Hikayat Faridah Hanom 5 - Übersetzung
An dem Tag nach diesem ersten Treffen konnte Shafik Efendi seine Begierde, seine Geliebte wiederzutreffen, nicht zurückhalten und schickte ihr deswegen mit der Post einen Brief, in dem er ankündigte, dass er um ein Uhr nachts mit ihr in ihrem Haus zusammentreffen würde. Das war das Treffen, das im ersten Kapitel dieses Schriftstücks erwähnt ist, bei dem sich Shafik eine Stunde verspätete. Es begab sich nämlich, dass sein Vater an diesem Abend einige europäische Persönlichkeiten und Geschäftsleute mit ihren Ehefrauen eingeladen hatte, und Shafik Efendi die Damen bedienen musste, als sie sich nach dem Essen im Garten des Hauses bei Musik einer Kapelle vergnügten. Anders als es Shafik Efendi erwartet hatte, durften sie alle länger als bis ein Uhr nachts bleiben, und obwohl sich Shafik Efendi einige Mühe gab, sie auf höfliche Weise aufzufordern, nach Hause zu gehen, waren schon zwei Uhr vorbei, bis alle gegangen waren. Als endlich alle Damen der Einladung gegangen waren, machte sich Shafik Efendi gleich auf den Weg zum Haus seiner Geliebten, ohne noch Gelegenheit zu haben, sich umzuziehen. Als er dann den Ärger seiner Geliebten über seine Verspätung vernahm, achtete er hernach jedes Mal, wenn er sich mit ihr verabredete, darauf, dass er sich nicht verspätete, womit auch immer er gerade beschäftigt war.
Nach diesem zweiten Treffen traf sich das Liebespaar immer wieder, in der Nacht im Garten des Hauses von Faridah Hanom und am…
Nachmittag in der Kutsche, in der sie dann zusammen zu allen königlich-ägyptischen Botanischen Gärten und zum Garten der Zoologischen Gesellschaft fuhren. Zuweilen besuchten sie zu zweit auch die Esbekieh, den Park im Zentrum von Kairo, dessen Schönheit mit seinen Gebäuden und Spielstätten berühmt ist und diejenigen erfreut, die ihn betreten. Zu manchen Zeiten fuhren sie auch zu den Pyramiden, gingen an der Nilpromenade spazieren oder amüsierten sich zu zweit in einem Boot. So fröhnten sie stets beide den Gelüsten eines Liebespaars, vergnügten sich und stellten sich ganz in den Dienst ihrer Liebesleidenschaft, die beiden in gleicher Weise in Fleisch und Blut übergegangen war, mit Liedern und Gedichten, die ihnen aus dem Herzen aufstiegen, doch blieb dieses rein von Absichten, schmutzige Dinge zu tun oder Handlungen zu begehen, die die eigene Ehre zerstören. Nur wenn Shafik Efendi sich nicht beherrschen konnte, bat er seine Geliebte um Erlaubnis, ihre Hand oder ihren Kopf küssen zu dürfen, wobei er es niemals wagte, über ihren Hals hinaus weiter nach unten zu gehen. Und Faridah Hanom, die die Herzensreinheit ihres Geliebten gesehen hatte, empfand großes Mitleid mit ihm, als sie sah, dass er sich extrem beherrschte, und hielt sich nicht mehr zurück, was auch immer ihr Geliebter vom Hals bis zu den Haarspitzen begehrte, weil es schon in ihrem Herzen feststand, dass dieser Shafik Efendi ein Mann war, der sich im Griff hatte und im Rahmen des Erlaubten blieb entsprechend dem Wohlgefallen Gottes und dem seiner Eltern. Andere Männer zu empfangen, und sei es auch nur ein einziges Mal, hielt sie dagegen für verboten. Da es zum Leben dieses Edelmanns gehörte, stets den Zauberstein der Jungfrauen zu respektieren, den ohne Einverständnis der Eltern billig zu verkaufen ein unschätzbarer Schaden wäre,…
freute sie sich sehr und goss ihre Liebe über Shafik Efendi aus, denn sie sah, dass er sich auch von allen Handlungen fernhielt, die man für einen Versuch des Verrats halten könnte, was etwas sehr Schmutziges für das Leben der edlen Menschen in dieser Welt ist. Faridah Hanom war zufrieden mit dem Verhalten Shafik Efendis bei ihren Treffen und konnte auch nicht die geringste Spur einer Fehleinstellung ihr gegenüber bei ihm entdecken. Das Einzige, was sich ihr zeigte, war eine reine Liebe, die jegliche satanische Gelüste in Schranken wies, so dass sie es sogar einige Male erlebte, dass ihr Geliebter aufgrund der großen Selbstbeherrschung, die er sich auferlegte, in Tränen ausbrach und damit ihren Schoß, in dem er sein Gesicht begrub, durchnässte. Je mehr das Mitgefühl und die Liebe zu Shafik Efendi zunahmen, desto mehr spürte sie den Wunsch, den Gelüsten ihres Geliebten nachzugeben, wenn nicht vor ihrem inneren Auge ihre Eltern erschienen wären und sie sich an die Mühe erinnert hätte, mit der die beiden sie von klein an mit Liebe aufgezogen hatten, ohne dass sie es an irgendetwas hätten mangeln lassen. Auch musste sie an den Zauberstein des Lebens der Frauen denken, die angefangen haben, diese Welt als etwas zu sehen, das es nur einmal gibt. Wenn dieser Zauberstein jemandem übergeben wird, der nicht dafür tauglich ist, und das ohne Einverständnis ihrer Eltern, so verliert diese Frau unweigerlich ihre Ehre und Reinheit und scheidet aus der Gemeinschaft der edlen Frauen, die geehrt und hochgeschätzt werden müssen, aus. Aus diesem Grunde freute sie sich noch mehr zu sehen, dass ihr Geliebter unter keinen Umständen seinen Gelüsten, die Schaden über sie bringen können, folgte. Aber sie dachte auch bei sich: „Es wäre gut, das Herz Shafik Efendis auf die Probe zu stellen. Hält er sich wirklich deswegen zurück, weil er mein Leben respektiert und sich wünscht,…
dass meine Ehre wohlbehütet und vollkommen bleibt, bis zu der Zeit, dass ich von Gott mit ihm vermählt werde, auf erlaubte Weise und mit Zustimmung meiner Eltern, oder hält er sich nur deswegen zurück, weil er sieht, dass ich seinem Wunsch nicht nachgeben würde, wenn er diese Verfehlung mit mir begehen wollte?“ Deswegen suchte Faridah nach einer günstigen Gelegenheit, um diese Probe durchzuführen, wann immer und an welchem Ort auch immer es passend sein würde.
Die beiden gingen also zusammen in alle Gärten. Und wer auch immer sie zusammen sah, hegte kein Misstrauen, dass sie etwas Schlechtes tun könnten, weil viele Menschen, die Shafik Efendi als den Sohn des reichen und berühmten Talaat Bey in der Stadt Kairo kannten, wussten, dass er ein bekannter junger Mann von schönem Charakter war, man niemals davon gehört hatte, dass er jemals einen schlechten Charakter oder schändliches Verhalten gezeigt hätte, er nur jeden Tag im Geschäft seines Vaters fleißig arbeitete und in seiner Freizeit mit großen Persönlichkeiten und gebildeten Menschen verkehrte. Deshalb dachten die Leute, dass die Frau, die mit ihm mitfuhr, bestimmt seine Mutter oder eine nahe Verwandte wäre. Das heißt, wenn Leute, die ihn kannten, ihn mit Faridah Hanom irgendwo in einem Garten spazieren gehen oder in einem Ausflugslokal sitzen sahen, wichen sie ihnen aus, zogen sich zurück und trauten sich nicht, sich ihnen zu nähern. Da die Gefühle der Menschen in einem solchen Zustand immer weiter aufwallen, ließen die die beiden Liebenden ihrer Leidenschaft mit schmeichelndem Gesang auf den Geliebten freien Lauf. So gingen die beiden, die gleichermaßen schön wie elegant waren, und setzten ihren Fuß beschwingt auf jeden Steg und bestiegen Boote und Kähne. Ihr Verhalten war wie dasjenige des göttlichen Indra und der Bidadari, oder wie es in dem berühmten Syair heißt:
Der göttliche Indra und die himmlische Bidadari
Stiegen auf die Welt hinab, um Späße zu treiben,
Erleuchteten die Welt mit ihrem strahlenden Gesicht,
Machten die Menschen sprachlos und verblüfft.
Ein Stück Mond fiel auf die Erde,
Erleuchtet das ganze Land,
Wird begleitet von Engeln mit leuchtenden Gesichtern,
Die nicht einen Finger breit von ihr weichen.
Ihre Art zu gehen ist erste Klasse,
Sie weiß sehr gut aufzutreten,
Geschwind und energisch nach hier und dort
Passend dazu der Mann mit ihr.
Beide sind fast gleich alt,
Wissen sich elegant anzuziehen,
Bewegen die Herzen aller Menschen.
Es ist eine Freude, sie zu sehen.
Leb auf, o schöne Faridah,
Lass dich nicht von den Augen der Menschen einfangen.
Passend ist auch der Mann, der sie umarmt,
Yusuf und Zulaicha sind einander Ebenbilder.
So verhielt es sich mit den beiden Geliebten, und niemand wusste um ihren Zustand außer ihre Amme Suad und sein Kutscher. Wenn Faridah Hanom an einem Tag nicht das Haus verließ, besuchte sie Shafik Efendi in der Nacht in ihrem Garten entsprechend der Nachricht, die ihm seine Geliebte zukommen ließ.
Eines Tages nun dachte Shafik Efendi bei sich: „Was ist das für ein Zustand, in dem ich mich befinde? Auf lange Sicht werden die Menschen meine Handlungsweise durchschauen. Und mein Ruf und der Ruf meiner Geliebten werden bei den Leuten ruiniert sein. Ich will meine Eltern informieren und sie bittten, um die Hand von Faridah Hanom anzuhalten. Ich empfinde große Scham das zu sagen, weil schon einige Male meine Eltern mich dazu bringen wollten zu heiraten, ich ihrem Wunsch aber nicht gefolgt bin. Wenn ich länger in solchem Zustand verbleibe, werde…
ich in dem Liebesverhältnis immerzu Verlangen haben und daran zerbrechen. Deshalb ist es besser, wenn ich ein bestimmtes Haus miete, das ich dann meiner Amme Aliah überlasse. Darin habe ich dann die Möglichkeit, immer meine Geliebte zu treffen, während ich nach einer Gelegenheit suche, meine Eltern zu bitten, um bei ihren Eltern um ihre Hand anzuhalten. Dann werde ich nicht immer von vielen Leuten an belebten Orten gesehen, wie ich mit einer Frau ausgehe, und meine Geliebte ist von der Gefahr befreit, dass die Menschen herausfinden, dass sie mich besucht.“
Als der Gedanke Shafik Efendis feststand, das Haus zu mieten, ging er, wie üblich, in der Nacht Faridah Hanom in ihrem Garten besuchen. Bei dem Zusammentreffen sagte Shafik Efendi, nachdem sie mit gegenseitigen Liebkosungen ihre Begierde befriedigt hatten: „Meine unermesslich teure Nyawa, möchtet Ihr Abangs Entscheidung folgen? Was ist das nämlich für ein Zustand, in dem wir uns befinden? Auf lange Sicht wird, wenn die Menschen über diese Treffen von uns Bescheid wissen, Euer Ruf Abangs wegen ruiniert sein. Deshalb lasst ihn, wenn ihr es gutheißt, ein bestimmtes Haus mieten. Er kann darin eine Amme von ihm unterbringen, der er vertraut. Dort können wir uns dann immer treffen, ohne dass es jemand erfährt.“
Faridah Hanom kam ins Grübeln, als sie diese Worte Shafik Efendis hörte, denn sie dachte sogleich: „Was ist der Wunsch Shafik Efendis, selbst ein Haus zu mieten? Denn wenn es ein Haus gibt, dann ist es gewiss auch eingerichtet mit einem Schlafzimmer. Dann muss er sich erst recht beherrschen, zu warten, bis wir von Gott mit dem Einverständnis meiner Eltern zusammengeführt werden, weil…
Satan von seinem Herzen und Denken Besitz ergreifen wird. Aber es wäre auch gut, seinem Wunsch zu folgen, denn ich will ja sein Herz auf die Probe stellen, um zu sehen, wie weit er bereit ist, mich vor der Zerstörung zu bewahren. Wenn sein Wunsch Fehler enthalten sollte, welchen Sinn hätte dann noch mein Leben in dieser Welt?“ So antwortete sie auf Shafik Efendis Worte: „Gut, was Tuan sagt, wird Beta befolgen.“ Shafik Efendi freute sich sehr zu hören, dass seine Geliebte seinem Wunsch folgte, und seine Liebesleidenschaft und Verrücktheit nach ihr nahm immer weiter zu. Er konnte sich nicht beherrschen, umarmte sie und und küsste sie auf den Kopf, während Faridah Hanom die Hand ihres Geliebten ergriff und ebenfalls mehrere Male küsste. Da die beiden sehr zufrieden waren, stillten sie ihre Liebessehnsucht mit verschiedenen Gurindam-Gedichten, bis sich beim Anbrechen des Tages Shafik Efendi von seiner Geliebten verabschiedete.
Am Morgen des folgenden Tages ging Shafik Efendi auf die Suche nach einem Haus, das für die Treffen mit seiner Geliebten geeignet war. Und er fand auch eines in einer ruhig gelegenen Straße, das ausreichend mit Möbeln ausgestattet war. Dieses mietete er, ergänzte fehlende Möbelstücke und stattete es mit Lampen und Kandelabern in verschiedenen Farben aus. Auch richtete er Badezimmer, Esszimmer, Vestibül und Schlafzimmer mit Möbeln ein, wie es für eine Wohnung von wohlsituierten und reichen Leuten angemessen ist.
Als das Haus fertig eingerichtet war, kehrte Shafik Efendi zurück nach Hause, holte seine Amme, der er wie seiner eigenen Mutter liebevoll zugewandt war und vertraute, und brachte sie zu dem Haus, während er sie über die Beziehung zwischen ihm und Faridah in Kenntnis setzte und ihr das, was zwischen ihnen vorgefallen war, von Anfang bis Ende erzählte: „O meine Ibu, diese Faridah Hanom ist eine Frau, die…
ganz und gar von meinem Geist Besitz ergriffen hat. Ich kann unmöglich noch länger in dieser Welt leben, wenn nicht zusammen mit ihr, meiner Geliebten. Deshalb vertraue ich sie meiner Ibu an, dass ihr auf sie achtgebt und für euch einnehmt, wann auch immer sie herkommt.“ Dann ging Shafik Efendi in sein Schreibzimmer und schrieb seiner Geliebten auf Französisch einen Brief, der so lautete:
Meine Nyawa Faridah Hanom,
Was Abang gestern Nacht gesagt hat, ist schon in der gewünschten Weise in Erfüllung gegangen. Bitte kommt am Samstag um zwei Uhr heraus. Abang wartet dann in der Kutsche in der Nähe des Hauses am gewohnten Ort. Nehmt die Umarmungen und Küsse seiner grenzenlosen Liebe entgegen.
Von dem Diener Eurer Schönheit
Shafik
Dann steckte er den Brief in ein Kuvert, schrieb die Adresse darauf und wies einen Bediensteten an, ihn in den Briefkasten zu stecken. Danach kehrte er zu seiner Dayang zurück und forderte sie dazu auf, in die Kutsche zu steigen und mit ihm zurückzukehren, wobei er ihr weiter von Faridah Hanom vorschwärmte, bis sie bei ihrem Haus ankamen. Dann trug er seiner Dayang auf, all ihren Hausrat für den Umzug in das neue Haus vorzubereiten. Aliah führte gehorsam den Befehl ihres Herrn aus, packte all ihren Hausrat zusammen, kam herunter und stieg in die Kutsche. Zusammen mit all den Bediensteten, die ihr Herr festgelegt hatte, fuhr sie zu dem neuen Haus, um es zu bewohnen und zu versorgen.
Was Faridah Hanom anlangt, so war es ihr, nachdem Shafik Efendi an jenem Abend nach Hause gegangen war, nicht wohl ums Herz bei dem Gedanken, dass er den Wunsch hegte, ein Haus zu mieten.
Sie machte sich darüber einige Gedanken. Da sie aber eine gescheite Frau war, hütete sie sich davor, ihren Geliebten innerlich schlechter Absichten zu beschuldigen, bevor sie gesehen hatte, was geschieht, wenn er das Haus wirklich mietet. Am Morgen des nächsten Tages stand Faridah Hanom früh auf. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit ihren Eltern und ihrem Bruder saß sie in ihrem Sessel, als ihre Dayang Suad hereinkam und einen Brief brachte, der an sie adressiert war. Rasch nahm sie ihn entgegen, öffnete und las ihn. Wie sie feststellte, war es ein Brief von ihrem Geliebten, der ihr mitteilte, dass das Haus, das er gesucht hatte, bereitsteht, und sie anwies, an dem und dem Tag zu einer von ihm genannten Zeit zu kommen, weil er sie einladen wollte, das Haus zu besichtigen. Faridah Hanom dachte erneut über die Lage und den Wunsch Shafik Efendis, das Haus zu mieten, nach. Sie war innerlich zerrissen zwischen der Liebe zu ihren Eltern und der Furcht, dass sie durch ihre Tat beschämt werden könnten, auf der einen Seite, und der Liebesleidenschaft für Shafik Efendi und dem Wunsch, ihm seinen Willen zu erfüllen, auf der anderen Seite. Diese Gedanken beschäftigten sie so sehr, dass sie bis zum Abend dieses Tages weder essen noch trinken konnte. In der Nacht fand sie die ganze Zeit keinen Schlaf und schlug sich mit allerlei falschen Gedanken herum. Als die Sonne aufging, stand sie auf, ging ins Bad, machte ihre Morgentoilette, ging dann hinunter, um mit ihren Eltern und ihrem Bruder zu frühstücken, und ging dann wieder hoch, um vor sich hinzugrübeln. Da wendete sich ihre Meinung, indem sie dachte: „Warum soll ich mir grundlos Sorgen machen über etwas, das nicht definitiv ist. Es ist doch nur ein Verdacht von mir. Wenn aber wirklich mein Geliebter von mir will, dass ich Schande über meine Eltern bringe, dann ist es besser für mich, zu sterben als weiter in dieser Welt zu leben.“ Rasch…
stand sie auf, holte die Pistole Shafik Efendis, die er bei ihrem ersten Treffen in der Kutsche zurückgelassen hatte, lud sie und zog dann die allerschönste Kleidung an, denn die Stunde, die er ihr in seinem Brief genannt hatte, schlug schon bald. Dann ging sie zusammen mit ihrer Amme Suad hinunter, versteckte die Pistole in ihrer Kleidung und bat ihre Eltern um Erlaubnis, zusammen mit ihrer Amme eine Freundin besuchen zu dürfen. Nachdem sie ihre Zustimmung erhalten hatte, ging sie hinaus zu dem Ort, den Shafik Efendi ihr genannt hatte, und stellte fest, dass er schon mit seiner Kutsche auf sie wartete.
Als Shafik Efendi sah, dass seine Geliebte gekommen war, stand er rasch auf, nahm ihre Hand, setzte sie zu seiner Rechten und trug dem Kutscher auf, zu dem Haus zu fahren, das er gerade neu gemietet hatte. Einen Moment später kam die Kutsche vor der Tür des besagten Hauses an. Shafik Efendi ließ seine Geliebte aussteigen und geleitete sie zu dem Haus, wo die beiden Aliah vorfanden, die sie am oberen Ende der Treppe erwartete. Als Aliah Faridah Hanom, die von ihrem Herrn Shafik Efendi an der Hand geführt wurde, erblickte, war sie von ihrer Schönheit, die gut zu der Gestalt ihres Herrn passte, so verblüfft, dass sie ganz vergaß, den Gruß Faridah Hanoms zu erwidern, und nur sprachlos ihre Hand ergriff, sie küsste und respektvoll auf ihren Kopf legte. Danach reichte sie Suad die Hand und begrüßte sie. Shafik Efendi schaute zu Faridah Hanom und sagte: „Tuan, das ist sie, Betas Ibu. Was immer Tuan wünscht, möge sie ihr mitteilen.“ Faridah Hanom lächelte Aliah zu und ging dann mit Shafik Efendi durch das Haus, um seine Einrichtung mit allen Möbeln zu besichtigen. Die Art, wie ihr Geliebter das Haus geschmückt hatte, gefiel ihr sehr. Dann setzten sich die beiden im Salon nieder. Als Aliah…
ihre beiden Tuans dort Seite an Seite sitzen sah, wie der Mond und die Sonne, geriet sie ins Grübeln und wunderte sich, dass die beiden in ihrer Schönheit so gleichrangig waren und so gut zueinander passten, ganz wie die Himmelsbewohner und Bidadaris, die von den weisen Syair-Dichtern beschrieben wurden:
Die beiden Planeten Venus und Jupiter
Haben hier im Haus sitzend Gestalt angenommen
Sie sitzen Seite an Seite scherzend und plaudernd,
Das Licht ihrer Gesichter erleuchtet das Haus.
Der afrikanische Brilliant mit dem berühmten Glanz,
Ein belgischer Schleifstein verschönert seinen Schliff,
Der Glanz ihres Gesichts lässt das Haus erstrahlen,
Es ist wie ein Blitz, wenn die beiden lächeln.
Das ist das ebenbürtige Paar, Shafik und Faridah
Die Amme passt auf, schaut nach unten und oben,
Strahlend erscheinen die schönen Gesichter,
Betörend sind der Herr und die Herrin.
Faridah mit guten Charaktereigenschaften,
Ihr Gesicht strahlt wie ein Brillant,
Ihr Körper in aufrechter Haltung,
Alle sieben Attribute [Fn.] besitzt sie reichlich.
Ebenbürtig ist sie Shafik Efendi,
Einem schönem Mann mit großartigem Charakter,
So dass alle anderen Männer
Ihm unterlegen sind.
Wer auch immer die beiden zusammen
Draußen betrachtet und beschaut,
Staunt und merkt, sie sind so selten,
Dass ihnen niemand gleichkommt.
Gelobt sei Gott, der Große und Reiche,
Der Seine Geschöpfe so unterschiedlich erschafft.
Einige besitzen nicht nur Schönheit,
Sondern sind auch rein und treu.
Versammelt ist alles, was Gott wünscht,
Bei den beiden, an nichts hat er fehlen lassen,
Schönheit, Gunst und Freigebigkeit
Besitzen die beiden Auserwählten.
O Herrgott, großer Gott,
Wie die beiden beschrieben und gezeichnet,
So sind sie, ihr Lächeln wie ein Blitz
Wer sie sieht, ist äußerst gerührt.
Bis hierher! Die Schreibfeder schämt sich,
Will sie doch noch mehr schreiben.
Entschuldigt, gelehrte Herren Leser,
Die Schreibfeder empfindet ob ihrer Verliebtheit Scham.
Aliah war also verwirrt und sann erstaunt nach, dann kam sie wieder zu sich und wagte nicht länger stehenzubleiben. Suad forderte sie dazu auf, mit hinunterzugehen und die Getränke und Speisen für die beiden vorzubereiten.
Faridah Hanom und Shafik Efendi blieben, nachdem Aliah und Suad hinuntergegangen waren, alleine zurück. Und Faridah Hanom beobachtete genau die Bewegungen ihres Geliebten und alle seine Worte. Nach einer Weile bemerkte sie, dass er in keiner Weise von dem abwich, was sie von ihm gewohnt war: Er lobte sie mit süßen Worten und umgarnte ihr Herz, aber er schien nichts Falsches zu tun, wie sie eigentlich erwartet hatte. Da freute sie sich einerseits und verlor ihr Misstrauen, empfand andererseits aber auch große Reue, weil sie ihn grundlos verdächtigt hatte. Und sie senkte schweigend ihren Kopf, um ihre Tränen zurückzuhalten. Da sie fürchtete, dass Shafik Efendi ihren Zustand durchschauen würde, stand sie schnell auf und sagte: „Ich möchte mir meine Oberkleidung ausziehen und mir das Gesicht waschen, weil mir so heiß ist, dass ich mich fast schwindelig fühle.“ Shafik Efendi stand sogleich auf und geleitete sie zur Tür des Nebenzimmers, ließ sie dann alleine in dieses Zimmer gehen, zog die Tür zu und ging zum Sofa zurück,…
wo er sitzend wartete, bis seine Geliebte wieder herauskam. Als Faridah Hanom sah, dass Shafik Efendi keine Anstalten machte, sie in das Zimmer zu mitzubegleiten, verlor sie jedes Misstrauen gegenüber ihm und empfand noch mehr Liebe für ihn. Gleichzeitig musste sie aber weinen, weil sie tief bedauerte, dass sie ihrem Geliebten, der sie liebevoll umsorgte, so viele schlechte Dinge zugetraut hatte. Da sie befürchtete, dass jemand den Raum betreten und sehen könnte, dass sie geweint hat, ging sie rasch ins Badezimmer, um ihr Gesicht abzuspülen. Dort fand sie Geräte vor, die eine Frau benötigt, um sich zu verschönern. Sie putze sich also heraus, brachte ihre Haare in Ordnung und kam frohen Mutes wieder heraus. Ohne noch irgendein Misstrauen zu hegen oder Angst zu haben, ging sie zu dem Platz, wo ihr Geliebter saß, setzte sich an seine Seite und legte ihren Kopf auf seine Brust, wobei sie große Liebe und Zuneigung zu ihm spürte. Shafik Efendi umfasste den Kopf seiner Geliebten und sagte: „Meine Adik, Tuan, Abangs Nyawa, die ihn belebt. Tuan ist Abangs Geist, der alle seine Glieder durchfährt. Sie ist der unschätzbar teure Zauberstein der Krone. Wird dieser unser Zustand noch lange andauern? Wann wohl wird Gott uns beide vermählen, so dass wir in sein Wohlgefallen eintreten? Abang fühlt große Beklommenheit, eine Liebesaffäre lebenslang auszuhalten. Er möchte den Mund öffnen und den Eltern mitteilen, dass er um Eure Hand anhalten will, aber sein Mund traut sich nicht und hat große Schwierigkeiten zu sprechen. Schon einige Male hat er die beiden wegen seiner Nyawa aufgesucht, aber sein Mund blieb verschlossen und konnte nicht sprechen, als ob man ihn zugenäht hätte, weil die beiden ihn schon mehrfach dazu bringen wollten zu heiraten, er aber ihrem Wunsch nicht folgen wollte. In dieser Zeit sind nun seine Eltern zum Luftwechsel im Sommer nach Alexandria gefahren.…
Wenn sie wieder zurückkommen, wird Abang – so Gott will – sich zwingen, ihnen seinen Wunsch mitzuteilen. Allerdings weiß man ja auch noch nicht, ob die Eltern seiner Nyawa bereit sind, ihn als Tuans Diener und Gefährten zu akzeptieren.“
Während Shafik Efendi dies sagte, fiel Faridah Hanom ein, dass ihre Eltern sie gerne mit ihrem Cousin Badruddin verheiraten wollten. Deshalb war sie innerlich etwas erregt, als sie hörte, dass Shafik Efendi nicht vorhatte, seinen Eltern seinen Heiratswunsch bald mitzuteilen, noch bevor ihre Eltern sie mit Badruddin Efendi vermählen würden. Ja, sie war sehr betrübt und musste weinen. Mit ihren Tränen durchnässte sie die Brust Shafik Efendis, so dass eine innige Verbindung zu seinem Körper entstand. Shafik Efendi empfand großes Mitleid mit Faridah Hanom. Er dachte, sie würde nur wegen seiner Worte weinen, richtete sich auf, legte seinen Arm um ihren Hals, küsste ihre Stirn, sprach einige süße Worte und wischte ihre Tränen ab. Faridah Hanom war es peinlich, dass ihr Geliebter sie so weinen sah. Rasch stand sie auf, ging in das Nebenzimmer, warf sich auf die Liege und schluchzte heftig über ihr trauriges Schicksal: Ihre Eltern hatten etwas anderes vor als das, was sie sich wünschte, und ihr Geliebter zeigte ein Verhalten, das die Absicht erkennen ließ, sich für einen anderen Menschen freizumachen, denn er zögerte es hinaus, seine Eltern zu informieren, und versuchte seiner Geliebten weißzumachen, dass dies aus übermäßiger Schüchternheit geschähe. Deshalb dachte sie bei sich: „Besser, ich tue etwas, das ihn dazu bringt, dass er seine Eltern informiert, bevor meine Eltern Badruddin…
Efendi informieren.“ Dann stand Faridah Hanom von ihrer Liege auf, betrat das Badezimmer, wusch ihr Gesicht, brachte ihre Haare in Ordnung, trug Parfüm auf und ging wieder hinaus zu Shafik Efendi. Sie fand ihn an einem Tisch sitzend vor, auf dem Getränke und allerlei Früchte angerichtet waren. So setzte sie sich ihm gegenüber, trank und aß, was ihr zusagte und ließ sich von Aliah, der Amme Shafik Efendis, bedienen, die einige drollige Sinnsprüche und Gedichte rezitierte, die das Herz erfreuten. Faridah Hanom hatte durchaus Freude daran, Aliah zuzuhören, die so Drolliges zu erzählen wusste. So ging der Tag allmählich zur Neige, und Faridah Hanom warf ihrem Geliebten einen Blick zu, den dieser sogleich verstand. Rasch stand er auf, nahm Faridah Hanom bei der Hand und ging mit ihr ins Nebenzimmer, wo er sie bat, ihm Jacke und Hemd zuzuknöpfen, weil er seine Jacke wechseln wollte, die von den Tränen, die sie vergossen hatte, noch feucht war. Faridah Hanom ordnete die Kleidung ihres Geliebten, so wie es ihr gefiel, und knöpfte sie wieder zu, wobei Shafik Efendi allen ihren Wünschen folgte.
Nachdem Shafik Efendi sich angekleidet hatte, zog sich auch Faridah Hanom ihre Kleidung an und verabschiedete sich von Aliah. Dann gingen die beiden hinunter und stiegen in die Kutsche, um nach Hause zu fahren. Als sie in die Nähe ihres Hauses gelangt waren, stieg Shafik Efendi aus der Kutsche aus und wies seinen Kutscher an, seine Geliebte nach Hause zu bringen und dann zurückzukehren, um ihn wieder abzuholen.