Hikayat Faridah Hanom 4 - Übersetzung

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Viertes Kapitel
DAS ERSTE TREFFEN

Nachdem Suad weggegangen war, setzte sich Shafik Efendi und freute sich über den Erhalt des Briefes seiner Geliebten Faridah Hanom. Er ging in seinem Garten spazieren, wobei er immer wieder den Brief aus seiner Tasche zog und erneut küsste und las. Sehnsüchtig seufzend wartete er auf die abgemachte Zeit des Treffens mit seiner Geliebten. Eine Stunde vorher wies er seinen Kutscher an, seine Kutsche vorzubereiten. Dann ging er ins Haus, betrat sein Zimmer, zog sich die schönste Kleidung an, kämmte und bürstete sein Haar und setzte sich vor einem großen Spiegel den Tarbush auf, ganz als ob er im Begriff wäre, große Könige zu treffen. Als die verabredete Stunde kam, verließ Shafik Efendi das Haus, fortgetragen von dem Wind der Liebesleidenschaft, gezogen von dem Sturm seiner Geliebten, herumgewirbelt von dem Orkan seiner Freude. Als er zum Außentor kam, sah er, dass dort schon die Kutsche auf ihn wartete. Er bestieg sie und wies seinen Fahrer an, die Kutsche zu dem Ort in der Nähe von Kasim Beys Haus zu steuern, an dem er sich mit seiner Geliebten verabredet hatte. Als sie dort ankamen, gab er Order, zu halten und das Verdeck des Wagens zu schließen. Da saß er nun, im Inneren des Wagens Schutz suchend, ließ seine Gedanken zu seiner Geliebten fliegen und erging sich in seinen Träumereien. Kurz danach kam Faridah Hanom zu dem Wagen, stellte sich vor seine Tür und schaute mit vorgerecktem Hals in sein Inneres, wo sie Shafik Efendi erblickte, der wie geistesabwend wirkte und ihr Kommen nicht bemerkte. Sie drückte einmal kräftg mit ihrem Fuß auf das Trittbrett des Wagens, so dass…


der Wagen wackelte. Da schreckte Shafik Efendi aus seinen Gedanken auf wie jemand, der aus seinem Schlaf aufschreckt, und erblickte seine Geliebte, die vor dem Wagen stand und mit ihrem Gesicht strahlte wie der helle Vollmond. Rasch stand Shafik Efendi auf, verneigte sich respektvoll und streckte seine Hand aus, um seine Geliebte zu begrüßen. Faridah Hanom stieg ein, Shafik Efendi ließ sie zu seiner Rechten sitzen und wies seinen Kutscher an, loszufahren und der Straße zu den Pyramiden zu folgen. Der Wagen fuhr von al-Abbasiah aus in Richtung der Straße zu den Pyramiden: Über eine Abzweigung ging es über eine weitere zur Straße, die zu den Pyramiden von Gizeh führt.

Da traf nun Shafik Efendi mit derjenigen Person, die er so sehr liebte, in seinem Wagen zusammen und war ganz hingerissen, ihr Gesicht und ihren Körper zu betrachten, die so schön und anmutig waren, als ob sie der kluge Weise aus Wachs geformt hätte. Einige Male wollte Shafik Efendi den Mund öffnen, um etwas zu sagen, wurde aber jedes Mal von dem Blick Faridah Hanoms getroffen, der wie ein Blitz bei ihm einschlug. Das verwirrte ihn, so dass er wieder verstummte, in größter Verlegenheit den Kopf senkte und nicht mehr wusste, was er sagen wollte. So fuhr der Wagen weiter, während das Liebespaar in Aufwallung der Gefühle schweigend dasaß und einige Zeit nichts zu sagen wusste. Schließlich fasste sich Shafik Efendi ein Herz und sagte: „Es ist eine gewaltige Freude, die Beta heute empfindet. Er wird diesen Tag zu seinem Glückstag machen. Der Tag, an dem er mit Tuan zusammentreffen kann, ist der Tag, den er zum Anfang eines neuen Lebens macht.“


Faridah Hanom verneigte sich als Zeichen des Danks für die Worte Shafik Efendis und sagte sehr ehrfürchtig: „Beta hofft, dass Tuan ihr das Verhalten verzeiht, das ihr heute unterlaufen ist, und ihr Kommen, um mit Tuan zusammenzutreffen, nicht zu etwas macht, das die Ehre einer wohlbehüteten und gut erzogenen Jungfrau zunichtemacht. Es soll keinesfalls wie das Kommen der vielen Frauen sein, die ihre eigene Ehre und die Ehre ihrer Eltern nicht bewahren mögen und hinausgehen, um unbekannte Männer zu besuchen, die niemals mit ihr Umgang hatten. Vielmehr erfolgt Betas Kommen einzig und allein deswegen, weil sie ihren Wunsch nicht zurückhalten kann, den Grund für Tuans Handlungsweise zu erfahren, dass er immer wieder nach ihr schaut. Denn wenn man Tuans Verhalten weiter zulässt, dann wird es Betas Namen und den ihrer Eltern bei den Leuten in den Schmutz ziehen. Um dieser Gefahr zu entfliehen, hat sich Beta ein Herz gefasst, außerdem aufgrund ihres Vertrauens in Tuan, dass er ein gebildeter junger Mann ist, der den Wert eines ehrenvollen Lebens kennt und bei allen sichtbaren Dingen zwischen Gut und Böse zu unterscheiden weiß.“

Shafik Efendi war sehr aufgeregt, als er diese Worte Faridah Hanoms hörte, wandte sich ihr zu und sagte: „Beta ist ein junger Mann, der noch nie mit einer anderen Frau als seiner Mutter und seiner Dayang Umgang hatte. Deshalb wusste er nicht, wie das Gefühl der Liebe und des Begehrens gegenüber einer Frau ist. Er war immer in einem Zustand der Freude und Zerstreuung, wobei Gott für sein Wohlergehen und dasjenige seiner Eltern sorgte. Und immer hat er…


die Geschichten und Worte der Menschen über den Gefühlszustand von Verliebten für Lüge gehalten, bis zu dem Tag, als er Tuan zusammen mit ihrer Dayang vor seinem Haus entlanggehen sah. An diesem Tag schluckte er das Gift der Liebe zu Tuan, und eine Liebesleidenschaft, die von so starker Intensität ist, dass Beta zu schwach ist, um sie zu beschreiben. Unentwegt, Tag und Nacht, steht ihm ihr Bild vor Augen. Seit jenem Tag war er berauscht von dem Getränk, das er aus dem Kelch ihrer Schönheit getrunken hatte, bis der Tag kam, an dem er sie zum zweiten Mal erblickte, als sie am Fenster ihres Hauses saß. Da hielt es sein Herz nicht mehr aus, er hob spontan seine Hand, um sie zu grüßen. Und da er von ihr eine Antwort auf seinen Gruß erhielt, vergaß er sich selbst und verlor die Kontrolle über das, was er tat. Deshalb hat vermutlich das, was Beta getan hat, Tuan verletzt, und er hat keine Chance mehr auf ihr Erbarmen, doch hofft er, dass sie ihm vergibt, denn nichts von dem, was er getan hat, geschah in böser Absicht. Sonst macht unser heutiges Treffen zum ersten und letzten Treffen, denn Beta kann nicht länger in dieser Welt leben, wenn er die Liebeskrankheit ohne Hoffnung auf Tuans Mitleid aushalten muss. Gewiss wird er durch einen Schuss seiner Pistole sterben, wenn es zu lange dauert, an der Krankheit der Liebe zu ihr zu sterben.“

Shafik Efendi sprach diese Worte, zog seine Pistole hervor und überreichte sie Faridah Hanom, wobei ihm die Tränen herabrannen und er nach hinten über in Ohnmacht fiel,…


weil er sich so sehr beherrschte und darüber hinaus die Hoffnung verloren hatte, den Menschen zu gewinnen, den er Tag und Nacht ersehnte, als er die Worte Faridah Hanoms hörte. Denn er nahm an, dass er sie mit dem, was er getan hatte, erzürnt hätte. Der Grund dafür, dass sich Shafik Efendi in einem solchen Zustand befand, war, dass er ein junger Mann war, der es überhaupt nicht mochte, sich unter Frauen zu mischen oder sie mitzunehmen, um sie kennenzulernen. Er mochte es auch nicht, Bücher mit Liebesgeschichten zwischen Frauen und Männern zu lesen. Das heißt, er verstand die Bewegungen und Worte nicht, sondern nur das, was seine Augen sahen und seine Ohren hörten. Deshalb dachte er, dass das, was Faridah Hanom sagte, ihr einziger Wunsch war, der sie dazu gebracht hatte, zu kommen und mit ihm zu sprechen, und nicht mehr dahinter war.

Als Faridah Hanom sah, wie Shafik Anfandi seine Pistole herausholte und dann in Ohnmacht fiel, bekam sie einen gewaltigen Schreck. Dann merkte sie, dass Shafik Efendi blass im Gesicht war und seine Augen weiß glänzten. Bald hielt sie es nicht mehr aus, hob den Kopf ihres Geliebten hoch, legte ihn auf ihren Schoß und begrub ihr Gesicht in dem seinen, wobei sie weinend rief: „Wacht auf, Beta hat Tuan doch nicht so sehr verdächtigt. Es ist doch bedeutungslos, dass Beta schon einige Tage eine Liebe zu Tuan hegt. Tuan ist perfekt, ein junger Mann von edler Abstammung und Bildung, und Beta ist bereit, mit ihm zu sterben. Er möge nicht glauben, dass er allein diese Liebe hegt, sondern in ihrem Herzen ist das Verlangen, das sie nicht befriedigen kann, noch viel größer. Wäre es sonst einleuchtend, dass sie selbst ihm einen Brief schreibt und um ein Treffen mit ihm bittet?“ Durch die Kühle…


der Tränen Faridah Hanoms, die auf Shafik Efendis Gesicht fielen, kam er wieder zu Bewusstsein. Als er sah, dass sein Kopf auf dem Schoß seiner Geliebten lag, freute er sich, richtete sich mit einem Lächeln schnell auf, verbeugte sich, um sich bei ihr für ihr Handeln zu bedanken, und holte ein Taschentuch heraus, um sich die Tränen seiner Geliebten, deren Duft ihm in die Nase zog, vom Gesicht zu wischen.

Faridah Hanom sah es mit Bedauern, dass sich Shafik Efendi, der noch ermattet aussah, aus ihrem Schoß erhob. Dann platzte es aus ihr heraus, und sie sagte: "Mein geliebter Shafik, wir beide sind vereint im Gefühl, im Denken, in der Absicht. Das, was Tuan fühlt, fühle auch Beta. Wie Tuan denkt, so denkt sie auch. Deswegen wisset, wir beide sind von Gott erschaffen, damit wir zusammenleben. Beta ist von Gott nur wegen Tuan in die Welt gesetzt worden. Und er ist nur ihretwegen erschaffen worden. So ist es jetzt nicht verwunderlich, wenn Beta sagt, nachdem sie seine Worte gehört und seine Angelegenheiten gesehen hat, dass sie ihn liebt und jetzt in ihrem Herzen fühlt, dass er die Quelle ihrer Kraft in ihrem Leben sein wird. Fühlt Tuan in ihrem Herzen das Gleiche, was sie fühlt?"

Als Shafik Efendi die Worte seiner Geliebten Faridah Hanom hörte, atmete er tief aus, weil sie all seinen falschen Vermutungen hinsichtlich ihres Kommens ein Ende setzten. Er stand mit großer Freude auf, kniete sich auf dem Fußboden der Kutsche vor seiner Geliebten nieder, ergriff ihre beiden Hände, drückte sie an seine Brust und sprach: "Abang schwört Tuan die Treue bei Gott, dem Herrn der Welten, seine Liebe…


zu ihr bis zum Ende seines Lebens fortbestehen zu lassen. Die Liebe, von der Beta spricht, ist frei von Absichten, schmutzige Dinge zu tun. Und Beta schwört beim Namen Gottes, der diese Welt erschaffen hat, dass er niemals seine Treue brechen oder Verrat gegenüber seiner Liebsten üben wird. Deshalb möge meine Nyawa, wenn sie einverstanden ist und schon den Willen hat, mit Abang zusammen zu leben und zu sterben, ihm erlauben, ihre Hand zu küssen, damit es ein Heilmittel sei, das den Semangat-Geist seines Körpers, der schon vor einiger Zeit fortgeflogen ist, wiederherstellt." Er hob die beiden Hände seiner Geliebten, die er an seine Brust gedrückt hatte, führte sie langsam an seinen Mund und küsste sie mit Erlaubnis Faridah Hanoms zwei, drei Mal, dann legte er sie ehrfürchtig auf seinen Kopf. Faridah lächelte, zog langsam ihre Hände zurück und dachte in ihrem Herzen: "Dieser Shafik ist genügend gebildet, sein Aussehen, seine Rede und seine Rede passen gut zusammen. Es ist nicht sinnlos, dass ich mich in ihn verliebt habe. Ich und meine beiden Eltern sind gewiss vor der Schande beschützt, wie groß auch meine Liebe zu ihm ist." Ihre Liebe zu Shafik Efendi nahm immer weiter zu. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, sondern beschränkte sich darauf, Shafik Efendi, der immer noch vor ihr kniete, mit den Händen hochzuheben, ihn an ihre rechte Seite zu setzen und ihren Kopf an seine Brust zu schmiegen, denn sie hatte jede Furcht vor ihrem Geliebten verloren. Shafik nahm geschwind ihren Kopf entgegen und küsste seine Geliebte auf die Stirn, wobei seine Zuneinigung immer mehr zunahm und er seine Freude nicht mehr in Zaum halten konnte. Ähnlich erging es Faridah Hanom, die ihren Kopf an die Brust ihres Geliebten lehnte und berauscht von ihm einschlummerte, bis die Stimme des Kutschers ertönte, der mehrere Male darum bat, den Weg frei zu machen, und nicht mehr weiterfahren konnte, so dass der Wagen zum Stehen kam.


Shafik Efendi schaute auf die Straße und sah, dass Polizeibeamte seinen Wagen anhielten. Dann sah er, dass die Straße voll mit Fußsoldaten und Kavallerie war und dass sich an den Rändern der Straße Menschen versammelt hatten, während die Häuser links und rechts an den Türen und Fenstern beflaggt waren, so wie dort auch alle Hotels mit Flaggen in verschiedenen Farben geschmückt waren. Shafik Efendi betrachtete die Straße und erkannte, dass es der Babul-Hadid-Platz war, wo sich der Hauptbahnhof befindet. Er rief einen der Polizisten, der nah an der Kutsche vorbeiging, und fragte ihn: "Was ist der Grund für dieses Gedränge?" Der Polizist antwortete: "Seine Majestät, der Khedive von Ägypten, der von seiner Europa-Reise zurückkommt, wird um fünf Uhr nachmittags hier eintreffen." Da erst erinnerte sich Shafik Efendi daran, dass der Khedive ankommen sollte, und er wandte sich zu Faridah Hanom und sagte: „Das ist ein sehr schöner Zeitpunkt, dass Abangs Nyawa die Ankunft unseres Königs Abbas Hilmi Pascha sehen kann.“ Und er gab dem Kutscher die Anweisung: "Such einen Halteplatz, von dem aus wir den Pulk des Khediven aus der Nähe sehen können." Der Kutscher brachte die Kutsche geschwind an der Einmündung einer Seitenstraße zum Stehen, an der der Pulk des Khediven vorüberziehen würde. Die Menschen drängten sich links und rechts des Weges, man hörte Jubelschreie, und die königliche Blaskapelle spielte die Hymne des Königreichs Ägypten. Zu diesem Zeitpunkt sah Faridah Hanom einen berittenen Soldaten voranreiten, der die Menschen anwies, an den Rand zu gehen, um die Gasse, die der Tross hinter ihm passieren sollte, noch etwas zu verbreitern. Einen Augenblick später folgte ein Trupp berittener Polizisten, und hinter ihnen ein Trupp von persönlichen Wachsoldaten des Khediven, die ebenfalls beritten waren, wobei ein jeder von ihnen eine Lanze mit einer Fahne an ihrer Spitze mit sich führte. Dann erst kam die Kutsche des Khediven, die…


von vier Pferden gezogen wurde und in der der Khedive mit einem schön anzusehenden Gesicht saß und der jubelnden Menge zuwinkte. Hinter seiner Kutsche kamen schließlich noch einige berittene Soldaten, die seine Kutsche eskortierten.

Ungefähr zehn Minuten nachdem der Tross des Khediven die Stelle passiert hatte, leerte sich die Straße wieder etwas, so dass die Kutsche von Shafik Efendi weiterfahren konnte. Sie fuhr nun durch die Kamil-Straße zum Opernplatz, dann duch die Abidin-Straße und die Qasr-an-Nil-Straße bis zur Jazirah-Insel und von dort aus weiter zur al-Ahram-Straße. Faridah Hanom sagte zu Shafik Efendi: „Der Tross des Khediven war wirklich sehr beeindruckend.“ Shafik Efendi antwortete: „Und er ist dazu noch sehr schön, denn er ist ja noch jung. Gerade in einem Tross von solchem Pomp fällt sein geringes Alter auf.“ Faridah Hanom sprach: „Dies ist ein Zeichen, dass unser Zusammentreffen gesegnet ist. Wir können Geschichte schreiben. Der Tag, an dem wir uns erstmals treffen und kennenlernen, ist auch der Tag, an dem unser Herrscher, der Khedive, aus Europa in seine Hauptstadt zurückkehrt.“ Shafik Efendi antwortete: „An diesem Tag sind wir zusammengetroffen, nur wann und wo können wir wieder zusammentreffen?“ Faridah Hanom: „So wie wir uns heute treffen, können wir uns auch an anderen Tagen treffen.“ Shafik Efendi: „Ach meine Nyawa, Abang hat Angst vor den Augen der Menschen, die Tuan sehen und kennen. Gewiss wird ihr edler Name in den Mündern der Menschen ruiniert werden.“ Faridah Hanom senkte ihren Kopf und dachte über einen Weg nach, wie sie sich vor den Augen der Menschen verborgen treffen könnten, denn sie vernahm diese Worte ihres Geliebten mit großem Bedauern und musste weinen, weil sie fürchtete, dass es lange dauern würde, bis sie ihn wieder treffen könnte. Einen Augenblick später hob Faridah Hanom ihren Kopf und sagte freudestrahlend: „Um Mitternacht kann Tuan zu Betas Haus kommen. Achtet auf das Fenster, wo sie gestern saß. Wenn…


es offen und vom Licht erleuchtet ist, dann kommt heran und klopft drei Mal nur leise unter Betas Fenster. Dann wird sie der Dayang auftragen, die Tür zum Garten zu öffnen. Dann können wir uns dort treffen und unterhalten." Shafik Efendi antwortete: „Wenn jemand kommt und uns zusammen in diesem Garten plaudern sieht, wird das nicht auch den Ruf meiner Nyawa ruinieren?“ Faridah Hanom freute sich sehr, als sie sah, dass ihr Geliebter sehr wachsam war und ihren Ruf davor schützen wollte, Schaden zu nehmen. Je mehr das Herz ihr sagte, dass kein Unglück über ihre Ehre kommen würde, auch wenn sie mit Shafik Efendi auf irgendeine Weise zusammen wäre, desto mehr nahm ihre Liebe zu ihm zu, wobei sie sagte: „Das geht schon. Ich habe die Situation an meinem Ort und in meinem Heimatviertel im Griff.“ Faridah Hanom sagte das und amüsierte sich sehr darüber, dass Shafik Efendi so besorgt war, so dass es auf ihrem Gesicht sichtbar wurde und sie leise lachen musste.

Shafik Efendi war verblüfft über die Schönheit seiner Geliebten, als sie so lachte und ihre strahlenden Zähne sichtbar wurden. Er konnte sich nicht mehr zurückhalten, umarmte sie und sagte: „Tuan ist eine Frau, bei der Benehmen und Schönheit gut zueinander passen. Sie ist äußerst klug, kann die Herzen der Menschen fesseln, und versteht es dazu noch, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Ehre zu bewahren.“ Faridah Hanom hatte viel Mitleid mit Shafik, der sich wie ein Berauschter benahm, der sich zurückhält. Sie gab dem Wunsch Shafik Efendis nach, der sie umarmte, ergriff seine Hand, küsste sie und versenkte einige Zeit ihre Nase darin. Dann atmete sie tief durch und sagte: „Schön ist dieser Tag, o Geliebter. Wie werden erst die Tage sein, die noch kommen!“ Das sagte sie, während sie das Gesicht ihres Geliebten Shafik betrachtete. Shafik Efendi seinerseite küsste den Kopf seiner Geliebten und sagte: „O Nyawa von Abangs Körper, Ihr seid ein unschätzbares…


Juwel. Bei Gott dem Allmächtigen, Abangs Bitte an das Mitgefühl seiner Nyawa ist, dass sie seinen Kummer nicht noch vergrößert, denn es reicht schon, was er an Last auf seinen Schultern getragen und an Qualen und Liebesleid wegen seiner Nyawa in diesen Tagen erlitten hat. Tuan möge unserer beider Kontakt nicht so lange unterbrechen, dass unsere heutige Begegnung nur noch wie eine Traumbegegnung ist, denn Abang hat nicht die Kraft, noch mehr zu ertragen, als das, was er schon ertragen hat. Habt Mitleid mit Abang, o Nyawa, die ihr ihm Leben verleiht, o Schatzkammer, die ihr ihn erfreut. Tuan ist auch der Ort, aus dem sein ganzes Glück herrührt. Tuan ist wahrlich das Wesen, von dem Abang ständig träumt. Tuan ist es, die sein Leben auf dieser Erde vervollkommnet. Und sie ist die Nyawa in den Gliedern seines Leibs.“

Da Faridah Hanom eine kluge Frau war, ihr Wunsch in Erfüllung gegangen war, sicherzustellen, dass sie mit ihrer Liebe zu Shafik Efendi nicht allein war, sondern er die gleiche Liebe empfand wie sie, und sie sich überzeugt hatte, dass er ein Mann war, der nicht verräterisch handelte oder etwas Verbotenes machte, das eine ehrbare Frau und ihre Eltern in Verruf bringt, machte sie sich nicht viel aus den Liebkosungen und Küssen ihres Geliebten, die nicht über ihren Kopf hinausgingen. Da sie einmal von ihrer Sorge befreit war, sich vor Zudringlichkeiten ihres Geliebten schützen zu müssen, die die Ehre und Reinheit der Jungfrau zerstören, brachte sie ihren Geliebten auf ein anderes Gesprächsthema, weil sie seine Kenntnis und sein Empfinden hinsichtlich ihres Heimatlandes und ihrer Nation ergründen wollte. So begann sie,…


über erfreuliche Dinge zu reden, wie die geregelte Entwicklung des Landes, den Fortschritt der Nation, die Freiheit der Frau, die durch Unterricht und Bildung aufgerichtet wird, und führte mahnende Beispiele von Lebensmoral aus der Geschichte an, Erzählungen über die Größe der Nation der alten Ägypter, die die Pyramiden erbaut hatten, bis zum Ruhm Ägyptens in dieser Zeit.

Shafik Efendi versank im Ozean der süßen Worte seiner Geliebten, die die Breite ihres Wissens und ihren Scharfsinn bekundeten, und antwortete darauf rasch, indem er einige Erzählungen aus der alten Geschichte anführte, die den Vorzug all derjenigen Menschen aufzeigen, die zum Nutzen ihres Heimatlandes und ihrer Nation gearbeitet haben. Und er sprach davon, dass es sein Wunsch sei, ihrem Beispiel zu folgen, indem er sich selbst im Dienst für sein Heimatland und alle Dinge, die den Namen seiner Nation erheben, aufopferte, er allerdings aufgrund des Lebens seiner Eltern, das ihm auferlege, nach ihrer Zustimmung zu streben, noch nicht die Gelegenheit gehabt habe, diese Ideen und Pläne umzusetzen. Fortgerissen von dem Strom der Leidenschaft, schweifte Shafik Efendi aber bald zu Liebesgeschichten ab und machte anhand von Erzählungen aus der Geschichte Ägyptens seiner Vorfahren den Vorzug derjenigen Menschen deutlich, die eine von Unreinheit und Befleckung reine Liebesbeziehung unterhalten.

Während die beiden ins Gespräch vertieft waren, hinweggeweht von dem angenehmen Wind der Liebesleidenschaft, fuhr ihr Wagen über die Qasr-an-Nīl-Brücke am Garten der Königlichen Zoologischen Gesellschaft vorbei in Richtung der Pyramiden. Und wenngleich die beiden es nicht bemerkten, weil sie ganz damit beschäftigt waren, die Schönheit des von ihr ersehnten Liebespartners zu betrachten, begann die Sonne unterzugehen und beleuchtete die Gebäude der Stadt und des Gartens in einer Weise, dass sie die Schönheit des Landes im Auge…


des Betrachtenden noch einmal vergrößerte und im Herzen die Größe und den Ruhm der Kinder des Nils aus der Nachkommenschaft des Pharaos in Erinnerung rief.

Da die Kutsche aufs offene Land gefahren war, spürte Faridah Hanom die Kälte der Abendluft, was bei den beiden Liebenden den gleichen Gedanken ins Bewusstsein rief, dass nämlich die Nacht angebrochen war, dass die Zeit zur Rückkehr gekommen war und der Zeitpunkt der Trennung bevorstand.

Shafik Efendi wusste, was seiner Geliebten durch den Kopf ging, rief den Kutscher und wies ihn an, zurück nach Hause zu fahren.

Als das Liebespaar spürte, dass für sie, die im Geiste schon vereint waren, die Zeit gekommen war, sich körperlich zu trennen, sprudelte aus ihnen all das hervor, das auf dem Herzen eines jeden durch Liebe verbundenen Menschen niedergeschrieben ist und auch in den Herzen der beiden verwurzelt war. Es sind Worte, die die Schreibfeder auf diesem sauberen Papier nicht alle einzeln festzuhalten vermag. Was man aber über die beiden sagen kann, ist, dass ihre Herzen eine Empfindung hegten, die sehr aufrichtig und frei von jeder niederträchtigen Gesinnung war. Zum Schluss hielten sich die beiden die Hände und bekräftigten damit ihre Treue. Zu dieser Zeit war die Wand des Anstands und der Scham bei der Tochter Kasim Beys geöffnet, sie konnte sich nicht beherrschen, ließ sich auf den Schoß ihres Geliebten fallen und vergoss Tränen. Shafik Efendi fing seine Geliebte auf und hatte tiefes Mitgefühl mit ihr. Er zog sie an seine Brust, holte ein Taschentuch heraus, tupfte damit ihr Gesicht ab und küsste es. Die beiden hielten sich weiter in den Armen und sprachen miteinander, in einer Art und Weise, die die Vollkommenheit…


des Liebespaars bekundete, bis die Kutsche zu einer Straße in der Nähe von Shafik Efendis Haus gelangt war. Dann wies er seinen Kutscher an anzuhalten, verabschiedete sich von seiner Geliebten, umarmte sie und küsste ihre Stirn. Faridah Hanom küsste die Hand Shafik Efendis, der ausstieg und seinem Kutscher mit resoluter Stimme zurief: „Bringt eure Tuan zu dem Ort, den sie euch nennt, und kehrt dann hierher zurück. Und bitte achtet darauf, dass sie von niemandem gesehen wird, der sie kennt.“ Bevor sich die Kutsche in Bewegung setzte, drehte sich Faridah Hanon zu ihrem Geliebten um, der dort stand, schaute ihn mit einem Blick an, der sowohl ihre Liebeszuneigung als auch ihre Betrübnis und Sorge über die Trennung erkennen ließ, und verabschiedete sich, wobei ihr die Tränen in den Augen standen. Dann wurde sie von der Kutsche nach Hause fortgetragen, ohne dass Shafik Efendi noch Gelegenheit hatte, ihr Lebewohl zu erwidern. Er stand nur da, in Gedanken versunken, und schaute seiner Geliebten hinterher, die von jener Kutsche entführt wurde. Selbst als die Kutsche schon seinem Blick entschwunden war, stand er noch still und bewegungslos da und schaute auf die Spuren der Kutsche. Erst als seine Kutsche wieder zurückkehrte, kam er wieder zu sich. Er fragte seinen Kutscher: „Habt ihr sie zu dem Ort gebracht, den sie euch genannt hat?“ Der Kutscher antwortete: „Ja.“ Da bestieg Shafik Efendi die Kutsche, kehrte zum Tor seines Hauses zurück, in der Vornehmheit, wie sie ihm eine tägliche Gewohnheit war, betrat das Haus und ging auf sein Zimmer, wo er sich umzog.


Die Kutsche, in der Shafik Efendi Faridah Hanom mitnimmt, und Shafik Efendi, der sich bei seiner Verspätung Sorgen macht, dass seine Gäste nach Hause gehen.