Vektorraum/Einführung/Textabschnitt

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Die Addition von zwei Pfeilen und , ein typisches Beispiel für Vektoren.

Der zentrale Begriff der linearen Algebra ist der Vektorraum.


Definition  

Es sei ein Körper und eine Menge mit einem ausgezeichneten Element und mit zwei Abbildungen

und

Dann nennt man einen -Vektorraum (oder einen Vektorraum über ), wenn die folgenden Axiome erfüllt sind[1] (dabei seien und beliebig) [2]

  1. ,
  2. ,
  3. ,
  4. Zu jedem gibt es ein mit ,
  5. ,
  6. ,
  7. ,
  8. .

Die Verknüpfung in nennt man (Vektor)-Addition und die Operation nennt man Skalarmultiplikation. Die Elemente in einem Vektorraum nennt man Vektoren, und die Elemente heißen Skalare. Das Nullelement wird auch als Nullvektor bezeichnet, und zu heißt das inverse Element das Negative zu und wird mit bezeichnet. Wie in Ringen gilt wieder Punktrechnung vor Strichrechnung, d.h. die Skalarmultiplikation bindet stärker als die Vektoraddition.

Den Körper, der im Vektorraumbegriff vorausgesetzt ist, nennt man auch den Grundkörper. Alle Begriffe der linearen Algebra beziehen sich auf einen solchen Grundkörper, er darf also nie vergessen werden, auch wenn er manchmal nicht explizit aufgeführt wird. Bei spricht man von reellen Vektorräumen und bei von komplexen Vektorräumen. Bei reellen und komplexen Vektorräumen gibt es zusätzliche Strukturen wie Längen, Winkel, Skalarprodukt. Zunächst entwickeln wir aber die algebraische Theorie der Vektorräume über einem beliebigen Körper.



Beispiel  

Es sei ein Körper und . Dann ist die Produktmenge

mit der komponentenweisen Addition und der durch

definierten Skalarmultiplikation ein Vektorraum. Man nennt ihn den -dimensionalen Standardraum. Insbesondere ist selbst ein Vektorraum.


Der Nullraum , der aus dem einzigen Element besteht, ist ebenfalls ein Vektorraum. Man kann ihn auch als auffassen.

Die Vektoren im Standardraum kann man als Zeilenvektoren

oder als Spaltenvektoren

schreiben. Der Vektor

wobei die an der -ten Stelle steht, heißt -ter Standardvektor.


Beispiel  

Es sei eine „Ebene“ mit einem fixierten „Ursprungspunkt“ . Wir identifizieren einen Punkt mit dem Verbindungsvektor . In dieser Situation kann man ein anschauliche koordinatenfreie Vektoraddition und eine koordinatenfreie Skalarmultiplikation einführen. Zwei Vektoren und werden miteinander addiert, indem man das Parallelogramm zu diesen beiden Vektoren konstruiert. Das Ergebnis der Addition ist die Ecke des Parallelogramms, das gegenüberliegt. Bei der Konstruktion muss man die zu parallele Gerade durch und die zu parallele Gerade durch zeichnen. Der Schnittpunkt dieser beiden Geraden ist der gesuchte Punkt. Eine entsprechende Vorstellung ist, dass man den Vektor parallel verschiebt und an „anlegt“, d.h. dass man den Startpunkt des einen Pfeiles an den Endpunkt des anderen anheftet.

Für die Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar muss dieser als ein Punkt auf einer Geraden gegeben sein, auf der darüber hinaus ein Nullpunkt und eine Eins fixiert sind. Wie diese Gerade in der Ebene liegt, ist zunächst gleichgültig. Man bewegt die Gerade (dabei darf man verschieben und auch drehen) so, dass der Nullpunkt auf zu liegen kommt und vermeidet, dass die Gerade deckungsgleich zu der von erzeugten Geraden - nennen wir sie - wird. Nun verbindet man und mit einer Geraden und zeichnet dazu die zu parallele Gerade durch . Der Schnittpunkt von und ist .

Diese Überlegungen kann man auch höherdimensional anstellen, wobei sich allerdings das Wesentliche in der von den beiden beteiligten Vektoren (bzw. Geraden) erzeugten Ebene abspielt.



Beispiel  

Die komplexen Zahlen bilden einen Körper und daher bilden sie einen Vektorraum über sich selbst. Andererseits sind die komplexen Zahlen als additive Struktur gleich . Die Multiplikation einer komplexen Zahl mit einer reellen Zahl geschieht komponentenweise, d.h. diese Multiplikation stimmt mit der skalaren Multiplikation auf überein. Daher sind die komplexen Zahlen auch ein reeller Vektorraum. Unter Verwendung einer späteren Terminologie kann man sagen, dass ein eindimensionaler komplexer Vektorraum ist und dass ein zweidimensionaler reeller Vektorraum ist mit der reellen Basis und .



Beispiel  

Zu einem Körper und gegebenen natürlichen Zahlen bildet die Menge

der -Matrizen mit komponentenweiser Addition und komponentenweiser Skalarmultiplikation einen -Vektorraum. Das Nullelement in diesem Vektorraum ist die Nullmatrix


Polynome werden wir später einführen, sie sind vermutlich aus der Schule bekannt.


Beispiel  

Es sei der Polynomring in einer Variablen über dem Körper , der aus sämtlichen Polynomen, also Ausdrücken der Form

mit besteht. Mit (komponentenweiser) Addition und der ebenfalls komponentenweisen Multiplikation mit einem Skalar (was man auch als die Multiplikation mit dem konstanten Polynom auffassen kann) ist der Polynomring ein -Vektorraum.



Beispiel  

Wir betrachten die Inklusion der rationalen Zahlen in den reellen Zahlen. Mit der reellen Addition und mit der Multiplikation von rationalen Zahlen mit reellen Zahlen ist ein -Vektorraum, wie direkt aus den Körperaxiomen folgt. Dies ist ein ziemlich unübersichtlicher Vektorraum.



Beispiel  

Es sei ein Körper und es sei eine Menge. Wir betrachten die Menge der Funktionen von nach , also

Diese Menge ist mit komponentenweiser Addition, bei der also die Summe von zwei Funktionen und durch

erklärt wird, und mit der durch

definierten Skalarmultiplikation ein Vektorraum.


Bei spricht man auch von dem Folgenraum zu . Bei handelt es sich um den Abbildungsraum (oder Funktionenraum) von nach , also die Menge aller Funktionen von nach .



Lemma

Es sei ein Körper und ein -Vektorraum. Dann gelten die folgenden Eigenschaften (dabei sei und ).

  1. Es ist . [3]
  2. Es ist .
  3. Es ist .
  4. Aus und folgt .

Beweis

Siehe Aufgabe.
  1. Die ersten vier Axiome, die unabhängig von sind, bedeuten, dass eine kommutative Gruppe ist.
  2. Auch für Vektorräume gilt die Klammerkonvention, dass Punktrechnung stärker bindet als Strichrechnung.
  3. Man mache sich hier und im Folgenden klar, wann die in und wann sie in zu verstehen ist.