicht $0$. Also erzeugt das Polynom
\mathl{X^n-1}{} und seine Ableitung das Einheitsideal, so dass es nach Aufgabe 23.14 keine mehrfache Nullstellen geben kann und wir einen Widerspruch erhalten.}
{}

}





\inputfaktbeweis
{Kreisteilungskörper/Q/Minimalpolynom/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {}
\faktfolgerung {Der $n$-te \definitionsverweis {Kreisteilungskörper}{}{} $K_n$ über $\Q$ hat die Beschreibung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ K_n }
{ =} { \Q[X]/( \Phi_{n}) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $\Phi_{n}$ das $n$-te \definitionsverweis {Kreisteilungspolynom}{}{} bezeichnet.}
\faktzusatz {Der Grad des $n$-ten Kreisteilungskörpers ist
\mathl{{\varphi (n)}}{.}}
\faktzusatz {}

}
{

Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K_n }
{ = }{\Q[\zeta] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} wobei $\zeta$ eine \definitionsverweis {primitive}{}{} $n$-te Einheitswurzel ist. Nach Definition des Kreisteilungspolynoms ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \Phi_{n}(\zeta) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und nach Satz 26.13 ist das Kreisteilungspolynom irreduzibel, so dass es sich um das \definitionsverweis {Minimalpolynom}{}{} von $\zeta$ handeln muss. Also ist nach Satz 21.12
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K_n }
{ \cong }{ \Q[X]/(\Phi_{n}) }
{ }{ }
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}



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