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Hikayat Faridah Hanom 13 - Übersetzung

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Dreizehntes Kapitel
DIE BÜRDE EINES EHRENHAFTEN LEBENS

Shafik Efendi war weiter in seinem Unterricht mit den Schülern in der Offiziersschule. Nach sechs Monaten erhielt er den Rang eines Second Lieutenant, weil er die Prüfungen in allen militärischen Fächern bestanden hatte. Er trat in die ägyptische Militäreinheit ein, die für den Sudan vorgesehen war, denn zu jener Zeit fand der Krieg von Ägypten und England mit der Derwisch-Schar [Fn.] im Sudan statt. …


Die Zeitungen des Kriegsheeres, die vom ägyptischen Kriegsministerium herausgegeben wurden, waren voll mit schrecklichen Meldungen und Todesanzeigen von Männern, die bei der Verteidigung ihres Heimatlandes gestorben waren. In der letzten Zeit, die Shafik Efendi in der Schule verbrachte, zeigten Nachrichten, die vom Kriegsministerium veröffentlicht wurden, immer wieder die großen Verluste, die die Armee erlitten hatte. Sie riefen große Furcht in der Hauptstadt Ägyptens hervor, denn die Derwische hatten einige schreckliche Morde verübt.

Da es wichtig war, die Kampfkraft dort weiter zu vergrößern, erging der Befehl an die Heereseinheit, die noch in Ägypten war, in den Sudan zu reisen. Shafik Efendi war als Offizier mit dem Rang eines zweiten Leutnants Teil dieses Heeres.

Die Reise begann am Bahnhof von Kairo. Shafik Efendi wurde von seinen Eltern, Verwandten und Freunden begleitet. Obwohl er mit seiner Offiziersuniform wie ein Mond unter den Sternen wirkte, war der Kummer in seinem Herzen größer denn je. Er bewegte sich mit festen, eleganten Schritten, ohne mehr zu sprechen, als es die Sache erforderte. Er schaute die Menschen, die ihn begleiteten, liebevoll und dankbar an, redete ihnen gut zu, und verabschiedete sich von seinen Freunden. Dabei sprach er wie gewohnt sanftmütig, um seine Eltern zu erfreuen und nicht den Eindruck zu erwecken, als ob er wegen dieser Reise irgendetwas bereuen oder sich sorgen würde, wie seine Kameraden, die mit ihm reisten und…


sich von Zeit zu Zeit die Tränen abwischten. Als das erste Bahnhofssignal ertönte, das signalisierte, dass der Zug in fünf Minuten abfahren würde, küsste Shafik Efendi die Hände seiner Eltern und schüttelte allen seinen Verwandten und Freunden die Hände. Talaat Bey und seine Frau hielten es nicht mehr aus und brachen in Schluchzen aus. Dann hielten es auch die Verwandten und Freunde Shafik Efendis nicht mehr aus und weinten mit. Und während alle so weinten, ertönte das zweite Signal, und die königliche Blaskapelle spielte ein Lied zum Abschied der Armee, die zum Schlachtfeld reiste, um Volk, Nation und Heimatland zu dienen und das Blut zum allgemeinen Nutzen zu vergießen. Und mitten in diesem Getöse aus Musik, Schluchzen und Klagen setzte sich der Zug in Bewegung, weiße Taschentücher flatterten, und man winkte sich gegenseitig zu, bis der Zug den Blicken derjenigen, die zum Abschied gekommen waren, entschwand.

Die Soldaten kamen in Assuan an, reisten von dort aus nach Barbar und schließlich von dort aus nach Khartum, denn dies war der Ort des großen Aufruhrs.

Khartoum war in die Hand des Mahdis von Sudan und nach seinem Tod unter den Befehl seines Stellvertreters Abdallah at-Taʿaishi [Fn.] gelangt. Deshalb war das Ziel der anglo-ägyptischen Armee, die Derwische in Khartoum zu schlagen, um sie von dort zurückzudrängen, denn wenn der Feind in Khartum Stärke bewies, konnte er leicht auch bis zur Grenze Ägyptens vordringen und dem ägyptischen Königreich Schwierigkeiten bereiten. In diesem Krieg in Khartoum stürzte sich die ganze Armee, die die Gefahr von ihrem…


Heimatland abwenden wollte, auf den Feind, wie fliegende Termiten sich auf den Feuerschein stürzen. Lieutenant Shafik war es vollkommen gleichgültig, ob er sterben würde, und er hatte keine Absicht, sein Leben zu erhalten. Er verkaufte sich billig auf diesem Schlachtfeld [Fn.], war völlig furchtlos, so dass sich seine Vorgesetzten über seinen Mut wunderten. Ja, so war es wirklich mit Lieutenant Shafik, doch weder der Anblick des merkwürdigen Landes, noch die Angriffe der Armee, die viele Körper zu Boden warfen, noch die Geschosse der Kanonen, die die Städte zerstörten und die Körper der Menschen zerfetzten, brachten ihn dazu, nicht mehr an seine Geliebte Faridah Hanom zu denken, der sein Herz geschworen hatte, sie niemals zu vergessen. Etliche Male dachte er an seine Geliebte, während er sich auf den Feind stürzte und ihn tötete. Etliche Male sprach er ihren Namen aus, während er seine Abteilung dazu brachte, den Feind zu verfolgen. Und etliche Male rief er den Namen Faridah Hanoms, während er mit Säbel und Kriegsgerät auf dem Boden lag. Immer wieder rezitierte er Gurindam-Gedichte [Fn.], während er das Blut auf dem Schlachtfeld durchwatete:

O Faridah, Zauberstein der Frauen
Der Genuss des Lebens ist, Tuan zu lieben,
Doch von Sterbensfreude wird das Gefühl eingenommen,
Wenn das geschmiedete Gold fern ist.

Ehrenvoller Tod, komm rasch,
Wenn Faridah verloren ist
Auf dieser Welt zu leben, ist Unglück,
Wenn nicht zusammen mit dem Perlenzauberstein

O mein Gott, mein Herr,
Lass mein Grab in diesem Lande sein,
Wenn Faridah, der Lichtschein,
Mir nicht als Ehefrau bestimmt ist.


Nachdem Khartoum in die Hand der ägyptisch-britischen Armee gefallen war, beförderte der ägyptische Chedive alle führenden Offiziere, die an dem Krieg teilgenommen hatte, und verlieh ihnen einen Orden. In diesem Rahmen erhielt auch Lieutenant Shafik den Rang eines Captains im ägyptischen Heer und den Oberbefehl über eine Armeeeinheit aus dem Volk der Sudanesen. Die meisten Militärführer wurden mit ihren Soldaten aufgeteilt, einige wurden an einen anderen Ort versetzt, andere kehrten nach Ägypten zurück.

Captain Shafik erhielt keine Erlaubnis irgendwo hinzugehen, sondern blieb immerzu in Khartoum mit den Soldaten des schwarzen Volkes unter seinem Kommando, ohne ihre Sprache zu verstehen. Aber er führte den Auftrag geduldig aus, deswegen liebten sie ihn. So blieb Captain Shafik die ganze Zeit im Sudan, ohne auch nur um einen Tag Urlaub zu bitten, und vertrieb sich die Zeit, bis drei Jahre um waren. Da dachte er an seine Eltern und seine Heimat. Und es wuchs in seinem Herzen der Wunsch, heimzufahren und seine Eltern zu sehen. So reichte er einen Antrag auf Beurlaubung ein, denn der Aufruhr im Sudan war vorbei, und das Königreich hatte dort keinen Bedarf mehr nach einer großen Armee. Nach drei Monaten erhielt er die Antwort vom Kriegsminister, sein Antrag wurde gewährt. Shafik packte schnell seine Sachen zusammen und kehrte nach Ägypten, seinem geliebten Heimatland, von dem er drei Jahre lang getrennt war, zurück.