Hikayat Faridah Hanom 2 - Übersetzung
Shafik Efendi war der Sohn Talaat Beys, der in einem sehr schönen Haus in der al-Abbasiyah-Straße wohnte, nicht weit entfernt von dem Haus Kasim Beys, dem Vater Farida Hanoms. Dieser Shafik Efendi war ein junger Mann mit äußerst lobenswerten Manieren und einem ehrenwerten Benehmen. Und sein Vater Talaat Bey war ein wohlhabender und sehr berühmter Ägypter von edler Rasse und Abstammung.
Talaat Bey zog seinen Sohn Shafik Efendi mit großer Sorge auf, so dass dieser bei seinen Hochschulprüfungen erfolgreich war und einen Baccalaureus-Abschluss erwerben konnte. Aufgrund seines Ranges und Reichtums widersetzte er sich jedoch dem Wunsch seines Sohnes, der seine Erlaubnis dafür haben wollte, in eine Militärschule einzutreten, um seinem Heimatland mit Körper und Geist zu dienen. Er war nämlich während seines Studiums zu der Auffassung gelangt, dass diejenigen Menschen am edelsten und ruhmvollsten sind, die sich im Dienst für ihr Heimatland und Volk aufopfern. Deswegen wollte er sehr gerne einen Weg gehen, der ihn zu diesem wirklich edlen und ehrenvollen Ruf bringt. Da aber Shafik Efendi der einzige Sohn von Talaat Bey war, billigte dieser den Wunsch sei-nes Sohnes nicht, weil er fürchtete, dass dieser durch den übermäßigen Eifer für sein Studium krank werden würde. Er wollte auch, dass sein Sohn nicht für das Königreich arbeitete, sondern sich bei seiner eigenen reichlichen Arbeit mit der Ausbildung, die er schon hatte, begnügte. Das war das Denken der älteren früheren Generation,…
das zu ändern Shafik Efendi keinerlei Mittel hatte, so dass er gezwungen war, seinem Vater zu gehorchen, in der Meinung, dass dies der Wille seines Herrn sei. Deswegen lebte Shafik Efendi in Bequemlichkeit und Überfluss, und es wurde ihm zur Gewohnheit, jeden Tag nach der Arbeit bei seinem Vater am späten Nachmittag einen von zwei schönen Pferden gezogenen Buggy zu besteigen, durch die Märkte und Straßen der großen Hauptstadt von Ägypten spazierenzufahren und überall in den Ausflugslokalen der großen Persönlichkeiten in den schönen Gärten des Königreichs Halt zu machen. So hielt es Shafik Efendi jeden Tag.
Eines Nachmittags nun, als Shafik Efendi gerade vor dem Hoftor seines Hauses stand und im Begriff war, wie gewohnt seine Kutsche für eine Spazierfahrt zu besteigen, erblickte er eine schöne und elegante Frau, die mit großer Anmut auf der Hauptstraße heranspazierte. Als sie auf der Höhe des Tors angekommen war, bekam er hinter dem Gesichtsschleier aus sehr dünner weißer Seide flüchtig ihr Gesicht zu sehen. Es wirkte auf ihn so, als würde er den Mond zur Mitte des Monats am Abend hinter einem dünnen Wolkenschleier aufgehen und mit seinen Strahlen aus den Strahlen der Nachmittagssonne heraustreten sehen, was sein junges Blut kochen ließ. Und hinter dieser Frau sah er eine ältere Frau, die ihr folgte.
Als Shafik Efendi die Frau und ihre Schönheit sah, traf ihn der Liebespfeil mitten ins Herz. Er war sprachlos, konnte seine Beine nicht mehr bewegen, der Verstand versagte, seine beiden Knie zitterten, und er konnte nicht mehr richtig stehen. Als diese Frau den Ort passiert hatte,…
an dem er stand, hatte er das Gefühl, als ob es jemanden gäbe, der ihn vom Herzen her ziehe und dieser Frau folgen ließe. So ging er fremdgesteuert der Frau hinterher, wie jemand, der verzaubert ist. Als der Kutscher seinen Herrn zu Fuß gehen sah, ohne ihm eine Anweisung gegeben zu haben, ließ er seine Pferde seinem Herrn langsam folgen. Shafik Efendi lief der schönen Frau hinterher, bis sie bei der Festung Kasim Beys einbog und sich innerhalb des Tors umdrehte, um nach ihrer Gefährtin, der alten Frau, die sie begleitete, zu sehen. Da sah sie, dass Shafik Efendi ihr gefolgt war und hinter ihr stand. Sie betrachtete die Form und Haltung seines Körpers und freute sich, dass diese gut zur Eleganz seiner sehr hübschen Kleidung passte. Und während sie ihn so betrachtete, trafen sich ihre Blicke. In jenem Augenblick sprachen die Augen miteinander, und die schöne Frau war sprachlos, weil sie dabei fühlte, wie Liebespfeile von dem Augenlicht Shafik Efendis ausgingen, die sehr scharf waren und sich in ihr Herz bohrten. Shafik Efendi seinerseits fühlte sich, als er die strahlenden Augen jener Frau erblickt hatte, wie vom Blitz getroffen und rief aus: „Subḥāna man yurīkumu l-barqa ḫaufan wa-ṭamʿan {Q 13:12} inna raḥmata Llāhi qarīb" (Gepriesen sei Derjenige, der Euch den Blitz sehen lässt, in Furcht und in Verlangen. Die Gnade Gottes ist nah). Gleichzeitig wandte er sich um und sprang in seinen Wagen, den der Kutscher schnell entsprechend dem, was ihm sein Sinn eingab, in einer Menschenmenge verschwinden ließ. So fuhr seine Kutsche von der Al-Abbasiyah-Straße in die Al-Zahir-Straße, weiter zur Al-Fajalah-Straße, bis sie den Babul-Hadid-Platz erreichte. Während Shafik Efendi in seiner Kutsche in Gedanken versunken war, achtete er nicht darauf, wohin ihn sein Kutscher fuhr, denn er war noch immer ganz verblüfft über die Schönheit des Gesichtes der jungen Frau, die er gesehen hatte,…
zumal er glaubte, dass diese Frau bestimmt die Tochter von Kasim Bey names Faridah Hanom sei. Während der Kutscher die Pferde laufen ließ, wunderte er sich, von seinem Herrn keine Anweisung zu hören, wohin er fahren wolle, so steuerte er die Kutsche, wie es ihm sein Sinn eingab. Als aber die Kutsche zum Babul-Hadid-Platz gelangte, von dem viele Straßen in unterschiedliche Richtungen abgehen, war er gezwungen, seinen Herrn zu fragen, in welche Straße er einbiegen sollte. Als Shafik Efendi die Stimme seines Kutschers hörte, schreckte er aus seinem Dämmerzu-stand auf, so wie ein Schlafender aufschreckt, wenn er geweckt wird. Er fragte hastig: „Wo sind wir hier jetzt?“ Der Kutscher antwortete: „Am Babul-Hadid-Platz.“ Da sagte Shafik Efendi: „Kehr um nach Hause, es ist nicht mehr nötig, noch irgendwohin zu fahren.“ Da fuhr der Kutscher den gleichen Weg zurück nach Hause, wobei er mit der Peitsche die Pferde zum Galopp anhielt. Wenig später gelangte Shafik Efendi zum Tor seines Hauses, stieg aus seiner Kutsche, betrat sein Haus und ging schnurstracks zu seinem Zimmer, wo er sich seiner Hose und Kleidung entledigte, sich den Schlafanzug anzog, sich auf sein Bett warf, um in Gedanken und Phantasien zu versinken, bei denen niemand sagen kann, wozu sie gut sind, außer denjenigen, die schon die Wirkung eines Liebespfeils erfahren haben. Hier muss die Schreibfeder mit ihrer Liebe zum leeren Papier Shafik Efendi sich selbst und seinen Gedanken und Phantasien über seine Geliebte überlassen, und sich den Dingen zuwenden, die sich bei jener bildschönen jungen Frau ereignen, die Shafik Efendi zurückgelassen hatte.
Die bildschöne Frau, die verblüfft war, Shafik Efendi vor der Tür ihres Hauses zu sehen, hatte, nachdem Shafik weggelaufen war,…
immer noch seine Schönheit vor Augen, wobei sie über die Hast und Eile, mit der Shafik in die Kutsche gesprungen war, ganz erstaunt war. Mit diesen Gedanken blieb sie vor dem Tor stehen, selbstvergessen und apathisch, ohne dass sie merkte, dass sie vor dem Tor stand, an einem Ort, der ihres Ranges unwürdig war, bis sie von der alten Frau, die ihr gefolgt war, ermahnt wurde: "Bitte geht hinein. Es ist nicht schön, wenn man Tuan hier lange verweilen sieht." Da erschrak sie selbst über ihre Geistesabwesenheit und ging langsam hinein, wobei sie ermattet seufzte und das Gefühl hatte, ihren Körper gar nicht mehr bewegen zu können, so sehr hatte sie das Gift des Liebespfeils getroffen, den Shafik Efendi abgeschossen hatte.
Diese schöne junge Frau war, wie Shafik Efendi vermutet hatte, die Tochter von Kasim Bey namens Faridah Hanom, die alle Eigenschaften weiblicher Schönheit besaß. Es ist schwer, all diese Eigenschaften bei anderen jungen Frauen versammelt zu finden, wie sie bei ihr versammelt waren. Faridah Hanom hatte einen Bruder, der zwei Jahre älter war als sie. Kasim Bey hatte nur diese beiden Kinder. Deshalb waren die beiden für ihre Eltern Trost und Hoffnung in ihrem Leben, und die Liebe der Eltern zu ihren beiden Kindern war unbeschreiblich groß. Mit großer Fürsorglichkeit hatten sie Faridah Hanom von klein auf in dem Geiste aufgezogen, alle tugendhaften und verdienstlichen Handlungen und die hohen Anstandsregeln zu lieben. Dann hatte Kasim Bey sie einem Lehrer anvertraut, der sie unterrichtete und den Samen…
der Religion in ihrer Brust einpflanzte, zusammen mit den Tugenden und Pflichten der Frau in der Gesellschaft des weltlichen Lebens. Sodann hatte Kasim Bey eine Lehrerin aus Frankreich angestellt, die für ihre Klugheit bekannt war und seiner Tochter Faridah Hanom das ganze Wissen der Welt und alle Fertigkeiten beibrachte, so dass sie nicht nur ein schönes Aussehen hatte, sondern in gleicher Weise Anstandsregeln und Wissen erwarb, die den Geschäften ihrer Eltern, die aufgrund ihres stetig zunehmenden Reichtum berühmt waren, sehr zugute kamen. Deshalb ragte Faridah Hanom mit ihrer vollkommenen Lebensart unter allen gleichaltrigen jungen Frauen hervor und machte sich in einer Weise, wie man es sich von allen reichen Menschen wünschen würde, die sich an ihrem Reichtum erfreuen, für ihr Heimatland und Volk nützlich.
Ihr Bruder, der Muhammad Efendi hieß, ging von klein auf in die Schule, bis er die medizinische Schule mit dem Doktoragrad absolvierte und eine Apotheke eröffnete, wobei ihm sein Vater am Anfang Hilfe leistete. Augrund seiner aufrichtigen Bemühung und Sorge, die er auf die beiden Kinder verwandte, konnte Kasim Bey sie zu Lebzeiten in jeder Angelegenheit sehen, die sein Auge erfreute und sein Herz glücklich machte.
Eines Tages verließ Faridah Hanom zusammen mit ihrer Dayang Suad ihr Haus, und die beiden gingen zum Haus von Azizah Hanom, einer der gebildeten ägyptischen Aristokratentöchter. Als sie von dem Haus Azizah Hanoms zurückkehrte, ereignete sich die soeben beschriebene Begegnung zwischen Faridah Hanom und Shafik Efendi vor seinem Haus. Von diesem Tag und dieser Stunde an fühlte Faridah Hanom, dass sich ihr Leben geändert hatte. Sie wurde von einer Welle des Liebesrauschs fortgerissen, die nicht mehr…
abebbte, und verlor ganz und gar jede Freude an ihrem gewöhnlichen Leben, weil ihr ganzes Denken, Fühlen und Wünschen zu Shafik Efendi hinstrebte.
Auf die gleiche Weise gingen auch Shafik Efendi jegliche Energie, Vernunft und Größe verloren, so dass vor seinem inneren Auge der Reichtum und Wohlstand seiner Eltern unbedeutend wurde, weil er Tag und Nacht von dem Gedanken an Faridah Hanom gequält wurde.
Es ist kein Wunder, dass sich die beiden jungen Menschen so schnell die Krankheit der Liebesleidenschaft einfingen, denn sie waren beide rein und frei von schmutzigen Gedanken. Wenn sich zwei Gegenstücke von gleichem Rang treffen, schäumt schnell das Blut in den beiden reinen Körpern auf und zieht seinen elektrischen Strom an, was eine gegenseitige Gefühlsregung aufwallen lässt, die tief im Herzknoten der beiden schläft.
Das Licht des Mondes über der Luft,
Wer kann ihm etwas antun,
Wenn er nicht gleichrangig ist.
Die Sonne ist's, die ihm Gewalt antut.
Wenn die Sonne ihm gegenübersteht,
Strahlt der Mond mit seinem Licht.
Wenn sich die Sonne von ihm abwendet,
Sieht er dunkel und mager aus.
So ist es jetzt mit Shafik
Und seiner jungen Faridah.
Aus dem Sinn der ganze Reichtum des Vaters
Und vermehrt das Begehren nach der Geliebten
Shafik, der in seinem Bettlaken liegt,
Sehnt sich nach Faridah und kann nicht schlafen.
Einige liebevolle Worte verdeutlichen die Sehnsucht,
Zum Schluss weint und schluchzt er.
Die Welt, die hell, nimmt er als dunkel wahr
Die Freude am Wohlstand ist dahin.
Der Liebende quält sich Tag und Nacht,
Der Körper magert ab, die Augen fallen ein.
So ist es auch mit Frau Faridah
Die Liebende quält sich, als ob sie tot wäre
Vorbei ist das Vergnügen, das ihr Herz erfreut,
Vor dem Auge wartet stets Shafik
Nicht aushalten kann es die wunderschöne Prinzessin,
Ihr Herz zieht sich zusammen, will sich befreien
Trägt ein Bild von Shafik, dem Geliebten, in sich,
Große Schönheit steht ihr vor Augen.
Einige Male wird die reiche Prinzessin getröstet,
Plaudert, geht Spazieren, vergnügt sich ausgelassen,
Doch findet sie Kein Mittel,
das strahlende Gesicht von Shafik zu vergessen.
So hat es die ägyptische Dame
Überdrüssig, prachtvollen Schmuck zu betrachten,
Findet an Essen und Trinken keine Freude mehr,
Und die Blässe des Gesichts steigert noch das Strahlen.
Eines Tages saß Faridah Hanom am Fenster ihres Hauses, schaute auf die Hauptstraße hinab und betrachtete die Menschen, die dort entlangliefen. Die Sonne war gerade etwas trübe, und es waren relativ wenige Menschen unterwegs, weil es schon Mittag war. Nur die Straßenbahn war zu hören, die voll war mit Menschen, die von der Arbeit zurückkamen, und die Vögel, die mit verschiedenen Lauten im Garten um das Haus umherflogen. Da erblickte Faridah Hanom plötzlich ihren Geliebten Shafik Efendi, der zu Fuß die Straße bis zu ihrem Haus ging. Ihr Herz zitterte, und ihre Gelenke bebten. Aber ihr Geliebter ging, wie sie sah, bis zur Höhe ihres Hauses, blieb dort stehen, starrte eine Weile auf ihr Haus und kehrte dann zurück. Faridah Hanom stellte sich ans Fenster und schaute, wie Shafik Efendi zurückging, als ob sie ihn rufen…
oder ihm mit ihren Gefühlen folgen wollte. Als sie ihn dann aus den Augen verloren hatte, ging sie hinunter in ihren Garten, um ihr heftig klopfendes Herz zu beruhigen.
So ist die Natur des verliebten Menschen, wenn er von seinem Geliebten getrennt ist. Er liebt es dann, allein in einem Garten oder Wald spazierenzugehen, der frei ist von Menschen, weil er den Drang hat, immer wieder bei jedem Baum und jeder Blumenstaude den Namen seines Geliebten, der bereits von seinem Herzen Besitz ergriffen hat, auszusprechen oder auszurufen. Hier fühlte sich Faridah Hanom erfrischt am ganzen Körper, weil sie den Namen ihres Geliebten Shafik Efendi zusammen mit einigen Gurindam-Gedichten aussprechen konnte, die ihr Herz zufriedenstellten. Da aber Faridah Hanom eine kluge junge Frau war, war auch dann, als sie sich ganz der Liebesleidenschaft ihres Herzens hingab, der Würde ihrer Eltern und der Würde ihrer selbst eingedenk, wenn sie an einen Mann geriet, der den Zauberstein des Lebens von Jungfrauen edler Abstammung nicht zu schätzen wusste. Und sie fragte sich, ob Shafik Efendi wohl zu den Männern gehört, die die Würde der Ehrenhaftigkeit besitzen, das ehrwürdige Leben lieben und die Ehren-haftigkeit der Adligen schätzen. Hier hörte Faridah Hanom auf nachzudenken und setzte sich auf einen weißen Stein unter einem Baum mit auslandenden Ästen und sprach ein Stoßgebet zu ihrem Herrn: „O mein Gott, Du bist der Herr, der alle Geheimnisse im Herzen Deiner Dienerin kennt. Und Du bist es auch, von dem Deine Dienerin in all ihrer Tätigkeit abhängt. Du hast nun bestimmt, dass die Liebe zu Shafik Efendi von dem Herzen Deiner schwachen Dienerin Besitz ergriffen hat. So hab auch Mitleid mit Deiner Dienerin, o mein Gott: Sollte dieser Shafik Efendi ein Mann sein, der nicht die Ehre der Jungfrau bewahren kann, die niemals ihr Leben mit Handlungen zubringen will, die…
für das Leben edler Menschen zu schmutzig sind, dann zieh aus dem Herzen Deiner Dienerin die Liebe wieder heraus, die sich dort eingenistet hat. Hab Erbarmen, o mein Gott, mit den Eltern Deiner Dienerin, die sich viel Mühe gegeben haben, Deine Dienerin mit viel Liebe aufzuziehen, dass sie nicht mit Beschämung über die Handlungsweise Deiner Dienerin für ihre Mühe belohnt werden. Wenn aber dieser Shafik Efendi ein Mann ist, der das saubere Leben vorzieht, indem er die Würde und Ehre der Frau schützt und nicht jeder satanischen Neigung der Triebseele folgt, dann lass Deine Dienerin in der Liebe zu ihm vergehen und mach Shafik Efendi zu dem ersten und auch letzten Mann, der den Körper Deiner Dienerin berührt, in erlaubter Weise und zum Wohlgefallen der Eltern Deiner Dienerin.“
So betete Faridah Hanom zu ihrem Herrn mit sanfter Stimme, leicht schluchzend, weil sie die Aussicht ihres traurigen Schicksals, eine Krankheit ertragen zu müssen, für die es kein Heilmittel gibt, zum Weinen brachte.
Nachdem Faridah Hanom das Gebet zu ihrem Herrn beendet hatte, fühlte sie sich ein wenig frei in ihrem Herzen, als ob es jemanden gäbe, der sie wissen ließ, dass in dem Liebesverhältnis mit Shafik Efendi keine Gefahr besteht. Deshalb spürte sie ein wenig Freude im Herzen und ging spazieren, wobei sie den Namen ihres Geliebten auf den Lippen führte.
O Zauberstein aller Männer,
Warum erregt Tuan die Leidenschaft
Der schwachen Frau, von der er Besitz ergriffen hat,
Verbirgt sich dann aber und geht weg?
Begeht keine Grausamkeit,
Betas Leben wird sicher vernichtet werden.
Macht nicht der Zorn Gottes, des Barmherzigen,
Beta besinnungslos?
O Shafik, junger Mann,
Der Unrecht getan, mögt ihr
Schnell Adindas Semangat zurückbringen,
Das Herz, das Kakanda gestohlen hat, zurückbringen.
Der grausame Abang bringt es übers Herz,
Adinda am hellichten Tag zu vergiften,
Dann wurde sie alleine zurückgelassen,
Zu leiden an dem Gift, sich stöhnend hinzusetzen.
Während die verliebte Faridah Hanom mit ihrer lieblichen und sanften Stimme, die jeden rührt, dieses Gurindam-Gedicht rezitierte, kam ihre Inang Suad in ihre Nähe und hörte Stücke ihres Gedichts. Da dachte sie in ihrem Herzen, warum hat sich Verhalten meiner Tuan in den letzten Tagen, in denen ich sie gesehen habe, so sehr verändert? Sie hätte sie gerne gefragt, traute sich jedoch nicht. Sie ging zu ihr, wobei sie künstlich etwas hustete. Als sie bei ihr angekommen war, sagte sie: „Tuan wird von den Eltern zum Essen gebeten.“ Da raffte sich Faridah Hanom auf, ging benommenen Herzens ins Haus und steuerte auf das Esszimmer zu, wo ihre Eltern und ihr Bruder Muhammad Efendi bereits auf das Hereintragen der Speisen warteten. Sie setzte sich neben ihren Bruder, und das gemeinsame Essen mit den Eltern begann, während die gesamte Dienerschaft sie bediente und Faridah von ihrem Bruder, der sie aufheitern wollte, mit ein paar Aussprüchen geneckt wurde. Ihre Eltern lachten und freuten sich, weil sie sahen, dass die beiden Kinder gut miteinander auskamen und Muhammad Efendi das Herz seiner Schwester für sich einzunehmen wusste. Faridah Hanom war gezwungen, lächelnd den Kopf zu heben und ihrem Bruder irgendetwas auf seine Worte zu erwidern, weil sie die geheimen Gedanken ihres Herzens vor ihren Eltern und ihm verbergen wollte. Und da bei der Mahlzeit viel gescherzt wurde, konnte Faridah Hanom…
vor den Augen ihrer Eltern verbergen, dass sie gar nicht aß. Sie tat nur so, als ob sie essen würde. Dann rief sie die Dienerin und wies sie an, ihren Teller mitzunehmen und einen anderen zu bringen. So endete das Essen. Faridah Hanoms Eltern, sie selbst und ihr Bruder standen auf, und ihr Vater Kasim Bey küsste seine beiden Kinder herzlich und liebevoll. Faridah Hanom verabschiedete sich von ihren Eltern, ging nach oben in ihr Zimmer und setzte sich ans Fenster, das sich zur Straße hin öffnete. Sie schaute auf die Menschen, die auf der Straße auf- und abgingen, und hoffte darauf, ihren Geliebten vor ihrem Haus entlanggehen zu sehen. So verbrachte Faridah Hanom die Zeit bis zum späten Nachmittag, als sie plötzlich den Wagen von Shafik in der Ferne auf der Straße auftauchen sah, der sich ihrem Haus näherte, gezogen von zwei sehr schönen Pferden. Für einen Moment erblickte sie auch das Gesicht ihres Geliebten, das wie die Venus am dunklen Abendhimmel aufstrahlte. Er trug einen roten Tarbusch, weiße Hose und Jacke und hatte sich auf der linken Seite eine Blume an die Brust geheftet. Faridah Hanoms Herz klopfte heftig, und ihr Semangat flog vor Aufregung davon, gleich einem Menschen, der sich selbst vergisst. Shafik Efendi war nun noch besser zu sehen und stellte sich ans Fenster. In diesem Augenblick konnte er seine Gefühle nicht mehr beherrschen und hob seine Hand zum Gruß. Faridah Hanom schreckte über das Verhalten von Shafik aus ihrer Geistesabweisenheit auf und empfand große Scham. Da sie aber nicht bei klarem Bewusstsein war, hob sie auch die Hand und erwiderte den Gruß von Shafik. Dann wurde sie sich ihres Verhaltens bewusst und schämte sich noch mehr. Sie setzte sich wieder und sah zu, wie Shafik Efendi von seinen Pferden entführt wurde, bis er ihren Blicken entschwand. Shafik Efendi indessen hob, nachdem er von Faridah Hanom eine Antwort auf seinen Gruß erhalten hatte, nicht mehr den Kopf, bis er…
Faridahs Blicken entschwunden war. Der Grund dafür, dass Shafik Efendi seinen Kopf nicht mehr zu heben wagte, war, dass er fürchtete, dass der Liebespfeil, der von den beiden Augen Faridah Hanoms ausging, ihn davon abhalten würde, das Haus seines Vaters zu verlassen und auf Spazierfahrt zu gehen, denn die Wunde, die der Liebespfeil seiner Geliebten in seinem Herzen geschlagen hatte, wurde immer größer und sein Gift war jeden Tag stärker geworden. In Wirklichkeit hatte aber ihr Blick, der nur einen kurzen Moment gedauert hatte, schon sein krankes Herz durchbohrt, so dass er gezwungen war, seinen Fahrer aufzufordern, wieder nach Hause umzukehren, weil ihm der Wunsch, an den schönen Orten Spazieren zu fahren, völlig abhandengekommen war, und er sich nur darauf freute, wieder auf sein Zimmer zu gehen und sich mit den Gedanken an seine Geliebte, die sein Herz fesselte und deren Bild sich in seinem inneren Auge abzeichnete, in den Schlaf zu wiegen.
Faridah Hanom, die sich am Fenster ihres Hauses aufhielt, konnte sich bis zum Abend nicht von dort wegbewegen, weil sie in Träumereien über ihren Geliebten versunken war. Erst als ihre Dayang kam, um sie zum Essen zu rufen, weil ihre Eltern schon im Esszimmer auf sie warteten, kam sie wieder zu klarem Bewusstsein. Sie stand auf und ging hinunter, um mit ihren Eltern und ihrem Bruder zu essen.
Um neun Uhr abends löste sich die Zusammenkunft auf, und ein jeder kehrte in sein Zimmer zurück.
Nachdem Faridah Hanom ihr Zimmer betreten hatte, verschloss sie schnell die Tür, legte sich auf ihr Bett und dachte an ihren Geliebten, der sich vor ihren Augen zeigte. Und sie fragte sich bei sich selbst,…
warum sie Shafik Efendi so sehr liebte, obwohl er ein Mann war, der ihr fernstand und mit dem sie nie gewohnten Umgang gehabt hatte, und warum sie für ihren Cousin Badruddin Efendi, der im Begriff war, um ihre Hand anzuhalten, und Annäherungsversuche machte, indem er ihr schmeichelte und an ihren Worten hing, trotz seiner Liebe für sie nicht die gleichen Gefühle hatte wie für Shafik Efendi. Je mehr sie über Badruddin Efendi nachsann, desto mehr musste sie an Shafik Efendi denken, so dass er ihr deutlich mit seiner sehr schönen, hübschen Gestalt und beeindruckenden Wohlproportioniertheit vor Augen stand. Und als sie so Shafik Efendi vor ihren Augen stehen sah, bedauerte sie sehr, dass er nicht wirklich da war. Deshalb fasste sie den Entschluss, mit ihm nach Möglichkeit zusammenzutreffen, um herauszufinden, wie er ist, ob er ihre Liebe erwiderte und ob sie ihm vertrauen konnte, dass er ihr nicht etwas Übles antuen wollte und seine Liebe frei war von schmutzigen Plänen. Bei diesem Gedanken seufzte sie auf ihrer Matzratze. Und weil sie ständig über die Begegnung und das Gespräch mit Shafik Efendi nachdenken musste, konnte sie keinen Schlaf finden, bis am Morgen der Hahn krähte und den neuen Tag ankündigte. Sie stand auf, wusch sich das Gesicht und überraschte ihre Dayang damit, dass sie sie beauftragte, ihr ein Getränk zu machen und nach Essen zu suchen, das ihre Mundsäure verschwinden lässt. Hierbei strahlte ihr Gesicht, und ihre Wangen leuchteten. Ihre Dayang wunderte sich, ihre Tuan wachzusehen,…
merkte aber, dass ihr Gesicht von der durchwachten Nacht besonders blass und lieblich aussah. Und je größer ihre Schönheit und das Leuchten ihrer beiden Wangen war, desto mehr liebte sie es, das Gesicht ihrer Tuan zu betrachten.
Welche Unverschämtheit die Liebe besitzt,
Dem Junggesellen und der Jungfrau den Schlaf zu rauben!
Die Begierde verdeckt alle anderen Dinge,
Nur dem Geliebten gilt die Sorge.
Der Liebende, der rein ist von Übel,
Strebt nicht danach, Schändliches zu tun.
Wenn er stirbt, so ist sein Ort bei
Dem Geliebten im Paradiesgarten.
So war die Liebe von Prinzessin Faridah,
Ihr Herz war rein, ihre Gestalt schön.
Die Lektion von Laila und Madschnun hat
An ihrer Stelle schon großen Nutzen gebracht.