Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 32/latex

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\setcounter{section}{32}






\zwischenueberschrift{Die klassischen Gruppen über ${\mathbb C}$ }

Wir möchten zeigen, dass über den komplexen Zahlen die klassischen linearen Gruppen linear reduktiv sind. Dies stimmt nicht in positiver Charakteristik, so dass man dafür keinen algebraischen Beweis erwarten kann. Im Gegenteil benutzt der Beweis maßtheoretische Methoden, die wir aber nicht vollständig vorstellen können.




\inputfaktbeweis
{Lineare Gruppe/gW in W/Zariski-Abgeschlossen/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} $K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{.} Es sei $G$ eine \definitionsverweis {affin-algebraische Gruppe}{}{,} die auf $V$ $K$-\definitionsverweis {rational}{}{} \definitionsverweis {operiere}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Für einen Vektor
\mathl{v \in V}{} und einen $K$-\definitionsverweis {Untervektorraum}{}{}
\mathl{U\subseteq V}{} ist
\mathdisp {{ \left\{ g \in G \mid g(v) \in U \right\} } \subseteq G} { }
\definitionsverweis {Zariski-abgeschlossen}{}{.} } {Zu einem $K$-Untervektorraum
\mathl{U\subseteq V}{} ist
\mathdisp {H= { \left\{ g \in G \mid g(U) \subseteq U \right\} } \subseteq G} { }
eine \definitionsverweis {Zariski-abgeschlossene}{}{} Untergruppe von $G$ \zusatzklammer {also selbst eine \definitionsverweis {lineare Gruppe}{}{}} {} {.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{(1). Die Operation \maabbdisp {} {G \times V} {V } {} ist nach Voraussetzung ein $K$-\definitionsverweis {Morphismus}{}{} und somit ist insbesondere zu jedem
\mathl{v \in V}{} die induzierte Abbildung \maabbeledisp {\phi_v} {G} {V } {g} {g(v) } {,} ein Morphismus \zusatzklammer {$\phi_v$ ist die Hintereinanderschaltung von \maabbele {} {G } {G \times V } {g} { (g,v) } {,} mit der Operationsabbildung} {} {.} Da
\mathl{U \subseteq V}{} \definitionsverweis {Zariski-abgeschlossen}{}{} ist, ist auch das Urbild
\mathl{\phi_v^{-1}(U)}{} abgeschlossen.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{(2). Offenbar ist $H$ eine Untergruppe von $G$. Es sei
\mathl{v_1 , \ldots , v_r}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $U$. Die Bedingung
\mathl{g(U) \subseteq U}{} ist äquivalent zu
\mathl{g(v_i) \in U}{} für
\mathl{i=1 , \ldots , r}{.} Daher ist $H$ der Durchschnitt von endlich vielen \zusatzklammer {nach (1)} {} {} Zariski-abgeschlossenen Mengen und somit selbst abgeschlossen.}
{}

}


Wir möchten zeigen, dass die linearen Gruppen
\mathl{\operatorname{GL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) }}{} und
\mathl{\operatorname{SL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) }}{} über den komplexen Zahlen \definitionsverweis {linear reduktiv}{}{} sind. Dazu brauchen wir einige analytische Hilfsmittel \zusatzklammer {die Aussage gilt nicht in positiver Charakteristik} {} {,} und zwar die Existenz des \stichwort {Haarschen Maßes} {.} Dazu zitieren wir den folgenden maßtheoretischen Satz.


\inputfakt{Kompakte Gruppe/Haarsches Maß/Existenz und Eindeutigkeit/Fakt}{Satz}{} {

\faktsituation {Auf einer \definitionsverweis {kompakten}{}{} \definitionsverweis {topologischen Gruppe}{}{} $G$}
\faktfolgerung {existiert ein \definitionsverweis {Maß}{}{} $\mu$ \zusatzklammer {auf der $\sigma$-\definitionsverweis {Algebra}{}{} der \definitionsverweis {Borelmengen}{}{}} {} {} mit den beiden folgenden Eigenschaften. \aufzaehlungzwei {
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu (T) }
{ = }{ \mu(g(T)) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für jede \definitionsverweis {messbare Menge}{}{}
\mathl{T \subseteq G}{.} } {Es ist
\mathl{\mu(G)=1}{.} }}
\faktzusatz {Das Maß ist durch diese beiden Eigenschaften eindeutig bestimmt.}
\faktzusatz {}

} Diese Eigenschaften heißen \stichwort {Translationsinvarianz} {} und \stichwort {Normierung} {.} Das Maß, dass gemäß diesem Satz in einer kompakten Gruppe existiert, heißt \stichwort {Haarsches Maß} {.}




\inputbeispiel{}
{

Auf der $1$-Sphäre $S^1$ lässt sich das Haarsche Maß einfach direkt definieren. Für einen Kreisbogen
\mathl{A \subseteq S^1}{} zu einem Winkel $\alpha$ im Bogenmaß muss natürlich
\mathl{\mu(A)= \alpha/2 \pi}{} sein. Das Haarsche Maß ist also das
\mathl{1/2\pi}{-}fache des Bogenmaßes. Dieser Ansatz liefert nicht nur ein Maß für zusammenhängende Teilbögen, sondern für jede Borelmenge, indem man von der messbaren Bijektion \maabbeledisp {\varphi} {[0,2 \pi)} {S^1 } {t} { ( \cos t, \sin t ) } {,} ausgeht und für eine Borelmenge
\mathl{B \subseteq S^1}{} das Haarsche Maß durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(B) }
{ =} { { \frac{ \lambda ( \varphi^{-1}(B)) }{ 2 \pi } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definiert, wobei $\lambda$ das eindimensionale \definitionsverweis {Borel-Lebesgue-Maß}{}{} bezeichnet.


}

Die Existenz des Haarschen Maßes bedeutet insbesondere, dass über $G$ eine sinnvolle Integrationstheorie möglich ist. D.h. für \definitionsverweis {stetige Funktionen}{}{} \maabbdisp {f} {G} {{\mathbb C} } {} ist das Integral
\mathdisp {\int_G f d \mu} { }
definiert. Die Translationsinvarianz führt zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_G f d \mu }
{ =} { \int_G f \lambda_h d \mu }
{ =} { \int_G f \rho_h d \mu }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jedes Gruppenelement
\mathl{h \in G}{,} aufgefasst als Links- oder als Rechtsmultiplikation \maabb {\lambda_h, \rho_h} { G} {G } {.} Mit der Existenz des Haarschen Maßes kann man auch stetige Abbildungen von $G$ in einen endlichdimensionalen $\R$-Vektorraum integrieren.





\inputfaktbeweis
{Kompakte Gruppe/Vollständig reduzibel/Hurwitz Schur/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $G$ eine \definitionsverweis {kompakte Gruppe}{}{} und \maabbdisp {\rho} {G} { \operatorname{GL}_{ } { \left( V \right) } } {} eine \definitionsverweis {stetige Darstellung}{}{} auf dem endlichdimensionalen ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} $V$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine direkte Zerlegung von $V$ in \definitionsverweis {irreduzible Darstellungen}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir zeigen, dass ein $G$-\definitionsverweis {Untervektorraum}{}{}
\mathl{U \subseteq V}{} ein $G$-\definitionsverweis {Komplement}{}{} besitzt, daraus folgt die Aussage wie Satz 30.7 aus Lemma 30.6. Auch der Beweis ist analog zu Satz 30.7. Es sei \maabbdisp {\pi} {V} {U } {} eine \definitionsverweis {lineare Projektion}{}{} von $V$ auf $U$. Zu
\mathl{v \in V}{} ist die Abbildung \maabbeledisp {} {G} {V } {g} {g ( \pi ( g^{-1} ( v)) ) } {,} \definitionsverweis {stetig}{}{.} Wir definieren
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \psi(v) }
{ =} { \int_G g ( \pi ( g^{-1} (v)) ) d \mu }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Aufgrund der Linearität von $g$ und der Linearität des Integrals ist $\psi$ eine lineare Abbildung, deren Bild in $U$ liegt, da dies für $\pi$ gilt und da $U$ $G$-\definitionsverweis {invariant}{}{} ist. Für
\mathl{u \in U}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \psi(u) }
{ =} { \int_G g ( \pi ( g^{-1} (u)) ) d \mu }
{ =} { \int_G g ( g^{-1} (u)) d \mu }
{ =} {\int_G u d \mu }
{ =} { u }
} {}{}{.} Also ist $\psi$ ebenfalls eine lineare Projektion von $V$ auf $U$. Für beliebige
\mathl{h \in G}{} und
\mathl{v \in V}{} ist aufgrund der Translationsinvarianz
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \psi(h v) }
{ =} { \int_G g ( \pi ( g^{-1} (h v)) ) d \mu }
{ =} { \int_G (hg) ( \pi ( (hg)^{-1} (h v)) ) d \mu }
{ =} { \int_G h { \left( g ( \pi ( g^{-1} ( v)) ) \right) } d\mu }
{ =} { h { \left( \int_G g ( \pi ( g^{-1} ( v)) ) d\mu \right) } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { h \psi(v) }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
} {}{,} so dass $\psi$ mit der Gruppenoperation \definitionsverweis {verträglich}{}{} ist. Also ist
\mathl{\operatorname{kern} \psi}{} nach Lemma 30.5 ein $G$-invarianter Untervektorraum und somit ein $G$-\definitionsverweis {Komplement}{}{} von $U$.

}


Der Satz von Maschke ist ein Spezialfall des vorstehenden Satzes, da man eine endliche Gruppe mit der \definitionsverweis {diskreten Topologie}{}{} versehen und zu einer kompakten Gruppe machen kann. Das Haarsche Maß ist dabei einfach das \definitionsverweis {normierte Zählmaß}{}{.}





\inputfaktbeweis
{Lineare Gruppe/C/Kompakte Untergruppe Zariski dicht/Linear reduktiv/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $G$ eine \definitionsverweis {affin-algebraische Gruppe}{}{} über ${\mathbb C}$ derart,}
\faktvoraussetzung {dass es eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {Untergruppe}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K }
{ \subseteq }{ G }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt, deren \definitionsverweis {Zariski-Abschluss}{}{} gleich $G$ ist.}
\faktfolgerung {Dann ist $G$ \definitionsverweis {linear reduktiv}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir zeigen, dass es zu jeder ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {rationalen Darstellung}{}{} \maabbdisp {\rho} {G} { \operatorname{GL}_{ } { \left( V \right) } } {} auf einem ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{} $V$ und einem $G$-\definitionsverweis {Untervektorraum}{}{}
\mathl{U \subseteq V}{} ein $G$-\definitionsverweis {Komplement}{}{} gibt. Die induzierte Darstellung \maabbdisp {\rho} {K} { \operatorname{GL}_{ } { \left( V \right) } } {} ist \definitionsverweis {stetig}{}{.} Daher gibt es nach Satz 32.4 ein $K$-Komplement
\mathl{W \subseteq V}{.} Wir betrachten
\mathdisp {H \defeq { \left\{ g \in G \mid g(W) = W \right\} }} { . }
Dies ist eine Untergruppe von $G$, die $K$ umfasst. Nach Lemma 32.1 ist $H$ \definitionsverweis {Zariski-abgeschlossen}{}{} und daher gleich $G$.

}


Die linearen Gruppen
\mathdisp {\operatorname{GL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{SL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{O}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{SO}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{Sp}_{ n } \! \, { \left( {\mathbb C} \right) }} { }
nennt man auch die \stichwort {klassischen Gruppen} {.}


\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $E_n$ die \definitionsverweis {Einheitsmatrix}{}{} der Länge $n$. Eine Matrix
\mathl{M \in \operatorname{GL}_{ n } \! { \left( K \right) }}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { M^{ \text{tr} } } M }
{ =} { E_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} heißt \definitionswort {orthogonale Matrix}{.} Die Menge aller orthogonalen Matrizen heißt \definitionswort {orthogonale Gruppe}{,} sie wird mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{O}_{ n } \! { \left( K \right) } }
{ =} { { \left\{ M \in \operatorname{GL}_{ n } \! { \left( K \right) } \mid { M^{ \text{tr} } } M = E_n \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bezeichnet.

}

Man beachte, dass dies bei
\mathl{K={\mathbb C}}{} nicht die unitäre Gruppe ist. Die Gruppe, die aus allen speziellen orthogonalen Matrizen besteht, also die Determinante $1$ besitzen, heißt \stichwort {spezielle orthogonale Gruppe} {.}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mathl{I_m= \begin{pmatrix} 0 & -E_m \\ E_m & 0 \end{pmatrix} \in \operatorname{GL}_{ 2m } \! { \left( K \right) }}{,} wobei $E_m$ die \definitionsverweis {Einheitsmatrix}{}{} der Länge $m$ ist. Eine Matrix
\mathl{S \in \operatorname{GL}_{ 2m } \! { \left( K \right) }}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { S^{ \text{tr} } } I_m S }
{ =} { I_m }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} heißt \definitionswort {symplektische Matrix}{.} Die Menge aller symplektischen Matrizen heißt \definitionswort {symplektische Gruppe}{,} sie wird mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Sp}_{ 2m } \! \, { \left( K \right) } }
{ =} { { \left\{ S \in \operatorname{GL}_{ 2m } \! { \left( K \right) } \mid { S^{ \text{tr} } } I_m S = I_m \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bezeichnet.

}

Da die definierenden Bedingungen dieser Gruppen ein System aus algebraischen Gleichungen bilden, sind diese Gruppen affin-algebraisch, es handelt sich also um \definitionsverweis {lineare Gruppen}{}{.}





\inputfaktbeweis
{Klassische lineare Gruppe/C/Kompakte Untergruppe Zariski dicht/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {klassischen Gruppen}{}{}
\mathdisp {\operatorname{GL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{SL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{O}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{SO}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{Sp}_{ n } \! \, { \left( {\mathbb C} \right) }} { }
}
\faktfolgerung {besitzen \definitionsverweis {Zariski-dichte}{}{} \definitionsverweis {kompakte Untergruppen}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir skizzieren einen Beweis für die allgemeine lineare Gruppe
\mathl{\operatorname{GL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) }}{.} Sie enthält die \definitionsverweis {unitäre Gruppe}{}{}
\mathl{\operatorname{U}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) }}{} als Untergruppe, die nach Aufgabe 32.2 \definitionsverweis {kompakt}{}{} ist. Für
\mathl{n=1}{} ist beispielsweise
\mathl{\operatorname{GL}_{ 1 } \! { \left( {\mathbb C} \right) } \cong {\mathbb C}^{\times}}{} und
\mathl{\operatorname{U}_{ 1 } \! { \left( {\mathbb C} \right) } \cong S^1}{,} die $S^1$ ist eine kompakte Gruppe, deren Zariski-Abschluss ganz ${\mathbb C}^{\times}$ ist, da ein Polynom, das auf $S^1$ verschwindet, das Nullpolynom sein muss. Bei größerem $n$ ist die Argumentation deutlich komplizierter.

Wir benutzen die Exponentialabbildung für Matrizen, also die Abbildung \maabbeledisp {\exp} { \operatorname{Mat}_{ n } ({\mathbb C})} { \operatorname{GL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } } {A} { \exp A \defeq \sum_{k = 0}^\infty { \frac{ 1 }{ k! } } A^k = E_n + A+ { \frac{ 1 }{ 2 } } A^2 + { \frac{ 1 }{ 6 } } A^3 + \ldots } {.} Dabei bedeutet $A^n$ die $n$-te Potenz der Matrix bezüglich der Matrizenmultiplikation. Man kann zeigen, dass die definierende Reihe gegen eine invertierbare Matrix konvergiert, so dass die Abbildung wohldefiniert ist und dass sie analytisch ist, also in jeder Koordinaten durch eine Potenzreihe in $n^2$ vielen komplexen Variablen gegeben ist. Insbesondere ist die Abbildung komplex-differenzierbar. Ferner ist die Exponentialabbildung surjektiv.

Wir betrachten nun den Untervektorraum der \definitionsverweis {schiefhermiteschen Matrizen}{}{,} das sind diejenigen Matrizen
\mathl{A=(w_{jk})_{1 \leq j,k \leq n}}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w_{kj} }
{ = }{ - \overline{ w_{jk} } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Das sind diejenigen Matrizen, die für beliebige Vektoren
\mathl{x,y\in {\mathbb C}}{} die Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle Ax , y \right\rangle }
{ =} { - \left\langle x , Ay \right\rangle }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für das \definitionsverweis {Standardskalarprodukt}{}{} erfüllen. Wir behaupten, dass die schiefhermiteschen Matrizen unter der Exponentialabbildung auf unitäre Matrizen abgebildet werden. Es sei also $A$ eine schiefhermitesche Matrix. Aufgrund der eben formulierten Eigenschaft gilt für eine beliebige quadratische Matrix $B$ und Vektoren
\mathl{u,v \in {\mathbb C}^n}{} die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle A Bu , Bv \right\rangle }
{ =} { - \left\langle Bu , ABv \right\rangle }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für
\mathl{B= \exp \left( tA \right)}{} mit einem beliebigen \zusatzklammer {reellen oder komplexen Parameter} {} {} $t$ ergibt dies
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \left\langle A \exp \left( tA \right) u , \exp \left( tA \right)v \right\rangle + \left\langle \exp \left( tA \right) u , A \exp \left( tA \right) v \right\rangle }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dieser Ausdruck ist aber die \definitionsverweis {Ableitung}{}{} der Abbildung \maabbeledisp {} {\R} { {\mathbb C} } {t} { \left\langle \exp \left( tA \right) u , \exp \left( tA \right) v \right\rangle } {,} was man sieht, wenn man diese Abbildung als Hintereinanderschaltung
\mathdisp {\R \longrightarrow \operatorname{Mat}_{ n } ({\mathbb C}) \longrightarrow {\mathbb C}^n \times {\mathbb C}^n \longrightarrow {\mathbb C}} { }
mit
\mathdisp {t \longmapsto \exp \left( tA \right),\, C \longmapsto (Cu,Cv),\, \text{ und } (w,z) \longmapsto \left\langle w , z \right\rangle} { }
schreibt. Daher ist
\mathl{\left\langle \exp \left( tA \right) u , \exp \left( tA \right) v \right\rangle}{} unabhängig von $t$ und somit gleich
\mathl{\left\langle u , v \right\rangle}{,} da dies der Wert für
\mathl{t=0}{} ist. Also ist
\mathl{\exp \left( tA \right)}{} eine Isometrie für jedes $t$ und insbesondere ist
\mathl{\exp \left( A \right)}{} eine Isometrie, also eine unitäre Matrix.

Wir müssen jetzt zeigen, dass der Zariski-Abschluss der unitären Gruppe gleich der allgemeinen lineare Gruppe ist. Dazu sei
\mathl{f \in {\mathbb C}[X_{ij}]}{} ein Polynom in $n^2$ Variablen, das auf der unitären Gruppe verschwindet. Es ist
\mathl{f=0}{} zu zeigen. Wir betrachten die Verknüpfung
\mathl{g= f \circ \exp}{,} die eine holomorphe Funktion auf
\mathl{\operatorname{Mat}_{ n } ({\mathbb C}) \cong {\mathbb C}^{n^2}}{} ist. Wegen der erwähnten Surjektivität der Exponentialfunktion genügt es zu zeigen, dass
\mathl{g = 0}{} ist. Nach der Vorüberlegung verschwindet $g$ auf dem reellen Untervektorraum der schiefhermiteschen Matrizen. Daher verschwindet auch die Ableitung
\mathl{g'(P)}{} auf diesem Untervektorraum für jeden Punkt $P$. Wir betrachten daher zuerst den Fall einer komplexen Linearform $L$ auf
\mathl{\operatorname{Mat}_{ n } ({\mathbb C})}{,} die auf den schiefhermiteschen Matrizen verschwindet. Wir ersetzen die Variablen
\mathl{W_{ij}}{} von
\mathl{\operatorname{Mat}_{ n } ({\mathbb C})}{} durch
\mathl{W_{jj}, W_{jk}- W_{kj}, W_{jk} + W_{kj}}{} \zusatzklammer {\mathlk{j\neq k}{}} {} {.} Die Bedingung schiefhermitesch bedeutet in diesen Variablen, dass die Imaginärteile von
\mathl{W_{jk}- W_{kj}}{} und dass die Realteile von
\mathl{W_{jj}, W_{jk} +W_{kj}}{} gleich $0$ sind. Der \definitionsverweis {Kern}{}{} von $L$ enthält also zu jedem Element $u$ der transformierten Basis eine volle reelle Gerade $\R u$ und damit muss überhaupt $u$ zum Kern gehören, d.h.
\mathl{L=0}{.} Dies bedeutet wiederum, dass
\mathl{g'(P)=0}{} und daher ist $g$ konstant, also
\mathl{g=0}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Klassische lineare Gruppe/C/Linear reduktiv/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {klassischen Gruppen}{}{}
\mathdisp {\operatorname{GL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{SL}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{O}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{SO}_{ n } \! { \left( {\mathbb C} \right) } ,\, \operatorname{Sp}_{ n } \! \, { \left( {\mathbb C} \right) }} { }
}
\faktfolgerung {sind \definitionsverweis {linear reduktiv}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Satz 32.8 und aus Lemma 32.5.

}



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