Zu einem Körper
wie
oder
und einer fixierten Variablen
kann man sich fragen, welche Terme man mit dieser Variablen über diesem Körper „basteln“ kann. Dazu gehören
-
wobei wir Potenzschreibweise verwendet und einige Klammern weggelassen haben. Als Terme sind
und
verschieden. Bei jeder Interpretation von
in einem Ring sind diese Ausdrücke aber gleich. Der Polynomring besteht aus genau diesen Termen, wobei allerdings Terme miteinander identifiziert werden, wenn sich dies aus den Rechenregeln für einen kommutativen Ring ergibt.
- Der Polynomring über einem Körper
Dabei nennt man
die Variable des Polynomrings. Ein Polynom
ist formal gesehen nichts anderes als das Tupel
, die die Koeffizienten des Polynoms heißen. Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn sie in allen ihren Koeffizienten übereinstimmen. Der Körper
heißt in diesem Zusammenhang der Grundkörper des Polynomrings. Aufgrund der komponentenweisen Definition der Addition liegt unmittelbar eine Gruppe vor, mit dem Nullpolynom
(bei dem alle Koeffizienten
sind)
als neutralem Element. Die Polynome mit
für alle
heißen konstante Polynome, man schreibt sie einfach als
.
Die für ein einfaches Tupel zunächst ungewöhnliche Schreibweise deutet in suggestiver Weise an, wie die Multiplikation aussehen soll, das Produkt
ist nämlich durch die Addition der Exponenten, also
,
gegeben. Für beliebige Polynome ergibt sich die Multiplikation aus dieser einfachen Multiplikationsbedingung durch distributive Fortsetzung gemäß der Vorschrift, „alles mit allem“ zu multiplizieren. Die Multiplikation ist also explizit durch folgende Regel gegeben:[1]
-
Beispielsweise ist
-

Lediglich die Gültigkeit des Assoziativgesetzes für die Multiplikation und des Distributivgesetzes sind nicht unmittelbar klar. Zum Nachweis dieser Eigenschaften schreiben wir abkürzend die beteiligten Polynome als
-
Mit diesen Bezeichnungen ist

woraus wegen der Symmetrie des Ausdrucks die Assoziativität ablesbar ist. Ferner ist

was die Distributivität bedeutet.

Der Polynomring ist kein Körper, beispielsweise gibt es zur Variablen
kein inverses Element.
Das Nullpolynom bekommt keinen Grad. Der Koeffizient
, der zum Grad
des Polynoms gehört, heißt Leitkoeffizient des Polynoms. Der Ausdruck
heißt Leitterm. Ein Polynom mit Leitkoeffizient
heißt normiert.
Es sei
ein
Körper
und
Polynome über
.
Dann gelten für den
Grad
folgende Aussagen.
- Es ist
.
- Es ist
.
Es seien
-

und
-

mit
,
also
und
.
Bei
ist
der Grad der Summe, bei
ist bei
dies auch der Grad des Summenpolynoms, im andern Fall wird der Grad kleiner
(die Summe kann
sein, dann ist die Aussage als erfüllt zu interpretieren).
Wegen
Lemma 23.12
ist
und somit ist
der Leitterm des Produktpolynoms
, dessen Grad somit gleich
ist.

Polynome vom Grad
sind die konstanten Polynome, Polynome vom Grad
nennt man auch lineare Polynome.
- Quadratische Polynome
Ein Polynom vom Grad zwei nennt man auch ein quadratisches Polynom. Wir schreiben es in der Form
-
Wenn
ist, so fällt der vordere Term weg und es liegt ein lineares, kein quadratisches Polynom vor. Wenn
ist, so spricht man von einem rein-quadratischen Polynom.
Es sei ein quadratisches Polynom über
gegeben. Wir interessieren uns für die Frage, ob das Polynom Nullstellen[2]
besitzt und wie diese zu ermitteln sind. Es geht also um Lösungen einer Gleichung der Form
-

Dabei sind
vorgegeben mit
und gesucht ist
derart, dass wenn man die Zahl
für die Variable
einsetzt, sich der Wert
ergibt. Wenn
ist, also eine Gleichung der Form
-

vorliegt, so geht es einfach um das ziehen einer Quadratwurzel. Die Gleichung ist ja äquivalent zu
-

Wenn die Zahl rechts negativ ist, so gibt es keine Lösung. Wenn die Zahl rechts
ist
(was bei
der Fall ist),
so gibt es die einzige Lösung
. Wenn die Zahl rechts positiv ist, so gibt es zwei Lösungen, nämlich
. In einem beliebigen Körper geht es um die Frage, ob
eine Quadratwurzel besitzt oder nicht.
Für die Gleichung
-

wo also
ist, kann man sofort die Lösungen angeben, nämlich
und
.
Für die allgemeine quadratische Gleichung
-

gibt es einen wichtigen Trick, sie auf eine rein-quadratische Form zurückzuführen und sie damit durch Wurzelziehen zu lösen, das sogenannte quadratische Ergänzen. Zunächst dividiert man durch
und erhält die äquivalente Gleichung
-

Das nennt man auch eine normierte Gleichung, da links ein normiertes Polynom steht. Wir schreiben diese Gleichung mit
-

und
-

als
-

Dieses Polynom schreiben wir nun scheinbar komplizierter als
-

Durch Ausmultiplizieren der rechten Seite mit Hilfe der ersten binomischen Formel sieht man, dass die Terme links und rechts übereinstimmen. Der Gewinn ist dabei, dass
eine „verschobene Variable“ ist, die wie eine Variable behandelt werden kann, und dass
eine reelle Zahl ist. Es liegt also im Wesentlichen eine rein-quadratische Gleichung vor. Mit einer Umstellung erhält man
-

und somit
-

vorausgesetzt, dass der Ausdruck unter dem Wurzelzeichen nichtnegativ ist. Als Lösung erhält man dann
-

Es sei
-

eine reelle quadratische Gleichung.
Dann gilt folgendes Lösungsverhalten.[3]
- Bei
-

gibt es keine reelle Lösung.
- Bei
-

gibt es die eine Lösung
-

- Bei
-

gibt es die beiden Lösungen
-

Die Lösung in (2) ist ein Spezialfall von (3), in dem die beiden Lösungen zusammenfallen. Wir zeigen explizit, dass in der Tat Lösungen vorliegen. Es ist

Da eine quadratische Gleichung nur maximal zwei Lösungen besitzt, sind wir im dritten Fall fertig.
Im Allgemeinen schreiben wir

Der rechte Term ist bei
-

stets positiv und so hat das Polynom in diesem Fall keine Nullstelle, bei
-

hat es genau die eine angegebene Nullstelle.

Diese Lösungsformel heißt auch Mitternachtsformel. Wenn man zuerst durch
durchdividiert und die quadratische Gleichung in der Form
-

vorliegt, so vereinfachen sich die Lösungen zu
-

Dazu sagt man auch p-q-Formel. Diese Formeln gelten in jedem Körper, in dem
ist. Die Lösbarkeit hängt dann allein davon ab, ob die Diskriminante
eine Quadratwurzel besitzt oder nicht.
Der folgende Satz von Vieta ermöglicht eine sinnvolle Probe für das Ergebnis. Wenn man weiß, dass es ganzzahlige Lösungen geben muss, kann man damit auch häufig die Lösungen der quadratischen Gleichung erraten.
Es sei eine quadratische Gleichung in der Form
-

gegeben und es seien
und
die Lösungen.
Dann gilt
-

und
-

Aufgrund von
Satz 49.5
ist
-

und
-

Daher ist

und


Von dieser Aussage gilt auch die Umkehrung, siehe
Aufgabe 49.25.
Wenn man beispielsweise die Zusatzinformation kennt, dass
-

ganzzahlige Lösungen besitzt, so kommen dafür nur die Teiler von
in Frage, und in der Tat sind
und
die beiden Lösungen.
- Fußnoten
- ↑ Wobei wir natürlich, wie auch bei der Addition oder dem Vergleichen von Polynomen verschiedener Grade, die Polynome für
bzw.
mit den Koeffizienten
bzw.
ergänzen können.
- ↑ Dieses Konzept werden wir in der nächsten Vorlesung allgemeiner besprechen.
- ↑ Den Ausdruck
nennt man auch die Diskriminante der quadratischen Gleichung.