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Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil I/Vorlesung 15/kontrolle

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In dieser Vorlesung besprechen wir, wie sich im Dezimalsystem der Nachfolger, die Größergleichrelation und die Addition darstellen.



Der Nachfolger und die Ordnung im Dezimalsystem

Der Nachfolger einer im Dezimalsystem gegebenen natürlichen Zahl

lässt sich einfach bestimmen und im Dezimalsystem ausrechnen. Der Nachfolger ist natürlich

Wenn ist, so ist

und die Dezimalentwicklung des Nachfolgers liegt unmittelbar vor. Wenn hingegen ist, so geht es um die Zahl

Erneut gilt, dass bei die Dezimalentwicklung vorliegt, bei muss man wie zuvor weitermachen. Wenn die hintersten (niedrigststelligen) Ziffern gleich sind und

(was den Fall einschließt, dass genau Ziffern hat, in welchem Fall als zu interpretieren ist), so erhält man den Nachfolger, indem man diese Neunen durch Nullen ersetzt und um erhöht.




Es sei . Eine natürliche Zahl ist genau dann ,

wenn sie im Zehnersystem aus maximal Ziffern besteht.

Wenn die Zahl im Zehnersystem aus mehr als Ziffern besteht, so ist

mit

und

Nach Satz 10.5 ist dann

Wenn die Zahl aus maximal Ziffern besteht, so kann man sie als

mit schreiben. Aus Satz 10.5 folgt direkt

Wir zeigen durch Induktion über , dass diese Zahl kleiner als ist. Bei

ist

(nach Definition ist der Nachfolger von ). Im Induktionsschritt von nach folgt aus der Induktionsvoraussetzung wegen

die Behauptung.



Es seien

und

zwei natürliche Zahlen im Zehnersystem (also mit ).

Dann ist

genau dann, wenn

oder wenn ist und wenn es ein , , derart gibt, dass

ist.

Bei

ist nach Lemma 15.2

Sei also . Es sei die größte Stelle, an der die Ziffern verschieden sind, d.h. es sei

Aufgrund der Verträglichkeit der Ordnungsbeziehung mit der Addition können wir

beidseitig abziehen, d.h. wir können annehmen, dass und ist und wir müssen zeigen, dass

genau dann gilt, wenn

ist. Hierbei müssen wir wegen der Symmetrie der Situation nur die Rückrichtung zeigen. Es ist

wobei wir im vorletzten Schritt wieder Lemma 15.2 verwendet haben.




Schriftliches Addieren

Da sich die Addition zweier natürlicher Zahlen aus den Dedekind-Peano-Axiomen ergibt, gibt es in jeder Beschreibung der natürlichen Zahlen genau eine Möglichkeit, zu addieren. Ob diese algorithmisch geschickt oder kompliziert ist, hängt wesentlich von der gewählten Beschreibung ab. Wenn man durch Strichfolgen gegebene Zahlen miteinander addiert, so hängt man einfach die beiden Strichfolgen aneinander. Dies ist auf den ersten Blick ein sehr einfacher Vorgang. Wenn man es aber ernsthaft schriftlich durchführen möchte, so sieht man, dass es extrem mühsam ist, da man jeden Strich der einen Strichfolge einzeln an die andere anhängen muss.

Das schriftliche Addieren[1] zweier natürlicher Zahlen im Zehnersystem ist aus der Schule bekannt. Man schreibt die beiden Zahlen untereinander so, dass die Einerpositionen übereinander stehen und addiert dann die beiden passenden Ziffern (im Sinne des kleinen Einundeins) von hinten nach vorne. Wenn das Ergebnis kleiner als ist, schreibt man diese Zahl hin und rückt nach links. Wenn das Ergebnis größer oder gleich ist, so schreibt man die Einerziffer dieser Summe an der Stelle hin und hat in der links liegenden Stelle einen zusätzlichen Übertrag von mitzuberücksichtigen. Dies ist insgesamt ein rekursives Verfahren, das wir kurz festhalten.


Das schriftliche Addieren zweier natürlicher Zahlen, die im Dezimalsystem als

gegeben sind (wobei auch vordere Nullen erlaubt sind), funktioniert folgendermaßen. Man berechnet die Dezimalziffern des Ergebnisses und die Überträge (mit dem Startwert ) sukzessive durch

und

Die Dezimaldarstellung der Summe ist (wobei sein kann). Es gilt stets

Warum ist dieser Algorithmus richtig, warum liefert er das korrekte Ergebnis? Die Gewöhnung an dieses Verfahren verleitet dazu, diese Frage nicht ernst zu nehmen bzw. nicht zu verstehen. Das eben beschriebene schriftliche Addieren ist nicht die Definition der Addition, sondern eine algorithmische Ausführung der Addition in einem bestimmten Beschreibungssystem (nämlich dem Dezimalsystem) für die natürlichen Zahlen.

Der Ausgangspunkt der Addition der natürlichen Zahlen liegt in der disjunkten Vereinigung von endlichen Mengen, wir haben die Addition über die Nachfolgerabbildung eingeführt und bereits in Satz 8.13 gezeigt, dass sie mit dem Vereinigungskonzept übereinstimmt. Warum stimmt auch das schriftliche Addieren damit überein? Konkret: Man hat zwei Mengen und an Äpfeln und bestimmt für beide Mengen ihre Anzahl im Zehnersystem: diese seien und . Dann schüttet man die Mengen zusammen, erhält die Menge und bestimmt für diese Menge die Anzahl im Zehnersystem: diese sei . Warum kommt, wenn man die Zahlen und im Zehnersystem schriftlich addiert, ausgerechnet heraus?

Die zwei Zahlen seien als und gegeben, wobei die Ziffern alle zwischen und seien. Es sei und wir können sogar annehmen, dass ist, indem wir fehlende Ziffern in der zweiten Dezimalentwicklung durch Nullen auffüllen. Dann ist

Dies beruht auf dem Assoziativgesetz der Addition und dem Distributivgesetz. Achtung! Dieses Ergebnis ist nicht in der Dezimaldarstellung, da die vor den Zehnerpotenzen stehenden Zahlen nicht unbedingt kleiner als sein müssen. Man kann an dieser Stelle Bemerkung 14.5 anwenden und zu den „größeren“ Ziffern nach oben schaufeln. Dies ist aber nicht das Verfahren des schriftlichen Addierens.  

Der folgende Beweis verwendet ein Invarianzprinzip. Ein Algorithmus besteht typischerweise aus vielen Einzelschritten, wodurch man leicht die Übersicht verlieren kann. Beim Invarianzprinzip schaut man, was sich bei den Einzelschritten nicht ändert, sondern konstant (invariant) ist. Eine solche Invariante ändert sich im Algorithmus überhaupt nicht.


Das schriftliche Addieren im Zehnersystem ist korrekt.

Die beiden Zahlen seien

wobei wir eventuell auch vordere Nullen erlauben. Wir beweisen ein schrittweises Invarianzprinzip des schriftlichen Addierens, nämlich, dass nach dem -ten Schritt[2] (), wenn die hinteren Ziffern und die Übertragsziffern schon berechnet sind, dass dann die jeweilige Summe

konstant ist (also nicht von abhängt), und zwar gleich [3] Diese Summen beschreiben eine Momentaufnahme des Algorithmus zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dabei bedeutet der Schritt , dass noch keine Rechnung durchgeführt wurde. Am Anfang, bei , sind die beiden hinteren Summanden nicht vorhanden und vorne stehen und komplett, die Summe ist also . Die Konstanz der Summen beweisen wir durch Induktion nach , wobei wir den Fall

soeben behandelt haben. Sei nun die Konstanz

bereits bewiesen, und wir verarbeiten die -Stelle. Gemäß dem Algorithmus addiert man

und schreibt dies als

mit Somit ist

Wenn man in der Summe die linke Seite der vorstehenden Gleichung durch die rechte Seite ersetzt, so erhält man gerade , was die Gleichheit zeigt. Wenn man hinreichend groß nimmt, hat man und verbraucht und die Summe besteht dann allein aus der durch die Ziffern gebildeten Zahl. Dies stimmt also mit der Summe überein.



Wir wollen berechnen und schreiben

Nach dem ersten Rechenschritt haben wir

Der Punkt im Beweis zu Satz 15.5 ist, dass man die hintersten Ziffern der beiden Summanden vergessen kann, die volle Information ist in der Endziffer und dem Übertrag bewahrt, was sich dahingehend niederschlägt, dass

gleich der Ausgangssumme ist. Diese Eigenschaft weiß man unabhängig davon, dass diese Summe noch gar nicht explizit ausgerechnet wurde. Es spricht also einiges dafür, dass man im Additionsalgorithmus die abgearbeiteten oberen hinteren Ziffern wegstreicht (für das Überprüfen der Rechnung ist das aber keine gute Idee). Im nächsten Rechenschritt rechnet man

und man gelangt zu

Die Invarianz zeigt sich in der Summe

Im dritten Schritt rechnet man

und man gelangt zu

Die oberen Summanden kann man jetzt vollständig vergessen, das Endergebnis steht unten.


Die Korrektheit des schriftlichen Addierens überträgt sich auf die Addition mehrerer Summanden in der Dezimaldarstellung. Man summiert wieder ziffernweise und schreibt die letzte Ziffer der Summe an der entsprechenden Stelle hin, ebenso den Übertrag. Dieser kann jetzt allerdings (ab zwölf Summanden) sogar größergleich sein, in diesem Fall muss man die Zehnerziffer wie zuvor um eins nach links schreiben und die Hunderterstelle um zwei nach links. Grundsätzlich kann man auch eine Summe mit beliebig vielen Summanden dadurch errechnen, dass man je zwei Summanden zusammenaddiert und somit die Anzahl der Summanden sukzessive verringert, doch ist das viel komplizierter.



Fußnoten
  1. Man könnte auch vom algorithmischen Addieren sprechen. Die Gültigkeit dieses Algorithmus besteht unabhängig von der schriftlichen Durchführung. Den Algorithmus im Kopf allein anzuwenden ist schwierig, weil die menschliche Speicherkapazität für solche Operationen bescheiden ist. Unter halbschriftlichem Rechnen versteht man übrigens Verfahren, bei denen die Rechnungen zwar durch schriftliche Notizen unterstützt werden, aber ohne dass ein Algorithmus systematisch durchlauft wird.
  2. Diese Nummerierung ist hier sinnvoll, bezieht sich auf die Situation, wo noch gar nichts passiert ist, und bezieht sich auf die Rechnung an der Einerziffer.
  3. Gemeint ist hier die „wahre Summe“ im Sinne der Definition, ein Einwand wie „hier wird was verwendet, worüber wir doch erst eine Aussage machen wollen“ greift ins Leere.


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