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Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 20/latex

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\setcounter{section}{20}






\zwischenueberschrift{Homotopie von Wegen}

Wir haben schon öfters gezeigt, dass gewisse Wegintegrale zu einer Differentialform gleich $0$ sind \zusatzklammer {Korollar 12.12, Satz 13.1, Satz 13.3} {} {} bzw. gezeigt, dass man bei der Bestimmung von Wegintegralen Wege durch andere Wege ersetzen kann, wie beispielsweise in Korollar 13.5. Um diese Ergebnisse besser verstehen und erweitern zu können, ist es nötig, zu untersuchen, welche Relation zwischen Wegen garantiert, dass die zugehörigen Wegeintegrale \zusatzklammer {zu beliebigen holomorphen Differentialformen} {} {} übereinstimmen. Es wird sich herausstellen, dass hier eine rein topologische Relation, die Homotopie, entscheidend ist. Die beiden folgenden Vorlesungen werden daher rein topologisch sein und sich mit der Homotopie von Wegen, der Fundamentalgruppe und Überlagerungen beschäftigen. Anschließend können wir wichtige funktionentheoretische Sätze wie Satz 22.3, Korollar 22.4 \zusatzklammer {\stichwort {Homotopieprinzip} {}} {} {} und den Residuensatz beweisen.




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ I }
{ = }{ [0,1 ] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und seien \maabb {\gamma_1 , \gamma_2} {I} { X } {} \definitionsverweis {stetige Wege}{}{} in einen \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ mit der Eigenschaft, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1 (0) }
{ = }{ \gamma_2 (0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1 (1) }
{ = }{ \gamma_2 (1) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. Eine \definitionswort {Homotopie relativ}{} zu $\{0,1\}$ zwischen $\gamma_1$ und $\gamma_2$ ist eine stetige Abbildung \maabbdisp {H} { I\times I } { X } {,} die die folgenden Eigenschaften erfüllt. \aufzaehlungvier{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(s,0) }
{ = }{ \gamma_1(s) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ \in }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(s,1) }
{ = }{ \gamma_2 (s) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ \in }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(0,t) }
{ = }{ \gamma_1(0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ t }
{ \in }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(1,t) }
{ = }{ \gamma_1(1) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ t }
{ \in }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }

}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {HomotopySmall.gif} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { HomotopySmall.gif } {} {Jim.belk} {Commons} {PD} {}

Zwei Wege \maabbdisp {\gamma_0, \gamma_1} { [0,1]} {X } {} heißen \stichwort {homotop} {,} wenn es eine solche Homotopie zwischen ihnen gibt. Man schreibt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\gamma_0 }
{ \sim }{ \gamma_1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für homotope Wege. Die Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der stetigen Wege von \mathkor {} {x} {nach} {y} {,} die zugehörigen Äquivalenzklassen heißen \stichwort {Homotopieklassen} {.}

Zwei stetige Wege, für die der Endpunkt des ersten Weges mit dem Anfangspunkt des zweiten Weges übereinstimmt, kann man miteinander verknüpfen, indem man zuerst den ersten Weg und anschließend den zweiten Weg durchläuft. Man spricht von der Hintereinanderlegung von Wegen und schreibt einfach $\gamma \delta$, wobei $\gamma$ zuerst durchlaufen wird. Als Definitionsbereich erhält man dabei das Intervall
\mathl{[0,2]}{.} Man kann aber, indem man die beiden Wege doppelt so schnell durchläuft, auch das Einheitsintervall als Definitionsbereich wählen. Unter dem Rückweg zu $\gamma$ versteht man den entgegengesetzt durchlaufenen Weg, man bezeichnet ihn mit $\gamma^{-1}$.





\inputfaktbeweis
{Topologischer Raum/Wege/Homotopie/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} und seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x,y,z }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} Punkte.}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungvier{Die \definitionsverweis {Homotopie}{}{} zwischen \definitionsverweis {stetigen Wegen}{}{} von $[0,1]$ nach $X$ mit $x$ als Anfangspunkt und $y$ als Endpunkt ist eine \definitionsverweis {Äquivalenzrelation}{}{.} }{Wenn $\gamma_1$ und $\gamma_2$ zueinander homotop sind, so sind auch die Rückwege $\gamma_1^{-1}$ und $\gamma_2^{-1}$ zueinander homotop. }{Wenn $\gamma_1$ und $\gamma_2$ homotope Wege von $x$ nach $y$ und $\delta_1$ und $\delta_2$ homotope Wege von $y$ nach $z$ sind, so sind auch die Verknüpfungen $\gamma_1 \delta_1$ und $\gamma_2 \delta_2$ homotop. }{Die Hintereinanderlegung $\gamma \gamma^{-1}$ ist zum konstanten Weg homotop. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

}






\zwischenueberschrift{Die Fundamentalgruppe}

Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{,} den wir als \definitionsverweis {wegzusammenhängend}{}{} voraussetzen wollen, zu je zwei Punkten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x,y }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es also einen \definitionsverweis {stetigen Weg}{}{} \maabbdisp {\gamma} {[0,1]} {X } {} mit \mathkor {} {\gamma(0)=x} {und} {\gamma(1)=y} {.} Ein Weg $\gamma$ heißt \stichwort {geschlossen} {,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma(0) }
{ = }{ \gamma(1) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, wenn also der Startpunkt mit dem Endpunkt übereinstimmt. Dieser Punkt heißt dann auch \stichwort {Aufpunkt} {} des Weges. Häufig betrachtet man stetige geschlossene Wege in $X$ als stetige Abbildungen \maabb {\gamma} {S^1} {X } {.}

Zu geschlossenen homotopen Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_0 }
{ \sim }{ \delta_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma_1 }
{ \sim }{ \delta_1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sind auch die Verknüpfungen \mathkor {} {\gamma= \gamma_0 \gamma_1} {und} {\delta= \delta_0 \delta_1} {} zueinander homotop. Dies erlaubt eine Verknüpfung auf der Menge der Äquivalenzklassen von homotopen geschlossenen Wegen mit Aufpunkt $x$, die die Fundamentalgruppe heißt.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_0 }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Unter der \definitionswort {Fundamentalgruppe}{}
\mathl{\pi_1(X,x_0)}{} von $X$ mit Aufpunkt $x_0$ versteht man die Menge aller \definitionsverweis {Homotopieklassen}{}{} von \definitionsverweis {stetigen}{}{} \definitionsverweis {geschlossenen Wege}{}{} mit Anfangs- und Endpunkt $x_0$ mit der \definitionsverweis {Hintereinanderlegung von Wegen}{}{} als Verknüpfung.

}




\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Winding Number Animation.gif} }
\end{center}
\bildtext {Die Fundamentalgruppe der punktierten reellen Ebene ist $\Z$, man spricht von der \stichwort {Windungszahl} {} des Weges.} }

\bildlizenz { Winding Number Animation.gif } {} {Jim.belk} {Commons} {PD} {}


Diese Menge ist mit dem konstanten Weg \zusatzklammer {also der Homotopieklasse des konstanten Weges} {} {} als neutralem Element in der Tat eine Gruppe. Die Assoziativität ist dabei nicht völlig selbstverständlich, da drei geschlossene Weg je nach Klammerung zu unterschiedlichen Wegen auf dem Einheitsintervall führen. Die entstehenden Wege sind aber homotop, sodass auf den Homotopieklassen die Assoziativität gilt, siehe Aufgabe 20.10. Die inverse Homotopieklasse ist durch den entgegengesetzt durchlaufenen Weg gegeben. Deren Verknüpfung ist in der Tat homotop zum konstanten Weg, oder, wie man auch sagt, \stichwort {nullhomotop} {,} siehe Aufgabe 20.8.


\inputfaktbeweis
{Topologischer Raum/Wegzusammenhängend/Fundamentalgruppe/Isomorphismus/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ ein \definitionsverweis {wegzusammenhängender}{}{} \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} und seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x,y }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} Punkte.}
\faktfolgerung {Dann sind die \definitionsverweis {Fundamentalgruppen}{}{} und \mathkor {} {\pi_1(X,x)} {und} {\pi_1(X,y)} {} zueinander \definitionsverweis {isomorph}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 20.13. }

Man beachte, dass hierbei der Isomorphismus nicht kanonisch gegeben ist, sondern von der Wahl eines Verbindungsweges von $x$ nach $y$ abhängt. Die Aussage ist der Grund, dass man häufig einfach $\pi_1(X)$ ohne einen expliziten Aufpunkt schreibt.






\zwischenueberschrift{Kontrahierbare und einfach zusammenhängende Räume}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} $X$ heißt \definitionswort {einfach zusammenhängend}{,} wenn er \definitionsverweis {wegzusammenhängend}{}{} ist und wenn jeder stetige \definitionsverweis {geschlossene Weg}{}{} in $X$ \definitionsverweis {nullhomotop}{}{} ist.

} Der einfache Zusammenhang bedeutet also, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \pi_1(X,x) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist \zusatzklammer {für einen beliebigen Aufpunkt
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {.}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} $X$ heißt \definitionswort {kontrahierbar}{} \zusatzklammer {oder \definitionswort {zusammenziehbar}{}} {} {} auf einen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} wenn es eine \definitionsverweis {stetige Abbildung}{}{} \maabbdisp {H} { X \times [0,1]} {X } {} derart gibt, dass die Eigenschaften \aufzaehlungdrei{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(-,0) }
{ = }{ \operatorname{Id}_{ X } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(-,1) }
{ = }{ P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(P,t) }
{ = }{ P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ t }
{ \in }{ [0,1] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} } gelten.

}

Beispielsweise ist der $\R^n$ und jede \definitionsverweis {sternförmige Menge}{}{} im $\R^n$ kontrahierbar und nach dem folgenden Satz auch einfach zusammenhängend.





\inputfaktbeweis
{Sternförmige Menge/Kontrahierbarer Raum/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Eine \definitionsverweis {sternförmige}{}{} Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}}
\faktfolgerung {ist \definitionsverweis {kontrahierbar}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei $T$ sternförmig bezüglich des Punktes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ T }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist \maabbeledisp {H} {T \times[0,1]} { T } { (x,t)} { (1-t) x+ t P } {} eine Kontraktion von $T$ auf den Punkt $P$.

}





\inputfaktbeweis
{Kontrahierbarer Raum/Fundamentalgruppe/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {Fundamentalgruppe}{}{} eines \definitionsverweis {kontrahierbaren Raumes}{}{}}
\faktfolgerung {ist trivial.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei \maabbdisp {H} {X \times [0,1] } {X } {} die \definitionsverweis {Kontraktion}{}{} des \definitionsverweis {topologischen Raumes}{}{} $X$ auf den Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und es sei \maabbdisp {\gamma} {[0,1]} {X } {} ein stetiger \definitionsverweis {geschlossener Weg}{}{} in $X$ mit Aufpunkt $P$. Wir betrachten die zusammengesetzte Abbildung $\Psi$
\mathdisp {[0,1] \times [0,1] \stackrel{\gamma \times \operatorname{Id}_{ [0,1] } }{ \longrightarrow} X \times [0,1] \stackrel{H}{\longrightarrow} X} { }
und behaupten, dass dies eine Homotopie zwischen $\gamma$ und dem konstanten Weg $P$ ergibt. Dies folgt aus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(s, 0) }
{ =} { H( \gamma (s), 0 ) }
{ =} { \gamma(s) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $s$,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(s, 1) }
{ =} { H( \gamma (s), 1 ) }
{ =} { P }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $s$,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(0, t) }
{ =} { H( \gamma (0), t ) }
{ =} { H( P, t ) }
{ =} { P }
{ } { }
} {}{}{} für alle $t$ und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(1, t) }
{ =} { H( \gamma (1), t ) }
{ =} { H( P, t ) }
{ =} { P }
{ } { }
} {}{}{} für alle $t$. Dies bedeutet, dass $\gamma$ \definitionsverweis {nullhomotop}{}{} ist.

}


Ein kontrahierbarer Raum ist also einfach zusammenhängend.






\zwischenueberschrift{Die Fundamentalgruppe als Funktor}

Zu einer \definitionsverweis {stetigen Abbildung}{}{} \maabbdisp {\varphi} {X} {Y } {} und einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{y }
{ = }{\varphi(x) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} induziert ein stetiger geschlossener Weg \maabb {\gamma} {[0,1]} {X } {} mit Aufpunkt $x$ einen stetigen geschlossenen Weg
\mathl{\varphi \circ \gamma}{} in $Y$ mit Aufpunkt $y$. Diese Zuordnung ist mit Homotopien von Wegen verträglich, d.h. wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \gamma }
{ \sim }{ \delta }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zwei homotope Wege in $X$ mit Aufpunkt $x$ sind, so sind auch
\mathl{\varphi \circ \gamma}{} und
\mathl{\varphi \circ \delta}{} homotop, siehe Aufgabe 20.19. Daher gibt es eine wohldefinierte Abbildung \maabbdisp {} {\pi_1(X,x)} { \pi_1(Y,y) } {.} Diese Abbildung ist sogar ein Gruppenhomomorphismus.

\inputfaktbeweis
{Stetige Abbildung/Fundamentalgruppe/Gruppenhomomorphismus/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabb {\varphi} {X} {Y } {} eine \definitionsverweis {stetige Abbildung}{}{} zwischen \definitionsverweis {topologischen Räumen}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi(x) }
{ = }{ y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann definiert die Zuordnung
\mathdisp {\gamma \mapsto \varphi \circ \gamma} { }
einen \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{} \maabbdisp {} {\pi_1(X,x)} {\pi_1(Y,y) } {.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 20.20. }


Dieser Homomorphismus wird mit $\pi(\varphi)$ bezeichnet.

\inputfaktbeweis
{Stetige Abbildung/Fundamentalgruppe/Gruppenhomomorphismus/Funktorialität/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{X,Y,Z}{} \definitionsverweis {topologische Räume}{}{,} es seien \maabb {\varphi} {X} {Y } {} und \maabbdisp {\psi} {Y} {Z } {} \definitionsverweis {stetige Abbildungen}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi(x) }
{ = }{ y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ = }{ \psi(y) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktuebergang {Dann erfüllen die zugehörigen \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismen}{}{} zwischen den \definitionsverweis {Fundamentalgruppen}{}{} die folgenden Eigenschaften.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \pi( \psi \circ \varphi) }
{ =} { \pi(\psi) \circ \pi( \varphi) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Wenn \mathkor {} {\varphi} {und} {\psi} {} invers zueinander sind \zusatzklammer {was
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ X }
{ = }{ Z }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} voraussetzt} {} {,} so sind \mathkor {} {\pi(\psi)} {und} {\pi(\varphi)} {} invers zueinander. }{Wenn $\varphi$ ein \definitionsverweis {Homöomorphismus}{}{} ist, dann ist $\pi( \varphi)$ ein \definitionsverweis {Isomorphismus}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 20.27. }






\zwischenueberschrift{Deformationsretrakte}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {Unterraum}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Y }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eines \definitionsverweis {topologischen Raumes}{}{} $X$ heißt \definitionswort {Deformationsretrakt}{} von $X$, wenn es eine \definitionsverweis {stetige Abbildung}{}{} \maabbdisp {H} {X \times[0,1] } { X } {} gibt mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(x,0) }
{ =} { x }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(x,1) }
{ \in} { Y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(y,t) }
{ =} { y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ y }
{ \in }{ Y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und alle $t$.

}

Ein topologischer Raum ist genau dann kontrahierbar, wenn ein einzelner Punkt
\mathl{\{P\}}{} ein Deformationsretrakt des Gesamtraumes ist.




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten den Kreis
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ S^1 }
{ \subseteq }{ \R^2 \setminus \{0 \} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Abbildung \maabbeledisp {H} { { \left( \R^2 \setminus \{0 \} \right) } \times [0,1] } { \R^2 \setminus \{0 \} } { (x,y,t) } { { \left( { \frac{ t }{ \sqrt{x^2 +y^2 } } } +1-t \right) } (x,y) } {,} ist stetig und zeigt, dass der Einheitskreis ein \definitionsverweis {Deformationsretrakt}{}{} der punktierten Ebene ist. Es ist ja
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(x,y,0) }
{ =} { (x,y) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(x,y,1) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ \sqrt{x^2+y^2} } } (x,y) }
{ \in} { S^1 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} und für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (x,y) }
{ \in }{ S^1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(x,y,t) }
{ =} { (x,y) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}





\inputfaktbeweis
{Topologischer Raum/Deformationsretrakt/Fundamentalgruppe/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Y }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Deformationsretrakt}{}{} eines \definitionsverweis {topologischen Raumes}{}{} $X$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ Y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann sind die \definitionsverweis {Fundamentalgruppen}{}{} \mathkor {} {\pi_1(Y,P)} {und} {\pi_1(X,P)} {} zueinander kanonisch \definitionsverweis {isomorph}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die kanonischen Abbildungen
\mathdisp {\pi_1(Y,P) \longrightarrow \pi_1(X,P) \stackrel{ \pi (H(-,1) )}{\longrightarrow} \pi_1(Y,P)} { }
zeigen, da die Hintereinanderschaltung die Identität ist, dass
\mathl{\pi_1(Y,P)}{} eine \definitionsverweis {Untergruppe}{}{} von
\mathl{\pi_1(X,P)}{} ist. Es sei $\gamma$ ein stetiger Weg in $X$ mit Aufpunkt $P$. Wir müssen zeigen, dass er homotop zu einem Weg in $Y$ ist. Wir betrachten dazu die zusammengesetzte Abbildung $\Psi$
\mathdisp {[0,1] \times [0,1] \stackrel{\gamma \times \operatorname{Id}_{ [0,1] } }{ \longrightarrow} X \times [0,1] \stackrel{H}{\longrightarrow} X} { }
und behaupten, dass dies eine Homotopie zwischen $\gamma$ und dem Weg
\mathl{H(-,1) \circ \gamma}{} ist, der ganz in $Y$ verläuft. Dies folgt aus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(s, 0) }
{ =} { H( \gamma (s), 0 ) }
{ =} { \gamma(s) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $s$,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(s, 1) }
{ =} { H( \gamma (s), 1 ) }
{ \in} { Y }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $s$,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(0, t) }
{ =} { H( \gamma (0), t ) }
{ =} { H( P, t ) }
{ =} { P }
{ } { }
} {}{}{} für alle $t$ und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(1, t) }
{ =} { H( \gamma (1), t ) }
{ =} { H( P, t ) }
{ =} { P }
{ } { }
} {}{}{} für alle $t$.

}